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[:de]Der Dodentocht zu seinem 50. Jubiläum – Ein Erfahrungsbericht[:]

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Gastbeitrag von Ronny G.: 100 KM Wanderung „Dodentocht 2019“ am 9. und 10. August 2019, rund um
Bornem/Flandern in Belgien


Einmal in Belgien wandern gehen. Was bietet sich dazu besser an, als sich unter die Massen von Menschen zu mischen, die nun schon seit 50 Jahren alljährlich die Gegend um Bornem „unsicher“ machen.

Nach einem Tipp Anfang des Jahres von meinem guten Freund Robert „Bob“ Müller, wonach man unbedingt an einem der Wanderhighlights neben den „4 Daags“ im holländischen Nijmegen auch einmal am berühmten „Dodentocht 100 KM“ in Belgien teilgenommen haben muss, war es unbedingt wichtig, den Anmeldetermin nicht zu verpassen. Erfahrungsgemäß sollen wohl auch für diese Veranstaltung die Tickets innerhalb von Stunden, und wir reden hier von ca. 13 bis 14 Tausend, weggehen. Glücklicherweise konnte ich mir mit Startnummer 10510 eines der auf 13.000 limitierten Tickets ergattern.

Der „Dodentocht“, so wie ich mich habe aufklären lassen, auf Deutsch „Todesumzug“ oder auch umgangssprachlich „Totenkopfmarsch“ hat in Belgien seit 1970 eine große Tradition und findet alljährlich im August rund um die Stadt Bornem in Flandern statt. Das ganze gleicht mittlerweile einem Volksfest und läuft unter dem Motto „Walking for a better World“. Die Teilnehmerzahlen stiegen stetig an. Für dieses Jahr galt erstmalig die Limitierung auf 13.000 Teilnehmer und diese kommen aus vielen europäischen Ländern und Kontinenten. Auf einen Beitrag in Wikipedia wird verwiesen.

Zur Strecke

Die Strecke führt ca. 100 KM rund um die Stadt Bornem. Bornem selbst liegt im Dreieck zwischen Antwerpen, Brüssel und Gent im nördlichen Teil von Belgien Richtung Niederlande. Nächst größere Stadt ist Sint-Niklaas. Insgesamt 15 Verpflegungspunkte liegen zwischen Start und Ziel. Dazu gibt es eine relativ flache und an sich ohne wirkliche optische Reize gefüllte Streckenführung. Den Reiz an dieser Wanderung bildet aber nicht wie sonst gewohnt, das Panorama was man häufig auf Strecken in Deutschland findet, sondern der Volksfestcharakter dieser Veranstaltung. Aber der Reihe nach.

Anreise nach Belgien

Für die Hinfahrt hatte ich zwei Optionen. Eine Tour mit Bob und seinem „Bus“ hin und zurück oder auf eigene Faust. Die erste Variante wäre die sicher schönere gewesen. Mit einigen Mitgliedern vom Team „EarnyourBacon“ hätte ich gemeinsam noch ein „Zeltabenteuer“ am Eventort verbracht.

Die zweite Variante wäre die Selbstanreise mit Bahn und PKW gewesen, immerhin ca. 1.300 KM von meinem Wohnort (Erfurt) und insgesamt 16 Stunden Reisezeit (hin und zurück). Da ich mich mit dem Zelten noch nicht so „angefreundet“ habe, ging es dann doch auf eigene Faust los. Bis nach Aachen mit dem Auto und dann noch drei Stunden Bahnfahrt bis nach Bornem. An sich soweit ohne Vorkommnisse. Aber spätestens ab der vorletzten Bahnstation bekam man einen Eindruck, was für Menschenmassen sich da in Bewegung gesetzt hatten. Mittlerweile bin ich ja doch auch das eine oder andere größere Event gewohnt (Mammutmarsch, Megamarsch, Horizontale-Jena, Karwendelmarsch, um nur einige der größeren WanderEvents zu nennen, sofern man das als „groß“ bezeichnen kann). Aber dieses Mal sollten ganz andere Maßstäbe gesetzt werden, zumindest für meine bisher bekannten.

Es geht los

Ca. zwei Stunden vor dem Start, bei herrlichstem Wanderwetter (Sonnenschein und etwas über 20 Grad Wärme) konnte ich mir von Bob auch meine Startunterlagen abholen, die er mir freundlicherweise vorab besorgt hatte. Auf dem Weg zum Zeltplatz ging es schon durch viele Menschen und man fühlte sich wie auf einer riesengroßen Partymeile. So etwas Ähnliches hatte ich vielleicht vor 15 Jahren bei der Love Parade in Berlin erlebt. Auf dem Zeltplatz traf ich neben Bob und seiner Partnerin Lea (die gute Fee vom Mammutmarsch) auch einige andere Wanderfreunde an. Nach einem kleinen Plausch mit gesponserten Kaffee und Gewürzgurke (der Wandernahrung schlechthin) ging es zum Startort.

Auf dem Weg dorthin begegneten einem erneut sehr viele Menschen aller Altersgruppen und unterschiedlicher Aufmachung. Die einen wirkten wie, als wenn es zu einem Halbmarathon am Sonntagvormittag ging, andere hatten sich bunt verkleidet und wiederrum andere sahen aus, als wenn Wandern eine völlig neue Art der Fortbewegung wäre. Am Startort angekommen überwältigte einem erneut die schiere Menge an Menschen, die sich auf einem großen Platz sammelten. Zum Start selber gab es zwei verschiedene Starttore, von wo aus jeweils etwa die Hälfte der Teilnehmer startete um sich dann nach ein paar Kilometern wieder auf einer gemeinsamen Hauptstrecke zu treffen.

Punkt 21 Uhr, nach einer Ansprache (die leider nicht auf Deutsch, aber durch die Sprachverwandtschaft doch ganz gut zu verstehen war) und entsprechender musikalischer Einstimmung öffneten sich die „Schleusen“ und die Masse setzte sich in Bewegung. Knapp 20 Minuten (!) nach dem offiziellen Start passierte dann auch ich das Starttor. Erwähnenswert ist hier noch zweierlei: Es gibt für jeden Teilnehmer einen Chip für die Zeitnahme, was nun wiederrum doch ein wenig den sportlichen Charakter dieser Wanderung unterstreicht und offenbar auch nicht von irgend jemanden in Frage gestellt wird (ich brauche da nur immer wieder an die Diskussionen in Bezug auf Marschevents in Deutschland erinnern). Und zum anderen, ist es tatsächlich möglich, dass tausende Menschen durch ein Starttor passen können, ohne dass man schubsen muss, Panik entsteht oder sonst was. Man sieht, es geht. Gute Beispiele hier sind auch der Rennsteiglauf und nochmal als Vergleich der Karwendelmarsch.

Massenbewegung

Und nun kommt das eigentliche an diesem Event. Der Marsch durch die Massen. Vorneweg sei erwähnt dass man, wenn man sich in einem normalen Marschtempo vorwärts bewegt, von KM 1 bis KM 100 nie, aber auch wirklich nie, an irgendeiner Stelle alleine unterwegs ist. Das war auch für mich mal etwas vollkommen neues, abgesehen von dem einen oder anderen Marsch, den man nur bei Tageslicht macht und auch da nicht nur 50 Menschen mitmarschieren. Und dadurch, dass durch den späten Startzeitpunkt man sich auch gleich in die Nacht hinein bewegt, bekommt das ganze einen besonderen Reiz. Dieser wird aber noch davon getoppt, dass sich die Karawane von Menschen die ersten 20 bis 30 KM durch viele Ortschaften schiebt, wo sich wahrscheinlich ganz Belgien zu einer riesengroße Partymeile versammelt hat und mit Musik und Klatschen die Menschen die da so durchmarschierten (manche vielleicht auch durchrannten) anfeuerten. Böse Zungen behaupten allerdings, dass es in der Anfangszeit des Marsches den Grund hatte, dass die Einwohner ihre Grundstücke vor „Wildpinklern“ schützen wollten. Seis drum..jeder Marsch hat so seine kleinen Anekdoten und „Legenden“.

Durch diesen „Partymarsch“ verging natürlich die Zeit sehr zügig und man hatte auch nie wirklich das Gefühl, es müsste anstrengend werden. Dazu kommt noch, dass die offiziellen Verpflegungsstationen zwar am Anfang etwas weiter auseinander lagen, aber man immer in diesen Ortschaften von irgendjemanden was angeboten bekommen hatte. Leider verlor ich kurz nach dem Start die übrigen Teilnehmer der Gruppe um Bob herum und noch mehr traf mich dann von Bob selbst im Laufe des Tages die Nachricht, dass er zwischenzeitlich aussteigen musste. Wie weit es jetzt alle gekommen waren, vermag ich nicht mitzuteilen. Ich denke aber, dass es alle bis zum Ziel geschafft haben.

Nach einer kurzweiligen Nacht, zu der ich nicht einmal die Taschenlampe zücken musste, da sowieso alles durch andere herum „taghell“ erleuchtet war, führte der Marsch weiter über Feld und Waldwege. Ein Highlight der Nacht war sicher noch der Weg durch einen Schlosspark. Nur schob sich die Masse da weiter unaufhaltsam durch, so dass nicht viel Zeit für „Muße“ blieb.

Mit Anbruch des Tages und der Hälfte der Strecke kamen bei mir noch keine Anzeichen von Schmerzen oder Anstrengung. Das kann zum einen daran gelegen haben, dass ich ja das ganze Jahr über solche Art von Wanderungen bereits hinter mich hatte, oder einfach auch daran, dass durch das Besondere an dieser Wanderung man nie wirklich das Gefühl hatte, es ist etwas, was den Körper jetzt wirklich fordert, solange man natürlich nicht auf Geschwindigkeit aus ist, sondern einfach nur auf das „Mitschwimmen“ in der Menge und dem stressfreien „Genuss“ beim Wandern auskostet.

Irgendwie lichteten sich doch aber auch nun die Reihen der vor und hinter einem marschierenden Menschen, ohne aber sich alleine zu fühlen. Bei dem einen oder anderen merkte man auch an, dass die bisherigen Kilometer doch nicht ganz spurlos blieben. Es boten sich mit dem Sonnenaufgang auch ein paar schöne Momente und sich die Zeit zum fotographieren zu nehmen. Es gibt eben Momente, die erlebt man nicht immer und es sind auch immer wieder schöne Erinnerungen. Wie die Erinnerung an die endlosen Maisfelder. Nun weiß ich auch, woher die „Cornflakes“ und das „Popcorn“ kommen. Zwischendurch konnte man sich auch die Zeit nehmen, mal den einen oder anderen Teilnehmer neben, vor und hinter sich zu beobachten. Leider waren Gespräche nicht wirklich möglich. Aber die Wanderbegeisterung scheint in Belgien wirklich sehr hoch zu sein. Von 16 bis 86 wandert da alles mit.

Countdown

So etwa 20 km vor dem Ziel meinte das Wetter nun, noch eine kleine Aufgabe stellen zu müssen und schaltete kurz auf „Tief“. Man muss auch wissen, obwohl Bornem in Zentralbelgien gelegen, ist es bis zur Nordsee und dem Atlantik nicht sehr weit. Aber ein paar kurze Schauer erfrischten nach der teilweise schwülen, aber auch windigen Nacht. Und als es gegen Mittag ging, machte sich auch wieder die Sonne breit, so dass es auf den letzten 10 Kilometern nur noch ein „Auslaufen“ war.

Auch für mich selbst überraschend, sah ich mich vor einer neuen persönlichen Wanderbestzeit entgegen gehen, obwohl die Strecke (viel Asphalt) ähnlich wie die „7 Seen- Wanderung“ bei Markkleeberg/Sachsen ist und die mich jedes Jahr herausfordert und ich da nie unter 20 Stunden ankomme.

Mit Sonnenschein und alle drei bis vier Kilometer eine Verpflegungsstation ansteuernd ging es nun so langsam dem Ziel entgegen. Und dieser Zieleinlauf hatte es noch mal in sich. Ca. 1 km durch den Ort Bornem bis zur Ortsmitte auf einem extra für den Teilnehmer abgesperrten Weg durch Massen von Menschen die jubelten. Das wird sich bei mir einprägen und war nun in meiner mittlerweile 9-jährigen Wanderkarriere, abgesehen von dem einen oder anderen ähnlichen Zieleinlauf, doch ein einmaliges Erlebnis. Und das konnte ich trotz der zurück gelegten 100 km sehr gut genießen.

Im Ziel gab es dann neben dem einen oder anderen kleinen Präsent den berühmten Anstecker mit dem „Totenkopfkreuz“ und der Zahlenklammer. Das Ziel selbst..Nun ja, man sitzt dann in einem großen Zelt. Hinter einem der Zieleinlauf und nach vorne zu der Weg in die Stadt zurück. Das ist dann etwas merkwürdig geregelt. Da schleicht man sich aus dem Zelt heraus und findet sich in den Menschenmassen wieder. Für den einen oder anderen, dem doch die Füße glühen etwas unglücklich, zumal auch sämtliche Lokalitäten in einem gefühlten Umkreis von 1 KM überfüllt waren und sich die Gelegenheit, bei Kaffee und Kuchen das Erlebte noch mal Revue passieren zu lassen, nicht bot. Für Auswärtige ohne Anhang oder ähnlichem, sehr schwierig. Auch allgemein denke ich, sollte der Weg aus dem Ziel heraus entweder anderes gestaltet werden oder der Zielort wie Startort sein. So schön der Zielort und der Weg dahin auch sein mögen, danach ist das ganze Erlebnis wie „abgeschnitten“.

Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Es ist auch Geschmackssache. Ich hab es eben nach einer solchen Wanderung eben immer gerne etwas ruhiger. Man ist ja auch schon lange unterwegs und vielleicht auch etwas übermüdet. Ich muss dazu erwähnen, dass ich mit dem Aufstehen Freitagmorgens, der Fahrt zum Start und der Wanderung als solchen bereits über 32 Stunden auf war und die Rückfahrt ja noch zu bewältigen war. Irgendwie fand sich dann doch noch in dem Ort etwas Ausserhalb der Massen ein kleiner Platz zum Ausruhen und nach etwa einer Stunde Erholung, hieß es sich auf den Rückweg zu machen. Auch die Rückfahrt verlief soweit planmäßig, auch wenn die Autofahrt ein paar mehr Pausen beansprucht hatte (und in keinster Weise zu empfehlen ist! Safety first!). Schließlich kam ich dann aber doch, mittlerweile war es Sonntagmorgen, gegen ein Uhr wieder zu Hause an.

Es war ein sehr langer, intensiver und doch kurzweiliger Wochenendtrip.

Das positive?: Eindeutig das Eventfeeling.
Das negative?: Man wohnt einfach zu weit weg um das Ganze kostengünstig zu planen.
Eine Wiederholung?: Ist angedacht. Wann? Das wird sich ergeben.
Was vergessen?: Ganz sicher.

