[:de]1. Mammutmarsch-Trainingswanderung – Von Wildschweinen und der Polizei[:]

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carola keßler mammutmarsch training

In einer geistig umnachteten Stunde hatte ich mich für den Mammutmarsch angemeldet. Anders lässt es sich wohl nicht erklären, dass jemand freiwillig Geld bezahlt, um dann 100 km in 24 Stunden durch die Wälder Berlins zu hechten. Da das Unglück nun einmal geschehen war, dachten Tim (der zweite Geistig umnachtete) und ich, es wäre clever, den eigenen Körper schonend auf die kommende Tortur vorzubereiten. Ein Trainingsplan musste her. Das sagenumwobene Internet, in dem bekanntlich alles zu finden ist, gab aber leider wenig her. Und so begann ich zu stricken… einen eigenen, mir sinnvoll erscheinenden Plan.

Strecken wurden gesucht, Routen digital geschneidert, Zeiten geplant, Tage im Kalender gesucht. Und als das gute Stück fertig war, dachte ich: “Vielleicht gibt es noch jemanden, der so etwas braucht.” Schließlich erfreut sich der Mammutmarsch wachsender Beliebtheit.

Und tatsächlich gab es da jede Menge Gleichgesinnter, die mir viel Feedback für meine Routen entgegenbrachten. Als ich die Veranstaltung für die erste Trainingswanderung veröffentlichte, dachte ich an vielleicht zehn Nasen, die mich begleiten würden. Ich staunte nicht schlecht, als es immer mehr wurden. Und so trafen sich am 23. Januar 2016 etwa 35 Wanderwütige am S-Bhf Teltow Stadt zur 30 km-Wanderung entlang des Teltowkanals.

treffpunkt mammutmarsch training1

Über Nacht hatte der Winter noch einmal gezeigt, was er kann. Und auch am Morgen schneite es fröhlich weiter. Ein paar angemeldete Teilnehmer schrieben, sie würden es nicht pünktlich zu 10 Uhr schaffen. Leider las ich das erst, als sich unser gut gelaunter Trupp schon auf die Socken gemacht hatte. Da niemand zurückgelassen werden sollte, schickte ich Martin als Helferlein noch einmal zum Startpunkt, um die letzten einzufangen.

Der Mauerweg, auf den wir nach 1 km einbogen, bot ein wunderschönes winterliches Bild.

mauerweg mammutmarsch training1

Stets das aktuelle Wandertempo im Blick behaltend, um auch die geplante Zeit einzuhalten, lotste ich die Nachzügler per Telefon zum nächsten S-Bahnhof, der an unserer Route lag.

organisation mammutmarsch training1

Der Neuschnee sah nicht nur toll aus. Nein, er machte zum Glück auch den Weg entlang des Teltowkanals begehbar. Unter der dünnen Schneedecke war es glatt wie auf einer Eisbahn, was ich leider zwei Wochen zuvor schon schmerzvoll erfahren durfte. Vorsicht war auf jeden Fall geboten, denn rutschig war es an einigen Stellen trotzdem.

mauerweg2 mammutmarsch training1

Unser Spitzentrupp war zumindest auf den ersten Kilometern noch nah an der Gruppe dran. Uwe’s Schäferhündin war das Tempo aber auf Dauer zu langsam (Uwe selbst natürlich auch). Und so sollte dies das letzte Bild sein, auf dem ich die vier Vorderen noch einmal von vorne gesehen habe.

Kurz vor der Berliner Grenze rannte auf einmal etwas direkt auf uns zu. Etwas dunkles, großes. Ein Hund, dachte ich erst. Je näher es kam, desto borstiger wurde das Getier. Wildschwein! Am hellichten Tag! Keine zwei Meter von mir entfernt verfing es sich kurz in einem Zaun, konnte sich aber befreien und entwischen. Es muss wohl geahnt haben, dass mir spontan leckere Wildrezepte im Kopf herum schwirrten.

Wildschwein mammutmarsch training1

Weiter ging es mit munterer Stimmung immer entlang des Teltowkanals, der sich vom namensgebenden Teltow im Westen bis nach Köpenick im Osten zieht. Die schweren Schiffe wurden damals mit Treidellokomotiven durch den Kanal gezogen. Einige Relikte der Bahnen gibt es noch heute. Wer mehr über die Geschichte lesen möchte, sei die Wikipedia-Seite empfohlen.

tim mammutmarsch training1

Ich schwatzte während die ersten Kilometer vorbeiflogen immer mal mit jemand anderem. Wo sie herkamen, ob sie auch für den Mammutmarsch trainierten, ob sie so etwas schon häufiger gemacht hatten. Mit Katharina unterhielt ich mich viel und lange. Mein Wettkampfplan hatte sie neugierig gemacht und auf ein paar schöne Ideen jenseits der Berliner Läufe gebracht. Für die Wanderung hatte sie selbst gezauberte Energiebällchen dabei, von denen ich eine kleine Packung exklusiv als Dank für die Organsation bekam. Zwei Sorten waren drin: mit Feigen (oder waren es doch Datteln?) und mit Cranberries. Lecker! Luftig! Danke 🙂

