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[:de]Dein Ostseeweg 2017 – Die Geschichte des Schlusslichts[:]

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erzählt und geschrieben von Ralf M.


Nach dem nun einige Zeit vergangen ist möchte ich auch noch kurz Resümee zum vergangenen 100km Marsch ziehen. Mein mittlerweile 9ter Marsch und der vierte in diesem Jahr. Dass es sich aber zu einem der für mich schönsten und emotionalsten Märsche entwickelte hatte, hätte ich im Vorfeld nicht erwartet. 

 

Die Geschichte des Schlusslichts

 

Eigentlich wollte ich den Marsch ja absagen. Körperliche und berufliche Grunde hatten mir eigentlich gesagt, mach dir ein ruhiges WE und leg mal die Füße hoch. Aber wen würde ich damit so kurzfristig alles enttäuschen?? Zimmer waren gebucht (in dem ich im Übrigen in zwei Nächten nicht ein einziges Mal im Bett lag) und Fahrstrecken abgesprochen. Von daher was soll‘s dacht ich mir: „ein Mann – ein Wort“ und rein ins Auto und ab nach Bad Doberan…

 


Die ersten 20-30 Kilometer verliefen wie immer. Viel Gequatsche, viel Gedrängel und man kommt mit dem ein oder andern ins Gespräch. Somit auch mit Robert aus Münster, einem ehemaligen Magdeburger (aber dazu später). Nachdem sich in den ersten 30 km die Gruppen gefunden oder durch Zufall zusammen gewürfelt hatten stand ich plötzlich mit Lea „alleine“ und „verlassen“ vom Rest des 30ig köpfigen „EarnYourBacon“ Teams auf weiter Flur. Kleinere Reste des Teams sahen wir vereinzelt höchstens bei den folgendenVerpflegungsstationen als sie meist schon im Begriff waren zu gehen. Der Rest war uns schon weit voraus.


 


Aber was soll’s, der Teamgedanke war geboren und reifte Stück für Stück und Kilometer für Kilometer weiter an. Ich legte dieses Mal eh keinen Wert auf Zeit oder sonstigeErrungenschaften. Eigentlich wollte ich es nur ganz in Ruhehinter mich bringen. Auch ein Abbruch wäre für mich mal egal gewesen. Kann man ja auch mal machen. Das Gefühl kannte ich ja eh noch nicht. Daher war es für mich irgendwann auch leicht mit Lea den Abbruch bei km 67 (nächster Verpflegungspunkt) zu beschließen. Sie hatte sich nämlich auf den ersten 25 km durch die falsche Schuhwahl eine Blase zugezogen und die Wechselschuhe die Ihr Freund dann brachte machten es zwar Besser aber die Titanic hatte eben ein Leck bekommen und musste zwangsläufig irgendwann unter gehen. Ab km 50 war es dann auch so weit. Wir begannen langsam, aber sicher zu sinken. Die Schmerzen bei Lea waren so groß, dass wir nur noch 3,5 km die Stunde schafften. Da half auch die beste Motivation nichts, wenn man erst bei der Hälfte der Strecke ist. Somit war ihr klar, dass sie den Marsch abbrechen müsste und ich fügte mich dem Schicksal unserer kleinen entstandenen Gruppe und beschloss für mich auch abzubrechen weil einfach nicht die richtige Lust da war um weiter zu machen. Aber Lea hatte biss und wollte sich wenigstens bis km 67 zum nächsten Verpflegungspunkt durch schlagen, um ihren bisherigen Rekord von 65 km um 2 km überbieten. So hätte sie wenigstens noch ein kleines Erfolgserlebnis gehabt. 

 

Die Nacht verging Stunde um Stunde, aber nicht die zurückgelegten Kilometer. Wir schlichen mehr durch den Wald und die Dörfer als wir liefen und wurden ständig von anderen Wanderern überholt. Mit Lampe auf dem Kopf, Musik in den Ohren ging es ohne viele Worte langsam durch die Nacht. Ab und an eine Aufmunterung, die den Schmerz für 10 Meter abklingen lies um nur kurz darauf umso stärker wieder zurück zu kommen. Es war eine deprimierende Zeit, weil wir wussten was auf uns zukam. Aber wenigstens gingdann endlich so langsam die Sonne auf. Gab neuen Mut, neue Kraft und neue Zuversicht. Und plötzlich traf uns ein Geistesblitz. Warum wir natürlich nicht schon früher drauf gekommen sind fragt bitte nicht, aber eine Kurve weiter auf freier Wildbahn (ok war Fahrradweg) saßen zwei Mädels die sich Ihre Füße neu abgeklebten und wir beschlossen uns das Dilemma bei Lea endlich einmal an zuschauen. Ein schöne prall gefüllte Blase im Durchmesser von 3 bis 4 cm zierte den Fuß oder besser den Hacken von Lea die Ihr die unsäglichen Schmerzen verursachte. Leider hatten die Mädels keine Nadel mehr und hatten auch nur Ihre Fingernägel benutzt, aber wir dachten uns der Nächste der bei uns vorbei kommt wird angeschnorrt. Und wirklich eine nette Dame (Sophia) gab uns Ihr Taschenmesser…

 

Alle Sanis bitte, die nächsten Sätze überlesen. 

 

Ruck zuck war die Schere aus dem Messer geklappt. Lea konnte es nicht, also hab ich kurz angesetzt und zwei Stiche später war das komplette Tempotaschentuch nass. Die Blase war erstmal Geschichte. Sie drücke das restliche Wasser aus den zwei offenen Hautschlitzen und sah plötzlich wieder schmerzbefreiter und glücklicher aus als noch vor 5 Minuten. 

 

Die 67 rückten also wieder in greifbare Nähe. Und es lief wirklich wieder besser. Beflügelnd war es auch das wir just in dem Moment von unseren drei letzten Damen uns unserer Gruppe eingeholt wurden und wir so das Abenteuer zu fünftweiter bestreiten konnten. Unsere Zeiten verbesserten sich tatsächlich wieder auf 11:30 je Kilometer. Tempo wie fast am Anfang. Wahnsinn.. Und die ersten Phantasien an die 74 wurden geboren und ich goss das zarte Pflänzchen „Ehrgeiz“Stück für Stück mit Motivation.  So erreichten wir erstmal die 67 mit fast schon guter Laune. Auch wenn wir das Tempo unserer drei dazugewonnenen Mitstreiter nicht ganz mehr halten konnten. 

 

Jetzt war erstmal Pause angesagt und die Freude über das Erreichen des Etappenzieles groß. Es wurde gefrühstückt und was Warmes getrunken. Gespräche mit anderen geführt,warum man sich zum Beispiel ein „L“ und ein “R“ auf den Fußrücken in einer thailändischen Opiumhöhle tätowieren lassen muss oder warum andere den guten Kaffee einfach umkippen müssen. Mit fortschreitender Zeit und sinnlosen aber coolen Gesprächen stieg nicht nur die Sonne immer höher am Himmel empor sondern auch unsere Zuversicht das nächste Etappenziel doch erreichen zu können. Kilometer 74…das wäre ein Traum den zu erreichen. Immerhin wären es dann schon fast 10 km mehr als Lea‘s bisheriger Rekord und somit eine zusätzliche Motivation es an zu gehen. 

 

Also weiter, immer weiter im fünfer Gespann entlang der Küste. Aber wir konnten das Tempo nach einigen Kilometern nicht mehr standhalten. Die Füße brannten einfach zu stark um wirklich noch Tempo auf die Streck zu bekommen. Erst 12:30 dann 13:00 Minuten pro Kilometer waren jetzt so die Regel und so schön die Sonne am Morgen auch sein kann umsoerdrückender ist Sie, wenn man an der vollen Strandpromenade von Kühlungsborn lang marschieren muss. Viele Menschen fragten sich was den das für Ausgestoßene sind. Menschen mit zerzausten Haaren, dreckig mit verkrampften Gesichtern und Rucksäcken passte irgendwie nicht ins Weltbild vieler Menschen zu einem so schönen und unbekümmerten Sonntagvormittag. Wir blickten in viele fragende aber doch immer freundliche Gesichter. Oder war es Mitleid? Wer weiß das schon und wen kümmert es nach über 70km. Und wenn von hier und da ein motivierender Zurufkam, wussten wir, DER weiß was wir hier machen und bedankten uns mit einem gequälten aber ehrlichem lächeln. Lea fing langsam wieder an stärker kämpfen zu müssen. Müdigkeit, Erschöpfung und die brennenden Füße forderten ihren Tribut und sie wollte nur noch zum Sani um sich irgendein Pflaster kleben zu lassen. Aber zwischen Konzertgarten Ost und Konzertgarten West liegen so viele verdammte Meter die sich wie Kaugummi am Schuh einfach nur ziehen und nicht enden wollen.   



Unsere drei schnelleren Damen erwischten wir bei der Ankunft am Verpflegungspunkt nur noch beim losgehen. Wir wünschten Ihnen viel Glück und drückten die Daumen, dass sie ihr Ziel die 24 Stunden noch erreichen würden, und machten uns (besser ich) erstmal über die Getränke her und ich versuchte die Jungs, die Papa zum freiwilligen Helfen mit eingespannt hat, für eines der nächsten Event zu begeistern 😉 Währenddessen stellte sich Lea den Sanis einmal persönlich vor und fluchte als Ihr Platz in der Schlange weg war, als sie nur mal „schnell“ auf Toilette geflitzt ist. Aber so ist das eben aber sie kam dann trotzdem noch dran. Der Sani fand es ganz lustig, dass sie sich alles mit Leukoplast abgeklebt hat. Ein Abreißen der alten Pflaster war somit nicht möglich ohne die Haupt der Blase mit runter zu ziehen. Also nur ein Druckpflaster rauf und das muss reichen für die folgenden härtesten 26 Kilometer ihres Lebens…

 

Kurz bevor wir den letzten Abschnitt in Angriff nahmen kam unser guter Jens um die Ecke. Er war also auch noch im Rennen. Warum auch nicht. Einer der bei anderen Veranstaltungen bei km 44 Ohnmächtig wird und dann trotzdem die 100 noch zu Ende läuft, schafft auch diesen Marsch hier. Da machte ich mir keine Sorgen. Aber er hatte wegen seinem Team auch auf Zeiten verzichtet und war jetzt nur noch alleine unterwegs und versuchte noch das Beste aus der Zeit raus zu holen was ging. Wir sind schon ein verrückter harter Haufen dachte ich mir so in dem Moment. Also durfteer schnell was trinken und dann hab ich ihn gleich wieder mit uns mitgenommen. Pausen werden ja eh überbewertet. 😀 Somit waren wir zu dritt und quälten uns gemeinsam über dasletzte Viertel des Weges. Entlang der vollen Straßen in Kühlungsborn, den Weg hinauf zum Leuchtturm in praller Sonne und dann langsam durch, die Gott sein Dank,entschärfte Kühlung. Der Wald spendete endlich Schatten aber der Himmel zog sich nun langsam zu. Lea wurde immer langsamer und weitere Tränen verschmierten irgendwelche Farben um Ihre Augen. Während ich immer wieder auf Lea wartete bis sie zu mir aufgeschlossen hat, Ihr Mut zu sprach und ihr den Rücken stärkte entfernte sich Jens langsam Meter um Meter weiter von uns. Er musste einfach sein Stil laufen um anzukommen und er konnte nicht langsamer werden was auch völlig verständlich war. Dennoch erwischten wir ihn hin und wieder als er Pause machte oder mit anderen am Straßenrand quatschte. Dies war dann auch der Moment, wo wir, zu dem Zeitpunkt noch in unbekannter Weise, auf Robert und Sophie stießen, die sich mit Jens unterhielten. Sophie völlig deprimierend auf der Straße saß und kein Spaß mehr verstand während die beiden Jungs sie versuchten aufzumuntern kamen meine blöden Witze nicht mehr so richtig an. 😀 

 

