Category Archives: Fjällräven Classic

[:de]Fjällräven Classic 2017: Tag 5 – Ein Tag entlang der Veränderungskurve[:]

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Erzählt von Martin H.


Nun waren wir nur noch zu viert. Nachdem ein Teil unserer Gruppe sich am Vortag weiter  auf den Weg gemacht hatte, hatten wir es uns noch in der Sauna und im Bistro in der STF Alesjaure gut gehen lassen. Und mit dem Weggang unserer fünf  Begleiter brach der Schlendrian bei uns aus. Nach einem leckeren Frühstück und langsamem Packen im Sonnenschein brachen wir heute erst gegen 12:00 Uhr zum nächsten Checkpoint auf. Drei Stunden später als sonst.

Der Weg führte zunächst durch hüfthohe Büsche zum See Alesjaure hinab und dann an ihm entlang. Hier galt es einige recht breite Flüsse zu überqueren.  Auf der anderen Seite des Ufers konnte man die Sami-Gemeinde Leavas sehen. Die Stimmung war gut und meine linke Ferse noch schmerzfrei.

Nach ein paar Kilometern offenbarte der Blick zurück zum Checkpoint dicke Regenwolken.  Wir waren zur richtigen Zeit aufgebrochen, denn die Regenwolken folgten uns stetig. Jede kleine Pause erinnerte uns an den Regen, den wir im Rücken hatten und lies uns weiterlaufen.

Wassermangel – und das in Schweden!

Der drohende Regen und die Aussicht auf ein leckeres Essen trieben uns voran. Dabei hatte ich meine Ferse immer wieder versucht zu ignorieren und ihr nur kurze Pausen gegönnt. Es ging leicht bergauf und vom See weg. Wir realisierten zu spät, dass uns der See kein Wasser fürs Mittag spenden würde und die Suche nach Flüssen war auch nicht erfolgreich. Am Wegesrand trafen wir immer wieder auf kleine Gruppen, die an windgeschützten Stellen ihr Mittag aßen – sie hatten besser geplant als wir und vorher ihre Wasservorräte aufgefüllt.

Wir zogen immer weiter, bei trockenem, aber sehr windigen Wetter, die Blicke nach rechts und links des Weges gerichtet auf der Suche nach einem Rastplatz und Wasser. Die Stimmung kippte und meine Ferse schmerzte inzwischen stark, da ich ihr Pausen verwehrt hatte.

Erst nach 3:45 h und 12 KM kamen wir zu unserer ersehnten Mittagspause. Wir setzen uns an einen großen Felsbrocken am Wegesrand inmitten der flachen, kargen Landschaft, der ein wenig Schutz vor dem Wind bot. Caro ging noch etwa 200 m weiter, um Wasser für unser Mittag zu holen. Meine Füße schmerzten und die Badelatschen waren eine Wohltat. Der Wind pfiff über den Felsbrocken und wir kauerten uns dahinter. Das Aufbrechen nach der wortarmen Pause fiel mir sehr schwer – aber irgendwann wollten wir ja auch mal ankommen.

Nach der Pause wurde das Gelände unwegsamer. Aber der Blick in die Ferne belohnte für die Mühe. Die Landschaft sah wie schon so oft speziell, aber auf ihre eigene Weise gigantisch aus. Wir sahen links von uns eine weite Steppe und in der Ferne kleine Hütten – Quartiere der samischen Rentierhirten.

In die andere Richtung wurde der See immer kleiner und der Weg führte zum Berg Kartinvare.

Die Beschaffenheit des Weges wurde immer schlechter und meine Ferse meldete sich wieder lautstark pochend in meinem Kopf.  Links der Berg, rechts der gestrüpp-überwucherte Abhang und Wassermangel machten die so sehnsüchtig herbeigewünschte Aussicht auf einen Platz fürs Zelt zunichte. Ich fluchte oft und bewegte mich für den Teil der Strecke im Schneckentempo voran. Rechts und links überholten mich immer wieder andere Wanderer und ich fiel immer mehr zurück. Furchen und Steine im Weg, dazu stellenweise Matsch und rutschige Planken bremsten zusätzlich. Ich schaute immer wieder auf mein GPS – die Meter zum Ziel schrumpften nur sehr langsam. Wir liefen im Schatten des Berges leicht abwärts und hatten noch 200 Höhenmeter Abstieg vor uns. Mit jedem Meter wurden auch die Mücken aktiver und schwirrten in Massen um den Kopf, sobald man stehen blieb.

Wenn der Körper nicht mehr will

Schritt für Schritt voran und endlich aus dem Schatten des Berges ins wärmende Sonnenlicht und das Ziel fast vor Augen. Auf dem letzten Kilometer gab es noch einen ordentlichen Motivationsschub. Wir liefen an den ersten schönen Zeltplätzen vorbei – ohne „Wasseranschluss“ leider ungeeignet.

Es ging immer weiter abwärts. Unten im Tal sahen wir bunte Flecken durch die Bäume – die Zelte am Checkpoint Kieron. Der Blick durch das Teleobjektiv meiner Kamera offenbarte ein emsiges Gewusel im Wald.

Nach etwa hundert weiteren Metern war es geschafft – ein noch leerer wunderschöner Platz auf dem Berg, weit weg vom Trubel in Kieron, eben, mit Feuerstelle und sonnengeflutet. Zwar auch ohne Wasser – aber das holte Martin später aus dem rauschenden Fluss im Tal . Erschöpft und glücklich über den Platz ließen wir die Rucksäcke fallen. Die Zelte waren schnell aufgebaut und Caro hatte inzwischen Unmengen an Holz herangeschafft – und das obwohl es hier kaum Bäume gab.