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[:de]Winterostseeweg – die Vogelnestproblematik[:]

[:de]50 km in 10 Stunden. Im Februar an der Ostsee. Wenn mich vor 10 Jahren jemand gefragt hätte, ob ich das nicht mitmachen will, hätte ich wohl nur den Kopf geschüttelt und denjenigen für verrückt erklärt. Wahrscheinlich wäre es vor einer Dekade auch den meisten anderen so gegangen, als es noch nicht alle Nase lang 100 km-Märsche in jeder Ecke Deutschlands gab. Heute gibt es zwar immer noch genug Leute, die mich für verrückt halten, an solchen Extremveranstaltungen zum Spaß und für teilweise viel Geld teilzunehmen. Aber irgendwie ist das normal geworden. Und so erscheint einem die halbe Distanz schon fast wie ein Spaziergang. Ein Spaziergang an der winterlichen Ostsee. Manch ein Trainingsmarsch war doch schon länger als die 50 km Winter-Ostseeweg.

Rund 400 Teilnehmer wollen am 17.02. diesen Spaziergang starten. Allein unser Team EarnYourBacon macht davon etwa 10 Prozent aus. Für viele ist es schon die zweite längere Winterwanderung an der Ostsee in diesem Jahr. Ende Januar waren wir für gute 31 km auf dem im Winter verschlafenen Usedom eingekehrt und am teils verschneiten Strand entlang gewandert. Um 9 Uhr ist Start im Ostseebad Kühlungsborn. Um 8 Uhr ist mein Tagesrucksack gepackt mit gefüllter Wasserblase, Croissants, Wechselsocken und -merinowäsche, einem Erste-Hilfe-Säckchen und einer Stirnlampe. Fertig angezogen im Zwiebelprinzip bin ich auch, aber die Haare sind noch nicht „wanderbereit“. Aus Zeitmangel beschließe ich, mir die Zöpfchen einfach auf der Fahrt zum Start zu flechten. Doof nur, wenn man unterwegs merkt, dass die Zopfgummis in der Unterkunft zurückgeblieben sind. Mit offenen Haaren 50 km wandern? „Oh Gott, da bleibt ja am Abend nur noch ein Vogelnest auf dem Kopf zurück“, denke ich und schreibe einen Hilferuf in unsere WhatsApp-Gruppe. Maika rettet mich zum Glück vor dem drohenden Knotendisaster mit einem Ersatzgummi.

 

Ganz untypisch für eine Sportveranstaltung findet der Start innerhalb einer Sporthalle statt. Dick in unsere Schichten eingepackt, können wir es kaum erwarten, endlich raus auf die Strecke entlassen zu werden. Es geht gleich Richtung Meer und für ein kurzes Stück auf der Promenade entlang. Mit 3 Grad ist es winterlich kalt, aber die Anstiege im Inland und die stete Bewegung heizen uns schon gut ein. Aus meinen Fehlern habe ich natürlich gelernt und heute eine lange Unterhose an. „Schwerer Fehler“, denke ich schon nach kurzer Zeit, als es den langen, fiesen Anstieg zum Leuchtturm Basdorf hochgeht und meine Beine glühen. Der Abschnitt erinnert mich sofort an den langen 100 km-Ostseeweg, wo es danach gleich noch in die sehr anspruchsvolle „Kühlung“ geht, die viele Teilnehmer in die Knie gezwungen hatte.

 

Man, ist das warm

Neben mir läuft Lea und klagt über ihren nicht ganz perfekten Zopf. Unter ihrer Mütze würden die Haare immer verwurschteln, sagt sie. Und ich dachte immer, ich wäre die einzige mit der Vogelnestproblematik, was lange Haare angeht. Nach rund 17 km kommen wir am ersten Verpflegungspunkt an. Es gibt Toiletten, heißen Kaffee und Tee, Kuchen, Obst und Laugengebäck. Genug, um den gierigen Wanderermagen für die nächsten 11 km bis zur nächsten Verpflegungsstelle ruhig zu stellen. Während ich noch meinen Kaffee genieße, fragt mich Nina, ob ich nicht noch ein Zopfgummi für sie hätte. Sie hätte ihres verloren und ihre Haare würden offen sofort verfilzen. Komisch, wie oft dieses Thema gerade heute hoch kommt. Ich wedele mit meinem Zopf, in dem das schon selbst geborgte eingeflochten ist, und schüttele leider den Kopf.

Nachdem ich meine nassgeschwitzte Daunenjacke gegen ein Fleecehoodie getauscht habe, geht es mit der Rasselbande weiter. Einige Streckenabschnitte laufen wir jetzt in die entgegengesetzte Richtung, dann geht es schnurstracks wieder zum Meer. Der Ausblick von der Steilküste ist toll, aber der Weg furchtbar matschig. Immer wieder rutschen und glitschen die Schuhe im Morast weg und die Wanderhosen sehen aus, als hätten wir sie extra mit Schlamm eingerieben. Ein Strandkorb und das 20 km-Schild laden zu einem kleinen Fotostopp ein, bevor es bald wieder ins Inland geht.

 

Meine Laune ist ungebrochen gut, nur neben mir schnauft es ab und an. Martins Rucksack gehört nicht gerade zu den ergonomischsten und drückt fortwährend auf die Schultern. Das Wundermittel Ibuprofen hilft zumindest, bis zum zweiten Verpflegungspunkt zu kommen, der gleich dem Start- und Zielort ist. Martin entledigt sich seines Rucksacks und ich mich meiner langen Unterhose und der nassen Daunenjacke. Genug geschwitzt. Nach zu viel Kuchen geht es im größeren Rudel ab zur Promenade, diesmal in die andere Richtung. Hier sind auch deutlich mehr „normale“ Spaziergänger unterwegs, die uns ulkig anschauen, während wir lautstark von unseren ersten absolvierten 28 Kilometern erzählen.

 

Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich meine Füße noch nicht spüre. Doch, doch, die sind da und fragen sich, warum sie jetzt eigentlich nochmal 22 km laufen müssen. Ganz einfach: weil der Rest des Körpers will und sie nunmal mitmachen müssen. Die ganz unten müssen eben am härtesten arbeiten, während der Kopf sich amüsiert. Das ist ja nicht nur beim Wandern so. Gespräche über Geländewagendachgepäckträgersysteme, günstige Unterkünfte in Polen, wildes Campen in Deutschland und Leichtmetallkochtöpfe verkürzen die Zeit bis zum dritten Verpflegungspunkt in Heiligendamm, mit dem ich gar nicht gerechnet hatte. Umso mehr freue ich mich über einen weiteren leckeren Kaffee und den inzwischen siebten Vanillekringel. Nur noch etwa 10 Kilometer, da wird die letzte Pause auf ein Minimum verkürzt.

 

Die Nacht senkt sich herab

So langsam setzt die Dunkelheit ein und es wird auch wieder ein wenig kälter. Meine Hände frieren trotz Handschuhe und meine Fußsohlen brennen schon ganz gut. Trotzdem legt unser kleines Trüppchen nochmal ordentlich an Tempo zu und überholt einen nach dem nächsten Wanderer. Steve und Max, die aber anscheinend Raketenwasser getrunken haben, verschwinden einfach vor uns in der Dunkelheit. Der Weg führt nun lange an Straßen entlang und die Scheinwerfer der Autos lassen uns ein ums andere Mal erblinden. Kurz missdeuten wir auch die auf dem Radweg aufgesprühte Aufforderung, uns links zu halten, aber wir werden noch rechtzeitig vom Streckenposten wieder auf den richtigen Pfad gewunken.

Die Stirnlampen lassen wir bewusst aus. Unsere Augen haben sich ganz gut an die Dunkelheit gewöhnt. Als es aber auf die Zielgerade mitten in den finsteren Wald geht, müssen auch wir einsehen, dass wir eine zusätzliche Lichtquelle brauchen. Mittendrin kommt uns noch Lotte, der „Veranstaltungsbegleithund“ entgegen gelaufen und bringt uns fröhlich neben uns her trottend zum Ziel, der Halle in Kühlungsborn. Janine hat uns kurz vor dem Wald noch eingeholt und so laufen, nein rennen wir zu fünft Hand in Hand durch den Zielbogen, wo wir mit Applaus von unseren Teammitgliedern empfangen werden. Im Minutentakt kommen nun die restlichen EarnYourBacons in Ziel und mit Sonja sind wir am Ende vollständig. Finisherquote: 100 %.

Mit Holzmedaille und Urkunde hole ich mir den verdienten Glühwein und einen weiteren Vanillekringel, ziehe mir meine Schuhe aus und setze mich einfach auf den Hallenboden. Der Plan, Pizza in die Halle zu bestellen, scheitert am Vorhandensein eines Lieferdienstes in Kühlungsborn. Und auch die Pizzeria vor Ort ist nicht in der Lage, 25 von uns bei sich aufzunehmen. Stattdessen entsteht der Plan, im Hotel, wo der Großteil aller Teilnehmer von uns untergekommen ist, die Lounge zu besetzen und die Pizza eben von gegenüber selbst zu holen.

Beim Aufstehen merke ich auf einmal, wie ein stechender Schmerz in meinem linken Fußgelenk ein vernünftiges Gehen unmöglich macht. Noch vor dem Zubettgehen werde ich feststellen, dass er dick geschwollen ist. Warum hatte ich das denn unterwegs nicht gemerkt. Mit dem Auto geht es daher statt zu Fuß zum Hotel und mit viel Improvisation und Hin- und Herrrennens zwischen Hotel und Pizzeria kommen wir alle tatsächlich noch an unser Futter und jede Menge Bier. Einen Teil des Teams haben wir allerdings auf dem Weg an einen Inder verloren.

Zufrieden über den Tageserfolg stoßen wir an, mampfen unsere fettigen, aber geschmackvollen Pizzen, planen den nächsten Tag, lassen den heutigen Revue passieren und verabschieden uns um halb elf in unsere jeweilen Quartiere. Die Ostsee wird uns sicher für die ein oder andere Schandtat wiedersehen.

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[:de]Berliner Polarnacht – Fehler wie ein Anfänger![:]

[:de]Fehler machen wie ein Anfänger. Und das nach hunderten von Wanderkilometern, davon zahlreiche in der kühlen bis kalten Winterzeit. Ja, auch das passiert (mir) mal. Zum bereits dritten Mal bin ich zur Berliner Polarnacht angemeldet. Beim ersten Mal vor zwei Jahren kam ich etwa 30 km weit. 2017 gab es dann die erste Urkunde zum erfolgreichen Überleben der damals wirklich harten 50 Km der Nacht. Vereiste und verharschte Böden mit ausreichend Schnee, um die Gelenke zu quälen, hatten mich mehrfach an den Rand der Verzweiflung gebracht.

Dies Jahr war ich von Anfang an nicht sicher gewesen, ob ich die 50 Km durchziehe. Ich war seit Mitte November, seit dem Halbmarathon in Las Vegas, einfach zu faul gewesen. Bis auf einige wenige Alibi-Läufe und die Glühweinwanderung waren da keine sportlichen Highlights zu verzeichnen gewesen. Nun könnte ich als Vorwand den immensen Zeitaufwand für die Fjällräven Polar-Bewerbungsphase als Grund vorschieben, aber wenn seien wir mal ehrlich: eine Stunde für eine kleine Laufrunde ist doch immer irgendwo drin. Egal. Ich war also völlig untrainiert und wollte die Polarnacht für einen neuen Motivationsschub nutzen. Dafür eignen sich Anmeldungen zu Wettkämpfen immer!

Um 18 Uhr treffen wir uns zum präventiven Kohlenhydratspeicherauffüllen in einer Lokalität am S-Bhf Gesundbrunnen. Frisch gestärkt geht es um kurz vor 20 Uhr zum Treffpunkt los, wo Wolfgang Pagel und seine Helfer schon fleißig Listen abstreichen, Geld einsammeln und Routenbeschreibungen verteilen. Selfies werden geschossen, für Gruppenfotos zusammengerottet und Punkt 20 Uhr bewegen wir uns zu etwa fünfzigst in die Berliner Nacht. Mit etwa 1 Grad ist es winterlich kalt, aber der Boden eis- und schneefrei.

Ich habe mir zwar eine Papierkarte von Wolfgang eingesteckt, aber eigentlich nur für den Notfall. Selbst auf das Herunterladen der Strecke habe ich diesmal verzichtet. Ich möchte mich einfach mal treiben lassen, wenn ich schon nicht diejenige bin, die die muntere Truppe durch den nächtlichen Stadtdschungel führt. Das klappt auch richtig gut. Quasi von Beginn der Wanderung bis kurz vor Ankunft am 23 km entfernten Pausenziel habe ich keine Ahnung, wo ich gerade bin. Diese Gegend Berlins ist mir völlig fremd. Aber ich unterhalte mich vortrefflich mal mit dem einen, mal mit dem anderen. In der Dunkelheit erkenne ich im Zweifel auch erstmal gar nicht, mit wem ich da gerade rede.

 

Dumm gelaufen

Die amüsanten Gespräche sind sicherlich auch der Grund, warum sich zwei ungute Gefühle noch ganz gut unterdrücken lassen, die sich nach etwa 15 km immer weiter geistig und körperlich in den Vordergrund drängen: meine Oberschenkel und der Hintern frieren und ich muss auf Toilette. Bezüglich Zweiterem quält mich mein Magen zusehends mehr, aber eine Aussicht auf Erleichterung gibt es nicht. Zu schnell und ohne Anhalten bewegt sich die Masse. Max, der nur mal kurz in den Busch verschwunden war, brauchte 20 Minuten, um uns wieder einzuholen. Und wenn Max schon bei geringstmöglicher Auszieh-Zeit und hoher Aufholgeschwindigkeit schon so lange braucht, habe ich als Weibchen keine Chance, meine Mitwanderer jemals wieder zu finden

„Die kalten Schenkel hätte ich aber echt vermeiden können“, denke ich. „Ziehst dir fünf Schichten am Oberkörper an, wovon schon mindestens zwei zuviel sind… aber an den Beinen haste nur eine dünne Schicht. Wie doof ist das denn?“ Ich erinnere mich nun, im letzten Jahr mit langer Unterhose gestartet zu sein.

 

Um 0:25 Uhr landen wir am S-Bhf Zitadelle in Spandau und in der dortigen McDonalds-Filiale. Beim erleichternden Toilettenbesuch reicht ein flüchtiger Blick auf meine Oberschenkel, um zu wissen: Weitergehen in die immer noch kälter werdende Nacht macht einfach keinen Sinn. Zumindest nicht bis zum Ende der 50 km. Knallrot ist meine Haut dort überall und eiskalt. Eigentlich würde ich gerne trotzdem noch einige Kilometer mitwandern und so wie vor zwei Jahren nach gut 30 km aussteigen. Leider lässt das aber die geänderte Streckenführung nicht zu. Ab hier weiterzulaufen heißt, bis zum Ende zu laufen, denn es gibt keine öffentlichen Bahnhöfe mehr an der Route. Und auf die Spandauer Busse möchte ich mich nicht verlassen. Ich bin nicht die einzige, die so denkt und so steigen rund zehn Wanderer an diesem Punkt aus.