So waren wir wieder zu dritt. Lea, Jens und ich. Aber so langsam machte sich mein schlechtes Gewissen bemerkbar. Nahm bei jedem zurückblicken nach Lea immer mehr zu. So war ich im Inneren Zwiespalt mit mir selbst. Geplagt von der Mission sie zu motivieren den ersten 100ter Ihres Lebens zu finishen und dem gegenüber was ich ihr hier grad antue. Sie im wahrsten Sinne des Wortes kaputt zu spielen. Wenn ich oft in ihr schmerzverzerrtes Gesicht blickte und ab und an die Tränen sah hätte ich am liebsten den Sanis Bescheid gegeben die Sache abzubrechen. Aber ich weiß auch, dass die Erlösung nur eine kurze Zeit anhält bis dann für lange lange Zeit die Enttäuschung einsetzt an dem Punkt abgebrochen zu haben. Denn bei einem nächsten Versuch muss man ja auch erstmal die ganzen Strapazen auf sich nehmen, um genau zu diesem Punkt wieder zu kommen. Und besser wird es dann auch nicht. Nein, das sollte nicht passieren. Das was mich persönlich nur noch motivierte den Marsch zu machen durfte nicht so einfach Enden. Der Schmerz vergeht irgendwann und nur der Stolz bleibt und dieses Gefühl sollte auch sie erleben dürfen. Also schluckte ich meine Zweifel runter und betete, dass alles gut werden würde. Also weiter… Meine App meldete jeden zurück gelegten Kilometer und jedes Mal war es ein kurzer Moment des Triumphes wieder einen dieser unendlich langen Kilometer, oder waren es mittlerweile schon Meilen, geschafft zu haben. Die nächsten 100 Meter ging es dann immer mit leichterem Schritt voran bis die Schmerzen dieses kleine Glücksgefühl wieder verrinnen ließen und die App nach 16 Minuten den nächsten geschafften Kilometer meldete. Dennoch musste ich mir was überlegen. Irgendwann kam mir die blöde Idee, Lea zusammen mit Jens wenigstens ein Stück zu tragen. Dazu benötigte man nur einen stabilen Stock, der dann auch irgendwann gefunden wurde und promptprobierten wir es einfach aus. Jens links ich rechts und Lea durfte sich setzten und sich an unseren Schultern festhalten und somit wenigstens mal 50 Meter Ihre Füße ausruhen während wir immer weiter gingen. Und es hat ihr gut getan. Körperlich wie auch vor allem Mental. Zumindest war es mal eine Abwechslung zu dem stupiden starren Blicken nach unten. Und plötzlich während wir am tragen sind hüpfte Robert von hintern mit seine GOPro vorbei und filmte unsere Aktion Lea ein Stück zu transportieren. PS. Ich bin auf das Video gespannt. Aber es war nur ein einmaliger Versuch. Jens musste sein Tempo laufen und somit waren wir bis Kilometer 91 wieder alleine. Dicht gefolgt von Robert und Sophie die Stück für Stück aufholten und den netten Sani auf dem Motorrad der mittlerweile schon irgendwie zu unserem Team zu gehören schien. 

Am Verpflegungspunkt trafen wir dann wieder mir Robert und Sophie zusammen. Hier kamen wir auch das erste Mal richtig ins Gespräch nach dem wir von Team der Verpflegungsstation freudig empfangen wurden. Und verflixt noch eins, Zufall gibt es da wird der Hund in der Pfanne verrückt. Robert war der mit dem wir uns schon auf den ersten 10 km unterhalten hatten und Sophie war die nette Dame, die uns bei Kilometer55 Ihre Schere gegeben hat um die Blase aufzustechen zu können. Somit war gleich klar, dass wir die letzten 9 Kilometer versuchen würden zusammen durch zu ziehen, denn das konnte nun wirklich nicht mit rechten Dingen zu gehen und war ein gutes Omen für den Rest des Marsches. Und noch waren wir nicht letzter. Ein Mitstreiter war noch hinter uns auf dem Weg zur Verpflegungsstation bei Kilometer 91 obwohl sich Lea jetzt wünschte den letzten Platz belegen zu dürfen. 



Also kurz einige der letzten verbliebenen Schmalzstullen verputzt bevor es die Tiere im Zoo bekommen und noch die Grapefruit Limo ausgetrunken und ein Gruppenfoto gemacht. Der erste Kilometer lief auch noch recht gut. Aber Lea konnte dann einfach kaum noch. Schmerzen bei jedem Tritt. Meine App meldet mittlerweile 18+ Minuten pro Kilometer und so mussten wir Sophie ziehen lassen. Nur Robert sahen wir noch ab und an. Die Sanis waren nun unsere steten Begleiter. Fast nach jeden zweiten oder dritten Kilometer warteten Sie samtRTW und Krad auf uns und wollten wohl den letzten Umsatz an dem Tage noch irgendwie schaffen. Aber nichts da. Wir hatten eh alle unsere Krankenkarte nicht dabei 😉 Und Lea verneint trotz dem enormen Wunsch es endlich zu beenden jede Frage mit einem freundlichen „nein – ich gehe weiter“.Was mich sehr stolz auf Ihre Leistung und Ihre Einstellung machte. Immer wenn ich wieder ein paar Meter vor Ihr war und mich umdrehte um auf sie zu warten sah ich dieses körperlich gebrochene zarte Wesen. Etwas Schlagseite nach rechts hatte sie schon seit längerem. Zum Glück gaben Ihr die Stöcker halt sonst wäre sie mir bestimmt in den Graben gefallen. Die Beine und Arme wackelten bei jedem Schritt wieWackelpudding aus Omas Kühlschrank und oft floss eineTräne über die Wange und Ihr Gesicht war schmerzverzerrt wenn wieder ein Steinchen blöde da lag. Seufzer und Tränen waren die restlichen Kilometer immer mit von der Partie. Aber ich konnte ihr dennoch immer und immer wieder ein kleines Lächeln entlocken und ihr die Vision von ihrem ersten geschafften 100ter weiter und weiter in den Kopf meißeln.

 

Zum Glück erreichte uns Ihr Freund bei Kilometer 95 um moralische Unterstützung zu geben. Und Gott sei Dank, weil mir sind so langsam sämtliche Argumente ausgegangen und mein schlechtes Gewissen brachte meine Motivationsversuche nicht mehr wirklich ehrlich rüber und quälte mich zudem enorm. Daher war ich über die moralische Unterstützung sehr dankbar und konnte mir mal eine kleine Auszeit nehmen und den Sanis noch mal zeigen, dass man auch nach 95+ Kilometern noch ganz gut joggen kann. Ich hoffe das Video dazu ist was geworden Robert….

 

Auf den letzten Kilometern waren wir dann aber wieder allein. Ich fasste neuen Mut und spornte Lea immer wieder an weiter zu gehen und nicht aufzugeben. Malte ihr Bilder in Kopf wie erleichtert sie gleich sein würde 100 Kilometer geschafft zu haben. Wie sie ihrem Freund gleich in die Arme fallen kann und alle angestauten Emotionen freien Lauf lassen kann. Ich erzählte ihr wie es sich anfühlt wenn man sich 100km durchdie Hölle gekämpft hat und dann das Ziel überschreitet. Der Stolz über seine Leistung der in einem wächst und sich einbrennt wie das Brandmahl auf einem Stier. Das wir zwar alleine jetzt unterwegs waren, aber das das ganze „EarnYourBacon“ Team in Gedanken grad bei ihr ist und sie anfeuert und wir sie in den Club der Hunderter gleich aufnehmen können. Sie biss die Zähne zusammen. Mir tat es auch schon leid ihr immer wieder zu sagen, da müssen wir hin, nur noch zwei Kilometer. Gleich ist der Wald zu Ende. Schau mal da rechts die Häuser. Das ist Bad Doberan. Wir sind da. Nur noch paar Meter durch die Straßen. Jetzt nur noch bis zu der Ecke und die nächste Querstraße dann ist die Sporthalle da.

 

Allein der enorm erleichternde Blick, die Freude in Ihrem Gesicht und der Stolz der in ihr hoch kam als wir zusammen das Ziel überschritten war es wert den Marsch bis zum Ende durch zu ziehen. Sie war die Nummer 201. Der letzte Finisherdes Ostseeweges 2017. Es war Ihr erster 100ter und Ihr dritter Anlauf. Dafür gebührt Ihr mein ganzer Respekt es trotz aller Umstände durchgezogen zu haben. Ohne die überwältigenden Leistungen aller anderen Fininsher in den Schatten zu stellen,finde ich hast du Lea an diesem Tage die Urkunde am Meisten von allen VERDIENT. Soviel Kämpferherz, Ehrgeiz und Entschlossenheit bringt nicht jeder auf. Ich hoffe die Erfahrung wird dich ein Leben lang begleiten (sag nur Enkelkinder und Kaminfeuer 😉 )

Daher ziehe ich den Hut vor dir und heiße dich hiermit noch einmal herzlich Willkommen im Club der HUNDERTER…


 

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[:de]Horizontale um Jena – 2x 100 km in 2 Wochen? Eine dumme Idee![:]

[:de]erzählt von Sebastian S.


Zwei Wochen ist es erst her, dass ich 100km beim Mammutmarsch in Berlin gelaufen bin und jetzt stehe ich schon wieder bei der Horizontale in Jena am Start. Wie kann man so verrückt sein? Eine Frage, die nicht nur meine Freunde mir gestellt haben, sondern auch ich mir selbst immer wieder stelle. Eine erste Antwort ist sehr leicht: Ich habe beim Buchen der Veranstaltung nicht nachgedacht und bin “mausgerutscht”. Eine andere Antwort auf die Frage nach dem Warum, suche ich selbst noch immer…

Da ich mir diese Frage selbst nicht so richtig beantworten kann, bin ich den Abend vor der Horizontale auch nicht wirklich motiviert und kann mir kaum vorstellen die 100km zu schaffen. Daher sitze ich den Abend lange mit Freunden bei Bier zusammen und schmeiße kurz bevor ich schlafen gehe noch schnell alles in den Rucksack. Um 10 Uhr am Freitagmorgen geht es los. Glücklicherweise muss ich selbst nicht Autofahren, sondern kann mich auf der Rückbank von Santoshs Auto noch etwas ausruhen und nach Jena fahren lassen. Dort angekommen laden wir unser Gepäck in der Unterkunft, ziehen uns um und gehen noch was leckeres Essen, um uns für die kommenden Stunden zu stärken.

Gegen 16 Uhr finden wir uns dann am Sportplatz, dem Startpunkt des Marsches, ein. Dort treffen wir auch die anderen EarnYourBacons. 13 Bacons haben es gewagt hier an den Start zu gehen. In dieser netten Gruppe bin ich nicht der Einzige, der verrückt genug ist zwei Wochen nach dem Mammutmarsch sich erneut dieser Herausforderung zu stellen. Nach dem Abholen der Startunterlagen haben wir noch knapp zwei Stunden bis zum Startschuss. Besorgt beobachte ich die dunklen Wolken am Himmel. Laut Wetterbericht soll es ab 21 Uhr gewittern aber immerhin soll es dann ab Mitternacht  sternenklar werden.

Kurz vor 18 Uhr sammeln sich alle 1000 Läufer im Startbereich. Laut wird von zehn herunter gezählt, dann geht es unter lautem Jubel los. Unter den 1000 Menschen verliere ich einige unserer Gruppe schnell aus den Augen. Die Masse schlängelt sich gezielt in Richtung des ersten Berges. Die erste Steigung streckt sich über einen langen Abschnitt und es macht nicht den Anschein als ob die 2300 Höhenmeter schwer zu überwinde sein könnten. Noch sind alle gut gelaunt und machen Witze. Nach 5 Kilometern biegen wir auf den Rundkurs ab. Hier staut es sich, denn der Weg wird einspurig. Wir befinden uns nun auf einem Abschnitt wie wir ihn noch häufiger in den nächsten 19 Stunden erleben werden. Rechts von uns die Felswand, links geht es steil bergab. Man hat einen schönen Ausblick über das Tal und Jena. Der Weg ist so schmal, so dass überholen nicht möglich ist. So bewegen wir uns in einer ewig langen Schlange am Berg entlang. Es sieht aus als würden wir eine Menschenkette um Jena bilden.