So saßen wir fröhlich um unser Lagerfeuer – der festen Überzeugung, dass es auch nach Sonnenuntergang um 21:30 noch Wärme spenden wird. Aber weit gefehlt. Mit dem Moment, an dem die Sonne hinter den Bergen verschwand wurde es mit einem Mal so kalt und windig, dass wir alle beschlossen, blitzartig in unseren warmen Schlafsäcken zu verschwinden.

Dieser fünfte Tag war sehr abwechslungsreich und schön – hat mich aber einige Male auch an meine Grenzen gebracht.[:]

[:de]Fjällräven Classic 2017: Tag 4 – Es wird heiß[:]

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Bereits zum Frühstück zeigt uns das Lapplandwetter eindrucksvoll, dass es auch anders kann. Es schüttet schon seit Stunden und der Wind biegt die Zeltwände in Richtung meines Schlafplatzes und reißt an anderen Zelten sogar die Heringe aus dem Boden. An gemütliches Beisammensitzen, um den ersten Kaffee des Morgens zu genießen, ist nicht zu denken. Und so wird von Zelt zu Zelt durch die Wände der Plan kommuniziert, das Frühstück individuell zu sich zu nehmen und um 9 Uhr abmarschbereit zu sein. Mein Missmut über die Situation ist meinem morgendlichen Gesicht mehr als deutlich zu entnehmen.

Um 9 Uhr sind alle Zelte abgebaut und Rucksäcke geschultert. Alle? Nein, Steve und Janine sind noch immer verbarrikadiert in ihrem noch stehenden Zelt. „Wir holen euch schon ein“, raunt es von drinnen. Also marschieren wir los. Für einige von uns wird es die längste Wanderung des ganzen Fjällräven Classic werden. Für die anderen die kürzeste. Nach dreieinhalb Tagen werden fünf Leute weitergehen und vier dem Saunaangebot in Alesjaure frönen. Aber bis dahin sind noch ein paar Kilometer zu überbrücken.

Wir kämpfen uns durch die wolkenverhangene grüne Landschaft, wenn es nicht richtig regnet, nieselt es zumindest. Heute bin ich wirklich froh über meinen Panikkauf in Form von einer Regenjacke kurz vor der Angst. Einer ordentlichen Regenjacke, meine ich. Nicht, dass ich nicht vorher schon etliche besessen hätte. Glitschige Holzbohlen bereiten unseren Weg und immer wieder müssen wir aufpassen, auf ihnen nicht ins Schlingern zu geraten. Nicht jedem gelingt das. Ein kleiner Lichtblick: der Niederschlag hat in den höheren Lagen die Bergkuppen puderzuckerartig mit Schnee überzogen.

Da waren es nur noch vier

Nach rund 10,5 km kommt der Checkpoint Alesjaure mit seiner imposanten Flussbrücke in Sicht. Oben beim blauen Stempelzelt, wo es auch Nachschub an Trockenfutter gibt, weht ein heftiger Wind, den man nur kurz aushält. Wir verkrümeln uns zu neunt hinter die Hauswand der Schutzhütte und kochen uns eine letzte gemeinsame Mittagsmahlzeit. Direkt nebenan landet und startet derweil ein Hubschrauber, der Wanderer nach Abisko transportiert. Ob diese verletzungsbedingt aufgeben mussten, erfahren wir nicht. Die Wehmut ist groß als wir mit verfrorenen Gesichtern das letzte Gruppenfoto aufnehmen und Karsten, Conny, Steve, Janine und Johanna ihre Rucksäcke wieder aufschultern, um eine weitere Etappe bei diesem Dreckswetter zu gehen. Für mich kaum vorstellbar, dass sie heute noch 20 Kilometer gehen wollen. Wir umarmen uns zum Abschied noch einmal und lassen die fünf ziehen.

Da die Checkpoints beliebte Plätze zur Übernachtung darstellen (vor allem, wenn sie noch über eine Sauna verfügen), suchen wir uns gleich einen schönen Platz für unsere verbliebenen drei Zelte. Gar nicht so einfach, denn am Fuße des Hügels, auf dem der Checkpoint steht, ist alles gut mit Büschen zugewachsen und oben ist es einfach zu windig. Zum Glück werden wir doch recht bald fündig auch wenn sich, wie wir bald feststellen, unser Domizil direkt unterhalb des Herrenklos befindet. Das besteht in diesem Fall nur aus einem Felsen, von dem die Herren der Schöpfung einfach runterpinkeln. Wir beschließen: die sind noch weit genug von unseren Zelten entfernt. Es ist nun gerade erst Mittagszeit, die Zelte schon aufgebaut und die Sauna öffnet wiederum erst um 16 Uhr. Also stürmen wir zähneklappernd in die kleine Stube, wo es heißen Kaffee und saftige Zimtschnecken gibt. Schuhe werden ausgezogen und Füße getrocknet. Über einer weiteren Zimtschnecke planen wir auf unserer Fjällräven-Karte planen die nächste Etappe.

Endlich Sauna

Für den Saunagang müssen die Teilnehmer erstmal arbeiten und Holz für den Saunaofen hacken. Ralf und Martin sind unsere fleißigen Hacker, während ich für Nachschub an den Trockenfuttersäcken sorge.

Die schwedische Sauna ist ein Erlebnis für sich. In der Holzhütte betritt man zunächst eine Vorraum, wo alle Klamotten abgelegt werden. Wie es hier riecht, nachdem sich ein Wanderer nach dem nächsten aus seinen schwitzigen Klamotten geschält hat, könnt ihr euch denken. Danach geht es in einen weiteren winzigen Vorraum zur Sauna, in welchem ein riesiger Heizkessel Wasser zum Kochen bringt. In einem großen Fass befindet sich kaltes Wasser, welches durch die Teilnehmer immer mal wieder aufgefüllt werden muss. Mehrere Metallschüsseln stehen nun bereit, um in ihnen mit einer Schöpfkelle kaltes und kochendes Wasser auf eine angenehme Waschtemperatur zu mischen. Im Vorraum stehen also 5-10 nackte schmutzige Menschen, die sich selbst oder gegenseitig heißes Wasser aus Metallschüsseln über den Körper kippen, um sich zu waschen. Ein bisschen wie im Mittelalter. Unsere asiatischen Mitwanderer lassen ihre Unterwäsche beim Waschgang (und auch in der Sauna) lieber an.