Als ich nachts um drei in Lichterfelde ankomme und die unglaubliche Ruhe genieße, bin ich zwar einerseits froh, jetzt ins Bett zu fallen. Andererseits ärgere ich mich dennoch richtig über meine Dummheit, ohne eine zweite Schicht um die Beine losgegangen zu sein. Manchmal muss man Fehler eben zweimal machen, damit sie sich für immer einprägen.

 

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[:de]Horizontale um Jena – 2x 100 km in 2 Wochen? Eine dumme Idee![:]

[:de]erzählt von Sebastian S.


Zwei Wochen ist es erst her, dass ich 100km beim Mammutmarsch in Berlin gelaufen bin und jetzt stehe ich schon wieder bei der Horizontale in Jena am Start. Wie kann man so verrückt sein? Eine Frage, die nicht nur meine Freunde mir gestellt haben, sondern auch ich mir selbst immer wieder stelle. Eine erste Antwort ist sehr leicht: Ich habe beim Buchen der Veranstaltung nicht nachgedacht und bin “mausgerutscht”. Eine andere Antwort auf die Frage nach dem Warum, suche ich selbst noch immer…

Da ich mir diese Frage selbst nicht so richtig beantworten kann, bin ich den Abend vor der Horizontale auch nicht wirklich motiviert und kann mir kaum vorstellen die 100km zu schaffen. Daher sitze ich den Abend lange mit Freunden bei Bier zusammen und schmeiße kurz bevor ich schlafen gehe noch schnell alles in den Rucksack. Um 10 Uhr am Freitagmorgen geht es los. Glücklicherweise muss ich selbst nicht Autofahren, sondern kann mich auf der Rückbank von Santoshs Auto noch etwas ausruhen und nach Jena fahren lassen. Dort angekommen laden wir unser Gepäck in der Unterkunft, ziehen uns um und gehen noch was leckeres Essen, um uns für die kommenden Stunden zu stärken.

Gegen 16 Uhr finden wir uns dann am Sportplatz, dem Startpunkt des Marsches, ein. Dort treffen wir auch die anderen EarnYourBacons. 13 Bacons haben es gewagt hier an den Start zu gehen. In dieser netten Gruppe bin ich nicht der Einzige, der verrückt genug ist zwei Wochen nach dem Mammutmarsch sich erneut dieser Herausforderung zu stellen. Nach dem Abholen der Startunterlagen haben wir noch knapp zwei Stunden bis zum Startschuss. Besorgt beobachte ich die dunklen Wolken am Himmel. Laut Wetterbericht soll es ab 21 Uhr gewittern aber immerhin soll es dann ab Mitternacht  sternenklar werden.

Kurz vor 18 Uhr sammeln sich alle 1000 Läufer im Startbereich. Laut wird von zehn herunter gezählt, dann geht es unter lautem Jubel los. Unter den 1000 Menschen verliere ich einige unserer Gruppe schnell aus den Augen. Die Masse schlängelt sich gezielt in Richtung des ersten Berges. Die erste Steigung streckt sich über einen langen Abschnitt und es macht nicht den Anschein als ob die 2300 Höhenmeter schwer zu überwinde sein könnten. Noch sind alle gut gelaunt und machen Witze. Nach 5 Kilometern biegen wir auf den Rundkurs ab. Hier staut es sich, denn der Weg wird einspurig. Wir befinden uns nun auf einem Abschnitt wie wir ihn noch häufiger in den nächsten 19 Stunden erleben werden. Rechts von uns die Felswand, links geht es steil bergab. Man hat einen schönen Ausblick über das Tal und Jena. Der Weg ist so schmal, so dass überholen nicht möglich ist. So bewegen wir uns in einer ewig langen Schlange am Berg entlang. Es sieht aus als würden wir eine Menschenkette um Jena bilden.

Als wir wieder auf einen breiteren Weg treffen, fängt es langsam an zu tröpfeln. Die ersten kramen hastig ihre Regenkleidung aus den Rucksäcken, während ich noch hoffe, dass der Regen schnell über uns hinweg zieht und wir von schlimmerem verschont bleiben. Es kommt allerdings wie es kommen muss und wie es schon vom Wetterbericht angekündigt wurde; es beginnt zu schütten. Nur in einem hat der Wetterbericht zu unserem Glück Unrecht: es gewittert nicht. Noch sind wir etwas von Bäumen geschützt und bekommen damit nicht die volle Ladung des Unwetters ab, doch bald führt uns der Weg aus dem Wald auf die offene Weide. Spätestens hier werden wir richtig nass.

Als uns der Weg wieder in einen Vorort von Jena hinein führt, erreichen wir den ersten Versorgungspunkt. Da es noch immer stark regnet und es keinen Unterstand gibt, beschließen wir uns die Beutel mit der Verpflegung mitzunehmen und direkt weiter zu laufen. Unter einem kleinen Vordach lesen wir Raimo auf und beschließen mit ihm zusammen weiter zu gehen. Beim Loslaufen kommen auch Gritta und Dirk dazu. So ziehen wir zusammen in der Dämmerung durch den Regen.

In der Dunkelheit wird es langsam schwer zu erkennen wo eine Wurzel oder eine Pfütze den Weg versperrt. In dem Regen habe ich allerdings noch keine Lust in meinem Rucksack nach der Kopflampe zu suchen und vertraue weiterhin auf die Lichter der anderen. Bald geht es jedoch wieder steil bergab, auf einem sehr schmalen verwurzelten Weg, auf dem es ohne Licht doch zu gefährlich wird, so komme ich nicht darum herum meine Kopflampe herauszuholen. Unten in Jena angekommen geht es direkt wieder in Richtung des nächsten Hügels. Langsam wird das Prinzip klar: wenn du einen Weg siehst der nach oben führt, musst du mit Sicherheit diesem folgen. Dieses Konzept kennen wir ja zum Glück schon von allen EarnYourBacon-Wanderungen.

In der Dunkelheit fällt es uns zunehmend schwer, die Wegmarkierung zu finden und leider ist der digitale Track nur zur groben Orientierung gedacht und nicht zur Navigation, wodurch wir an jeder Kreuzung etwas länger brauchen, um den richtigen Weg zu finden. An einigen Stellen sind sich die Teilnehmer untereinander auch nicht einig. Die einen gehen den einen, die anderen den anderen Weg. Erfreulicherweise treffen wir in der Dunkelheit auf Maria, die aus Jena kommt und die Horizontale schon mehrfach gelaufen ist und daher selbst in der Dunkelheit den Weg kennt und uns so zumindest bis zum nächsten Verpflegungspunkt leiten kann. Hier trennen uns jedoch unsere Wege wieder, denn wir möchten im Gegensatz zu ihr, doch wenigstens kurz Pause machen und einen Kaffee trinken.

Da wir zum Verpflegungspunkt ins Tal gestiegen sind, heißt es nun nach der Pause selbstverständlich wieder den nächsten Berg zu erklimmen. Der Weg nennt sich Schweizerhöhenweg, der Name ist Programm. Da wir nun wieder ohne Ortskündigen unterwegs sind, kommt es wie es kommen muss. In der Dunkelheit sehen wir die Wegmarkierung nicht und laufen prompt an der Abzweigung vorbei und schnurstracks auf falschem Wege tief in den Wald hinein. Erst einige 100m später fällt uns der Fehler auf und zwingt uns zum umkehren. Als wir uns wieder auf dem richtigen Weg befinden, folgt uns eine Gruppe, die offensichtlich besser im Navigieren der Strecke ist als wir. Netterweise rufen sie uns an jeder Gabelung zu, in welche Richtung der Weg führt. Ohne diese Hilfe wären wir in dieser Nacht vermutlich noch einige Kilometer durch den Wald geirrt.

Die Nacht überstanden

Bei Sonnenaufgang haben wir dann endlich über die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht. Die aufgehende Sonne spendet uns nun auch wieder neue Energie. So viel Energie, dass wir anfangen zu joggen. Etwas verrückt muss es jedoch ausgesehen haben wie wir den Berg hinunter gelaufen sind, denn Sascha, Dirk, Gritta und ich hatten uns unter den Armen eingehakt und rannten so in einer Reihe an allen vorbei. Erst als wir am Fuße des Berges ankamen, wanderten wir wieder normal weiter. Durch die plötzliche Energie und das gemeinsame Joggen war ich wieder super gut gelaunt und merkte gar nicht wie die nächsten Kilometer davon zogen. Schneller als gedacht erreichten wir den nächsten Verpflegungspunkt bei Kilometer 65. Zu unserer Freude gab es hier Waffeln zum Frühstück 🙂 Auf einem Schild hieß es: “Noch keiner hat 100km ohne Waffeln geschafft”. Im Umkehrschluss heißt dass, mit den Waffeln im Magen kann uns jetzt nichts mehr stoppen.

Gritta jedenfalls war nach der Pause definitiv nicht mehr zu stoppen. Sie rannte vor uns weg und war für die nächsten Stunden nicht mehr zu sehen. Ich merkte nach dieser Pause die Nachwirkungen des Mammutmarsches. Meine Füße taten jetzt schon gut weh. Somit brauchte ich etwas Zeit, um wieder in Schwung zu kommen. Aus Erfahrung wusste ich zum Glück, dass es nur die ersten Minuten nach einer Pause richtig schlimm ist und es wenn man in Bewegung bleibt, wieder besser wird. So war es auch und somit ging es auf die letzten 35 Kilometer.

Mich erreichte nun eine nette Nachricht mit motivierenden Worten und lieben Grüßen an alle in der Gruppe von Bob (einem weiteren Mitglied unserer EarnYourBacon-Gruppe). Ursprünglich wollte er auch mitlaufen oder zumindest uns das letzte Stück begleiten. Nun war er jedoch schon wieder auf dem Weg Richtung Berlin und wollte uns aus der Ferne für das letzte Stück motivieren. Keine zwei Stunden später kam noch eine Nachricht von ihm, er ist jetzt doch noch mal umgedreht und war auf dem Weg zu uns. Er würde uns auf dem letzten Abschnitt abfangen und mit Essen/Trinken nach unseren Wünschen versorgen.

Es lagen nun nur noch 10 Kilometer vor uns und laut Höhenprofil nur noch ein steiler Anstieg. Kurz vor dem Anstieg kamen uns schon die ersten Läufer der 35 Kilometer Wanderung, welche am Morgen gestartet war, entgegen. Zunächst war das sehr motivierend, denn damit war klar, dass das Ziel nicht mehr weit entfernt sein kann. Je mehr es wurden, desto nerviger wurde es jedoch. Zwar grüßten einige nett und versuchten uns mit Worten zu motivieren, die meisten jedoch standen blöd im Weg herum. Der Weg war nun wieder zu einem einspurigen Pfad geworden, der so eng war, dass überholen kaum möglich war, aneinander vorbei war in der Konsequenz ebenso schwierig. Wenn die ausgeschlafenen und noch frischen 35-Kilometer-Wanderer einem dann auch nicht den Weg frei machen, wird das eh schon anstrengende Wandern sehr nervtötend. Die entgegenkommenden Wanderer wurden immer mehr, der nächste Versorgungspunkt wollte jedoch ewig nicht erscheinen.

Nach einer weiteren Kurve war es dann endlich so weit, nur noch die letzten 100m steil bergauf, dann war der Versorgungspunkt erreicht. Die Pause wollten wir noch kürzer gestallten als alle vorher, damit es nicht wieder so lange braucht um in Bewegung zu kommen und schließlich waren es nun „nur noch“ 13 Kilometer. Also schnell die Cola getrunken, noch eine Scheibe Brot auf die Hand genommen und weiter ging es. Keine fünf Minuten später trafen wir dann auf Bob, der eine große Kühltüte mit kalten Getränken für uns dabei hatte. Lange Zeit zum Pause machen und uns unterhalten hatten wir leider an dieser Stelle nicht, denn wir blockierten so den schmalen Weg. Also blieb uns nichts weiter, als das auf später im Ziel zu verlegen. Mit einem schönen kalten Bier ging es somit für uns weiter. Es gab zu dem Zeitpunkt nichts schöneres als dieses kühle Bier. Die Schmerzen waren erst mal betäubt und so ging es mit neuer Energie in den letzten Abschnitt. Leider hielt das nicht länger als 5 Kilometer an, dann kamen die Schmerzen wieder zurück und waren gefühlt doppelt so schlimm wie vorher.

Dass die letzten Kilometer eines 100er schlimm sein werden, war mir bekannt, aber hier fand ich es besonders schlimm. Meine Geschwindigkeit ließ immer weiter nach und so wurde meine Entfernung zu Sascha und Dirk immer größer. Von Gritta hatten wir uns schon verabschiedet, sie wollte die letzten Kilometer noch mal Joggen und uns im Ziel empfangen. Irgendwann hatte ich Sascha und Dirk komplett aus den Augen verloren. Der nächste Berg kam mir daher ganz gelegen.

Ich sammelte meine letzte Energie, um den anderen hinterher zu rennen. Am Fuße des Berges war noch eine Getränkestation aufgebaut, hier traf ich wieder auf die beiden, um von hier aus gemeinsam das Ziel zu erreichen. Die Strecke, auf der wir nun liefen, waren wir am Vorabend schon entgegengesetzt gelaufen und hatten noch darüber gespaßt wie es sein wird, 24 Stunden später wieder hier entlang zu kommen. Zum Spaßen war mir zu dem Zeitpunkt allerdings nicht mehr, aber es war gut zu wissen, dass es gleich vorbei sein wird. Noch wenige Meter dann war es geschafft.

Nach unglaublichen 19 Stunden und 22 Minuten erreichten wir endlich das langersehnte Ziel, an dem Gritta schon auf uns wartete. Sie hatte es halb joggend, halb wandernd geschafft, in 18 Stunden und 57 Minuten die Ziellinie zu überqueren und dass obwohl sie spontan mitgekommen war und eigentlich nur maximal bis zum zweiten Verpflegungspunkt mitkommen wollte. Wahnsinn!! Endlich konnten wir uns entspannt mit einem Bierchen hinsetzen und auf die restlichen Bacons warten. Gegen 17 Uhr kam dann unter tobenden Applaus der barfüßige Santosh ins Ziel. Damit hatte es der letzte unserer Gruppe es auch erfolgreich geschafft. Von dem Team aus 13 Startern waren insgesamt 11 im Ziel angekommen, damit waren wir das größte erfolgreiche Team auf der Horizontale!

Und danach?

Das Fazit aller war: „Das war der härteste 100er den wir je gelaufen sind! Ein Mal und nie wieder!“ Der erste Satz mag vielleicht noch stimmen, beim zweiten bin ich mir im Nachhinein nicht sicher. Die Strecke war mit Sicherheit nicht einfach aber so schön dass ich es mir durchaus vorstellen kann im nächsten Jahr zu wiederholen.
Zum Abschluss bleibt mir nur eines zu sagen: Danke Bob! Und danke allen die mitgelaufen sind oder aus nah und fern unterstützt haben!

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[:de]Mammutmarsch 2017 – Alle guten Dinge sind drei![:]

[:de]

erzählt von Sebastian S.