Als wir wieder auf einen breiteren Weg treffen, fängt es langsam an zu tröpfeln. Die ersten kramen hastig ihre Regenkleidung aus den Rucksäcken, während ich noch hoffe, dass der Regen schnell über uns hinweg zieht und wir von schlimmerem verschont bleiben. Es kommt allerdings wie es kommen muss und wie es schon vom Wetterbericht angekündigt wurde; es beginnt zu schütten. Nur in einem hat der Wetterbericht zu unserem Glück Unrecht: es gewittert nicht. Noch sind wir etwas von Bäumen geschützt und bekommen damit nicht die volle Ladung des Unwetters ab, doch bald führt uns der Weg aus dem Wald auf die offene Weide. Spätestens hier werden wir richtig nass.

Als uns der Weg wieder in einen Vorort von Jena hinein führt, erreichen wir den ersten Versorgungspunkt. Da es noch immer stark regnet und es keinen Unterstand gibt, beschließen wir uns die Beutel mit der Verpflegung mitzunehmen und direkt weiter zu laufen. Unter einem kleinen Vordach lesen wir Raimo auf und beschließen mit ihm zusammen weiter zu gehen. Beim Loslaufen kommen auch Gritta und Dirk dazu. So ziehen wir zusammen in der Dämmerung durch den Regen.

In der Dunkelheit wird es langsam schwer zu erkennen wo eine Wurzel oder eine Pfütze den Weg versperrt. In dem Regen habe ich allerdings noch keine Lust in meinem Rucksack nach der Kopflampe zu suchen und vertraue weiterhin auf die Lichter der anderen. Bald geht es jedoch wieder steil bergab, auf einem sehr schmalen verwurzelten Weg, auf dem es ohne Licht doch zu gefährlich wird, so komme ich nicht darum herum meine Kopflampe herauszuholen. Unten in Jena angekommen geht es direkt wieder in Richtung des nächsten Hügels. Langsam wird das Prinzip klar: wenn du einen Weg siehst der nach oben führt, musst du mit Sicherheit diesem folgen. Dieses Konzept kennen wir ja zum Glück schon von allen EarnYourBacon-Wanderungen.

In der Dunkelheit fällt es uns zunehmend schwer, die Wegmarkierung zu finden und leider ist der digitale Track nur zur groben Orientierung gedacht und nicht zur Navigation, wodurch wir an jeder Kreuzung etwas länger brauchen, um den richtigen Weg zu finden. An einigen Stellen sind sich die Teilnehmer untereinander auch nicht einig. Die einen gehen den einen, die anderen den anderen Weg. Erfreulicherweise treffen wir in der Dunkelheit auf Maria, die aus Jena kommt und die Horizontale schon mehrfach gelaufen ist und daher selbst in der Dunkelheit den Weg kennt und uns so zumindest bis zum nächsten Verpflegungspunkt leiten kann. Hier trennen uns jedoch unsere Wege wieder, denn wir möchten im Gegensatz zu ihr, doch wenigstens kurz Pause machen und einen Kaffee trinken.

Da wir zum Verpflegungspunkt ins Tal gestiegen sind, heißt es nun nach der Pause selbstverständlich wieder den nächsten Berg zu erklimmen. Der Weg nennt sich Schweizerhöhenweg, der Name ist Programm. Da wir nun wieder ohne Ortskündigen unterwegs sind, kommt es wie es kommen muss. In der Dunkelheit sehen wir die Wegmarkierung nicht und laufen prompt an der Abzweigung vorbei und schnurstracks auf falschem Wege tief in den Wald hinein. Erst einige 100m später fällt uns der Fehler auf und zwingt uns zum umkehren. Als wir uns wieder auf dem richtigen Weg befinden, folgt uns eine Gruppe, die offensichtlich besser im Navigieren der Strecke ist als wir. Netterweise rufen sie uns an jeder Gabelung zu, in welche Richtung der Weg führt. Ohne diese Hilfe wären wir in dieser Nacht vermutlich noch einige Kilometer durch den Wald geirrt.

Die Nacht überstanden

Bei Sonnenaufgang haben wir dann endlich über die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht. Die aufgehende Sonne spendet uns nun auch wieder neue Energie. So viel Energie, dass wir anfangen zu joggen. Etwas verrückt muss es jedoch ausgesehen haben wie wir den Berg hinunter gelaufen sind, denn Sascha, Dirk, Gritta und ich hatten uns unter den Armen eingehakt und rannten so in einer Reihe an allen vorbei. Erst als wir am Fuße des Berges ankamen, wanderten wir wieder normal weiter. Durch die plötzliche Energie und das gemeinsame Joggen war ich wieder super gut gelaunt und merkte gar nicht wie die nächsten Kilometer davon zogen. Schneller als gedacht erreichten wir den nächsten Verpflegungspunkt bei Kilometer 65. Zu unserer Freude gab es hier Waffeln zum Frühstück 🙂 Auf einem Schild hieß es: “Noch keiner hat 100km ohne Waffeln geschafft”. Im Umkehrschluss heißt dass, mit den Waffeln im Magen kann uns jetzt nichts mehr stoppen.

Gritta jedenfalls war nach der Pause definitiv nicht mehr zu stoppen. Sie rannte vor uns weg und war für die nächsten Stunden nicht mehr zu sehen. Ich merkte nach dieser Pause die Nachwirkungen des Mammutmarsches. Meine Füße taten jetzt schon gut weh. Somit brauchte ich etwas Zeit, um wieder in Schwung zu kommen. Aus Erfahrung wusste ich zum Glück, dass es nur die ersten Minuten nach einer Pause richtig schlimm ist und es wenn man in Bewegung bleibt, wieder besser wird. So war es auch und somit ging es auf die letzten 35 Kilometer.

Mich erreichte nun eine nette Nachricht mit motivierenden Worten und lieben Grüßen an alle in der Gruppe von Bob (einem weiteren Mitglied unserer EarnYourBacon-Gruppe). Ursprünglich wollte er auch mitlaufen oder zumindest uns das letzte Stück begleiten. Nun war er jedoch schon wieder auf dem Weg Richtung Berlin und wollte uns aus der Ferne für das letzte Stück motivieren. Keine zwei Stunden später kam noch eine Nachricht von ihm, er ist jetzt doch noch mal umgedreht und war auf dem Weg zu uns. Er würde uns auf dem letzten Abschnitt abfangen und mit Essen/Trinken nach unseren Wünschen versorgen.

Es lagen nun nur noch 10 Kilometer vor uns und laut Höhenprofil nur noch ein steiler Anstieg. Kurz vor dem Anstieg kamen uns schon die ersten Läufer der 35 Kilometer Wanderung, welche am Morgen gestartet war, entgegen. Zunächst war das sehr motivierend, denn damit war klar, dass das Ziel nicht mehr weit entfernt sein kann. Je mehr es wurden, desto nerviger wurde es jedoch. Zwar grüßten einige nett und versuchten uns mit Worten zu motivieren, die meisten jedoch standen blöd im Weg herum. Der Weg war nun wieder zu einem einspurigen Pfad geworden, der so eng war, dass überholen kaum möglich war, aneinander vorbei war in der Konsequenz ebenso schwierig. Wenn die ausgeschlafenen und noch frischen 35-Kilometer-Wanderer einem dann auch nicht den Weg frei machen, wird das eh schon anstrengende Wandern sehr nervtötend. Die entgegenkommenden Wanderer wurden immer mehr, der nächste Versorgungspunkt wollte jedoch ewig nicht erscheinen.

Nach einer weiteren Kurve war es dann endlich so weit, nur noch die letzten 100m steil bergauf, dann war der Versorgungspunkt erreicht. Die Pause wollten wir noch kürzer gestallten als alle vorher, damit es nicht wieder so lange braucht um in Bewegung zu kommen und schließlich waren es nun „nur noch“ 13 Kilometer. Also schnell die Cola getrunken, noch eine Scheibe Brot auf die Hand genommen und weiter ging es. Keine fünf Minuten später trafen wir dann auf Bob, der eine große Kühltüte mit kalten Getränken für uns dabei hatte. Lange Zeit zum Pause machen und uns unterhalten hatten wir leider an dieser Stelle nicht, denn wir blockierten so den schmalen Weg. Also blieb uns nichts weiter, als das auf später im Ziel zu verlegen. Mit einem schönen kalten Bier ging es somit für uns weiter. Es gab zu dem Zeitpunkt nichts schöneres als dieses kühle Bier. Die Schmerzen waren erst mal betäubt und so ging es mit neuer Energie in den letzten Abschnitt. Leider hielt das nicht länger als 5 Kilometer an, dann kamen die Schmerzen wieder zurück und waren gefühlt doppelt so schlimm wie vorher.

Dass die letzten Kilometer eines 100er schlimm sein werden, war mir bekannt, aber hier fand ich es besonders schlimm. Meine Geschwindigkeit ließ immer weiter nach und so wurde meine Entfernung zu Sascha und Dirk immer größer. Von Gritta hatten wir uns schon verabschiedet, sie wollte die letzten Kilometer noch mal Joggen und uns im Ziel empfangen. Irgendwann hatte ich Sascha und Dirk komplett aus den Augen verloren. Der nächste Berg kam mir daher ganz gelegen.

Ich sammelte meine letzte Energie, um den anderen hinterher zu rennen. Am Fuße des Berges war noch eine Getränkestation aufgebaut, hier traf ich wieder auf die beiden, um von hier aus gemeinsam das Ziel zu erreichen. Die Strecke, auf der wir nun liefen, waren wir am Vorabend schon entgegengesetzt gelaufen und hatten noch darüber gespaßt wie es sein wird, 24 Stunden später wieder hier entlang zu kommen. Zum Spaßen war mir zu dem Zeitpunkt allerdings nicht mehr, aber es war gut zu wissen, dass es gleich vorbei sein wird. Noch wenige Meter dann war es geschafft.

Nach unglaublichen 19 Stunden und 22 Minuten erreichten wir endlich das langersehnte Ziel, an dem Gritta schon auf uns wartete. Sie hatte es halb joggend, halb wandernd geschafft, in 18 Stunden und 57 Minuten die Ziellinie zu überqueren und dass obwohl sie spontan mitgekommen war und eigentlich nur maximal bis zum zweiten Verpflegungspunkt mitkommen wollte. Wahnsinn!! Endlich konnten wir uns entspannt mit einem Bierchen hinsetzen und auf die restlichen Bacons warten. Gegen 17 Uhr kam dann unter tobenden Applaus der barfüßige Santosh ins Ziel. Damit hatte es der letzte unserer Gruppe es auch erfolgreich geschafft. Von dem Team aus 13 Startern waren insgesamt 11 im Ziel angekommen, damit waren wir das größte erfolgreiche Team auf der Horizontale!

Und danach?

Das Fazit aller war: „Das war der härteste 100er den wir je gelaufen sind! Ein Mal und nie wieder!“ Der erste Satz mag vielleicht noch stimmen, beim zweiten bin ich mir im Nachhinein nicht sicher. Die Strecke war mit Sicherheit nicht einfach aber so schön dass ich es mir durchaus vorstellen kann im nächsten Jahr zu wiederholen.
Zum Abschluss bleibt mir nur eines zu sagen: Danke Bob! Und danke allen die mitgelaufen sind oder aus nah und fern unterstützt haben!

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[:de]Mammutmarsch 2017 – Alle guten Dinge sind drei![:]

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erzählt von Sebastian S.


Vor drei Jahren bin ich zum ersten Mal beim Mammutmarsch an den Start gegangen. Damals musste ich nach 50 km aufgeben. Damit hat mich der Ehrgeiz gepackt. Das muss doch zu schaffen sein… letztes Jahr kam dann die Enttäuschung. Der Marsch wurde abgebrochen, da war ich gerade mal bei km 59. Zum Glück fand sich eine kleine sehr nette Gruppe, die den Abbruch nicht auf sich sitzen lassen konnte, wodurch die 100km doch noch erreicht werden konnten. Doch bei aller Freude, die 100 km geschafft zu haben, war ich doch nicht richtig glücklich. Offiziell hatte  ich das Ziel nicht erreicht. Somit war sofort klar: 2017 wird der Mammutmarsch auf jeden Fall bezwungen.