Frisch gewaschen geht es danach in den nächsten Raum, der nur noch halb so groß ist. Drei Treppen bieten hier Platz zum Saunieren. Der Ofen hier ist tatsächlich noch ein Holzofen und muss mit Holzscheiten von draußen (ihr erinnert euch an das Holzhacken) befeuert werden. Ein bisschen, wie nackig am Kamin sitzen. Die drei Jungs übernehmen das Befeuern und ein Schwede spendiert sogar sein teuer erkauftes Bier als Aufguss. Durch ein kleines Fenster können wir dabei zusehen, wie weitere Zelte um unsere herum aufgebaut werden. Sogar dort in/auf den Büschen, wo wir dachten, dass man dort nicht zelten kann.

Zum Saunieren gehört natürlich auch das „Abschrecken“. Ein für die Kälte draußen zu langer Abstieg führt vom Saunahaus direkt zum Fluss. Wir wären nicht wir, wenn wir diesen Spaß nicht mitnehmen würden. Damit sind wir aber auch die einzigen, die überhaupt in den Fluss gehen. Nach drei Saunagängen mit Flussabkühlung sind wir durch. So sauber und warm habe ich mich seit Beginn des Treks nicht gefühlt. Gemeinsam sitzen wir noch eine Weile im größten Zelt zusammen, plaudern und machen Inventur des noch vorhandenen und erbeuteten Real Turmats, aus welcher ich mit Abstand als Sieger hervorgehe. Wann soll ich das nur alles noch essen? Gegen 21 Uhr ist Zapfenstreich, alle kehren in ihre Zelte zurück und nach ein paar Minuten Inter-Zelt-Kommunikation schlafen wir über dem Gedanken an besseres Wetter zufrieden ein. Wo die anderen wohl gerade sind?

 

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[:de]Fjällräven Classic 2017 – Tag 3: Von Höhepunkten und Trennungen[:]

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Frühes Aufstehen lohnt sich. Denn wer sich am dritten Tag des Fjällräven Classic gegen halb acht aus seinem Zelt schälte, wurde Zeuge eines wunderbaren Naturschauspiels. Eine Herde aus über 100 Rentieren (wer Zeit hat, kann auf dem Bild genau nachzählen) zog in einiger Entfernung am anderen Flussufer gen Norden und bescherte uns einen Anblick, wie man ihn wohl nur in den Weiten Lapplands erwarten kann. Warme Sonnenstrahlen und eine Rentierherde zum morgendlichen Instant-Kaffee… was kann es schöneres geben?

Unserer selbstauferlegten Disziplin folgend brechen wir um 9 Uhr mit Sack und Pack Richtung Sälka, unserem nächsten Checkpoint auf. Der sollte etwa 9-10 Kilometer entfernt sein und eine Sauna für die Teilnehmer bereithalten. Vier von uns wollen diesem heiß-fröhlichen Vergnügen für ein paar Stunden frönen und richten uns bereits auf einen sehr langen Wandertag ein, denn die anderen fünf wollen indes schon weiterziehen und es geht ja heute auch noch über den Pass. Pläne werden geschmiedet, wie wir uns dann am Abend wieder zusammenfinden wollen, denn der Trennungsschmerz wäre heute noch zu groß. Das Wetter meint es heute wieder gut mit uns und lässt die Sonne vom Himmel strahlen. Das Türkisblau der Flüsse und Wasserfälle, die wir immer wieder überqueren, kommt besonders schön zur Geltung und lässt uns immer mal wieder staunend innehalten.

Was sind wir heute schnell

Zu unserer aller Überraschung kommen nach schon 6,5 km ein paar Häuschen in Sichtweite. Da kann doch nicht schon Sälka sein? Doch, da steht ein blaues Checkpoint-Zelt in der Mitte. Und so sammeln wir bereits um 11:50 Uhr unseren nächsten Stempel und Nachschub an gefriergetrocknetem Futter ein. Das Saunahäuschen steht etwas weiter unten direkt am Fluss, in dem man sich nach dem Saunagang abkühlen kann. Voller Vorfreude hüpfen wir Richtung Sauna… um dann mit hängendem Kopf wieder zur Gruppe zurück zu kehren. Sauna gibt es erst ab 16 Uhr. So lange wollen wir dann doch nicht warten. In Alesjaure, dem übernächsten Checkpoint gibt es ja auch nochmal eine Gelegenheit auf Sauna und so können wir zu neunt noch länger weiterziehen. Zumindest statte ich aber noch schnell einem meiner liebgewonnenen Toilettenzelte einen Besuch ab. Dass diese gegenüber fest installierten Toilettenhäuschen wegen der guten Luft durchaus zu bevorzugen sind, habe ich schon in Singi festgestellt. Darin befindet sich ein kleines Plastikklo mit einem integrierten Urinseparator. Was für ein schönes Wort. Letztlich hängt in einer Klobrille eine Plastiktüte für „hinten“ und ein Trichter für „vorne“. Klopapier gibt’s vom Stock. Spartanisch, aber gut.

Der heutige Tag ist mein persönliches landschaftliches Highlight. Wir wandern durch das grüne Valley, rechts und links erheben sich majestätisch die Berge schwedisch Lapplands. Ein paar Kilometer weiter finden wir uns an einem kleinen See wieder, in dem eine Möwe dekorativ auf einem Stein hockt und uns scheinbar fasziniert zuschaut. Wiesen mit knallgelben Sumpfdotterblumen und kleinen Tümpeln säumen unseren Weg und links begleitet uns ein mächtiger rauschender Fluss durchs Tal.