Vor drei Jahren bin ich zum ersten Mal beim Mammutmarsch an den Start gegangen. Damals musste ich nach 50 km aufgeben. Damit hat mich der Ehrgeiz gepackt. Das muss doch zu schaffen sein… letztes Jahr kam dann die Enttäuschung. Der Marsch wurde abgebrochen, da war ich gerade mal bei km 59. Zum Glück fand sich eine kleine sehr nette Gruppe, die den Abbruch nicht auf sich sitzen lassen konnte, wodurch die 100km doch noch erreicht werden konnten. Doch bei aller Freude, die 100 km geschafft zu haben, war ich doch nicht richtig glücklich. Offiziell hatte  ich das Ziel nicht erreicht. Somit war sofort klar: 2017 wird der Mammutmarsch auf jeden Fall bezwungen.

Die Vorbereitungen dafür starteten dieses Jahr schon sehr früh. Schon im Januar bezwang ich bei der “Polarnacht” die ersten 50km. Ab da ging es über die nächsten Monate konstant weiter. Allerdings fragte ich mich jeden frühen Samstagmorgen, den ich mich zum Training aus dem Bett quälte, wofür ich das eigentlich gerade mache. Um es mir zu beweisen? Nein, das habe ich schon geschafft! Für die Urkunde, die irgendwo verstaubt? Definitiv nicht! So kam ich mit Nina und Joel darauf, das ganze einem anderen Zweck zu widmen. Denn es ist ein enormes Privileg, sich freiwillig dafür entscheiden zu können, einfach mal aus Spaß an einem Wochenende zu versuchen, 100km zu Fuß zu gehen. Viele würden alles dafür geben. Man kann zwar mit Geld nicht direkt die Welt retten, aber man kann die wichtige humanitäre Arbeit von NGO´s unterstützen. So entstand dann recht schnell der Gedanke, den Marsch zu einem Spendenlauf zu gestalten und damit die Arbeit von “Ärzte ohne Grenzen” zu unterstützen. Einen Monat vor dem Mammutmarsch war es dann so weit, das Training war erfolgreich abgeschlossen (sogar mit dem “Turmdiplom” zertifiziert) und die Spendenaktion lief erfolgreich an.

Am 27.05.2017 kam dann der große Tag. Am Abend vorher entstand auch bei mir langsam Aufregung, Vorfreude und eine gewisse Angst vor der langen Strecke an einem der heißesten Wochenenden des Jahres. Mit einem mal wieder viel zu schweren Rucksack, ging es mit Joel zusammen los Richtung Erkner. Ein kurzer Zwischenstopp musste noch an der Seestraße gemacht werden, um noch Kumpir essen zu können und gestärkt starten zu können. In der glühenden Hitze ging es mit der Bahn nach Erkner. Dort saß schon ein Teil unserer “EarnYourBacon”-Gruppe. Wir meldeten uns an und holten unser T-Shirt ab. Als kleine Überraschung für die TeilnehmerInnen des letzten Jahres gab es zusätzlich einen “returning hero” Mammutmarsch Sportbeutel, inklusiver Getränkemarken für Kaffee an den Versorgungspunketen. Jetzt stand nur noch das obligatorische Gruppenfoto an, dann kann es los gehen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Nach einer kurzen Ansprache vom Veranstalter, in der er unsere Gruppe als Ehrengäste erwähnte, ging es dann tatsächlich um 16:15 Uhr endlich los. Am Start liefen so viele Menschen durcheinander, dass es schwierig war sich nicht zu verlieren. Die ersten 16 km vergingen wie im Fluge. Am Strandbad Müggelsee war der erste Versorgungspunkt. Hier wurde aber nur kurz das Wasser aufgefüllt, eine Banane gegessen und das Klo aufgesucht und schon ging es weiter. Durch die kurze Pause gelang es uns, etwas aus dem Chaos von vielen Menschen heraus zu kommen. Da es nun schon 20 Uhr war und das DFB Pokalfinale parallel lief, suchten wir uns einen Radiosender, um es wenigstens akustisch miterleben zu können. So liefen wir die nächsten 90 Minuten und merkten gar nicht, wie die Kilometer flogen und wir uns nun zu viert (Joel, Sascha, Jan und ich) immer weiter von den anderen absetzten. Um uns herum nun kaum noch bekannte Gesichter. Mit der nun einbrechenden Dunkelheit wurde es dann doch allmählich kühler. In T-Shirt und kurzer Hose konnte es nicht mehr weiter gehen. So waren wir zu einer Umziehpause gezwungen. Sonst wären wir vermutlich durchgelaufen zum nächsten Versorgungspunkt bei Kilometer 44. Dort angekommen trafen wir dann doch einige bekannte Gesichter. Nach und nach wurden es immer mehr. Mir war allerdings um die Zeit nicht wirklich nach Essen und so wirklich schmecken wollte mir auch nichts. Ich versuchte so viel wie möglich in mich reinzustopfen, mein Körper würde es brauchen. Den anderen ging es ähnlich und so zog unsere vierer Truppe recht bald wieder weiter.

 

Es war nun spät in der Nacht, ich war durchaus schon etwas müde und nicht mehr für Kommunikation zu haben. Es war also die Zeit gekommen, Podcasts zu hören. So liefen wir recht stille weiter durch die dunklen Wälder und merkten nur daran, dass wir immer mehr Menschen überholten, dass unsere Laufgeschwindigkeit immer und immer schneller wurde. Gegen 4 Uhr hatten wir dann auch schon den nächsten Verpflegungspunkt bei Kilometer 59 erreicht. Hier gab es eine leckere Kartoffelsuppe und Kaffee und dann ging es auch direkt wieder weiter, denn für lange Pausen war es zu der Zeit zu kalt. Beim Loslaufen sagten wir uns noch, dass wir den nun kommenden Abschnitt etwas ruhiger angehen wollen. Doch kaum erblickten wir die ersten Sonnenstrahlen hatten wir dieses Vorhaben offensichtlich schon wieder vergessen.

So ging es schnellen Schrittes durch die Märkische-Schweiz, die sich vermutlich nur im flachen Brandenburg “Schweiz” nennen darf. Langsam machte sich die Geschwindigkeit bei Joel durch Kniebeschwerden bemerkbar. Zum Glück waren es nur noch wenige Kilometer zum nächsten Pausenpunkt (74km). Diesen erreichten wir auch noch vor 7 Uhr. Hier war zu unserem Glück Santosh als Helfer eingeteilt, denn der Rucksack war von Anfang an viel zu schwer und mit unnötigem Gepäck bestückt. Dies konnte ich nun alles endlich abladen. Kurz bevor wir weiter wollten kam, Steve angelaufen. Er hatte seine Gruppe zurück gelassen und wollte sich nun uns anschließen, in der Hoffnung in seiner Geschwindigkeit unterwegs zu sein (wer Steve kennt, weiß, dass niemand so schnell läuft wie er). Wir liefen also zunächst zu fünft weiter.

Die nächsten Kilometer waren die Hölle. Nicht wegen der zuvor gelaufenen Kilometer oder der Wegbeschaffenheit, sondern wegen der Millionen Mücken. Trotz aufkommender Hitze lief ich weiter in langärmliger Kleidung, Kapuze über den Kopf gezogen und wild mit den Armen wedelnd durch die wäldliche Moorlandschaft. Erst als es endgültig zu warm war und wir das Mückengebiet weit hinter uns gelassen hatten, traute ich mich in kurze Kleidung zu wechseln. Am besten hätte ich mich allerdings den Nudisten anschließen sollen, denn jetzt wo die Sonne richtig am Himmel stand wurde es enorm heiß. Zu unserem Pech war bei Kilometer 90 auch noch jeglicher Baum verschwunden.

Die nächsten Kilometer, gefühlt weitere 100, führten uns immer weiter gerade aus an der Hauptstraße entlang Richtung Gusow. Einen kleinen Lichtblick gab es noch mal bei 92km. Wir waren uns erst nicht sicher ob es eine Fatamorgana war oder ob wir wirklich in der Ferne eine Tankstelle erblickten. Zum Glück spielten unsere Sinne uns keinen Streich und wir wurden mit Eis beglückt. Gestärkt waren wir bereit für die letzten 8 Kilometer auf der “Straße der Hölle” wie sie so nett getauft wurde. Auf einem Straßenschild war das nächste Dorf in 4km angekündigt. Als wir dieses erreichten, durfte es nach meiner Rechnung nur noch 4km bis zum Ziel sein. Da sprach uns eine Frau vor ihrem Haus an, was denn die ganzen komischen Leute in ihrem Dorf wollten, als ich ihr sagte was wir hier suchten, versuchte sie uns zu motivieren mit den Worten “zum Bahnhof sind es nur noch 6km”, worauf ihre Freundin nett ergänzte “naja ein paar mehr sind das schon noch”.

Das Problem zeigte sich als ich auf mein Handy schaute und sah, dass die beiden recht haben sollten. Es waren nicht wie ich dachte nur noch 4km sondern doch noch über 6km, wie frustrierend… Naja es half ja alles nichts es musste weiter gehen. Die Schmerzen in den Füßen wurden zwar doch nun immer stärker, aber an aufgeben konnte ich sicherlich nicht denken. Es ging immer weiter geradeaus und das nächste Dorf wollte sich einfach nicht nähern. Ich beschloss, nicht mehr weiter auf mein Handy und die Navigation zu achten, sondern einfach nur noch zu laufen. Am Straßenrand standen nun immer wieder nette Menschen, die uns anfeuerten. Ein Pärchen, das am Vorabend auch zum Mammutmarsch angetreten war, aber aufgegeben hatte, fuhr mit seinem Auto immer ein Stück weiter voraus, um immer wieder anzufeuern. Das konnte die Schmerzen zwar nicht lindern, die Strecke verkürzen konnten sie leider auch nicht, aber die Motivation hoch halten und die Laune verbessern definitiv und dafür bin ich allen auf die letzten Kilometern dankbar! Ich wusste aus dem letzten Jahr, dass die letzten Kilometer sehr grauenvoll sein können und wie es ist, wenn man die 100km Marke erreicht hat, aber das Ziel noch weiter entfernt ist. Aber hatte das wohl etwas verdrängt.

Die Freude Gusow erreicht zu haben wurde schnell getrübt dadurch, dass das Ziel auch bei 100km noch einen Kilometer entfernt war. Nach jeder Kurve dachten wir, wir seien da und wurden enttäuscht. Irgendwann war es dann doch so weit. Wir bogen um die Ecke und da stand schon das Veranstalterteam und erwartete die Ankömmlinge lautstark! Nur noch wenige Meter zur offiziellen Ziellinie… Schnell die Konfettikanone aus dem Rucksack gekramt und dann zu viert unter Konfettiregen und Applaus der umstehenden Zuschauer die Ziellinie überqueren! Geschafft, 101 Kilometer in 21 Stunden!

Hinter dem Ziel warteten schon einige TeilnehmerInnen, unter ihnen auch Ingo und Steve. Beim Abholen der Urkunde erfuhren wir, dass bisher erst 32 Personen vor uns das Ziel erreicht hatten. Von 1250, die sich 2017 der Herausforderung gestellt haben, schafften es dieses Jahr 282 ins Ziel. Hinter dem Ziel saßen wir nun gemütlich im Schatten und warteten auf die nachfolgenden EarnYourBacons. Dank Santosh konnten wir die Wartezeit mit einem schönen Bierchen überbrücken. Im Laufe der nächsten Stunde wuchs unsere Gruppe immer weiter an, unsere Vorbereitung zeigte großen Erfolg! Nach ein paar Minuten des Ausruhens ging es mir auch schon wieder viel besser und Laufen ging auch wieder ganz gut aber ich sagte mir: Das war’s, nie wieder! Jetzt ist fast eine Woche vergangen und ich freue mich schon auf die 100km auf der Horizontalen rund um Jena am 09. Juni 2017.[:]

[:de]Eine kurze Geschichte des Mammutmarschs 2017[:]

[:de]

 

erzählt von Martin R.


 

Langsam wird es wieder hell. Zu dem dumpfen Pochen meiner Füße und den brennenden Fußsohlen gesellt sich sukzessive ein leichtes Stechen im linken Knie. Das ist mein mit mir selbst vereinbartes Signal, dass ich an der Grenze dessen angekommen bin, was ich meinem Körper zumuten will. Noch eine knappe Stunde bis zum Streckenposten bei KM 59. Ich schaue nach oben in den dämmrigen Himmel, dann zu Lukas und Daria, die sich neben mir wortlos Schritt für Schritt weiter kämpfen. Wie zum Geier bin ich hier gelandet…

Januar 2017. Ich sitze in der Uni, als mein Freund Lukas anruft. “Martin, läufst du mit mir den Mammutmarsch?” – “Bist du völlig bescheuert?” – “Ja, aber du ja auch, und mit normalen Leuten kann man sowas nicht machen” – dieser Argumentation habe ich nichts entgegen zu setzen. Er meldet uns beide an. Ich fange an mich einzulesen, schreibe viel mit einem Bekannten aus den USA, einem Marine außer Dienst, der natürlich beruflich viel gewandert ist und nun an GoRuck-Events teilnimmt. Es sind noch 5 ½ Monate bis zum Marsch, also wird ein Trainingsprogramm ausgearbeitet, mit steigenden Strecken und Gewicht. Das Ziel ist es, einmal mit 15kg 70km zu laufen. Dann sollte der Marsch mit weniger Gewicht, dafür 30km mehr, eigentlich gehen.

Letztendlich läuft es dann doch ganz anders. Am Morgen des 27.5. stehe ich in der Küche, schmiere Brote und lasse die Vorbereitung Revue passieren. Wir waren in den letzten 5 Wochen 3-mal draußen, haben 40, 45 und 50 km gemacht. Ich hatte Probleme mit meinen Schuhen – die zu diesem Anlass angeschafften Meindl Wanderstiefel haben mir mit zerbröselnden Einlegesohlen Blasen beschert, mit neuen Einlegesohlen ergab sich eine Druckstelle oben an der Ferse. Ich wollte noch Wanderstöcke besorgen, aber die sind so teuer und ich konnte keine mehr ausleihen. All das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich packe meinen Rucksack zu Ende, verabschiede mich von Meiner Freundin und setze mich in den Bus zum Ostkreuz.

16:30 Uhr

Wir stehen am Start. Um mich herum sehe ich wirklich alles vom durchtrainierten Läufer, komplett in Funktionskleidung und mit GPS-Uhr am Arm, über den Bundeswehr-Soldaten in voller Montur (wie er es in den langen, dicken Klamotten überhaupt aushält ist mir schleierhaft) bis hin zu einer Gruppe Teenager in Sneakers – ein Mädchen in Flipflops hat an ihren Eastpak-Rucksack außen eine Flasche Apfelschorle gebunden. Lukas und ich sind irgendwo dazwischen. Der Countdown ertönt, wir laufen los. Wir entscheiden uns, uns an die Spitze des Pulks zu setzen. Dort kommen wir ins Gespräch mit Christian, Nadine, Antje und Steffen, die uns  adoptieren – auch Daria gabeln wir noch auf. Die vier sind Wiederholungstäter, wir drei adoptierten sind zum ersten Mal dabei.