Die Vorbereitungen dafür starteten dieses Jahr schon sehr früh. Schon im Januar bezwang ich bei der “Polarnacht” die ersten 50km. Ab da ging es über die nächsten Monate konstant weiter. Allerdings fragte ich mich jeden frühen Samstagmorgen, den ich mich zum Training aus dem Bett quälte, wofür ich das eigentlich gerade mache. Um es mir zu beweisen? Nein, das habe ich schon geschafft! Für die Urkunde, die irgendwo verstaubt? Definitiv nicht! So kam ich mit Nina und Joel darauf, das ganze einem anderen Zweck zu widmen. Denn es ist ein enormes Privileg, sich freiwillig dafür entscheiden zu können, einfach mal aus Spaß an einem Wochenende zu versuchen, 100km zu Fuß zu gehen. Viele würden alles dafür geben. Man kann zwar mit Geld nicht direkt die Welt retten, aber man kann die wichtige humanitäre Arbeit von NGO´s unterstützen. So entstand dann recht schnell der Gedanke, den Marsch zu einem Spendenlauf zu gestalten und damit die Arbeit von “Ärzte ohne Grenzen” zu unterstützen. Einen Monat vor dem Mammutmarsch war es dann so weit, das Training war erfolgreich abgeschlossen (sogar mit dem “Turmdiplom” zertifiziert) und die Spendenaktion lief erfolgreich an.

Am 27.05.2017 kam dann der große Tag. Am Abend vorher entstand auch bei mir langsam Aufregung, Vorfreude und eine gewisse Angst vor der langen Strecke an einem der heißesten Wochenenden des Jahres. Mit einem mal wieder viel zu schweren Rucksack, ging es mit Joel zusammen los Richtung Erkner. Ein kurzer Zwischenstopp musste noch an der Seestraße gemacht werden, um noch Kumpir essen zu können und gestärkt starten zu können. In der glühenden Hitze ging es mit der Bahn nach Erkner. Dort saß schon ein Teil unserer “EarnYourBacon”-Gruppe. Wir meldeten uns an und holten unser T-Shirt ab. Als kleine Überraschung für die TeilnehmerInnen des letzten Jahres gab es zusätzlich einen “returning hero” Mammutmarsch Sportbeutel, inklusiver Getränkemarken für Kaffee an den Versorgungspunketen. Jetzt stand nur noch das obligatorische Gruppenfoto an, dann kann es los gehen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Nach einer kurzen Ansprache vom Veranstalter, in der er unsere Gruppe als Ehrengäste erwähnte, ging es dann tatsächlich um 16:15 Uhr endlich los. Am Start liefen so viele Menschen durcheinander, dass es schwierig war sich nicht zu verlieren. Die ersten 16 km vergingen wie im Fluge. Am Strandbad Müggelsee war der erste Versorgungspunkt. Hier wurde aber nur kurz das Wasser aufgefüllt, eine Banane gegessen und das Klo aufgesucht und schon ging es weiter. Durch die kurze Pause gelang es uns, etwas aus dem Chaos von vielen Menschen heraus zu kommen. Da es nun schon 20 Uhr war und das DFB Pokalfinale parallel lief, suchten wir uns einen Radiosender, um es wenigstens akustisch miterleben zu können. So liefen wir die nächsten 90 Minuten und merkten gar nicht, wie die Kilometer flogen und wir uns nun zu viert (Joel, Sascha, Jan und ich) immer weiter von den anderen absetzten. Um uns herum nun kaum noch bekannte Gesichter. Mit der nun einbrechenden Dunkelheit wurde es dann doch allmählich kühler. In T-Shirt und kurzer Hose konnte es nicht mehr weiter gehen. So waren wir zu einer Umziehpause gezwungen. Sonst wären wir vermutlich durchgelaufen zum nächsten Versorgungspunkt bei Kilometer 44. Dort angekommen trafen wir dann doch einige bekannte Gesichter. Nach und nach wurden es immer mehr. Mir war allerdings um die Zeit nicht wirklich nach Essen und so wirklich schmecken wollte mir auch nichts. Ich versuchte so viel wie möglich in mich reinzustopfen, mein Körper würde es brauchen. Den anderen ging es ähnlich und so zog unsere vierer Truppe recht bald wieder weiter.

 

Es war nun spät in der Nacht, ich war durchaus schon etwas müde und nicht mehr für Kommunikation zu haben. Es war also die Zeit gekommen, Podcasts zu hören. So liefen wir recht stille weiter durch die dunklen Wälder und merkten nur daran, dass wir immer mehr Menschen überholten, dass unsere Laufgeschwindigkeit immer und immer schneller wurde. Gegen 4 Uhr hatten wir dann auch schon den nächsten Verpflegungspunkt bei Kilometer 59 erreicht. Hier gab es eine leckere Kartoffelsuppe und Kaffee und dann ging es auch direkt wieder weiter, denn für lange Pausen war es zu der Zeit zu kalt. Beim Loslaufen sagten wir uns noch, dass wir den nun kommenden Abschnitt etwas ruhiger angehen wollen. Doch kaum erblickten wir die ersten Sonnenstrahlen hatten wir dieses Vorhaben offensichtlich schon wieder vergessen.

So ging es schnellen Schrittes durch die Märkische-Schweiz, die sich vermutlich nur im flachen Brandenburg “Schweiz” nennen darf. Langsam machte sich die Geschwindigkeit bei Joel durch Kniebeschwerden bemerkbar. Zum Glück waren es nur noch wenige Kilometer zum nächsten Pausenpunkt (74km). Diesen erreichten wir auch noch vor 7 Uhr. Hier war zu unserem Glück Santosh als Helfer eingeteilt, denn der Rucksack war von Anfang an viel zu schwer und mit unnötigem Gepäck bestückt. Dies konnte ich nun alles endlich abladen. Kurz bevor wir weiter wollten kam, Steve angelaufen. Er hatte seine Gruppe zurück gelassen und wollte sich nun uns anschließen, in der Hoffnung in seiner Geschwindigkeit unterwegs zu sein (wer Steve kennt, weiß, dass niemand so schnell läuft wie er). Wir liefen also zunächst zu fünft weiter.

Die nächsten Kilometer waren die Hölle. Nicht wegen der zuvor gelaufenen Kilometer oder der Wegbeschaffenheit, sondern wegen der Millionen Mücken. Trotz aufkommender Hitze lief ich weiter in langärmliger Kleidung, Kapuze über den Kopf gezogen und wild mit den Armen wedelnd durch die wäldliche Moorlandschaft. Erst als es endgültig zu warm war und wir das Mückengebiet weit hinter uns gelassen hatten, traute ich mich in kurze Kleidung zu wechseln. Am besten hätte ich mich allerdings den Nudisten anschließen sollen, denn jetzt wo die Sonne richtig am Himmel stand wurde es enorm heiß. Zu unserem Pech war bei Kilometer 90 auch noch jeglicher Baum verschwunden.

Die nächsten Kilometer, gefühlt weitere 100, führten uns immer weiter gerade aus an der Hauptstraße entlang Richtung Gusow. Einen kleinen Lichtblick gab es noch mal bei 92km. Wir waren uns erst nicht sicher ob es eine Fatamorgana war oder ob wir wirklich in der Ferne eine Tankstelle erblickten. Zum Glück spielten unsere Sinne uns keinen Streich und wir wurden mit Eis beglückt. Gestärkt waren wir bereit für die letzten 8 Kilometer auf der “Straße der Hölle” wie sie so nett getauft wurde. Auf einem Straßenschild war das nächste Dorf in 4km angekündigt. Als wir dieses erreichten, durfte es nach meiner Rechnung nur noch 4km bis zum Ziel sein. Da sprach uns eine Frau vor ihrem Haus an, was denn die ganzen komischen Leute in ihrem Dorf wollten, als ich ihr sagte was wir hier suchten, versuchte sie uns zu motivieren mit den Worten “zum Bahnhof sind es nur noch 6km”, worauf ihre Freundin nett ergänzte “naja ein paar mehr sind das schon noch”.

Das Problem zeigte sich als ich auf mein Handy schaute und sah, dass die beiden recht haben sollten. Es waren nicht wie ich dachte nur noch 4km sondern doch noch über 6km, wie frustrierend… Naja es half ja alles nichts es musste weiter gehen. Die Schmerzen in den Füßen wurden zwar doch nun immer stärker, aber an aufgeben konnte ich sicherlich nicht denken. Es ging immer weiter geradeaus und das nächste Dorf wollte sich einfach nicht nähern. Ich beschloss, nicht mehr weiter auf mein Handy und die Navigation zu achten, sondern einfach nur noch zu laufen. Am Straßenrand standen nun immer wieder nette Menschen, die uns anfeuerten. Ein Pärchen, das am Vorabend auch zum Mammutmarsch angetreten war, aber aufgegeben hatte, fuhr mit seinem Auto immer ein Stück weiter voraus, um immer wieder anzufeuern. Das konnte die Schmerzen zwar nicht lindern, die Strecke verkürzen konnten sie leider auch nicht, aber die Motivation hoch halten und die Laune verbessern definitiv und dafür bin ich allen auf die letzten Kilometern dankbar! Ich wusste aus dem letzten Jahr, dass die letzten Kilometer sehr grauenvoll sein können und wie es ist, wenn man die 100km Marke erreicht hat, aber das Ziel noch weiter entfernt ist. Aber hatte das wohl etwas verdrängt.

Die Freude Gusow erreicht zu haben wurde schnell getrübt dadurch, dass das Ziel auch bei 100km noch einen Kilometer entfernt war. Nach jeder Kurve dachten wir, wir seien da und wurden enttäuscht. Irgendwann war es dann doch so weit. Wir bogen um die Ecke und da stand schon das Veranstalterteam und erwartete die Ankömmlinge lautstark! Nur noch wenige Meter zur offiziellen Ziellinie… Schnell die Konfettikanone aus dem Rucksack gekramt und dann zu viert unter Konfettiregen und Applaus der umstehenden Zuschauer die Ziellinie überqueren! Geschafft, 101 Kilometer in 21 Stunden!

Hinter dem Ziel warteten schon einige TeilnehmerInnen, unter ihnen auch Ingo und Steve. Beim Abholen der Urkunde erfuhren wir, dass bisher erst 32 Personen vor uns das Ziel erreicht hatten. Von 1250, die sich 2017 der Herausforderung gestellt haben, schafften es dieses Jahr 282 ins Ziel. Hinter dem Ziel saßen wir nun gemütlich im Schatten und warteten auf die nachfolgenden EarnYourBacons. Dank Santosh konnten wir die Wartezeit mit einem schönen Bierchen überbrücken. Im Laufe der nächsten Stunde wuchs unsere Gruppe immer weiter an, unsere Vorbereitung zeigte großen Erfolg! Nach ein paar Minuten des Ausruhens ging es mir auch schon wieder viel besser und Laufen ging auch wieder ganz gut aber ich sagte mir: Das war’s, nie wieder! Jetzt ist fast eine Woche vergangen und ich freue mich schon auf die 100km auf der Horizontalen rund um Jena am 09. Juni 2017.[:]

[:de]Eine kurze Geschichte des Mammutmarschs 2017[:]

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erzählt von Martin R.


 

Langsam wird es wieder hell. Zu dem dumpfen Pochen meiner Füße und den brennenden Fußsohlen gesellt sich sukzessive ein leichtes Stechen im linken Knie. Das ist mein mit mir selbst vereinbartes Signal, dass ich an der Grenze dessen angekommen bin, was ich meinem Körper zumuten will. Noch eine knappe Stunde bis zum Streckenposten bei KM 59. Ich schaue nach oben in den dämmrigen Himmel, dann zu Lukas und Daria, die sich neben mir wortlos Schritt für Schritt weiter kämpfen. Wie zum Geier bin ich hier gelandet…

Januar 2017. Ich sitze in der Uni, als mein Freund Lukas anruft. “Martin, läufst du mit mir den Mammutmarsch?” – “Bist du völlig bescheuert?” – “Ja, aber du ja auch, und mit normalen Leuten kann man sowas nicht machen” – dieser Argumentation habe ich nichts entgegen zu setzen. Er meldet uns beide an. Ich fange an mich einzulesen, schreibe viel mit einem Bekannten aus den USA, einem Marine außer Dienst, der natürlich beruflich viel gewandert ist und nun an GoRuck-Events teilnimmt. Es sind noch 5 ½ Monate bis zum Marsch, also wird ein Trainingsprogramm ausgearbeitet, mit steigenden Strecken und Gewicht. Das Ziel ist es, einmal mit 15kg 70km zu laufen. Dann sollte der Marsch mit weniger Gewicht, dafür 30km mehr, eigentlich gehen.