Unsere Mittagspause verbringen wir am Fuße eines kleinen Hügels und direkt in Flussnähe. Während die Gaskocher angeschmissen werden, suche ich erstmal meine noch nassen Klamotten raus. Für die 10 Tage Trekking habe ich je zwei Paar Socken und zweimal Unterwäsche dabei, die täglich gewechselt und gewaschen wird. Irgendwie muss der Kram ja trocken werden und so hängt mein Höschen dann eben beim Mittagessen zwischen den Trekkingstöckern. That´s trail life! Einen schönen Anblick gibt es dafür auf der anderen Flussseite, wo uns ein kleiner Regenbogen quasi ins Land der Gummibärenband verzaubert, so kitschig mutet das an.

Auf zum Höhepunkt

Nach der Mittagspause wartet der gefürchtete Aufstieg zum Tjäktapass, dem höchsten Punkt des Fjällräven Classic, auf uns. Auf dem Höhenprofil unseres Wanderpasses sieht der Anstieg respekteinflößend aus. Bis dorthin geht es noch gemächlich weiter durchs Valley. Während wir uns wieder durch Matschepampe gemixt mit Felsen kämpfen, wird mir immer wärmer und ich ziehe Schicht für Schicht aus.

Aus einiger Entfernung sehen wir gut, wie sich die kleine Kette aus Wanderern den Pass nach oben windet und bald schon stehen wir selbst am Fuße der Bergschneise, die es zu überwinden gilt. Ich latsche allen voran locker flockig die Höhenmeter entlang. Irgendwie habe ich gerade Energieüberschuss. Außerdem will ich den anstrengenden Aufstieg schnell hinter mich bringen. Ich latsche und latsche… und plötzlich bin ich schon fast oben. Am Meditationsplatz lasse ich meinen Rucksack fallen und nutze die Gelegenheit, den unglaublichen Ausblick über das zurückgelegte Valley zu fotografieren. Unsere vierpfotigen Begleiter sind wenig begeistert, den Aufstieg an der Leine zurücklegen zu müssen. Da ich schon mal oben stehe, werden die Hundis einfach losgelassen und fetzen den Berg hoch… um sich dann von Janine und mir einfangen zu lassen. So geht Hundebergtransport!

Ein paar Höhenmeter sind es noch, dann sehen wir die Schutzhütte am Tjäktapass. Ein fieser Wind weht hier oben, so dass wir uns erstmal auf die Rückseite der Hütte verkrümeln. Der Gipfelwhisky, den ich in kleinen Plastikfläschchen mitgeschleppt habt, ist jetzt endlich fällig und schmeckt hier oben gleich doppelt so gut. Nach einem halberfrorenen Gruppenfoto vor der Schutzhütte stellen wir fest, dass diese sogar offen ist. Warum nicht gleich so? Hier drin ist es gleich viel weniger windig, so dass wir uns nochmal zu einem Foto zusammenrotten. Der höchste Punkt ist damit geschafft. Und gleichzeitig auch schon 75 km des gesamten Treks. Auf einmal ging das doch sehr schnell.

Zeltplatzsuche par excellence

Lange halten wir uns nicht am Pass auf, denn der Wind ist zum einen eisig, die Zeit vorangeschritten und wir müssen ja auch noch einen Zeltplatz finden. Gemäß der Streckenbeschreibung braucht es nach dem Pass dafür einige Kilometer, da dahinter erstmal eine lange Steinwüste folgt. Und die Streckenbeschreibung hat recht. Wo man hinblickt: Steine! Nun, ich liebe Steine. Aber zeltbar ist diese Gegend hier nicht.

Wir wandern und wandern bis es schon richtig spät ist und wir einiges an Kilometern hinter uns gebracht haben. Jetzt endlich einen Zeltplatz zu finden, wäre klasse. Jeder potentiell schöne Platz wird bei näherem Begutachten jedoch wieder verworfen. Der Wind weht überall einfach zu heftig. Also geht es weiter. In der Ferne erblicken wir nun auch schon den nächsten Checkpoint, Tjäktja, und beschließen, mangels gutem Zeltplatz, dort in der Nähe nach einem passenden Platz zu suchen.

Am Checkpoint gibt es zum Stempel noch herrlich heißen Kaffee und die großartigsten Brownies der Welt. Auf einmal zerstreut sich die Gruppe. Zwei wandern in die eine Richtung zur Zeltplatzsuche, zwei in eine andere. Bei Gruppen bekommen aber von der Suche der jeweils anderen jedoch nichts mit, so dass der Rest erstmal verdutzt im Gras sitzt, seine Brownies isst und wartet, was passiert. Während Gruppe 1 nach gefühlter Ewigkeit wieder zurückkommt und uns einen nicht ganz so windigen Platz für die Nacht zeigt, bleibt Gruppe 2 verschwunden. Erst ein Suchtrupp in Form von Steve holt die beiden wieder zurück. Ralf sieht´s gelassen, während Martin über die mangelnde Abstimmung schimpft und meint, er hätte den perfekten Platz ganz hinten am Horizont gefunden. Da schon alle Zelte aufgebaut sind, bleiben wir beim Platz mit reduzierter Qualität.

In einer Senke finden wir uns für allabendliche Real Turmat-Essen vom Gaskocher ein. Mir ist schon wieder so kalt, dass ich mich fast komplett in meinen Schlafsack kuschele und gefüttert werden muss. Ralf tut es mir gleich und so sitzen wir wie die Raupen mit den anderen beim Essen. Alt wird heute keiner von uns, denn der Tag war schön, aber sehr anstrengend. Nachdem die letzten Sonnenstrahlen hinter den Bergen verschwunden sind, tun wir es ihnen gleich und verschwinden in den Zelten mit dem Wissen: morgen steht tatsächlich eine Trennung bevor.