Der Weg zum ersten Streckenposten verläuft ereignislos – es ist sehr warm, ich schwitze trotz luftiger Sporthose und dünnem Funktionsshirt. Wir zuckeln gemütlich mit 6km/h um den Müggelsee. Am Posten geht es ganz schnell. Zwei Milchbrötchen, ein Cranberry-Riegel, Wasserblase komplett füllen für die 28km bis zum nächsten Posten. Antje ergänzt ihre komplizierte Fuß-Tape-Konstruktion um zwei weitere Streifen und dann geht es direkt weiter. Kurz danach folgt die erste anstrengende Stelle – der Weg geht fast 6km geradeaus, an Bahnschienen entlang, der Boden ist entweder uneben und steinig oder lockerer Sand. Staub von den Füßen der hunderten Wanderer vor uns liegt in der Luft. Aber auch das geht vorbei.

Am S-Bhf Friedrichshagen werden unsere Begleiter von ihrem Support-Team begrüßt. Es gibt lange Kleidung und Elektrolyte, heißen Guarana-Tee und Haribo. Die Laune ist gut. Die Schuhe bleiben an, wir verbringen den Großteil der 8min “Pause” mit Dehnen, das hilft. Der nächste Teil der Wanderung ist der schönste. Wir haben noch nicht mal 30km runter, es geht durch den Wald, über Wiesen und sogar eine kleine Holzbrücke über einem Bach. Daria legt einen ordentlichen Schritt vor, Lukas und ich ziehen mit. Die Veteranen machen etwas langsamer, bleiben hinter uns zurück – mit Blick auf die von Unterstützern vorbeigebrachte Suppe bei 35km beschließen wir bei 30km kurz zu warten, bis sie wieder aufschließen.

23 Uhr

Wir sind am S-Bhf Neuenhagen. Helge empfängt uns mit heißer Hühnersuppe. Hier machen wir unsere erste echte Pause. 20min sitzen, Schuhe aus, Füße lüften, etwas Dehnen. Die Suppe ist unglaublich lecker – nach 35km und 6.5h wandern genau das richtige. Die Temperaturen sind aber immer noch okay für luftige Sporthose und dünnes Shirt. Es geht gegen 2330 weiter. Langsam wird es etwas anstrengend. Die Fußsohlen brennen und fühlen sich sehr warm an, auch die ersten Druckstellen machen sich inzwischen bemerkbar. Der Weg führt bald auf ein Feld, der Sternenhimmel ist unglaublich, aber so richtig genießen kann ich das nicht mehr. Meine Füße schmerzen jetzt schon auf einem Niveau, was ich aus den Trainingswanderungen nicht kenne. Nach einigen Minuten des Gehens mit gesenktem Kopf merke ich, dass die Monotonie des vorbeiziehenden, im Licht der Stirnlampe feucht glitzernden Grases Sehstörungen verursacht, der Weg scheint zu verschwimmen. Ich fange ein Gespräch an, um mich abzulenken – worum es ging, weiß ich nicht mehr.

1 Uhr

Wir sind am Streckenposten bei 44km. Ich ziehe eine lange Hose an, friere plötzlich. Wasser auffüllen, mich zwingen etwas zu essen. Hunger habe ich keinen mehr, nur ein flaues Gefühl im Magen. Einige Leute holen sich hier ihre Urkunden, der Bus fährt halb voll zum Bahnhof Strausberg. Die Nacht fordert ihre ersten Opfer. Ich verabschiede mich innerlich von den 100km, hoffe aber die 74 noch zu schaffen. Für uns geht es weiter. Bis zum Bahnhof Strausberg zieht uns die Musik aus dem tragbaren Lautsprecher unserer Adoptivgruppe – dort treffen diese aber auf ihr Support-Team. Wir gehen weiter. Etwas später beginnt der Himmel langsam heller zu werden. Die letzten 5 Kilometer bis zum 59er ziehen sich gefühlt endlos hin.

4:20 Uhr

Wir biegen auf einen Parkplatz ein, überqueren diesen und gehen durch das Vereinshaus des SV Grün-Weiß Rehfelde. Ich setze mich auf die Treppe zum Eingang und weiß in diesem Moment ganz sicher: Für mich ist hier Feierabend. Auf meiner Urkunde landet letztendlich 59km in 11:59. Eine Zeit und Strecke, mit der ich zufrieden sein kann.

 

Was ist falsch gelaufen?

Erstmal sicher das Training. Zu wenig Strecke, zu spät tatsächlich angefangen, vor allem das Gewicht des Rucksacks hat mir beim Marsch zu schaffen gemacht. Sollte ich es noch einmal probieren, werde ich beim nächsten Mal sicher mit mehr Gewicht trainieren.

Die Ausrüstung war suboptimal. Ich war einer von ganz wenigen, die schwere Wanderschuhe getragen haben. Trailrunning- oder normale Sportschuhe scheinen die deutlich bessere Wahl für Brandenburg zu sein. Ich hatte zu viel Zeug dabei, was ich letztendlich nicht brauchte. Statt einer langen und einer kurzen Hose wäre eine zipp-Hose gegangen, das wechsel-funktionsshirt hätte man sich sparen können, das Baumwollhemd war unnötig. 4 Paar Socken sind auch zu viel, aber da nehme ich lieber eines mehr mit als eines zu wenig zu haben.

Ich hatte zu viel Essen dabei. 10 Stullen, 400g Studentenfutter, 1kg Nudelsalat – und davon habe ich zu wenig gegessen. Ich schätze, dass mein Magen recht unzufrieden damit war, nur so selten etwas zu bekommen. Außerdem habe ich bis Mitternacht sehr viel geschwitzt, die Verluste hätte ich sicher durch Elektrolytpulver ausgleichen können, die hatte ich aber nicht eingepackt. Gegen Ende habe ich gefühlt doppelt so viel gepinkelt wie ich getrunken habe.

Alles in allem war es eine tolle Erfahrung, auch wenn ich es nicht bis ins Ziel geschafft habe. Meinen großen Respekt an jeden, der sich dieser Herausforderung gestellt hat, und Ehrfurcht vor denen die am Ziel angekommen sind. Danke an die Organisation und die vielen Helfer, die die Strecke gesichert und uns mit Essen versorgt haben – und natürlich die Sanis, die gute Arbeit geleistet haben. Danke dass ihr alle da wart.[:]

[:de]24. Berliner Polarnacht – die Nacht der 1.000 Stürze[:]

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Merino-Langarmshirt? Check! Dünnes Fleecejäckchen? Check! Softshell-Jacke? Check! Winddichte und wasserabweisende Hose, wasserdichte Trailschuhe? Check! Hauchdünne Regen- und Daunenjacke sowie eine lange Merino-Unterhose im Gepäck mache ich mir noch schnell einen heißen Kaffee mit zuviel Ahornsirup und eine Thermoskanne Früchtetee. Es werden schließlich Minusgrade. Die alten, abgelatschten und an einigen Stellen schon gerissenen Überzieh-Spikes wandern noch in die Seitentasche des Rucksacks und ich verlasse wie immer panikartig, weil zu spät dran, die Wohnung.

Die Berliner Polarnacht war im letzten Jahr meine erste längere Wanderung im Schweinsgalopp gewesen. Nach 30 km war ich fertig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Diesjahr will ich aber zumindest die eine Etappe schaffen: 50 km durch die Nacht, von der Friedrichstraße über Umwege bis nach Falkensee. Da meine selbst organisierten Wanderungen teilweise noch deutlich länger waren, bin ich guter Hoffnung, dass das klappt. Bevor es in die Kälte der Nacht geht, finde ich mich mit einigen meiner lieben Mitwanderer noch auf einen Happen im Restaurant Nolle ein. Neben bekannten Gesichtern sitzen mir drei Hamburger gegenüber, die viel Erfahrung und ebensoviel zu erzählen haben von Veranstaltungen wie der Horizontalen in Jena, dem Dodentocht sowie dem Mammutmarsch (ihrer Meinung nach der schlechteste Marsch) und Megamarsch (auch hier ist nichts gutes herauszuhören).

Der Zug setzt sich in Bewegung

Pünktlich um 19:40 Uhr versammeln wir uns vor dem DB Reisezentrum. Die noch tätigen Damen darin schauen argwöhnisch angesichts des Massenandrangs. Dabei wollen wir gar nichts von ihnen. Wolfgang Pagel, Organisator und Wanderleiter, läuft schon ganz aufgeregt durch die Menge. Ein wenig überrollt gefühlt hat er sich von der Flut der Marschgruppe EarnYourBacon. Und nervös sei er, vermutet ein von kommerziellen Veranstaltungen verwöhntes Klientel mit entsprechenden Ansprüchen. Er sollte noch feststellen dürfen, dass wir EarnYourBacons gar nicht so sind. Ob der großen Teilnehmerzahl – etwa 60 alleine für die 50 km Nachtstrecke – teilen wir uns in zwei Gruppen auf. Wolfgang wird unsere Gruppe 2 führen, während die schnelle Truppe schon zehn Minuten früher startet.

Punkt 20 Uhr starten wir mitten in Berlin. Dass wir noch mitten in der Stadt sind, merkt man vor allem an den nicht wenigen Menschen, die hier noch unterwegs sind. Während sie auf dem Weg zur nächsten Party sind und die Nacht zum Tag machen wollen, ziehen wir mit unseren Rucksäcken Richtung 50 km-Wanderung los. Unterschiedlicher kann eine Freitagnachtbeschäftigung wohl nicht sein. Einige Abschnitte der Strecke kommen mir bekannt vor. Wir überqueren den Invalidenfriedhof. Und das auch nur mit Glück, denn eine zotige Sicherheitsfrau hat bereits den Ausgang abgeschlossen und drückt ihr Unverständnis über unseren Aufzug aus. „Seid ihr blöd? Wat looft ihr ooch hier rum um die Zeit?“ Sie lässt uns dann doch passieren.

Nach 12 km merke ich langsam, dass ich „untenrum“ nur eine Hose anhab. Die flauschig warme Merino-Unterhose schleppe ich in meinem Rucksack rum. Schön blöd. Währenddessen haben sich die letzten Wolken am Himmel verzogen und geben den Blick auf die Sterne frei. Ein fast voller Mond leuchtet uns den Weg und zeigen die bösartigen Eisflächen auf, die uns immer mehr das Leben schwer machen. Um 0 Uhr taucht dann endlich das heißersehnte goldene M am Horizont auf. Flutsch! Und schon liege ich zum ersten Mal auf dem vereisten Asphalt. Zum Glück hat es den Hintern erwischt. Der ist eh gefroren.

Gerollte Pommes und Eishintern

Aufwärmen, Curly Fries in sich hineinstopfen (wie schon im letzten Jahr), lange Unterhose anziehen und eine weitere Schicht in Form meiner dünnen Daunenjacke hinzufügen. Dann geht es nach etwa 40 Minuten Pause weiter. Einige nutzen hier die letzte Chance auf Personennahverkehr und beenden ihre Polarnacht. Für alle anderen geht es weiter ins tiefste Spandau. Immer entlang des Havelufers.

An diesem schicken Kumpel ziehen alle unbeeindruckt vorbei. Wer ihn kennt, kennt einen meiner Lieblingsfilme!

An diesem schicken Kumpel ziehen alle unbeeindruckt vorbei. Wer ihn kennt, kennt einen meiner Lieblingsfilme!

Flutsch! Ich liege zum zweiten Mal. Wieder der Hintern. Ab dem Punkt sehe ich immer mal wieder den einen oder anderen durch die Gegend flutschen. Es geht aber immer ohne schlimmere Blessuren aus. Nach weiteren 10 km gibt es eine dreiminütige Trinkpause. Ja genau. 3 Minuten. Und keine mehr. Leider gibt es an der Stelle weder Klo noch Deckung. Hochziehen, heißt es jetzt. Meine Spikes, die ich bislang unangelegt rumschleppe, schmeiße ich hier endgültig weg. 3 Uhr ist es, als wir etwa 31 km hinter uns haben. Der Eiskeller, an dem das Highlight, die Temperaturmessung, vorgenommen werden soll, ist noch 12 km entfernt. 12 km, die auf keine weitere Pause hoffen lassen.

Inzwischen merke ich die Kilometer, die Kälte und meinen Drang, meine Blase zu erleichtern, deutlich. Aber die da vorne rasen einfach weiter. Wenn ich jetzt meinem Drang nachgehe, hole ich die Meute ja nie wieder ein. Wehmütig sehe ich das Straßenschild „Eiskellerweg“ an uns vorüberziehen. Der Name lässt vermuten, dass es hier direkt zum Eiskeller geht. Aber laut Route laufen wir nochmal eine riesige Schleife drumrum.

Aufholjagd – wenn die niederen Bedürfnisse siegen

In Schönwalde ist dann erstmal Schluss. Hochziehen geht nicht mehr. Rüber über die Straße hinter einen der wenigen Bäume. Ich sehe die Meute vorne von dannen ziehen. Egal. Ich laufe eh schon auf dem Zahnfleisch und habe arge Probleme, mit dem Tempo mitzuhalten. Seit dem endlosen Knochenbrecher-Gelenkhasser-Weg am am Niederneuendorfer Kanal, der entweder total vereist oder mit eisigen Pfützen überzogen war (meist aber beides), spüre ich jeden Muskel meines Körpers. Noch 4 km bis zum Eiskeller. VIER verdammte Kilometer. Ganz in der Ferne sehe ich irgendwann die Wandergruppe. Nach und nach hole ich auf. Auf dem Feld zieht sich die Gruppe auseinander, ist aber in der Dunkelheit dank der Stirnlampen wie Glühwürmchen gut zu sehen.

Km 40, 41, 42… dann sehe ich einen roten Schein und höre Geschwatze. Da sitzen sie auf einer überdachten Holzbank und strecken ihre geschundenen Beine aus. Es gibt heißen Tee vom Wanderverein. Und die sagenumwobene Temperaturmessung am Kältepol. -2 Grad hat es. Kein Rekord. Es hatte schon mal 13 Grad plus und deutlich mehr Minusgrade. Dann die ermutigende Aussage, dass wir uns im Zeitverzug befinden. Ich kann das gar nicht glauben. Und keine 10 Minuten später pfeift Wolfgang zum Aufbruch. Noch 7 Kilometer bis zum Bäcker in Falkensee.

Die Kilometer des Grauens

7 Kilometer erscheinen mir an dem Punkt wie eine unüberbrückbare Distanz. Immer wieder schaue ich auf meine GPS-Uhr. 43,12 km. 43,25. 43,5. 43,75. Jeder geschaffte Viertel-Kilometer ist ein Erfolg. Trotzdem fühle ich mich einfach nur noch elend. Bei KM 46 will ich eigentlich nur noch auf dem Boden sitzen und heulen. Das einzige, was mich davon abhält, ist der eisige Boden. Dann die erlösenden Worte: „Da hinten! Da an der Ampel ist der Bäcker!“ Von Sichtweite bis Ankunft sollte es aber immer noch ein ganzer Kilometer sein. 200 m vor dem Bäcker…flutsch! Diesmal haut es mich unsanft auf mein Knie. Mist. Das musste doch jetzt nicht sein. Tränen schießen mir in die Augen. Aus Schmerz und Verzweiflung. Keine Ahnung, was überwiegt.