Letztendlich läuft es dann doch ganz anders. Am Morgen des 27.5. stehe ich in der Küche, schmiere Brote und lasse die Vorbereitung Revue passieren. Wir waren in den letzten 5 Wochen 3-mal draußen, haben 40, 45 und 50 km gemacht. Ich hatte Probleme mit meinen Schuhen – die zu diesem Anlass angeschafften Meindl Wanderstiefel haben mir mit zerbröselnden Einlegesohlen Blasen beschert, mit neuen Einlegesohlen ergab sich eine Druckstelle oben an der Ferse. Ich wollte noch Wanderstöcke besorgen, aber die sind so teuer und ich konnte keine mehr ausleihen. All das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich packe meinen Rucksack zu Ende, verabschiede mich von Meiner Freundin und setze mich in den Bus zum Ostkreuz.

16:30 Uhr

Wir stehen am Start. Um mich herum sehe ich wirklich alles vom durchtrainierten Läufer, komplett in Funktionskleidung und mit GPS-Uhr am Arm, über den Bundeswehr-Soldaten in voller Montur (wie er es in den langen, dicken Klamotten überhaupt aushält ist mir schleierhaft) bis hin zu einer Gruppe Teenager in Sneakers – ein Mädchen in Flipflops hat an ihren Eastpak-Rucksack außen eine Flasche Apfelschorle gebunden. Lukas und ich sind irgendwo dazwischen. Der Countdown ertönt, wir laufen los. Wir entscheiden uns, uns an die Spitze des Pulks zu setzen. Dort kommen wir ins Gespräch mit Christian, Nadine, Antje und Steffen, die uns  adoptieren – auch Daria gabeln wir noch auf. Die vier sind Wiederholungstäter, wir drei adoptierten sind zum ersten Mal dabei.

Der Weg zum ersten Streckenposten verläuft ereignislos – es ist sehr warm, ich schwitze trotz luftiger Sporthose und dünnem Funktionsshirt. Wir zuckeln gemütlich mit 6km/h um den Müggelsee. Am Posten geht es ganz schnell. Zwei Milchbrötchen, ein Cranberry-Riegel, Wasserblase komplett füllen für die 28km bis zum nächsten Posten. Antje ergänzt ihre komplizierte Fuß-Tape-Konstruktion um zwei weitere Streifen und dann geht es direkt weiter. Kurz danach folgt die erste anstrengende Stelle – der Weg geht fast 6km geradeaus, an Bahnschienen entlang, der Boden ist entweder uneben und steinig oder lockerer Sand. Staub von den Füßen der hunderten Wanderer vor uns liegt in der Luft. Aber auch das geht vorbei.

Am S-Bhf Friedrichshagen werden unsere Begleiter von ihrem Support-Team begrüßt. Es gibt lange Kleidung und Elektrolyte, heißen Guarana-Tee und Haribo. Die Laune ist gut. Die Schuhe bleiben an, wir verbringen den Großteil der 8min “Pause” mit Dehnen, das hilft. Der nächste Teil der Wanderung ist der schönste. Wir haben noch nicht mal 30km runter, es geht durch den Wald, über Wiesen und sogar eine kleine Holzbrücke über einem Bach. Daria legt einen ordentlichen Schritt vor, Lukas und ich ziehen mit. Die Veteranen machen etwas langsamer, bleiben hinter uns zurück – mit Blick auf die von Unterstützern vorbeigebrachte Suppe bei 35km beschließen wir bei 30km kurz zu warten, bis sie wieder aufschließen.

23 Uhr

Wir sind am S-Bhf Neuenhagen. Helge empfängt uns mit heißer Hühnersuppe. Hier machen wir unsere erste echte Pause. 20min sitzen, Schuhe aus, Füße lüften, etwas Dehnen. Die Suppe ist unglaublich lecker – nach 35km und 6.5h wandern genau das richtige. Die Temperaturen sind aber immer noch okay für luftige Sporthose und dünnes Shirt. Es geht gegen 2330 weiter. Langsam wird es etwas anstrengend. Die Fußsohlen brennen und fühlen sich sehr warm an, auch die ersten Druckstellen machen sich inzwischen bemerkbar. Der Weg führt bald auf ein Feld, der Sternenhimmel ist unglaublich, aber so richtig genießen kann ich das nicht mehr. Meine Füße schmerzen jetzt schon auf einem Niveau, was ich aus den Trainingswanderungen nicht kenne. Nach einigen Minuten des Gehens mit gesenktem Kopf merke ich, dass die Monotonie des vorbeiziehenden, im Licht der Stirnlampe feucht glitzernden Grases Sehstörungen verursacht, der Weg scheint zu verschwimmen. Ich fange ein Gespräch an, um mich abzulenken – worum es ging, weiß ich nicht mehr.

1 Uhr

Wir sind am Streckenposten bei 44km. Ich ziehe eine lange Hose an, friere plötzlich. Wasser auffüllen, mich zwingen etwas zu essen. Hunger habe ich keinen mehr, nur ein flaues Gefühl im Magen. Einige Leute holen sich hier ihre Urkunden, der Bus fährt halb voll zum Bahnhof Strausberg. Die Nacht fordert ihre ersten Opfer. Ich verabschiede mich innerlich von den 100km, hoffe aber die 74 noch zu schaffen. Für uns geht es weiter. Bis zum Bahnhof Strausberg zieht uns die Musik aus dem tragbaren Lautsprecher unserer Adoptivgruppe – dort treffen diese aber auf ihr Support-Team. Wir gehen weiter. Etwas später beginnt der Himmel langsam heller zu werden. Die letzten 5 Kilometer bis zum 59er ziehen sich gefühlt endlos hin.

4:20 Uhr

Wir biegen auf einen Parkplatz ein, überqueren diesen und gehen durch das Vereinshaus des SV Grün-Weiß Rehfelde. Ich setze mich auf die Treppe zum Eingang und weiß in diesem Moment ganz sicher: Für mich ist hier Feierabend. Auf meiner Urkunde landet letztendlich 59km in 11:59. Eine Zeit und Strecke, mit der ich zufrieden sein kann.

 

Was ist falsch gelaufen?

Erstmal sicher das Training. Zu wenig Strecke, zu spät tatsächlich angefangen, vor allem das Gewicht des Rucksacks hat mir beim Marsch zu schaffen gemacht. Sollte ich es noch einmal probieren, werde ich beim nächsten Mal sicher mit mehr Gewicht trainieren.

Die Ausrüstung war suboptimal. Ich war einer von ganz wenigen, die schwere Wanderschuhe getragen haben. Trailrunning- oder normale Sportschuhe scheinen die deutlich bessere Wahl für Brandenburg zu sein. Ich hatte zu viel Zeug dabei, was ich letztendlich nicht brauchte. Statt einer langen und einer kurzen Hose wäre eine zipp-Hose gegangen, das wechsel-funktionsshirt hätte man sich sparen können, das Baumwollhemd war unnötig. 4 Paar Socken sind auch zu viel, aber da nehme ich lieber eines mehr mit als eines zu wenig zu haben.

Ich hatte zu viel Essen dabei. 10 Stullen, 400g Studentenfutter, 1kg Nudelsalat – und davon habe ich zu wenig gegessen. Ich schätze, dass mein Magen recht unzufrieden damit war, nur so selten etwas zu bekommen. Außerdem habe ich bis Mitternacht sehr viel geschwitzt, die Verluste hätte ich sicher durch Elektrolytpulver ausgleichen können, die hatte ich aber nicht eingepackt. Gegen Ende habe ich gefühlt doppelt so viel gepinkelt wie ich getrunken habe.

Alles in allem war es eine tolle Erfahrung, auch wenn ich es nicht bis ins Ziel geschafft habe. Meinen großen Respekt an jeden, der sich dieser Herausforderung gestellt hat, und Ehrfurcht vor denen die am Ziel angekommen sind. Danke an die Organisation und die vielen Helfer, die die Strecke gesichert und uns mit Essen versorgt haben – und natürlich die Sanis, die gute Arbeit geleistet haben. Danke dass ihr alle da wart.[:]

[:de]Von Wunder-Lauch and why Karma is a bitch [:]

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66 km durch die Döberitzer Heide und Sacrow

Endlich ist wieder Sommer. Zumindest war er da für einen Tag, denn schaut man dieser Tage, kurz vor Mai, aus dem Fenster und aufs Thermometer, hat man gute Chancen, DAS zu sehen: Schnee! Da wir davon bei unseren Wanderungen im Januar und Februar schon genug hatten, war es nur recht und billig, mit Sonne und warmen Temperaturen gesegnet zu sein.

Ausnahmsweise geht es diesmal an einem Sonntag auf die Pirsch. Nicht ganz uneigennützig, denn ich war ja gestern Abend mal eben noch den Airport Night Run als Personal Pacerin gelaufen und die Zeiten hätten sich gebissen. Ausgeschlafen ist jetzt nicht das Wort, was mir über die Lippen kommt, als ich um 7:30 Uhr in den Zug Richtung Dallgow steige. An jeder Station kommen mehr arme Irre in Wanderklamotten dazu. Punkt 8:30 Uhr geht’s los auf die Tour. Warten müssen wir heute nicht, denn der nächste Zug käme sowieso erst in einer Stunde. Ein kleiner Trupp, der schon einen Bahnhof weiter gestartet war, hat das Zeitmanagement auch im Griff und stößt pünktlich zu uns.

Die Döberitzer Heide mit ihren Bisons wartet auf uns. Entlang staubiger Wege führe ich die Menge aber erstmal auf etwas, was sich als Berg betitelt… aber nicht danach aussieht. Wo ist denn hier der Gipfel? Zeit für ein Päuschen. Testweise will ich heute mal alle Stunde bis anderthalb Stunden Pause machen, dafür jeweils nur für 10 Minuten. Angeblich soll man mit diesem System weiter kommen, als würde man laufen bis man nicht mehr kann. Mal sehen.

Kurz nach dem Berg merke ich, dass ich so gut wie gar nichts mehr sehe. Ein Nebelschleier hat sich anscheinend auf meine Kontaktlinsen gelegt und ich schaue wie durch Zuckerwatte. Nicht mal mein eigenes Handydisplay erkenne ich mehr. Damit navigiert es sich verdammt schlecht, aber zum Glück ist vorne jemand, der weiß, wo es langgeht. Nachdem ich jedoch nicht mal mehr erkenne, ob die braunen großen Dinger da Pferde oder Rindviecher sind, mache ich doch mal kurz halt und versuche, die Linsen zu säubern. Klappt zumindest so lange, um zu erkennen: es sind Bisons.

Ein Wunder von Lauch

Überquert man beim Verlassen der Döberitzer Heide die B2, gelangt man direkt in den Königswald und den malerischen Potsdamer Ortsteil Sacrow. Dem folgen wir immer am Ufer, entlang des Krampnitzer Sees, Jungfernsees, der Havel und dem Königssee. Dort, wo es vom Ufer mal kurzzeitig weggeht, duftet es auf einmal verführerisch würzig nach – ja was eigentlich? Schnittlauch? Zwiebeln? Knoblauch? Wo kommt hier mitten im Wald dieser Geruch her? Um uns herum wächst nur Kram, der Schneeglöckchen erstaunlich ähnlich sieht, aber keine sind. Das sei Bärlauch, klärt mich jemand auf. Dass auch das nicht ganz richtig ist, finde ich erst später in einer Bilderrecherche raus, denn wie Bärlauch sah das Zeug nicht wirklich aus. Es ist Wunder-Lauch, auch bekannt als Berliner Bärlauch. Der Wunder-Lauch wächst und blüht vor dem Bärlauch und breitet sich wiesenartig aus. Einige von uns fangen auf einmal an, wie Kühe um sich herum zu grasen. Frischer als hier, bekommt man das Grünzeug sicher nicht.