 

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[:de]Fjällräven Classic 2017 – Tag 2: “Rentier im Wald und im Wrap”[:]

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4 Uhr nachts. Es ist taghell im Zelt. So ist das eben, wenn man oberhalb des Polarkreises seinen Sommerurlaub verbringt. Da hilft nur eins: Schlafsack über den Kopf ziehen und weiterschlafen. Bis um 7 Uhr, dann hat es sich ausgeschlafen. Beim Blick aus dem Zelt ziehen leichte Nebelschwaden über die grünen Hügel hinweg. Die ersten (oder letzten?) Wanderer mit knallorangem Fjällräven Classic-Wimpel sind schon wieder auf dem Trail unterwegs.

Wir wollen heute gegen 9 Uhr aufbrechen, schließlich haben wir gestern gemerkt, wie wenig Kilometer wir pro Stunde schaffen. Das heißt für uns: länger laufen, also früher los. Das vom Veranstalter gestellte Frühstück besteht aus Fruchtmüsli, das eigentlich heiß aufgegossen werden muss. Ich esse meins lieber kalt und knackig, da kommt der Zimtgeschmack besser heraus.

Vor dem Aufbruch habe ich ein wenig Bammel, denn meine Hüften hatten den Rucksackgurt gestern Abend kaum noch ertragen. Wie soll das nur werden? Beim Aufsetzen merke ich aber: es geht. Es tut gar nicht mehr (so) weh. Es scheint zu stimmen, dass sich der Körper erstmal einen Tag lang an die Last gewöhnen muss.

Rudolph im Wald

Zum Glück ist der erste Checkpoint nicht mehr weit. Kurz, bevor wir dort ankommen, wird unsere Aufmerksamkeit aber von einem anderen Wanderer auf einen Elch gelenkt, der angeblich irgendwo hinten im Unterholz liegen soll. Zwischen Birken und Zelten liegt da tatsächlich auf einer Mini-Lichtung etwas. Es ist aber kein Elch, sondern ein Rentier. Es ist wach und aufmerksam, stört sich aber überhaupt nicht an unserer Gegenwart. Wir machen leise Fotos von dem anmutigen Tier und ziehen uns wieder zurück.

Nach wenigen hundert Metern verlassen wir den Birkenwald und steuern geradewegs auf die Kebnekaise Fjällstation zu, wo wir endlich unseren ersten Stempel für den Wanderpass erhalten. Hier bekomme ich auch mein erstes Stück Kanelbullar – eine schwedische Zimtschnecke. Ich stehe ja auf die Dinger! Wir halten uns hier nur kurz auf, denn weit gekommen sind wir ja noch nicht. Trotzdem eignet sich die Pause, um ein paar Kleidungsschichten abzulegen. Die Sonne ist rausgekommen und es geht bergauf. Schwitzen garantiert.

Vor uns eröffnet sich schönstes Bergpanorama. Immer wieder rätseln wir, welcher Berg wohl der Kebnekaise ist. Der höchste Berg Schwedens. Dessen Besteigung haben wir als Gruppe zumindest für diesen Urlaub ad acta gelegt und freuen uns stattdessen, weiter gemeinsam mit Karsten, Conny und ihren Hunden das Abenteuer zu genießen. Sie wären heute sonst nicht mit uns auf den Berg gekommen und das hätte eine Trennung der Gruppe bedeutet. Stattdessen genießen wir zusammen die herrliche Landschaft und das unerwartet gute Wetter.

Auf Sonnenschein folgt Regen

Wie schnell sich das Wetter ändern kann, merken wir nach unserer zweiten Pause. Der Wind frischt auf, Wolken ziehen ins Tal. Und in dem Moment, wo wir wieder aufbrechen, tun das auch die Wolken. In Windeseile werden Regenjacken an- und Capes übergezogen. Zum Glück sind wir alle gut vorbereitet. Es geht weiter bergauf und der Wind wird richtig eisig. Aber die Zeit ist schon vorangeschritten und der Magen knurrt. Die meisten Hosen sind inzwischen durch den Regen ziemlich durchnässt. Trotz Warnung suchen wir uns einen Platz für die Mittagspause, der mal so richtig windig ist. Zeit, die nassen Klamotten zu tauschen. Trotzdem friere ich mir beim Wasserkochen einen Ast ab und will einfach nur wieder los, mich bewegen.

Nach einigen hundert Metern taue ich wieder auf und bin auch recht flott unterwegs. Heute läuft es besser als gestern. Das trifft aber leider nicht auf alle zu. Conny leidet sehr unter ihrem Rucksack, vor allem den Hüftgurten, so dass sie diese immer mal wieder öffnen muss. Da ich den gleichen Rucksack habe, bin ich froh, dass meine Hüftknochen anscheinend kompatibler dazu sind. Sie kommt damit nur schleppend voran, aber wir warten immer wieder abschnittsweise. Schließlich sind wir ein Team und wollen den Trekk gemeinsam schaffen.

Rentierwrap to go

Den nächsten Checkpoint – Singi – wollen wir heute auch noch mitnehmen. Dass es ihn gibt, treibt mich voran, denn ich muss schon seit einigen Kilometern dringend das schwedische  Essen loswerden. Gefriergetrocknetes Essen haut echt durch. Kaum kommt der Checkpoint in Sicht, fange ich an zu rennen. Es geht nicht mehr anders. Ich überhole alle in meiner Gruppe und noch weitere verdutzte Wanderer, springe über Steine und hüpfe durch den Schlamm. Endlich am Checkpoint angekommen, schmeiße ich nur noch den Rucksack gegen einen Felsen und stürze auf die Toilettenzelte zu. Erleichterung! Und so ein gutes Klima in dem privaten Klozelt.