Die letzten Meter zum Bäcker werden nur durch Hoffnung getragen. Hoffnung, dass es bald vorbei ist. Als ich die Tür zur Backstube öffne, fühlt sich das an, als sei ich gerade im Paradies angekommen. Alles leuchtet golden. Die Brötchen, die Lampen… Karsten und Co sind schon da. Lachen uns an. Mein erster Gang ist zur Toilette. Und ich schwöre mir: nie wieder Polarnacht! Stolz nehme ich meine Urkunde über 50 km in Empfang. „Carola Keßler überstand die 50 km…“ Das war noch nie so wahr!

Ich lasse mich auf einen Hocker sinken. Wolfgang erzählt glücklich, wie toll er unsere Truppe findet. So pflegeleicht. Keine seiner Befürchtungen hätte sich bestätigt. Wir erinnern ihn ein wenig an seine Wandergruppe früher… Das nenne ich mal ein Kompliment. Ja, wir sind schon großartig! In dem Moment frage ich mich wirklich, wie Wolfgang es schafft, in seinem Alter so etwas durchzuziehen. Ich kann nur meinen Hut… meine Mütze ziehen.

Ich beiße in mein Croissant, trinke den heißen Kaffee… und dann kommt die Erkenntnis: bis zum Bahnhof Falkensee sind es noch 1,2 km…

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[:de]Mein Ostseeweg 2016 – 76 km (oder doch 80?) in 18 Stunden[:]

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Einige von euch haben vielleicht mein maritimes Abenteuer über meinen Liveticker verfolgt. Dann hattet ihr bereits einen kleinen Einblick in meinen mit jedem Kilometer mehr voranschreitenden Verfall. Wobei, so ganz stimmt das nicht. Es gab durchaus Höhen und Tiefen, nicht nur landschaftlicher Art.

Nachdem der Mammutmarsch im Mai so jäh endete, hatten sich viele unserer Gruppe quasi unverzüglich bei Dein-Ostseeweg angemeldet, um die 100 km voll zu machen. Ich natürlich auch. Ich sagte dafür die XLETIX Challenge am Timmendorfer Strand ab und dachte mir auch nichts dabei, dass ich eine Woche später für den Halbmarathon im Disneyland angemeldet war. Fleißig trainierte ich sowohl Laufen als auch Wandern, jeweils mit nicht wirklich kurzen Distanzen. Nach der letzten Testwanderung auf dem Havelradweg zeigte mein Körper mir aber dann doch mal, wer hier das Sagen und gleichzeitig einen Vogel. Schienbeinkantenentzündung und schmerzende Achillessehnen waren die Quittung für Zuviel in zu wenig Zeit zu wollen. Lauf- und Wandertraining wurde sodann (mit Mittwoch vor dem Ostseeweg sehr kurzfristig allerdings) ad acta gelegt. Da die Schmerzen so schnell nicht weggingen, fuhr ich mit entsprechend ungutem Gefühl nach Rostock, aber auch mit dem Entschluss im Hinterkopf, wegen des Ostseewegs nicht den Auftakt-HM im Disneyland aufs Spiel setzen zu wollen.

Auf nach Rostock

Mit rund 35 meiner Wanderbuddies traf ich mich am Samstag Vormittag im Rostocker Hafen. Eine kleine Bühne war aufgebaut, hauptsächlich für die Anmoderation des Events. Die Abholung der Startunterlagen ging flott und ich füllte den durchsichtigen Beutel für den Gepäcktransport mit mehr Essen, als einem einzigen Menschen in 24 Stunden gut tut. Dazu eine Ersatz-Powerbank, die ich nach 50 km gegen die tauschen wollte, die ich gleich am Anfang mitnahm und ein paar Ersatzklamotten. Kurz wurde beratschlagt, in welcher Startwelle wer loslegen wollte. Nachdem von den Veranstaltern der Start kurzfristig um 15 Minuten nach hinten verlegt wurde wegen einiger Zuspätkommer, entschieden wir uns alle für die erste Welle. Warum man wegen einiger zu spät kommender Leute die erste Welle verschiebt und diese nicht einfach in der zweiten starten lässt, wollte mir allerdings nicht einleuchten. Wo sonst Touristen und Fischer unterwegs sind, setzte sich nun eine Wolke bunter Wanderer im Rostocker Hafen in Bewegung.

Der eigentliche Plan, als Gruppe zumindest am Anfang einigermaßen dicht beieinander zu bleiben, ging schon nach wenigen Kilometern nicht auf. War es das Trödeln unsererseits oder die Ampeln, die uns immer weiter auseinander rissen. Ich würde sagen, zumindest zu diesem Zeitpunkt waren noch die Ampeln schuld. Nur noch ganz weit in der Ferne sah ich den großen Karsten wandern, mit dem ich ursprünglich zusammen die 100 km rocken wollte. Aber mit Astrid, Anne und Josi war ich auch in guter Gesellschaft, zumal Astrid fleißig Pokemons mit mir brütete.

Wir ließen Rostock hinter uns, schauten sehnsüchtig einigen Liegestühlen nach und kaum hatten wir die teilweise noch tragenden Erdbeerfelder passiert, wartete auch schon der erste unerwartet frühe Verpflegungspunkt auf uns. Das war der Punkt, an dem Anne uns verließ, denn sie wollte keinen Umweg für diesen VP machen. Während Astrid und Josi die Dixie-Klos aufsuchten, machte ich mich über die Verpflegung in Form von Brezeln her. Und ich tat gut daran, denn als die beiden von den Dixies wiederkamen, waren die Brezeln bereits alle und so zogen wir quasi pausenlos weiter und nahmen noch Leah mit in unsere Gruppe auf.

Die ersten Zipperlein – Magen, was willst du eigentlich?

Kurz nach dem Stopp fing mein Magen an, rebellieren zu müssen. Ich wusste gar nicht, was ich ihm schon wieder getan hatte. Experimente hatte ich ihm nicht zugemutet und soviele KM und ungesundes Zeugs hatte er nun auch noch nicht intus. Der schöne Waldabschnitt lenkte mich erstmal ausreichend davon ab und noch viel mehr der erste Ausblick auf die Ostsee, für die ich allerdings über die Straße und den Deich herauf rennen musste. Egal. Wir sind ja hier schließlich beim Ostseeweg. Und was ist der ohne Ostsee. Ich hatte wohl Angst, die würde spontan verschwinden.

Kurz vor der Fähre, die uns über die Warnow bringen sollte, realisierten wir, dass Gepäcktransportausgabe nicht unbedingt gleich zu setzen ist mit Verpflegungs-/Pausenpunkt. Den Gepäcktransport gab es bei KM 25, bei KM 31 sollte es dann den Pausenpunkt geben. Nun wollten wir hier nicht Pause machen und dann nach nur 6 km schon wieder, zumal der Ort des Gepäcktransports nicht gerade zum Pausieren einlud. Sowohl Leah als auch ich hatten aber unser Gepäck darauf ausgelegt, direkt daraus zu essen. Sie hatten einen riesigen Bottich Nudelsalat dabei, den sie nicht mitschleppen wollte. Also schlang ich kurzerhand meine halbe Pizza hinunter, damit sie meinen Plastikbeutel zum Umfüllen ihres Salats nutzen konnte.

Die Fahrt über die Warnow war kurz, aber schön. Im Hafen lag ein riesiger Metallklotz, auch besser bekannt als Aida und ewig viele Touristen erwarteten schon das Auslaufen. In Warnemünde gingen wir in der Menge tatsächlich mal unter. Ab und an sahen wir berucksackte Wanderer, die eindeutig zu uns gehören mussten. Viel Zeit, die schöne Promenade mit Hafen zu genießen, blieb uns nicht. Wir mussten ja einen Schnitt von gut 5 km/h halten. Bislang sah das auch ganz gut aus.

Es wird dunkel

Am Verpflegungspunkt „Fuchsbar“ zog ich mir ein trockenes Brötchen gegen meinen Magen rein. Die halbe Pepperoni-Pizza hatte nicht unbedingt zu meinem Wohlbefinden beigetragen. Karsten und Co. saßen auch noch hier, waren aber schon viel eher wieder aufbruchbereit. Als wir uns wieder auf die Socken machten, senkte sich die Nacht schon langsam und die ersten Stirnlampen wurden gezückt. Um halb neun erreichten wir das Ostseebad Nienhagen, machte eine kurze Dehn- und Toilettenpause, um weiter tief in die Nacht einzutauchen.

Die Notdurft zwang uns ab und an zu weiteren spontanen Kurzpausen, an denen wir mal die Beine hochlegen konnten. Kühlungsborn schien noch so weit weg zu sein und die Nacht noch ewig lang. Es ging an der Steilküste entlang, wo das Meer mit dem Wind um die Wette rauschte. Ein unendlich langer Wegabschnitt zwischen Wald und Büschen verlangte uns eine Menge Geduld ab und die Disziplin, nicht einfach einen Abstecher zum Strand zu machen.

Die Promenade in Kühlungsborn überspannte dann aber unseren Geduldsfaden. Sie wollte einfach nicht den nächsten Verpflegungspunkt preisgeben. 51 km vergingen, dann der 52te. Hatte nicht der Gepäcktransporter gesagt, der nächste Punkt sei bei 51? War er nicht. Erst nach guten 53 km kam dann um 23.45 Uhr das erlösende Zelt zum Vorschein. Zugegeben ein richtiges Highlight! Das Zelt war beheizt und mit Bänken ausgestattet, es gab richtige Toiletten und zum zweiten und letzten Mal unser Gepäck. Ach ja und heiße Brühe! Ich habe noch nie in meinem Leben so gute heiße Brühe gegessen. Natürlich waren meine Ansprüche in dem Moment auch extrem niedrig. Ich hatte auch heißes Salzwasser mit Gras gegessen. Bevor wir alle fast einschliefen, rissen wir uns schnell zusammen und schnürten die Rucksäcke. Viele andere stiegen hier aus und nahmen das Shuttle zum Rostocker Hauptbahnhof. Kurz vor Abmarsch quietschte ich noch einmal laut auf: ich hatte endlich – hier am anderen Ende von Deutschland – mein erstes Pikachu gefangen.

ostseeweg-2016-kuhlungsborn-zelt

Da waren es nur noch drei…

Nach ein paar Kilometern bog unser Weg von der Küste wieder hin zum Inland. Wir wanderten über die Felder und brauchten nicht einmal unsere Stirnlampen, weil der Mond hell wie ein Scheinwerfer über uns stand. Unser nächstes Zwischenziel konnten wir schon von Ferne sehen: den Basdorfer Leuchtturm. Fast auf dem Berg dorthin angekommen, merkten wir auf einmal, dass Leah sehr weit abgeschlagen war. Sie rief mich an und musste leider das Shuttle in Anspruch nehmen. An Weiterlaufen war mit ihrem Rücken nicht zu denken. Da waren wir nur noch drei.

ostseeweg-2016-leuchtturm-basdorf

Nach einer weiteren Kurzpause in irgendeinem Kaff mitten auf der Straße verließen wir endlich wieder den Beton und bogen in finstersten Wald. Ohne Stirnlampe wären wir aufgeschmissen gewesen. Und es wurde nicht nur finster, sondern auch sehr steil, bergig und geröllig. Mein lieber Schwan, hat die Ostsee Berge! Wir durchquerten die sogenannte Kühlung, einen Höhenzug, wie ich später und hier sehr eindrucksvoll lernte. Wer zu dem Zeitpunkt noch keine Blasen hatte, bekam jetzt welche. Das ständige Auf- und Ab bekam meinem angeschlagenen Schienbein nicht besonders gut und ich merkte es deutlich, trotz vorher eingeworfener Ibu.

Wir freuten uns so sehr, endlich die Achterbahnfahrt an Wald hinter uns gelassen zu haben und schon 73 km geschafft zu haben – dachten wir. Ich warf dann zum ersten Mal einen Blick auf das PDF mit den Kilometerdaten, um zu sehen, wie weit Bad Doberan danach noch entfernt war. Mich traf fast der Schlag. Unsere GPS-Daten wichen 3-5 km vom PDF ab. Leider in die falsche Richtung. Danach waren es noch mindestens 5-6 km nach Bad Doberan und nicht wie hofft noch 2-3. Oh mann. Wir waren reichlich desillusioniert und der Feldweg mit löcherigen Steinen machte das Ganze nicht besser. Außerdem wurde ich überhaupt nicht mehr warm. Trotz dreier Schichten, Winddichtigkeit und Bewegung fror ich am ganzen Körper.

Schluss mit Lustig

Josi war dann die erste, die sagte, sie würde wahrscheinlich bei KM 76 aufhören. Ich muss zugeben, ich war total erleichtert, als sie das sagte, denn mir ging es ähnlich. In mir tobten Teufelchen gegen Engelchen. Das Teufelchen war der Meinung, ich Memme würde ja wohl noch die läppischen 24 km schaffen. Engelchen dagegen piekte immer wieder gegen das Schienbein und erinnerte mich an mein Disneyland-Abenteuer, welches ich aufs Spiel setzen würde, wenn ich Teufelchen folgte. Es war einer der seltenen Momente, in denen der Teufel verlor.

Wir schleppten uns die letzten, nicht enden wollenden Kilometer bis zum Verpflegungspunkt in Bad Doberan. Laut Karte waren wir bei 76 km, nach unseren Gerätschaften sind wir immerhin 80 km unterwegs gewesen. Aber wer zählt schon. Viel schlimmer war für meine Begleiterinnen, dass es hier keine Toiletten gab, sondern nur, wie auch schon die letzten 47 km, Wald. Leider war auch schon das Essen größtenteils alle, es gab nur noch Obst. Kein Zelt zum Aufwärmen. Hätte ich weitermachen wollen, hätte ich ab diesem Punkt arge Probleme gehabt, da ja auch der Gepäckservice in Kühlungsborn geendet hatte und mein Verpflegungsbeutel noch halb voll nach Rostock zurück ging.

Sonntag morgen

Ich verabschiedete mich von Astrid, Josi und Sonja, die als einzige noch nicht die Flinte ins Korn geworfen hatte und machte mich auf den “Heimweg”. Um 7 Uhr schlüpfte ich ins Bett und war aber zwei Stunden später schon wieder wach. Zeit, um den Zieleinlauf der tapferen Durchhaltenden digital zu verfolgen. Nina ging ins Ziel, Heike marschierte sogar noch an ihr vorbei. Und knapp unter 23 Stunden humpelten Karsten und Melissa über die Ziellinie. Ich freute mich wahnsinnig darüber!

 Besser als erwartet schaffte ich den Weg vom Bett zur Dusche und hatte heute nur noch einen richtigen Wunsch: zum Strand und die Füße ins Wasser halten. Noch bevor ich meinen Verpflegungsbeutel im Start-/Zielbereich abholte, wurde mir dieser Wunsch erfüllt. Mehr als FlipFlops trug ich eh schon nicht, aber der Wechsel in den weichen, nachgebenden Sand und das kühle Meerwasser war göttlich!