Energiebällchen mammutmarsch training1

Andere dagegen löffelten ihre Suppe selbst aus. Zumindest dachte ich das beim ersten kurzen Blick nach rechts. In Wirklichkeit hatte Godrow eine Art Salat in seiner Schüssel. Bei der nächsten Wanderung muss ich mir unbedingt näher anschauen, was jeder so zur Verpflegung dabei hat.

suppe mammutmarsch training1

Nach etwa 13 Kilometern erreichten wir den Tempelhofer Hafen. Hier hatte ich eine kleine Pause angedacht. Es war drinnen warm, Sitzplätze waren vorhanden und auch genügend Auswahl fürs leibliche Wohl. Fast alle Frauen traf ich auf der Toilette wieder. Na klar, muss ja auch mal sein. Und frau hat im Winter nun wirklich nicht soviel Lust, sich im Freien komplett auszupellen. Apropos Pelle: die war bei mir nass. So richtig! Ich hatte ja in der letzten Woche bei der Berliner Polarnacht schon geschwitzt wie ein Tier. Lernfähig war ich offensichtlich nicht. Und ich hatte auch nichts zum Wechseln dabei, ich Trottel. Also musste ich mit den nassen Klamotten leben.

tempelhofer hafen mammutmarsch training1

Um 13 Uhr (wir lagen ja sowas von gut in der Zeit) brach unser Trupp wieder auf. Natürlich nahm ich liebend gern den Wunsch nach einem Gruppenfoto auf und so entstand unser 1a-Werbefoto für den Outdoorbereich von C&A.

pause mammutmarsch training1

Ab hier begann für einige Kilometer der “Stadtabschnitt” der Strecke, der leider nicht direkt am Kanal entlang führte. Ein wenig verwundert wurde unser Aufmarsch von einigen Städtern schon betrachtet. Wir nahmen das gelassen und jeden Kommentar mit einem Scherz auf. Und nur ganz selten verursachten wir einen kleinen Verkehrsstau. Da mussten die Autofahrer in ihren warmen Gefährten einfach mal durch.

stau mammutmarsch training1

In Britz trafen wir wieder auf den Teltowkanal, der uns auch bis fast zum Ende begleiten sollte. Ein Fußweg von ca. 5 Metern führte hier am ehemaligen Spaßbad Berlins, dem BLUB! vorbei, dessen traurige Überreste seit Jahren verfallen und zunehmend zerstört und geplündert werden.

panorama_klein

Ich wanderte so glücklich in der Gruppe vor mich hin, als ein paar weiter vorne stehen blieben und zur Seite traten. Zunächst dachte ich, sie wollten auf den Rest warten oder den Weg wissen. Stattdessen hörte ich nur: “Polizei! Macht mal Platz.” Tatsächlich fuhr da ein Polizeiauto hinter unserer Gruppe hinterher, machte aber auch keine Anstalten, vorbei zu wollen.

polizei mammutmarsch training1

Hätte ich mich nicht einen Tag vorher mit den deutschen Gesetzen zum Versammlungsrecht auseinander gesetzt, hätte ich mir wahrscheinlich gar keine Gedanken gemacht. In diesem Moment wurde mir aber auf einmal ganz heiß. Angesichts der doch recht großen Anzahl an angemeldeten Facebookern hatte ich mal nachgelesen, ab wann man eigentlich als Versammlung angesehen wird. Da heißt es doch beim deutschen Gesetzgeber: … wenn sich mehrere Personen unter freiem Himmel zur selben Zweckverfolgung treffen… dann muss ein entsprechender Antrag ausgefüllt werden. Und zwar BEVOR die Veranstaltung überhaupt angekündigt wird. Ach was! Was in diesem Zusammenhang “mehrere Personen” sind, darüber gab es keine konkrete Auskunft. Ein paar Rechtsverdreher meinten, es sei schon eine Anzahl von 2-7 Leuten ausreichend. Also, ihr Lieben, wenn ihr das nächste Mal zu viert auf den Weihnachtsmarkt unter freiem Himmel wollt, meldet das mal lieber an 🙂

Jedenfalls schlich der Wagen weiter hinter uns her. Auf einmal hörte ich auch noch die Durchsage “Immer schön einen Schritt vor den anderen setzen”. Was denken die nur, was wir hier tun? Kurz bevor ich mich schon im Schnee verbuddeln wollte, bekam ich dann mit, dass die Polizisten anscheinend jemand am Ende der Gruppe kannten. Uff! Nochmal knapp einer Verhaftung wegen unerlaubter Demonstration entgangen.

ostkrone mammutmarsch training1

Das lange gerade Stück entlang der Autobahn, die sogenannte Ostkrone, zog sich für einige wie Kaugummi. Für mich war die Strecke ok, aber ich wusste auch, wie lang sie war. Im Sommer kann man hier wunderbar Inlineskaten, Laufen oder Radfahren. Da kommt einem der Abschnitt natürlich nicht so lang vor. Unter den Brücken war es zudem noch spiegelglatt, so dass einfach noch einmal eine kurze spontane Pause nach 22 km nötig und sinnvoll war.