Langsam trudeln die anderen ein und wir suchen uns ein schönes Plätzchen. Nun kann ich mich auf den zweiten Stempel konzentrieren und eine Portion des leckeren Rentierwraps holen, den es hier in einem Zelt gratis gibt. In dem Wrap ist auf jeden Fall mehr Rentier drin als auf den Rentierburger gestern drauf war. Dazu gibt es Kartoffelbrei und Preiselbeersauce. Die Schweden sind großartig.

Endspurt

Der Regen hat sich verzogen und der Plan steht, heute noch ein paar Kilometer zu schrubben. Einigen ist zwar gar nicht danach, aber was muss, das muss. Aus ein paar Kilometern werden genauer gesagt drei. Nach längerer Findungsphase bauen wir unser Mini-Zeltlager auf einer Anhöhe über einem Fluss auf, damit die Wasserversorgung gesichert ist. Danach werden erstmal die tapferen Hunde versorgt, die genauso erschöpft sind wie Frauchen und Herrchen und gleich nach dem Futter in einen tiefen Schlaf fallen.

Das Wetter belohnt uns für die Strapazen mit Sonnenstrahlen, die über die Bergkuppen direkt auf unsere Lager fallen. Trotz Sonne ist mir wie jeden Abend furchtbar kalt und so schlürfe ich meinen Tee schön in voller Montur aus dem Schlafsack heraus. Die Müdigkeit, Kälte und Mücken lassen uns alle aber wieder gegen 21 Uhr in den flatternden vier Wänden verschwinden. Am Schlaf hindert uns die frühe Uhrzeit nicht, die Augen fallen einfach zu. So kann ein Tag zu Ende gehen.

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[:de]Fjällräven Classic 2017 – Tag 1: “Das schaffen wir nie in 5 Tagen!”[:]

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Die Geschichte des Fjällräven Classic in einem Beitrag zu erzählen, wäre sicher machbar. Aber wird das dem tagelangen Event wirklich gerecht? Zugegeben, das ist zum Teil nur ein vorgeschobener Grund. Denn wer mich und meinen Blog kennt, weiß: es fällt mir schwer, mich kurz zu fassen. Zu schön war die Zeit, zu erlebnisreich die Tage, zu perfekt der Team-Spirit, daher schreit unsere Reise ins schwedische Lappland nach einem Mehrteiler. Den ersten gibt es heute.

Tag 0 –  Mein Gepäck bleibt wohl in Stockholm

Um 4:40 klingelt der Wecker. Gruselige Zeit. Mit den Öffis geht’s es zum Flughafen. Die Fahrt im Express-Bus ist allerdings weit weniger entspannt, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte an gemütliches Kaffeebecherschlürfen und Croissantknabbern im Sitzen. Die Realität zeigt mir das Bild von Heringen, die in ein Glas gepfercht und beim Transport wild durcheinander geschüttelt werden. Am Flughafen dann die nächste Ernüchterung. “Wollen die alle nach Schweden?” Die Reihe am Gepäckschalter ist endlos und geht kaum voran. Kann ja nur besser werden. Der nette Mann vom Bodenpersonal bemerkt treffend: “Heute wollen aber viele nach Kiruna. Sonst immer nur so zwei-drei Leute. Heute sind’s 18!” Was die wohl vorhaben?

Einen Direktflug von Berlin nach Kiruna gibt es nicht. Daher landen wir vier vom neunköpfigen EarnYourBacon-Team, das sich im Februar geschlossen für das Event gemeldet hat, erstmal in Stockholm zwischen. Fliegen macht hungrig, daher gibt es erstmal den angeblich besten Burger Schwedens (zum Glück gibt es den gleich am Flughafen!). Danach verlaufen wir uns erstmal im falschen Terminal und landen aber am Ende zwischen einer Masse Menschen, die wie wir aussehen: Outdoorhosen, Wanderschuhe, Rucksäcke als Handgepäck, Funktionskleidung am ganzen Leib. Nur Johanna fällt mit ihren Jeans irgendwie aus dem Raster. Da sie nur fürs Event anreist, kann sie sich ihre Alltagssachen bequem vom Basecamp in Kiruna zum Zielort Abisko transportieren lassen. Für uns andere geht die Reise danach noch weiter, daher besteht unser Outfit schon zu 100 % aus Outdoorkrempel.

Während wir so auf den Einstieg warten, schaue ich aus dem Fenster zu, wie die Taschen ins Flugzeug verladen werden. Taschen und Rucksäcke werden auf ein steiles Gepäckband gelegt und in den Rumpf transportiert. Und da kommt meine Tasche… fährt nach oben… und fällt auf der anderen Seite des Bandes herunter. Äh. Blöd. Nun liegt mein Gepäck da. Unterm Flugzeug. Außerhalb der Sichtweite der Gepäckpackjungs. Und nu? Es ist ein ziemlich komisches Gefühl, das eigene Gepäck dort liegen zu sehen, aber nichts tun zu können. Nachdem fast alles verladen ist, erbarmt sich doch noch einer der Jungs dazu, die Tasche in den Vogel zu befördern. Uff. Ich muss den Fjällräven Classic also nicht nackt laufen.

Wir werden mehr

Vom Kiruna Airport werden wir direkt mit einem Bus-Shuttle des Veranstalters ins Basecamp in der Högalidskolan gefahren. Der Zeltplatz Camp Ripan ist gleich nebenan, wo Steve und Janine, die vorher schon paddeln waren und mit dem Zug angereist sind, uns ein Plätzchen freigehalten haben. 22,50 € zahlt man pro Nacht je Zelt.