Die Strecke war ohne Frage heftig. Sonja, die ich im Ziel noch sah, erzählte, die letzten 24 Kilometer wären ein einziger Kampf gewesen. Noch heute bin ich froh, dass ich für mich ausnahmsweise die Reißleine gezogen habe und Sonntag um 6:30 Uhr morgens einigermaßen frisch an der Startlinie zum Disneyland-Halbmarathon stehen werde. Meine 100 km werden kommen. Garantiert!

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[:de]Mammutmarsch 2016 – Abbruch in der Nacht: Wenn die Sanitäter ausgehen[:]

[:de]Mammutmarsch 2016 Titel

Der Mammutmarsch. Das Ereignis des Jahres, vor dem ich sogar noch vor dem Paris-Marathon am meisten Respekt hatte. Respekt, der einigen Teilnehmern anscheinend gefehlt hat. Dass eine an sich harmlos erscheinende Wanderveranstaltung alle Einsatzkräfte der Region anziehen könnte, damit hat wohl am Anfang niemand gerechnet.

Mammutmarsch 2016 TechnikzooAm Tag vor dem Ereignis erreichten mich über meine Teamgruppe bei Facebook schon zahlreiche Bilder mit gepackten Rucksäcken und individueller Verpflegungsauswahl. Zum ersten Mal kam ich mir ein wenig unvorbereitet vor. Ich. Ja, ich. Meinen Rucksack wollte ich erst kurz vorm Abflug final packen und meine Essensauswahl war auch noch nicht fix. Zumindest aber meinen Technikzoo hatte ich schon bereit gelegt und mein USB-Lader lief auf Volllast. Stirnlampe, Actioncam, Handy, Powerbank, zwei GPS-Uhr, ein Activity Tracker, Bluetooth-Kopfhörer… alles wollte nochmal richtig voll werden.

Um die 24 Stunden-Wanderung durchzustehen wäre es sinnvoll gewesen, mal richtig auszuschlafen. Deswegen war ich am Samstag auch schon wieder um halb sieben wach. Danke, Körper. Wenn du wüsstest, was auf dich zukommt, hättest du mich mal schlafen lassen! Kurz vor der Angst drapierte ich meine Siebensachen auf dem Fußboden, sortiert nach Non-Food und Food. Ich hatte irgendwie das Gefühl, zu wenig Essen eingeplant zu haben. Aber beim geistigen Durchgehen der einzelnen Versorgungspunkte, für die ich schon vorsortiert hatte, befand ich: das muss reichen! Um nicht unnötig viel Wasser mitzuschleppen, hatte ich mich für meine kleine 1,5 Liter-Trinkblase entschieden. Schließlich sollten wir ja im Schnitt alle 20 km auffüllen können.

An Kleidung hätte ich gern darauf verzichten können, aber das aprillige Wetter sagte für die Nacht frostige Temperaturen und auch Regen voraus. Also musste sowohl die Daunen- als auch die Regenjacke mit. Sogar Handschuhe. Sicher ist sicher! Und natürlich: das Glücks-Mammut!

Mammutmarsch 2016 Nonfood

Mammutmarsch 2016 Essenspakete

Der final gepackte Rucksack wog nur 4,5 Kilo. Super! Mein Verpflegung, die zu den einzelnen Versorgungsstationen durch dazugebuchten Gepäckservice vom Veranstalter transportiert werden würde, wog da deutlich mehr.

Gute zwei Stunden vorm Start meiner Gruppe 4 kam ich in Erkner an. Da wuselte es schon von bunt gekleideten Rucksackträgern. Ein paar meiner Team-Wanderer fand ich schon vor dem Eingang, der Rest im Stadion vor der T-Shirt-Ausgabe sitzend.

Mammutmarsch 2016 Carola Keßler

Mammutmarsch 2016 Start Panoram

Mein erster Weg ging zur Gepäckstation, um drei Beutel abzuholen, in die ich meine Verpflegung verpacken wollte. Da war ich zum ersten Mal ein wenig verwirrt, denn der zweite Verpflegungspunkt war mit 42 km statt 44 angegeben. Nun gut. Passt ja noch. Ich hatte zu Hause schon alles vorsortiert und so ging das Einpacken in die farbcodierten Beutel fix. Das Anstehen für die Beutel selbst hatte nur etwa 5 Minuten gedauert. Nächste Station waren die T-Shirts. Da musste ich gar nicht anstehen und bekam mein Damenshirt herüber gereicht, dass ich jetzt wohl die nächsten 100 km mit mir mitschleppen würde.

Mammutmarsch 2016 Verpflegungsbeutel

Den Rest der Zeit zum Start um 16:30 verbrachte ich damit, mir die ersten drei Startgruppen anzusehen, meine Anhänger als Erkennungszeichen unseres Teams an die Männer bzw. Frauen zu bringen (mit Aufrufen der Namen wie in der ersten Schulklasse) schwatzen und selbstverständlich: am Klo anstehen. Warum soll es bei Wanderveranstaltungen anders sein als bei Läufen.

 

Eine viertel Stunde vor dem  Start unserer Gruppe versammelten wir uns noch schnell zu einem Gruppenfoto. Über 60 Köpfe zählte unser Team. Leider waren einige zur Fotoaufnahme auch noch am Schlangestehen.

Mammutmarsch 2016 Team EarnYourBacon

In der Startbox angekommen wurde Punkt 16:29 Uhr der Countdown herunter gezählt und es ging los. 100 km lagen vor uns. Durch unsere sieben Trainingswanderungen hatte ich inzwischen eine ziemlich gute Vorstellung davon, was das bedeutete. Schmerzen, Leiden, Dickkopf haben. Aber natürlich auch viel, viel Spaß!

Auf zum Müggelsee – 16 km bis zum ersten Versorgungspunkt

Das Wetter war zum Glück viel sonniger als vorausgesagt. Warm fand ich es dennoch nicht. Aber im Pulk blieb ich zumindest am Anfang gut geschützt und wurde gewärmt. Unser Team verlor sich schon gleich auf den ersten hundert Metern im Gewühl. Ich hatte mich mit Diana, Franziska und Karsten als unserem Hahn im Korb zusammen getan und wir verfolgten ein Schnitttempo von 5,5 km/h. Damit war genug Puffer für ausreichend Pausen drin.

Der erste Streckenabschnitt führte um den Müggelsee herum. Aber von Erkner mussten wir erstmal ein paar Kilometer dorthin laufen. Durch kleine Siedlungen, über Brücken und durch malerischen Wald. Ein wenig störte der Asphaltweg, da er sich unter den Füßen im Vergleich zum Waldboden hart anfühlte. Außerdem klingelten ständig Radfahrer und hupten auch mal Autofahrer, die vorbei wollten. Zwei Ultraläufer überholten uns sogar.

Nach etwa 6 Kilometern erreichten wir das Ufer des Müggelsees. Ganz am anderen Ende, also gegenüber, konnten wir unser erstes Etappenziel sehen: das Strandbad Müggelsee. 16 km sahen verdammt weit aus!

Vor mir sah ich dann etwas, dass ich nicht ganz glauben konnte: da wanderte jemand nur mit einer kleinen Plastiktüte in der Hand. Ich fragte mich schon, wie der die 100 km mit dem Inhalt der Tüte auskommen wollte. Interessiert hätte mich sowieso, was da drin war. Und ergonomische Rucksäcke werden ja anscheinend auch überbewertet. Das nächste Mal staunte ich, als wir am Rübezahl vorbeikamen und die ersten bereits eine Pause machten (nach 8 km) und sich ein Bier reinzogen. Muss ja jeder wissen. Vielleicht wollten die auch nicht die ganze Distanz gehen.

Wir waren auch so guter Dinge und setzten unseren Marsch pausenlos fort. Der Weg führte teils an der Straße entlang, meist aber am Seeufer vorbei. Dann entdeckte ich den gruseligen Eingang des Tunnels zum S-Bhf Friedrichshagen, den ich in meinem Bericht zur Nachtwanderung als Vorhof zur Hölle bezeichnet hatte. Am Tag sah er gar nicht mehr so gruselig aus. War auch gut so, denn hier mussten wir durch.

Vielleicht war es das ganze Seewasser, bei dessen Anblick ich das Gefühl bekam, sehr nötig ein Örtchen aufsuchen zu müssen. Kurz vorm Strandbad Müggelsee kam dann eine Toilette in Sicht. Gott sei Dank, ich war kurz vorm Platzen. Anscheinend war die Toilette aber noch nicht auf Betrieb eingestellt, denn es gab weder Toilettenpapier noch Seife. Was solls. Wieder ein Pladoyer auf mein feuchtes Toilettenpapier to go!

Etwa einen Kilometer später kam dann das Strandbad in Sicht. Nach 16 km war ich ehrlich gesagt ziemlich froh über eine Pause. Meine Kniekehlen machten mal wieder nicht so mit, wie sie sollten. Weh tun, nicht weh tun. Was darf es denn sein?

Am Strandbad fanden wir einen Teil unseres Teams am Boden sitzend vor. Allzuviel Vorsprung hatten sie aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehabt. Ich holte mir an der Ausgabe ein Milchbrötchen, eine Banane und Salzstangen. Auf Müsliriegel verzichtete ich, davon hatte ich selbst genug dabei. Statt mich zu setzen, genoss ich lieber den Ausblick auf den Müggelsee.

Der Wind wehte hier leider sehr heftig, so dass uns ohne Bewegung schnell richtig kalt wurde. Franziska und Diana füllten ihre Wasserblasen noch schnell auf und wir machten uns wieder vom Acker. In meiner Blase war noch etwa 1 Liter, daher verzichtete ich aufs Auffüllen und hoffte, dass das kein Fehler war. Ein kurzer Blick zurück. Die nächste Station sollte bei Km 42 sein. Oder 44. Je nachdem, ob man sich aufs Heftchen verließ, das wir vor dem Start bekommen hatten und das die gesamte Streckenbeschreibung enthielt, oder auf den Aufkleber der Transportbeutel. Mal sehen.

Mammutmarsch 2016 Strandbad Müggelsee3

Staubig, glaub ich!

Nachdem wir den S-Bhf Rahnsdorf passiert hatten, folgte ein sehr sehr (sehr!) langes Stück an der S-Bahn-Strecke entlang. Das kam uns auch deswegen so endlos vor, weil der Untergrund aus Zuckersand bestand, der durch die vorausgewanderten “Mammuts” ordentlich aufgewirbelt wurde. Vor uns zogen zwei Mitwanderer auf einmal ihre Schuhe aus. Aber auch nur die! Die Socken ließen sie an und liefen darauf weiter im Zuckersand. Na viel Spaß beim Wiederanziehen der Schuhe. Gibt ein gutes Peeling!

Mammutmarsch 2016 Auf Socken

Mammutmarsch 2016 Caro u Diana

Die S-Bahn donnerte ein paarmal an uns vorbei und nach einer halben Ewigkeit verließen wir die Zuckersandstrecke zugunsten von Zivilisation. Ganz hinten ging langsam die Sonne unter und tauchte den Himmel in lila Licht. Wie war das noch gleich mit den lila Wolken? Franziska konnte inzwischen leider mit unserem Tempo nicht mehr richtig mithalten. Die Hüfte machte ihr stark zu schaffen. So stark, dass sie uns schweren Herzens nach 23 km alleine weiter ziehen ließ, um zu ihrer Unterkunft zurück zu fahren. Bitter, denn sie war extra aus Niedersachsen angereist.

Mammutmarsch 2016 Sonnenuntergang

Move your ass!

Da waren die vier kleinen Wanderer nur noch zu dritt. Wir behielten unsere Geschwindigkeit bei uns steuerten auf die Nacht zu. Meine Daunenjacke hatte ich mir schon am Strandbad Müggelsee übergezogen. Es wurde nun auch richtig kalt. Meine Gliedmaßen merkte ich auch wieder. Außerdem tat mir mein Rücken weh, obwohl ich weit weniger Gewicht im Rucksack trug als bei unseren Testwanderungen. Immer wieder zwang ich mich, gerade wie ein Stock zu laufen. Ich beklagte, dass ich Dödel mir zwar eine 5 Stunden lange Playlist mit Mammutmarsch-Musik (nicht zu verwechseln mit Mammut-Marschmusik) zusammen gestellt hatte, aber dann vergessen hatte, sie zu synchronisieren. Übers mobile Datennetz hatte ich mir aus Verzweifelung das 20 Jahre Best-of von Scooter runtergeladen. Das war das Stichwort für Karsten. Er zückte sein Handy und schon dröhnten Scooter-Schreie durch den nächtlichen Wald. Das gab Motivation! Mag man von Scooter halten, was man will: wenns mal nicht rund läuft, Scooter macht dir Beine!

Die Nacht hatte sich herabgesenkt und wir unsere Stirnlampen herausgeholt. Einen schmalen Pfad ging es entlang, wo wir nur im Gänsemarsch entlang laufen konnten.

Karstens Kumpel Rico (ich hoffe, du wirst so geschrieben) wollte ihm bei 30 km an der Strecke auflauern. Mit Kaffee. Ob ich auch welchen wolle? Da sagte ich nicht nein. Die 30 km sehnten wir hierbei und irgendwann erblickten wir den silbernen Bus, hinter dem sich Rico mit Kaffeebechern versteckt hatte. Glühend heiß war der (der Kaffee!), aber er tat ja so gut. Wir setzten uns an ein Stromhäuschen, aber hier wehte der Wind auch wieder und kühlte uns aus. Ich verschwand also nochmal schnell hinterm Stromhäuschen ins nicht vorhandene Gebüsch und weiter gings.

Mammutmarsch 2016 Kaffee

Meine Hände konnte ich noch ein Weilchen am Kaffeebecher wärmen, aber so heiß wie der gewesen war, so schnell kühlte er herunter. Also hurtig ausgetrunken, damit er noch von innen wärmen konnte. Danach steckte ich meine Hände in meine Jackentaschen und zog vorher nochmal den Reißverschluss höher. Man war das kalt. Ab und an sah ich Wanderer mit T-Shirt und kurzen Hosen. So richtig glauben konnte ich das nicht. War nur ich hier die Frostbeule. Alle Nase lang saßen andere am Straßenrand und pausierten. An einer Stelle stand dann aber auch ein Krankenwagen und behandelte gerade ein Mammut, während seine Kumpels daneben standen.

Am S-Bhf Neuenhagen fanden wir sehr viele Wanderer sitzend und wartend auf die Bahn vor. Für sie war hier nach 35 km die Reise zu Ende.

Mammutmarsch 2016 Neuenhagen

Mein Strecken-Support begleitete uns derweil auf dem Fahrrad und verteilte Schokoriegel. Nach Schokolade war mir gar nicht. Käsekuchen hätte ich jetzt gern gehabt. Oder ein saftiges Steak. Die Chance auf Rostbratwurst hatten wir leider schon lange hinter uns gelassen.