Massantebruecke mammutmarsch training1

Als wir gerade 25 km hinter  und folglich noch eine Stunde vor uns hatten, postete Uwe bereits ein Bild aus Grünau. Unglaublich! Aber ich denke, sein Tempo hätten nicht alle mitgemacht. Wir waren zwar länger unterwegs, dafür entspannter. Trotzdem: meinen Respekt für die Spitzentruppe!

die4vorderen mammutmarsch training1

Langsam merkte ich sowohl bei mir als auch bei einigen anderen, dass sie zu kämpfen hatten. Statt meiner Schienbeine taten mir diesmal die Oberschenkel weh. Und dass, obwohl die durch mein Lauftraining recht gut ausgeprägt sein sollten. Es waren aber auch nicht mehr viele Kilometer zu laufen. Die Rudower Höhe ließen wir links (naja, eigentlich rechts) liegen. Zu glatt war einfach der Weg und zu hoch das Risiko, dort oben auszurutschen. Damit waren auch alle einverstanden. Noch ein paar hundert Meter durch den kleinen Wald…

wald grünau mammutmarsch training1

 … und dann erblickten wir den erlösenden Schriftzug des S-Bahnhofs Grünau. Ein Siegerfoto für die tapferen Wanderer musste noch her. Stolz konnten wir alle sein, dass wir dem Wetter und Glatteis getrotzt hatten.

grünau mammutmarsch training1

So viele nette, großartige Menschen habe ich an dem Tag kennengelernt. Ich hoffe, viele von Euch sind bei den nächsten Terminen wieder mit dabei, damit wir weiter schwatzen und uns motivieren können. Ihr wart richtig toll! Der Mammutmarsch kann nur gut werden 🙂 Ich freu mich auf euch: am 06. Februar 2016 zur 2. Mammutmarsch-Trainingswanderung!

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12 Gedanken zu “[:de]1. Mammutmarsch-Trainingswanderung – Von Wildschweinen und der Polizei[:]

  1. Echt toll geschrieben. War eine schöne Wanderung. Jetzt weiß ich auch warum meine Hunde einmal so unruhig waren. Freue mich auf den Februar
    Karsten

  2. Vielen Dank für die durchdachte Streckenplanungen und den großartigen Bericht, der eindeutig Lust auf Wandern macht. Ich hoffe sehr, dass ich bei einer der nächsten Runden mit dabei sein kann.

  3. Mir hat es auch sehr viel Spaß gemacht. Toll finde ich, dass wir mehrere Jahreszeiten durchwandern werden. Die Winterwanderung hatten wir auf jeden Fall schon 🙂 Ich freue mich, wenn du wieder dabei sein kannst!

  4. Ach Du hast vom Schwein selbst gar nichts mitbekommen? Na ein Glück, dass Uwe so schnell die Kamera aufnahmebereit hatte 🙂 Und so merke ich, dass sich Berichte im Nachhinein lohnen!

  5. Hallo Caro, echt super. Ich bewundere all deine Aktivitäten und finde es toll, wie viele Leute du zu deinen Aktionen motivierst. Mach weiter so!

  6. Vielen lieben Dank für die Blumen, Torsten. Ich freue mich selbst wahrscheinlich am meisten darüber, wieviele Leutchen sich motivieren lassen. Es braucht ja auch immer jemanden, der mitzieht! Und das macht ihr. Toll!

  7. Hi Carola,

    wie immer schöne Berichte, aber leider konnte ich aus zeitlichen Gründen bisher an keinem einzigen teilnehmen.
    Aber wo ich gerade diesen hier gelesen habe bzgl. der Versammlungsfreiheit:
    Es bedarf bei einer Versammlung eines gemeinsamen Zweckes, das ist richtig. Steht ja so im Gesetz, aber das Bundesverfassungsgericht fordert hier einen Zweck, der auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung. (BVerfGE 104, 92 (104) = NJW 2002, 1031)
    Das trifft bei den Laufveranstaltungen eher nicht zu, weswegen so etwas nicht unter den Versammlungsbegriff fällt und somit nicht unter Artikel 8 GG oder das Versammlungsgesetz 🙂 Also keine Panik wegen einer Auflösung 😉

    Übrigens geht die herrschende Meinung schon bei zwei Personen von einer Versammlung aus 😉 eine andere Meinung fordert mindestens 3 Personen.

    Viele Grüße
    Matze

  8. Mensch, danke lieber Matze, für die Erleuchtung. Dann müssen wir uns ja keine Gedanken machen. Aber wir sind ja auch ein liebenswerter Haufen 🙂

  9. Aber gerne doch, liebe Carola 😉
    Nein, müssen wir in der Tat nicht, zumal wer sollte uns vom Laufen abhalten? 😉
    Das will ich hoffen, aber letztes Jahr habe ich nur nette Leute kennen gelernt…

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