Die Halbinsel Sacrow ist vielseitig. Kaum sind wir aus dem Königswald raus, stehen wir schon im Schlosspark, dann vor der imposanten und einzigartigen Heilandskirche (hier wurde z. B. KeinOhrHasen gedreht), um dann den kleinen Ausläufer Meedehorn zu umwandern, der hauptsächlich mit Kleingärten bebaut ist. Alle Gaststätten haben geschlossen, daher muss es das Wasser aus dem nachbarlichen Gartenschlauch tun, um die Wasserblasen aufzufüllen.

Karma is a bitch

Kurz vor dem ersten Ausstiegspunkt bei 32 km quatsche ich so mit Christoph. Der erzählt mir von seiner Erkältung am Hals. Dass die sich bei ihm nur auf den Hals beschränkt, amüsiert mich königlich und ich lache mit Miri zusammen tränen. Die nächsten Sekunden verlaufen dann wie in Zeitlupe. Ich sehe noch die Wurzel und wie sich mein Fuß darin verfängt. Der Waldboden kommt daraufhin meinem Gesicht immer näher und irgendwas klatscht mir von hinten in den Nacken und auf den Kopf. Mein Schienbein durchfährt ein ruckartiger Schmerz. Und dann liege ich da, mitten im Dreck. Der Deckel meines Rucksacks war nicht richtig geschlossen und liegt auf meinem Kopf, mein Sonnenbrille habe ich plattgedrückt und verbogen. Hände sandig-waldig und beim Aufstehen sehe ich auch, warum mein Schienbein so weh tut. Einmal schön an der Wurzel blutig geschrammt. Aua!

Hätte ich mal meine Klappe gehalten und mich nicht so amüsiert. Statt dessen muss ich mich über meine eigene Tolpatschigkeit einfach nur wegpacken. Ich hätte meinen Abflug zu gern in Zeitlupe gesehen. Slapstick kann nicht besser sein.

Eigentlich wäre da die Bushaltestelle im Ortsteil Kladow genau der richtige Zeitpunkt gewesen, um mit der triefenden Wunde auszusteigen. Schließlich war ich ja so oder so in Zeitnot, denn am nächsten Tag ist ja schon wieder Spreewaldmarathonpaddeln angesagt. Aber nein. Caro latscht weiter. „Die paar Kilometer noch bis S-Bhf Pichelsberg gehen auch noch“. Die paar Kilometer sind im Übrigen 21 km. Gute vier Stunden Fußweg also. Vernunft abgeschaltet, Bein ordentlich desinfiziert (noch mal Aua) und weiter. Das Wetter ist halt so schön und die Gesellschaft so nett.

Den letzten beißen die Hunde

Ein kleines Grüppchen hat den Ausstiegspunkt quasi überrannt und ist meilenweit vor uns hinteren. Bei einer Gaststätte machen sie gerade Pause und ich bekomme Bilder von Kugeleis über die lahme Mobilverbindung geschickt. Das macht Vorfreude und ich vergesse sogar mein schmerzendes Schienbein. Eine gefühlte Ewigkeit (für beide Seiten) später, kommen wir endlich auch bei der Gaststätte an.

Da sitzt noch unser Vorläufer-Grüppchen und knabbert genüsslich am Eis. Aber ratet mal was: das Eis ist alle! Stattdessen gibt es nur eine schnöde Cola. Ob das auch noch die Auswirkung des Karmas ist?

Wir raffen uns gemeinsam wieder auf. Gut so, denn je ruhiger ich mich verhalte, umso mehr macht sich das Schienbein wieder bemerkbar. Der bewaldete Weg entlang des Westufers des Sacrower Sees lenkt zum Glück ab. Irgendwie ist der Tag aber heute doch anstrengend. Habe ich mich doch noch nicht gut genug vom Airport Run erholt? Ist es das plötzliche Sommerwetter gepaart mit drohendem Sonnenbrand? Die Strecke? Keine Ahnung, aber ich bin nicht die einzige, der es so geht. Bei der nächsten Kurzpause nach 41 km am nördlichen Ende des Groß Glienicker Sees beschließen wieder ein paar sonst unschlagbare Wanderer, den Bus Richtung Spandau zu nehmen. Und auch für mich steht ab hier fest: bis Pichelsberg lauf ich nicht mehr. Und bestelle mein persönliches Shuttle.

Dem Sonnenuntergang entgegen wandern wir entlang der Rieselfelder und sehen noch den Bus nach Spandau an uns vorbei fahren. Nach 46 km freue ich mich, dass da ein Auto auf mich wartet und meine geschundenen Knochen nach Hause fährt. Ja, für heute reicht es. „Morgen früh um 8 Uhr geht es schon wieder in den Spreewald, zum Marathonpaddeln“, denke ich. „Und du hast weder gepackt noch eingekauft!“ Und während ich das so denke, sehe ich im Vorbeifahren die anderen weiterwandern. Wohlgemerkt auf der falschen Route.

Wer die landschaftlich wunderschöne Strecke nachwandern möchte, findet sie hier

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[:de]Jahresauftakt-Wanderung: 35 km aufs Glatteis geführt[:]

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Die Jagdsaison hat wieder begonnen. Die Jagd auf Kilometer. Kilometer, die mich, dich und uns näher an unsere persönlichen Jahresziele bringen sollen, sei es der Mammutmarsch, Ostseeweg, Megamarsch oder die Horizontale. Egal. Wir wollen uns fit machen und dazu rückten am 21.01.2017 unglaubliche siebzig (!) Menschen in Hohenschönhausen an, um gemeinsam auf die erste Trainingswanderung zu gehen. Ganz viele bekannte und lieb gewonnene Gesichter waren da, aber auch einige motivierte Neuankömmlinge, über die ich mich besonders gefreut habe.

Grün im Beton - Startgruppe

Schon letztes Jahr war die erste Wanderung angesichts der winterlichen Bedingungen eine Herausforderung. Das sollte diesmal nicht besser werden. Schnee und Eis. Fast die gesamten 35 km lang. Nun ja. Einige waren das ja schon von der Polarnacht gewohnt. Einen stadtnahen Kurs hatte ich gebastelt, der trotzdem viel Grün (in unserem Fall Weiß) versprach und etliche Ausstiegspunkte für die eigene Planung und das eigene Können.

Um 9:30 Uhr stapften wir also los. Schon nach den ersten Metern war klar: das wird eine anstrengende Wanderung. Immer wieder glitschte mein rechter Fuß in die eine Richtung, der linke in die andere. Äußerste Vorsicht und kleine Tippelschrittchen waren angesagt. Ziemlich schnell waren wir aus der Stadt raus und hatten einen schönen Blick auf die Felder, sofern man sich traute, den Blick vom Boden zu heben. Die Wuhle, ein kleines Flüsschen durch den geographischen Osten Berlins, begleitete uns alsbald zu unserer rechten.

Nach gut acht schlüpfrigen Kilometern hatte ich die Besteigung des Großen Ahrensfelder Berges geplant. Der Weg da hoch sah allerdings nicht besser aus als der bislang schon zurückgelegte Weg. Option 1: den Dingen trotzen und sich mühsam hochwinden, Option 2: vorsichtig weiter um den Berg unten herumschliddern. Etwa 30 Tapfere/Verrückte entschieden sich tatsächlich für Option 1, so dass sich unsere Gruppe an der Stelle erstmal trennte. Und wer die Route so plant, der muss da natürlich auch hoch. Immer schön einen Fuß vor den anderen setzen. Schneefreie Flächen ausmachen und nutzen. Atmen nicht vergessen. Nachdem der erste Abschnitt gemeistert war, bot sich erstmal das gesamte Bild dessen, was noch auf uns wartete. Ein steiler, vereister und verschneiter Abhang. Ziemlich viele fragten sich, warum genau sie sich um Himmels Willen für Option 1 entschieden hatten. Die letzten Stufen – natürlich auch von Eis überzogen – und der Anblick von oben war eine kleine Belohnung für die Mühe. Auf dem “Gipfel” wäre ein schöner Pausenplatz gewesen. Im Sommer. Bei Sonnenschein. Und 20 Grad. Heute war hier nur eine weitere Eisfläche zu finden. Kurz verschnauft und runter ging es wieder. Wir konnten die anderen ja nicht so lange in der Kälte frieren lassen.

Grün im Beton - Ahrensfelder Berg Gipfel Panorama

Der Weg hinunter war dann die eigentliche Herausforderung. Wo es nicht durchs Eis glatt war, war es glitschig durch den vom weggetauten Schnee nassen Matsch. Ein paar Unglücksraben landeten dann doch im Dreck, manch einer auch mehr als einmal. Zum Glück ohne schlimmere Folgen.

Tippel, tippel an der Wuhle entlang und dann ein ganzes Stück geradeaus, geradewegs nach Mahlsdorf, wo unser erster Pausenplatz wartete. Flashmobartig fielen wir bei Burger King ein. Ein Fastfood-Brater sollte doch mit etwa 50 Menschen klarkommen. Dachte ich. Die Realität sah leider anders aus. Die Filialmitarbeiter waren völlig überfordert und der Kaffeeautomat das Nadelöhr schlechthin. Zeit, auf Toilette zu gehen, war genug, denn die letzten kamen erst nach einer dreiviertel Stunde überhaupt zum Bestellen. Was landete auf meinem Tablett? Salat und gesunde Sachen… nicht. Ein Hot Blondie (die heiße Vanillesoße lief direkt aus dem Gebäck heraus), frittierte Zwiebelringe und… Eis! Na klar. War ja noch nicht eisig genug.

Mit Eis als Wegzehrung ging es weiter. Wir passierten die Kaulsdorfer Seen, die ich gar nicht so groß vermutet hätte. Etwas weiter südlich kehrten wir wieder nach Norden um und folgten dem Teil der Wuhle, den wir durch den Abstecher zum Burger König verpasst hatten. Ein paar wirklich schöne und interessante Gespräche hatte ich schon geführt, als wir am S-Bhf Wuhletal ankamen und für einige hier nach gut 25 km Schluss war. Gute Vorsätze, strotzende Motivation, Optimismus, Inspiration und Tatendrang… all das war mit uns auf dem Weg.

Den nächsten Berg, die Biesdorfer Höhe, lies ich angesichts der leidenden Mienen am Ende doch aus. Es reichte schon, den zur Abwechslung glatten Weg drumherum zu meistern. Ein paar Kilometer später fragte ich mich, warum uns eine kleine Horde Wanderer jagt. Wer ist denn noch so verrückt und vor allem: warum rennen die uns wie blöd hinterher? Eine kleine Gruppe hatte es sich doch zur Aufgabe gemacht, den Berg in Angriff zu nehmen. Der Abstieg war aber wohl weniger lustig gewesen und hatte immens Zeit gekostet. Tapfer, meine Lieben!

Die Dämmerung begann nach etwa 30 km, die bevorstehende Nacht anzukündigen. Einen kleinen Zwischenstopp, diesmal bei der Konkurrenz, hatte ich noch eingeplant. Die kamen irgendwie besser mit einem Rudel ausgehungerter Wanderer klar. Zwischen Curly Fries und Burgern kam dann die Idee auf, einfach der (geräumten) Hauptstraße zu folgen, statt wie geplant durch die Hintergärten zu schleichen. Zu sehen gäbe es da sowieso nicht mehr viel, da es inzwischen schon reichlich dunkel geworden war. Und noch mehr Eis… nein danke!

Die letzten drei Kilometer folgten wir daher einfach der Straße. Kein Rutschen, kein Gleiten, kein Schliddern. War doch auch mal schön! Nach guten 8 Stunden waren wir wieder am Anfang der Reise angekommen: am S-Bhf Hohenschönhausen. Erschöpft, aber glücklich versammelten wir uns zum schon Tradition gewordenen Abschlussfoto, bevor wir uns in alle Winde verstreuten.