Nachdem unsere Behausungen aufgestellt sind, geht es zum Basecamp in der Schulturnhalle. Hier gibt es gefriergetrocknete Trekkingnahrung in allerlei Geschmackssorten von Pulled Pork über Lammgryte (liebevoll Lammgrütze von uns genannt) bis hin zu Chili con Carne und Kabeljau. Kistenweise stehen hier die orangen Packungen von Real Turmat zur Verfügung. Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht neugierig in die noch nicht ausgepackten Kisten schauen würde. Hier gibts schließlich noch mehr leckere Sorten. Und wer weiß, welche Sorten es dann nur noch an den Checkpoints gibt. Mit einem ganzen Rucksack voll Real Turmat, Schwedenbrot, unserem Wanderpass, einem knallorangen Wimpel, Wanderkarte und sehr hochwertigem Müllbeutel (andere würden das als Packsack verkaufen) geht es wieder Richtung Zeltlager.

Am Abend hören wir uns noch einen Vortrag an, der einen für unseren Geschmack zu hohen botanischen Anteil hat und für einige als besseres Schlafmittel fungiert. Einen ersten Vorgeschmack auf die Heerscharen von Mücken gibt es gleich hinterher und Steve kann mal wieder seinen Mückenhut zücken. Recht früh geht es in die Federn, denn der nächste Tag wird aufregend und anstrengend zugleich.

Tag 1 – Los geht die outdoorige Menschenkette

Um kurz vor 10 Uhr stapfen wir mit Sack und Pack zum Bus-Shuttle, dass die Massen zum Startort nach Nikkaluokta fahren soll. Endlich treffen wir in der beachtlichen Schlange auch die letzten Teammitglieder Karsten, Conny und Ralf, die mit dem Auto angereist sind. Eine gute Stunde dauert der Transfer, aber es ist immer noch genug Zeit bis zum Start der Startgruppe 2 um 13 Uhr. Aufgeregt werden Fotos gemacht, die Rucksäcke noch einmal justiert, die Hund befüttert und beruhigt, Chips gegessen. Alle Rucksäcke werden handverwogen. Bei den Mädels ist das Standardgewicht zwischen 15,5 und 16 kg, während bei den Herren bis zu stolze 21,5 kg gemessen werden.

Pünktlich um 13 Uhr geht es dann endlich los! Team EarnYourBacon setzt sich mit hunderten anderer Trekker aus allen möglichen Nationen in Bewegung. Die ersten Schritte der 110 km-langen Strecke sind getan.

Gemächlich bewegt sich die gutgelaunte Menschenschlange voran. Schon nach wenigen Minuten ist unser Team auseinander gezogen. Ein paar müssen noch mehr justieren als andere und einige sind einfach mal deutlich flotter unterwegs. Die 16 kg auf meinem Rücken merke ich schon und denke jetzt bereits an den Rentierburger, der uns angeblich nach 5 km winken soll, während Ralf einen ersten Schluck frisches Flusswasser zu sich nimmt. Unser Weg führt uns bis dahin durch kleine Birkenwälder und nach einem Weilchen dort hinaus ins offenere Feld. Wir steuern genau auf die verschneiten Berge zu. Die Wege sind matschig und steinig. Ein Zustand, der uns bis zum Ende hin begleiten wird. Unsere zwei felligen Teammitglieder müssen ihre erste wackelige Stahlbrücke überqueren und machen das besser als so mancher Mensch.

Lap Dånalds in Sicht!

Nach guten 5 km bin ich mehr als froh, dass die erste Pausenstation mit den versprochenen Rentierburgern erreicht ist. Es regnet ein wenig, aber das stört mich weit weniger als mein dringendes Bedürfnis, eine Toilette aufzusuchen. Die Schlange an den Burgern ist sowieso ewig lang, also stellen sich ein paar von uns an, während ich die hölzernen Klohäuschen aufsuche.

Für zwei Burger, ein Bier und eine Zimtschnecke werde ich stolze 40 € los. Natürlich kann man hier in der Wildnis mit Kreditkarte zahlen, wie überall in Schweden. Wer glaubt, der Rentierburger würde hauptsächlich aus dem namensgebenden Tier bestehen, der irrt. Einige kleine dünne Scheiben Rentierwurst, gut versteckt unter dem Rindfleischpaddy. Das ist der Rentierburger. Egal. Er schmeckt!

Nach einer recht ausgiebigen Pause geht es weiter. Wir haben heute noch einiges an Wegstrecke vor uns. Eigentlich wollen die meisten von uns am Fuße des Kebnekaise, dem höchsten Berg Schwedens, zelten, um am nächsten Tag die Besteigung desselbigen in Angriff zu nehmen. Die Realität holt uns aber nach gut 10 km schon ein. Für die kurze Strecke brauchen wir unerwartet lange. Fast vier Stunden! Das Terrain ist schwierig, so dass jeder Schritt konzentriert getan werden will. Trotzdem möchte man ja auch ab und an noch mal einen Blick auf die wunderschöne Landschaft werfen und das Panorama einsaugen. Die Last auf dem Rücken macht die Sache nicht einfacher, geschweige denn schneller.

Die Kebnekaise Fjällstation – unser erster Checkpoint – kommt nach etwa 16 km in Sichtweite. Zu diesem Zeitpunkt bin ich echt schon ziemlich fertig und frage mich, worauf ich mich da eingelassen habe. Was habe ich mir denn dabei gedacht, sowas 1.300 km lang in Arizona mit täglich 25 km machen zu wollen, wenn ich nach einem Tag mit gerade 16 km völlig im Eimer bin? Meine Hüften, wo der Rucksack aufliegt, schmerzen wie die Hölle. Meine Füße tun weh und ich muss schon wieder dringend auf die Toilette. Etwa der Hälfte unserer Gruppe geht es auch nicht anders und so beschließen wir, heute nicht einmal mehr bis zum ersten Checkpoint zu gehen.