Nachdem wir Neuenhagen verlassen hatten, ging es aufs Feld. Wie staubig es auch hier war, konnte man gut im Schein der Stirnlampe erkennen. Staublunge vorprogrammiert. Wir fragten uns gegenseitig, warum wir eigentlich unbedingt mitten in der Nacht übers Feld latschen müssen anstatt wie ein normaler Bürger einfach süß und seelig im Bett zu liegen. Weil wir einen an der Klatsche haben. Na klar. Der Blick nach hinten lohnte aber die Mühen. Aufgereiht wie eine Perlenschnur leuchteten die Stirnlampen und wankten den Pfad entlang.

Mammutmarsch 2016 Stirnlampen-Karawane

Verpflegungspunkt Bruchmühle, 44 km – Alles ruhig

Unsere Körper verlangten jetzt immer mehr nach einer weiteren Pause. Bei Km 42 stellten wir enttäuscht fest, dass die Angabe auf dem Aufkleberbeutel falsch gewesen war. Weitere zwei Kilometer warteten auf uns. Und die fielen uns inzwischen richtig schwer. Ich freute mich auf mein erstes Versorgungspaket mit Nudelsalat und Mate-Cola. Ganz weit hinten konnten wir dann die Lichter des Sportplatzes von Bruchmühle sehen. Aufatmen! Dort angekommen fanden wir eine richtig gemütliche Atmosphäre vor. Eine Feuerstelle war aufgebaut, um die sich die Wanderer scharrten. Tische und Bänke waren aufgestellt, dazwischen einige Wärmesäulen mit Feuer. Leider war direkt daneben kein Sitzplatz frei, aber ich erhielt ohne Anstehen mein Fressbeutelchen.

Mammutmarsch 2016 Bruchmühle 44 km Feuerstelle

Wir setzten uns auf die Bank, um zu essen und uns auszuruhen. Ein paar Happen vom Nudelsalat aß ich, aber so richtig Hunger hatte ich nicht. Stattdessen musste ich schon wieder aufs Klo. Etwa sechs Dixie-Klos waren aufstellt, an denen ich nun doch warten musste. Ein windete und ich fror. Am ganzen Körper zitterte ich, während ich wartete. Sanitäter kamen mit einer Trage aus dem nebenliegenden Sanitätsraum gefahren. Drinnen sah ich einige ihre Füße hochlegen und versorgen. Am liebsten hätte ich mich dazu gesetzt, um ein bisschen aufzuwärmen.

Nach meinem Toilettengang ging ich aber wieder zu unserem Tisch zurück. Diana würde hier aussteigen. Ihre Urkunde für 43 km hatte sie sich bereits abgeholt. Und sie war eine von sehr vielen. Zum Bahnhof Strausberg waren es aber noch einmal über 6 Km für sie zu laufen. Mehr als eine Stunde also. Ein wenig deprimierend, dass sie trotzdem nur die 43 km auf ihrer Urkunde zu stehen hatte.

Diesmal füllte ich meine Trinkblase auf und wir zogen nach etwa einer halben Stunde wieder los. Die Pause hatte mir gut getan, ich nahm wieder Fahrt auf. Einen Frosch retteten wir von der Strecke, bevor er durch Mammutfüße zu Froschbrei wurde. Immerhin eine gute Tat. Um nicht wieder kalt zu werden, hatte ich auch meine Kapuze aufgezogen. Musste Karsten halt lauter sprechen. Diana schlurfte nur noch hinter uns her. Am Bahnhof Strausberg warteten wir auf sie, um sie noch angemessen zu verabschieden.

Mammutmarsch 2016 50 KM geschafft

Es ging nun einen kleinen Berg an der Straße nach oben. Ein Bus fuhr an uns vorbei, vollgepackt bis oben hin mit Wanderern. Kein Wunder, dass es auf der Strecke inzwischen so übersichtlich geworden war. So sehr, dass wir nun selbst mal navigieren mussten, um sicher zu sein, den richtigen Weg zu gehen.

Um 3 Uhr nachts erreichten wir nach 10 1/2 Stunden inklusive Pausen die Halbzeit. 50 km! Ab jetzt würde es nur noch weniger werden. Für mich ist das immer ein ganz besonderer Moment, ab dem ich mir immer sage: die erste Hälfte ist geschafft. Da geht der Rest auch noch!

Hinter und vor uns war es nun ziemlich ruhig geworden. Auch gesprächstechnisch. Die einzigen, die noch schwatzten, waren wir. Und wir freuten uns schon so sehr auf unsere Frühstücksbeutel bei 59 km. Ein Croissant und eine Quarkschnecke würde mich beglücken. Ich war gespannt, wie warm mein Kaffee in der Thermoskanne noch sein würde.

Abbruch – Das ist ein Scherz, oder?

Während unserer Wanderung twitterte ich immer fröhlich unseren Stand und besondere Vorkommnisse und auch Karsten wurschtelte sich durch die sozialen Medien. Um 4:15 Uhr las er eine Nachricht aus Facebook vor, die ich für einen schlechten Scherz hielt. Der Mammutmarsch sei abgebrochen. Warum und wieso, stand dort erstmal nicht. In Twitter war ich unter dem Hashtag #mammut2016 die Einzige, die noch zwitscherte. Da bekamen wir also nicht raus, was diese ominöse Nachricht bedeuten sollte. Minuten vergingen und es kamen immer mehr Antworten, die das bestätigten. Abbruch wegen zu vieler Verletzter. Man würde wohl am nächsten Versorgungspunkt, den man erreicht, abgefangen werden. Ich wollte das immer noch nicht glauben und hoffte auf ein Missverständnis.

Ein roter Kater lief mir derweil über den Weg. Soviel Zeit zum Streicheln musste noch sein. Wenn der Marsch sowieso abgebrochen war, machte das auch keinen Unterschied mehr, aber einer freute sich zumindest. Rote Kater stehen anscheinend auf mich. Das beruht übrigens auf Gegenseitigkeit.

Mammutmarsch 2016 Kater

Es wurde nun langsam hell, der schlimmste Teil der Wanderung war mit der Nacht vorbei. Auf uns wartete also – hoffentlich – schöne Landschaft im Hellen.

Verpflegungspunkt Rehfelde – Das frühzeitige Ende unserer Reise

Um 4:50 Uhr kamen wir in Rehfelde an. Dort bestätigte sich leider das Gerücht von Facebook. Die Streckenposten erklärten uns, dass es in Bruchmühle, da, wo wir schon lange weg waren, zum Ausnahmezustand gekommen sei. Es gäbe immens viele Leute mit Kreislaufproblemen, so dass alle Sanitäter dort im Einsatz waren, die Polizei und der Katastrophenschutz angerückt seien. Für den Rest der Strecke stünden also keine Rettungskräfte mehr zu Verfügung. Daher wurde der Marsch aus Sicherheitsgründen abgebrochen.

Wenn wir weiterlaufen wollten, dann auf eigenes Risiko und ohne Unterstützung. Der Verpflegungspunkt bei 74 km würde gerade abgebaut werden und ich mein Versorgungspaket nicht mehr erhalten. Wir könnten uns nun hier, bei 59 km eine Urkunde ausdrucken und mit dem Shuttlebus nach Strausberg fahren lassen. Ohne Finisherbändchen.

Ich war am Boden zerstört. Irgendwas zwischen sauer, enttäuscht und traurig. So lange hatte ich trainiert. Und gerade jetzt war ich auch wieder gut drauf und die 100 km realistisch. Ich konnte gar nicht einsehen, warum ich mein drittes Päckchen nicht mehr bekommen sollte, für das ich extra noch den Gepäckservice dazu gebucht hatte. Ohne das und ohne die Möglichkeit, zwischendrin noch einmal Wasser aufzufüllen, waren die 40 km bis zum Ziel (wo auch niemand sein würde) nicht machbar.

Ewig lang überlegten wir noch, was wir machen sollten. Unsere Spitzentruppe saß auch noch vor Ort und beratschlagte. Sie wollten die 100 km gehen. Allerdings in die andere Richtung, wieder zurück. Ganz kurz überlegte ich darüber. Dann siegte aber jemand in mir, der sonst eigentlich nie zu Wort kommt: die Vernunft. Ohne ausreichend Verpflegung und Wasser war das bei der Kälte einfach ein zu unkalkulierbares Risiko.

Sauertöpfisch und schimpfend holte ich mir meine Urkunde und meinen Fressbeutel von dieser Station, aß das zerdrückte Croissant und nippte am lauwarmen Kaffee. Scheiße! Was anderes fiel mir dazu nicht ein.

Ich drehte von ein Video vom Abbruch. Zumindest dachte ich das. Stattdessen hab ich mich einfach nur fotografiert. Aber meine Laune zu dem Zeitpunkt lässt sich gut ablesen. Ein zweites Video drehte ich, nachdem ich mir eine Tüte Milchbrötchen vom Versorgungsstand geholt hatte. Aber auch da hab ich mich wieder nur fotografiert. Weltklasse!

Da mir natürlich auch gerade noch der Shuttlebus vor der Nase weggefahren war, ging ich zum Bahnhof Rehfelde, kaufte ein wahrscheinlich  falsches Anschlussticket und nahm mein Video nochmal auf. Das gibt es, wenn ich den kompletten Clip fertig hab.

Mit vielen Wartenden tauschte ich mich aus. Einige hatten sich gar keine Urkunde geholt, weil sie mit sowas gar nicht erst nach Hause fahren wollten. Sah ja aus, als hätten sie selbst abgebrochen. Im Zug regten wir uns über diejenigen auf, die uns das mutmaßlich eingebrockt hatten: die unvorbereiteten, bläuäugigen Typen, die ohne Plan, richtige Kleidung und am besten noch mit ordentlich Bier intus meinten, sie müssten mal eben den Mammutmarsch laufen. Im gleichen Zuge (durchaus wörtlich zu nehmen) entstand aber der Plan, es beim Ostseeweg im September erneut zu versuchen. Dann war der Mammutmarsch eben ein weiteres Training.

Nach fast zwei Stunden war ich dann auch zu Hause, nur um festzustellen, dass ich keinen Schlüssel dabei hatte. Der war in dem Beutel, den ich mir zum Ziel hatte mitbringen lassen wollen. Zum Glück gibt es Freunde um die Ecke, die mich schnatternd und zitternd aufnahmen bis mein “Schlüsseldienst” kam. Vor Aufregung konnte ich aber zu Hause erst gar nicht schlafen. Erst gegen 12:30 Uhr fielen mir die Augen für zwei Stunden zu. Danach hatte ich etwas, was ich einfach “Mammutmarsch-Jetlag” nennen würde. Mir kam es um 18 Uhr vor, als wäre es erst 10. Da wäre ich eigentlich noch unterwegs gewesen. Um 10.

Und wer ist jetzt schuld?

Natürlich sucht man nach so einer Enttäuschung nach einem Sündenbock. Und da kommen auf den ersten Blick viele in Betracht. Oder doch nicht?

Sind es die Veranstalter, die den Sanitätsdienst nicht richtig geplant haben oder die Herausforderung an die Strecke herunter gespielt haben? War die Steigerung von 900 Teilnehmern vorm Vorjahr auf 2.500 diesjahr zuviel (meiner Meinung nach: ja!)

Sind es die Verrückten, die meinen, sie wären die größten und könnten ohne Sinn und Verstand mal eben 100 km in Flipflops laufen?

Haben die Rettungskräfte, Polizei und Katastrophenschutz vielleicht überreagiert?

Na klar regen sich diejenigen auf, die bereit und fit gewesen wären, die 100 km zu rocken und denen dieser Triumph genommen wurde. Immerhin haben die sich monatelang Gedanken über ihr Highlight gemacht. Sich selbst und ihr Equipment getestet. Alles war perfekt. Und dann kommen da welche und beenden zwangsweise diese Veranstaltung, auf die wir hingefiebert haben. Das verstehen die Leute ohne Plan natürlich nicht. Und nun schlagen sich diese Gruppen in den sozialen Medien die Köpfe ein.

Am Ende hilft es uns nichts, sich darüber aufzuregen. Das Kind ist in den Brunnen gefallen und es gibt noch einige Termine im Jahr, an denen wir uns testen können.

Die Veranstaltung war gut geplant. Es gab wenig Anstehzeiten, der Wellenstart hat gut funktioniert genauso wie der Gepäckservice bis zur dritten Station. Nun muss überlegt werden, was trotzdem anders gemacht werden kann, damit das im nächsten Jahr nicht wieder so passiert. Denn wir wollen alle gerne noch einen Mammutmarsch. Und noch einen. Und noch einen. Ich sage trotzdem danke! Auch wenn mein Blick auf den letzten Bildern was anderes sagt 😉

Kurzinterview mit den Veranstaltern

Die Veranstalter waren so lieb und haben mir, trotz des ganzes Stresses, angekündigt, ein paar Fragen dazu zu beantworten. Welche Antworten sie für euch haben, lest ihr dann hier.

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[:de]100 km in 24 Stunden – “Ich hab das schon gemacht und muss sagen…”-Erfahrungsberichte[:]

[:de]100 km wanderung_erfahrungsberichte-wahnsinn

 

Bericht von mir zum Mammutmarsch 2016

Mit ganz viel Vorbereitung bin ich euphorisch an die 100 km gegangen. Leider machte der offizielle Abbruch und meine auf den Gepäckservice ausgerichtete Versorgung meinen Plan zunichte.


Bericht von Steffi zum Mammutmarsch 2016

Steffi hat sich vom vorzeitigen Ende nicht unterkriegen lassen und ist auf eigene Faust die 100 km bis nach Gusow weitergelaufen. Wie sie sich unterwegs und im Ziel gefühlt hat, erzählt sie euch.


Bericht von Sebastian zum Mammutmarsch 2016

Sebastian war im Vorjahr schon 50 km voran gekommen. Diesjahr hat er trotz Läuferknie und offiziellem Abbruch die 100 gerockt.


Bericht von Nina zum Mammutmarsch 2016

Nina ist nach dem Abbruch mit ein paar anderen aus unserem EarnYourBacon-Team den Weg wieder zurückgegangen, um die 100 voll zu machen. Leicht gefallen ist ihr das Ende nicht.


Bericht von OutdorOWL zum Mammutmarsch 2016

Er berichtet weniger über seinen eigenen Erfahrungen als vielmehr objektiv und kritisch über den Ausgang der und die Vorbereitung auf die Veranstaltung.


Bericht von Thomas zum Mammutmarsch 2015

Thomas hat den Mammutmarsch ohne nennenswertes Training geschafft, geht aber regelmäßig Laufen und Bouldern. Seinen Bericht über die 100 km findet ihr hier.


Bericht von Sebastian zum Mammutmarsch 2015

Sebastian musste bei seinem ersten Versuch nach 50 km ohne Gulaschsuppe aufgeben. Warum und was er daraus gelernt und mitgenomme hat, findet ihr hier.


Bericht von Ralf zum Mammutmarsch 2014 und 2015

Ralf hat den Mammutmarsch schon zwei Mal in Angriff genommen. 2014 kam er nur bis zur zahlenmäßigen Hälfte, ein Jahr später klappten dann die kompletten 100 km.

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