34,7 km zeigte meine GPS-Uhr da an. Die konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Wie ein wildgewordener Lemming rannte ich noch drei Runden über den dunklen Parkplatz. 35 km! Gut, jetzt kann ich ins Auto steigen 🙂

Ich hoffe, die nächste Wanderung setzt uns nicht so zu. Vielleicht, ganz vielleicht, haben wir ja da schon ein bisschen Frühling! Ach ja, und Gregor muss uns unbedingt mal seine preisgekrönte Himbeer-Sahnetorte mitbringen, von der er mir so vorgeschwärmt hat. Ich kann seitdem an nichts anderes mehr denken…

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[:de]24. Berliner Polarnacht – die Nacht der 1.000 Stürze[:]

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Merino-Langarmshirt? Check! Dünnes Fleecejäckchen? Check! Softshell-Jacke? Check! Winddichte und wasserabweisende Hose, wasserdichte Trailschuhe? Check! Hauchdünne Regen- und Daunenjacke sowie eine lange Merino-Unterhose im Gepäck mache ich mir noch schnell einen heißen Kaffee mit zuviel Ahornsirup und eine Thermoskanne Früchtetee. Es werden schließlich Minusgrade. Die alten, abgelatschten und an einigen Stellen schon gerissenen Überzieh-Spikes wandern noch in die Seitentasche des Rucksacks und ich verlasse wie immer panikartig, weil zu spät dran, die Wohnung.

Die Berliner Polarnacht war im letzten Jahr meine erste längere Wanderung im Schweinsgalopp gewesen. Nach 30 km war ich fertig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Diesjahr will ich aber zumindest die eine Etappe schaffen: 50 km durch die Nacht, von der Friedrichstraße über Umwege bis nach Falkensee. Da meine selbst organisierten Wanderungen teilweise noch deutlich länger waren, bin ich guter Hoffnung, dass das klappt. Bevor es in die Kälte der Nacht geht, finde ich mich mit einigen meiner lieben Mitwanderer noch auf einen Happen im Restaurant Nolle ein. Neben bekannten Gesichtern sitzen mir drei Hamburger gegenüber, die viel Erfahrung und ebensoviel zu erzählen haben von Veranstaltungen wie der Horizontalen in Jena, dem Dodentocht sowie dem Mammutmarsch (ihrer Meinung nach der schlechteste Marsch) und Megamarsch (auch hier ist nichts gutes herauszuhören).

Der Zug setzt sich in Bewegung

Pünktlich um 19:40 Uhr versammeln wir uns vor dem DB Reisezentrum. Die noch tätigen Damen darin schauen argwöhnisch angesichts des Massenandrangs. Dabei wollen wir gar nichts von ihnen. Wolfgang Pagel, Organisator und Wanderleiter, läuft schon ganz aufgeregt durch die Menge. Ein wenig überrollt gefühlt hat er sich von der Flut der Marschgruppe EarnYourBacon. Und nervös sei er, vermutet ein von kommerziellen Veranstaltungen verwöhntes Klientel mit entsprechenden Ansprüchen. Er sollte noch feststellen dürfen, dass wir EarnYourBacons gar nicht so sind. Ob der großen Teilnehmerzahl – etwa 60 alleine für die 50 km Nachtstrecke – teilen wir uns in zwei Gruppen auf. Wolfgang wird unsere Gruppe 2 führen, während die schnelle Truppe schon zehn Minuten früher startet.

Punkt 20 Uhr starten wir mitten in Berlin. Dass wir noch mitten in der Stadt sind, merkt man vor allem an den nicht wenigen Menschen, die hier noch unterwegs sind. Während sie auf dem Weg zur nächsten Party sind und die Nacht zum Tag machen wollen, ziehen wir mit unseren Rucksäcken Richtung 50 km-Wanderung los. Unterschiedlicher kann eine Freitagnachtbeschäftigung wohl nicht sein. Einige Abschnitte der Strecke kommen mir bekannt vor. Wir überqueren den Invalidenfriedhof. Und das auch nur mit Glück, denn eine zotige Sicherheitsfrau hat bereits den Ausgang abgeschlossen und drückt ihr Unverständnis über unseren Aufzug aus. „Seid ihr blöd? Wat looft ihr ooch hier rum um die Zeit?“ Sie lässt uns dann doch passieren.

Nach 12 km merke ich langsam, dass ich „untenrum“ nur eine Hose anhab. Die flauschig warme Merino-Unterhose schleppe ich in meinem Rucksack rum. Schön blöd. Währenddessen haben sich die letzten Wolken am Himmel verzogen und geben den Blick auf die Sterne frei. Ein fast voller Mond leuchtet uns den Weg und zeigen die bösartigen Eisflächen auf, die uns immer mehr das Leben schwer machen. Um 0 Uhr taucht dann endlich das heißersehnte goldene M am Horizont auf. Flutsch! Und schon liege ich zum ersten Mal auf dem vereisten Asphalt. Zum Glück hat es den Hintern erwischt. Der ist eh gefroren.

Gerollte Pommes und Eishintern

Aufwärmen, Curly Fries in sich hineinstopfen (wie schon im letzten Jahr), lange Unterhose anziehen und eine weitere Schicht in Form meiner dünnen Daunenjacke hinzufügen. Dann geht es nach etwa 40 Minuten Pause weiter. Einige nutzen hier die letzte Chance auf Personennahverkehr und beenden ihre Polarnacht. Für alle anderen geht es weiter ins tiefste Spandau. Immer entlang des Havelufers.

An diesem schicken Kumpel ziehen alle unbeeindruckt vorbei. Wer ihn kennt, kennt einen meiner Lieblingsfilme!

An diesem schicken Kumpel ziehen alle unbeeindruckt vorbei. Wer ihn kennt, kennt einen meiner Lieblingsfilme!

Flutsch! Ich liege zum zweiten Mal. Wieder der Hintern. Ab dem Punkt sehe ich immer mal wieder den einen oder anderen durch die Gegend flutschen. Es geht aber immer ohne schlimmere Blessuren aus. Nach weiteren 10 km gibt es eine dreiminütige Trinkpause. Ja genau. 3 Minuten. Und keine mehr. Leider gibt es an der Stelle weder Klo noch Deckung. Hochziehen, heißt es jetzt. Meine Spikes, die ich bislang unangelegt rumschleppe, schmeiße ich hier endgültig weg. 3 Uhr ist es, als wir etwa 31 km hinter uns haben. Der Eiskeller, an dem das Highlight, die Temperaturmessung, vorgenommen werden soll, ist noch 12 km entfernt. 12 km, die auf keine weitere Pause hoffen lassen.

Inzwischen merke ich die Kilometer, die Kälte und meinen Drang, meine Blase zu erleichtern, deutlich. Aber die da vorne rasen einfach weiter. Wenn ich jetzt meinem Drang nachgehe, hole ich die Meute ja nie wieder ein. Wehmütig sehe ich das Straßenschild „Eiskellerweg“ an uns vorüberziehen. Der Name lässt vermuten, dass es hier direkt zum Eiskeller geht. Aber laut Route laufen wir nochmal eine riesige Schleife drumrum.

Aufholjagd – wenn die niederen Bedürfnisse siegen

In Schönwalde ist dann erstmal Schluss. Hochziehen geht nicht mehr. Rüber über die Straße hinter einen der wenigen Bäume. Ich sehe die Meute vorne von dannen ziehen. Egal. Ich laufe eh schon auf dem Zahnfleisch und habe arge Probleme, mit dem Tempo mitzuhalten. Seit dem endlosen Knochenbrecher-Gelenkhasser-Weg am am Niederneuendorfer Kanal, der entweder total vereist oder mit eisigen Pfützen überzogen war (meist aber beides), spüre ich jeden Muskel meines Körpers. Noch 4 km bis zum Eiskeller. VIER verdammte Kilometer. Ganz in der Ferne sehe ich irgendwann die Wandergruppe. Nach und nach hole ich auf. Auf dem Feld zieht sich die Gruppe auseinander, ist aber in der Dunkelheit dank der Stirnlampen wie Glühwürmchen gut zu sehen.

Km 40, 41, 42… dann sehe ich einen roten Schein und höre Geschwatze. Da sitzen sie auf einer überdachten Holzbank und strecken ihre geschundenen Beine aus. Es gibt heißen Tee vom Wanderverein. Und die sagenumwobene Temperaturmessung am Kältepol. -2 Grad hat es. Kein Rekord. Es hatte schon mal 13 Grad plus und deutlich mehr Minusgrade. Dann die ermutigende Aussage, dass wir uns im Zeitverzug befinden. Ich kann das gar nicht glauben. Und keine 10 Minuten später pfeift Wolfgang zum Aufbruch. Noch 7 Kilometer bis zum Bäcker in Falkensee.

Die Kilometer des Grauens

7 Kilometer erscheinen mir an dem Punkt wie eine unüberbrückbare Distanz. Immer wieder schaue ich auf meine GPS-Uhr. 43,12 km. 43,25. 43,5. 43,75. Jeder geschaffte Viertel-Kilometer ist ein Erfolg. Trotzdem fühle ich mich einfach nur noch elend. Bei KM 46 will ich eigentlich nur noch auf dem Boden sitzen und heulen. Das einzige, was mich davon abhält, ist der eisige Boden. Dann die erlösenden Worte: „Da hinten! Da an der Ampel ist der Bäcker!“ Von Sichtweite bis Ankunft sollte es aber immer noch ein ganzer Kilometer sein. 200 m vor dem Bäcker…flutsch! Diesmal haut es mich unsanft auf mein Knie. Mist. Das musste doch jetzt nicht sein. Tränen schießen mir in die Augen. Aus Schmerz und Verzweiflung. Keine Ahnung, was überwiegt.

Die letzten Meter zum Bäcker werden nur durch Hoffnung getragen. Hoffnung, dass es bald vorbei ist. Als ich die Tür zur Backstube öffne, fühlt sich das an, als sei ich gerade im Paradies angekommen. Alles leuchtet golden. Die Brötchen, die Lampen… Karsten und Co sind schon da. Lachen uns an. Mein erster Gang ist zur Toilette. Und ich schwöre mir: nie wieder Polarnacht! Stolz nehme ich meine Urkunde über 50 km in Empfang. „Carola Keßler überstand die 50 km…“ Das war noch nie so wahr!

Ich lasse mich auf einen Hocker sinken. Wolfgang erzählt glücklich, wie toll er unsere Truppe findet. So pflegeleicht. Keine seiner Befürchtungen hätte sich bestätigt. Wir erinnern ihn ein wenig an seine Wandergruppe früher… Das nenne ich mal ein Kompliment. Ja, wir sind schon großartig! In dem Moment frage ich mich wirklich, wie Wolfgang es schafft, in seinem Alter so etwas durchzuziehen. Ich kann nur meinen Hut… meine Mütze ziehen.

Ich beiße in mein Croissant, trinke den heißen Kaffee… und dann kommt die Erkenntnis: bis zum Bahnhof Falkensee sind es noch 1,2 km…

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[:en]Schlemmertour 2016[:de]Schlemmertour 2016 – Eine Wanderung in den Süßigkeitenbergen[:]

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Vielen Dank, dass ich hier und heute die Ehre habe, einen Gastbeitrag zu schreiben und nicht wie gewohnt auf www.nordicfamily.de über meine Outdooraktivitäten berichte. Und meine neu entdeckte Leidenschaft für‘s Wandern und zwar für das Wandern längerer Strecken, ist ja auch mehr eine Aktivität unter der Kategorie „Nur die Mama!“

Während des Ostseeweges 2016 werde ich erstmals auf den Blog EarnYourBacon aufmerksam und bin erstaunt, wie viele Anhänger im echten Leben an Trainingswanderungen und persönlichen Treffen teilzunehmen scheinen. Das könnte etwas für mich sein, denke ich und behalte die Aktivitäten auf Facebook und im Blog im Auge.

Vor der Schlemmertour

Die „Schlemmertour“ wird angekündigt, 40 Kilometer, drei Fabrikverkäufe von Süßigkeitenherstellern sind auf der geplanten Strecke zu finden. Das könnte in allen Dimensionen etwas für mich sein und ich klicke “Interessiert“ – vor einer Woche wird daraus ein „Ich nehme teil“.

Ich habe vor knapp vier Wochen eine 40 Kilometer Wanderung absolviert, davor den Ostseeweg, davor wiederum kleinere Wanderungen, Waldläufe und naja ein bisschen Kung Fu Training, Jogging, Radfahren, was man halt so macht. Ich fühle mich jedenfalls einigermaßen gewappnet, bin trotzdem nervös, was mich erwarten wird und ob ich mit der Gruppe mithalten kann.

Ich versuche noch einige Bekannte zu motivieren, auch teilzunehmen, keiner kann kommen. So werde ich außer Carola Keßler erstmal niemanden kennen. Wie spannend.

Es ist Freitag, der Wetterbericht für Samstag zeigt erst einen Tropfen Regen und dann nachmittags zwei Tropfen Regen. In der Facebookgruppe  „Marschgruppe EarnYourBacon“ hat sich jedenfalls über die Wettervorhersage noch niemand geäußert – alles Wanderprofis. Nur körperliche Abgeschlagenheit und Arbeit sind Gründe, nicht an der „Schlemmertour“ teilzunehmen.

Der Start und die Grundausrüstung zur Schlemmertour

Ich entschließe mich, erst mal loszugehen. Es gibt ja auch schließlich Möglichkeiten, einen Bus oder die Bahn zu nehmen, und vorher aufzuhören.

Etwas überstürzt verlasse ich halb neun am Samstag das Haus, im Rucksack ein paar Kleinigkeiten zum Essen und Trinken verstaut. Er ist nicht ganz leicht. Entgegen meiner letzten guten Erfahrungen mit ausgelatschten Turnschuhen zu gehen, entscheide ich mich aufgrund des Wetters für meine wasserdichten, aber auch schweren Wanderschuhe. Weiterhin trage ich meine heißgeliebte Matschhose, atmungsaktiv und wasserdicht, darunter eine Merinowollhose, oben ein Merino Longsleeve, Woolpowerstrickjacke und eine Regenjacke. Eine Stunde S-Bahnfahren lässt das Gefühl aufkommen, dass ich zu warm angezogen bin.

Das erste Süßigkeiten Outlet

Wittenau im Norden von Berlin ist unser Treffpunkt. Schon auf dem Bahnsteig begrüßen sich wanderlustig aussehende Damen, vor dem Bahnhof versammelt sich ein Grüppchen, was in den nächsten Minuten zu 25-30 Leuten anwächst. Erwartungsvolle Gesichter schauen auf Handydisplays und plappern etwas von Schokolade und Keksen. Der Bahlsen Fabrikverkauf ist nur ein paar Meter entfernt.

gruppenbild

Vor dem Tor schießen wir erst einmal das obligatorische Gruppenfoto. Ich kämpfe mit meiner Wanderapp und möchte noch schnell die aktuelle Landkarte runterladen, deshalb schaue ich nicht wirklich in die Kamera – da sieht man mal, was so wichtig ist.

Die Mitarbeiterinnen an der Bahlsen Kasse schauen etwas ungläubig, als wir gegen kurz nach zehn den Laden stürmen. Ich schaue etwas ungläubig, als ich sehe, was für Mengen an Süßigkeiten in den Wanderrucksäcken verstaut wird. Ich selbst kann mich aufgrund dieser Wander App Geschichte nicht richtig auf die Auswahl konzentrieren und schnappe einfach spontan ein paar Dinge – darunter Cookie Aufstrich und etwas für die Füllung von Weihnachtskalendern für die Kids.

Nach einer Viertelstunde stehen alle wieder bereit zum losmarschieren. Die Rucksäcke sind prall gefüllt mit Kalorien. Wir laufen durch Wittenau, entlang großer Straßen und durch Industriegebiete. Das Wetter hält sich. Hin und wieder wird man angesprochen, was wir hier machen. So eine große Marschgruppe sieht man nicht alle Tage und in der Zeitung war unsere „Veranstaltung“ auch nicht angekündigt. Ich unterhalte mich angeregt und nehme eine Mischung aus trubeliger Stadt, Geschichten aus Nah und Fern wahr.

Ich wünsche mir, dass wir bald mehr in den Herbstwald gehen. So genau habe ich mir die Strecke vorher nicht angeguckt, aber ein bisschen Grün war schon zu sehen.

Auf Bahlsen folgt Storck. Beim eigentlichen Storckwerk werden wir auf einen anderen Ort verwiesen. Zum Glück ist dies nur ein kleiner Umweg. Auch hier werden Rucksäcke weiter gefüllt. Sogar raffinierte Tragekombinationen (siehe Bild) kommen zum Einsatz. Die Frage ist: Ab jetzt viel Essen und weniger tragen oder wie?

Ich stopfe mir beim Gehen ein Brötchen rein, ich befürchte, offizielle Pausen gibt es bei den Profis nicht.

Pause auf der urbanen Wanderung

Aber ich frag mal vorsichtig in die Runde. Carola hat sich nach Storck verabschiedet und war bei den letzten Wanderungen die Pausenkoordinatorin. So viele gemütliche Picknickplätze gibt es in der Stadt nicht. Entdeckung: Spielplatz mit Bänken. Eine echte Pause tut not. Bei mir jedenfalls. Ich schlürfe ein bisschen Kürbissuppe aus meinem Thermobehälter und trinke einen Kaffee. Schoki hat auch noch Platz. Und jetzt ein gemütliches Mittagsschläfchen – nein nicht wirklich – ich bin viel zu aufgeregt :). Wir sind jetzt knapp vier Stunden gewandert und ich rechne damit, dass wir ca. zehn Stunden brauchen.

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Zum Glück gibt es eine richtige Toilette an der Tankstelle nebenan. So sind eben urbane Wanderungen: Spielplatz als Picknickplatz, Tankstelle für sanitäre Einrichtung.

Aber es kommt auch noch anders. Wir schreiten, schlurfen und eilen auch durch Wälder und Gartenanlagen. Die Bäume sind noch einigermaßen belaubt. Wenn die Sonne scheinen würde, gäbe es hier einen Farbenwettstreit aus Gelb und Orange. Es duftet nach feuchtem Laub und nasser Erde.

Hier in den Wäldern begegnen uns wenig andere Menschen.

Schlemmertour

Schlemmer Regen auf Schlemmertour

Gegen drei fängt es an zu nieseln. Einer nach dem anderen zieht sich etwas über oder, ich staune wieder, kleine Schirme werden aufgespannt.

Es gibt aber auch das Prinzip: Ich lass mich nass regnen, am Ende ziehe ich mich um, dann bin ich wieder trocken.

Nun ich liege mit meinen wasserdichten Hosen und meiner Regenjacke irgendwo dazwischen. Ich freue mich über meine trockenen Füße. Es wird gegen vier immer dunkler.

In kleinen Straßen weisen die Laternen den Weg, in unwegsamen Gelände leuchten ein paar Stirnlampen.

Der Moment der Wahrheit

In Falkensee an einer T-Straße kommt der Moment der Wahrheit. Wer gehört hier zu den richtigen Cracks und was ist mit mir selbst? Biege ich nach links ab (Abbruch der Wanderung) oder nach rechts (Fortsetzung – kaum ein weiterer guter Ausstieg möglich). Laut Navi sind es noch 15 Kilometer bis zum Ziel, nach meiner Rechnung sind das 3 Stunden.

Ich stelle mir kurz vor, wie es jetzt in einer warmen Badewanne wäre. Aber dann denke ich mir, was sind schon 15 Kilometer und 3 Stunden im Regen laufen. Schließlich will ich wissen, wie das ist, vor allem was der Unterschied zu der sonnigen Herbstwanderung mit Heiko und dem halben Ostseeweg ist. Ich habe den großen Drang Erfahrungen zu sammeln, mit mir selber und meiner Ausrüstung und all den anderen motivierten Menschen.

Die letzte Etappe mit „der wilden Dreizehn“ Es bleiben Dreizehn Wanderer auf dem Weg zum Ziel. Für mich wird es ruhiger und beginne langsam eine Blase unter der linken Fußsohle zu spüren. Bei jedem kurzen Halt wird mir klar, dass Pausen in der Phase irgendwie nicht gut sind. Lieber schnell einen Apfel im Gehen wegschnurpsen und eine Tüte von den Mandeln, die ich bei Bahlsen erstanden habe. Meine Laufapp sagt mir, ich hätte schon über 2.000 Kalorien verbrannt – das sind 4 Tafeln Schokolade – Jippijeh.

Am Morgen erzählte ich meinem Mann noch, dass ich schon irgendwie vom Zielort wegkommen würde. Keine Sorge, er muss mich nicht abholen.

Mit jedem Kilometer wünsche ich mir mehr, dass da ein warmes trockenes Auto auf mich wartet und mich flugs nach Hause fährt. Ich höre eine tollkühne Geschichte von einer Wanderkollegin, die ihr Auto um halb sieben am Ziel abgestellt hat und dann anderthalb Stunden mit den öffentlichen zum Startpunkt gereist ist. Planung ist alles, denke ich und hoffe weiterhin auf meinen lieben Mann.

Die letzte Etappe der Schlemmertour im Regen

Weiter setze ich Fuß vor Fuß, höre nebenbei etwas von Ultraläufen, der Zugspitze und anderen Extremen. Ich bin wirklich blutige Anfängerin. Und überaus fasziniert von allem, was in dieses Metier gehört. Mittlerweile auch von wasserdichten Trailrunningschuhen, die wahrscheinlich die Hälfte von meinen schweren Wanderbotten wiegen. Nun ein Versuch war es wert und die Auswahl im Schuhregal war nicht so groß, aber für eine 40 Kilometer Wanderung mit über 50 Prozent Asphalt würde ich nicht wieder Wanderstiefel wählen. Eine Erkenntnis.

schlemmer-14

Tapfere 12 sind im Ziel der Schlemmertour 2016

Ich bin Bummelletzte und laufe fast auf die Gruppe auf, die stehen bleibt. Was ist los, denke ich und sehe vorne ein Auto, in dem ein Hund bellt. Wachschutz. Uff, nicht, dass wir hier nicht weiter laufen dürfen und wieder zurück (wie weit?) müssen. Rechts von mir sind Bahnschienen. Eine freundliche Wachschützerin erklärt, dass dies Bahngelände sei, wir dürften weitergehen, aber bis Bahnhof Elstal ist es noch ein Stückl. Ein dunkler Matschweg mit knöcheltiefen Pfützen ist unser Begleiter für die nächsten paar Kilometer. Ich hatte auch gar nicht damit kalkuliert, dass man bei unsicherem Untergrund und Dunkelheit auch langsamer wird. Die Kilometerangaben bis zum Ziel variieren auf den Geräten, auf einigen sind wir auch schon nicht mehr auf der Route, sondern auf einer Abkürzung.

Auf meinem Gerät sind wir schon bei knapp 41 Kilometern als wir wieder auf einer Asphaltstraße landen. Mein Telefon klingelt. Wo wir denn seien, mein geliebtes Abholauto wartet am Ziel.

Etwas umständlich mit nassen Fingern gelingt es mir dann doch meine Position elektronisch zu übermitteln und einige Minuten später hält ein Auto mit gleißenden Scheinwerferlicht neben mir auf der Straße. Wie wunderbar – mein Mann.

Es ist zwar ein bisschen geschummelt, nicht am Zielort gewesen zu sein, aber die 41 Kilometer sind geschafft. Wir fahren am Zielort vorbei und ich befürchte, dass man auf dem Gelände, eventuell noch ewig den erhofften Schokoladenladen gesucht hätte….. Amerikanisch anmutende Parkplätze und Shoppingmalls in Elstal. Die tapferen Zwölf haben es nicht mehr weit und freuen sich dann auch auf Wärme und Trockenheit.

Danksagungen

Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich mir nur so wenige Namen gemerkt habe, obwohl ich doch mit einigen erfahrenen Wanderern lange erzählt habe und sehr dankbar bin.

Danke an alle, die mich Anfängerin mit ihrer positiven Stimmung motiviert haben, die interessante Geschichten zum besten gegeben haben und uns sicher durch den Dschungel navigiert haben – ich freue mich wieder dabei sein zu dürfen. Danke an Carola Keßler für die Planung der Route und Melissa Steinberg für die Initiative.

Zum Nachwandern für Menschen mit großem Süßigkeitenhunger hier der Link zur Route “Schlemmertour 2016”.

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