Auf einer Anhöhe finden wir eine schöne Stelle für unsere sechs Zelte. Es ist windig und frisch, daher wird in Windeseile aufgebaut und zu Abend gegessen. Das gefriergetrocknete Essen zaubert allen noch einmal ein Lächeln auf die Lippen. Es ist richtig gut! Um 21 Uhr sind alle in den Zelten verschwunden. Auf meinen Hüftknochen haben sich tiefrote, geschwollene Kreise gebildet, die ein wenig wie ein Bluterguss aussehen. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit morgen meinen Rucksack tragen soll. Also kuschel ich mich erstmal meinen warmen Daunenschlafsack, den ich mir kurz vor der Reise noch zugelegt habe. Heute ist heute und morgen ist morgen.

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[:de]Vorbereitungen zum Fjällräven Classic – ein Ritt durch 8 Monate[:]

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Oktober 2016

Erstes oder bereits fortgeschrittenes Beschnuppern der Teilnehmer des Grüppchens, das sich dem Plan verschrieben hat, im August 2017 gemeinsam die 110 km von Nikkaluokta bis Abisko zu bestreiten. Mögen wir uns denn überhaupt?

10.01.2017 10 Uhr

Mit blutunterlaufenden Augen hibbelig am Rechner auf Arbeit sitzen und warten, bis der Server endlich die Anmeldungsseite freigibt. Hoffen, dass nicht genau jetzt ein emsiger Kollege oder gar der Chef in der Tür steht und etwas ganz dringendes will. Denn was gibt es jetzt wichtigeres, als sich einen der begehrten 2.000 Startplätze für den Fjällräven Classic 2017 zu sichern?

Februar 2017

Planung der Reise zu acht in illustrer Runde und Videokonferenz mit den Verhinderten. Es wird gegessen, es wird gelacht und geschwatzt. Es wird erstaunlich wenig geplant. Wird schon!

März bis Mai 2017

Review der eigenen vorhandenen Ausrüstung. Eigentlich hab ich doch fast alles bereits. Die Lighterpack-Liste füllt sich. Kann eigentlich morgen losgehen.

Juni 2017

Probeliegen mit Outdoorfeeling. Heißt Übernachtung im heimischen Garten, was an diesem Abend zum Zeltlager mutiert. Isomatten werden Probegelegen, Topfgewichte verglichen, Defizite aufgedeckt, Zelte kopfüber aufgebaut, die Brennbarkeit von feuchtem Toilettenpapier untersucht und Schuhe eingewandert.

Juni-Juli 2017

Ein neuer Schlafsack muss her. Der alte, fast schon eingepackte, ist zu schwer. Und die Komforttemperatur mit +1 Grad immer noch im verbesserbaren Bereich auf -2 Grad. Die alte Isomatte ist auch nicht mehr schön genug. Und Klamotten. Eigentlich brauche ich noch eine dem Event angemessene Zipp-off-Hose. Und neue Merinoshirts. Da kann ich noch 10 Gramm sparen! Vielleicht sollte ich doch über Trekkingstöcke nachdenken? Ich bestelle einfach alles und bin mal eben um die 1.000 € los.

01.08.2017

Mein Taschenmesser ist viel zu schwer. Ich brauch ein neues. Deswegen bestelle ich gleich drei. Man weiß ja nie.

04.08.2017

Mein Ultraleicht-Handtuch ist zu klein. Und im Verhältnis zu schwer. Ich brauch ein neues. Zum Glück ist Globetrotter um die Ecke und möchte mir einen 100 g leichten Hauch von Nichts verkaufen, der trotzdem für den Saunabesuch die pikantesten Körperstellen bedeckt.

05.08.2017

Probepacken. Alles, was noch nicht verwogen und in kleinste Beutel verpackt wurde, wird nachgeholt und akribisch auf dem Wohnzimmerboden aufgereiht. Tausende Schokoriegel, an sich zu schwere Fotoausrüstung, Zelt, Schlafsack… alles traut beieinander. Verpackt wiegt der Rucksack 11,5 kg. Kommen noch ein halbes Kilo Trekkingstöcke und das Gefrierfutter in Schweden dazu. Alter Schwede!

06.08.2017

Man redet mir (erfolgreich) ein, dass meine geplante und quasi schon gepackte Jacken-Kombi für die Ansprüche – schwerer Rucksack und Dauerregen –  nicht ausreichend sei. Panikkauf einer hundsteuren Regenjacke, die hoffentlich a) für den Preis noch Kaffee kochen kann und b) bis Mittwoch ankommt.

07.08.2017

Nervöser Anruf beim Online-Outdoorausstatter, da Paket noch nicht losgeschickt wurde. Die haben natürlich Sommerschlussverkauf und müssen erstmal Herr über die tausende Bestellungen vom Wochenende werden. Der nette Herr an der Hotline ist aber zuversichtlich, dass es noch klappen könnte. Betonung auf „könnte“. Daher spontane Bestellung der gleichen Jacke in anderer Farbe beim einschlägigen Online-Großhändler mit Zustellung am nächsten Tag. Sicher ist sicher. Dann trage ich eben Cerulean statt Violet Wine. Die Kreateure der Farbgebungen hatten sicher auch das eine oder andere Glas Wein, als sie sich die Namen ausdachten.

Dazu kommt dann noch ein Mützennetz zum über den Kopf ziehen. Ohne das überlebt man angeblich nicht in Lappland. Kann ich gleich nächste Nacht im heimischen Schlafzimmer testen.

Heute

Mit Spannung verfolge ich an meinem letzten Arbeitstag die Bestellentwicklung meiner Jacken. Jacke 1, die violettweinfarbene vom Samstag, ist zwar angeblich noch gestern Abend losgeschickt worden, bewegt sich aber kein Stück vom Versandort weg. Jacke 2 dagegen, bestellt erst gestern, ist bereits im Zustellfahrzeug auf dem Weg zu mir. Ich würde sagen, wir haben einen Gewinner und das beruhigt meine inzwischen aufgeriebenen Nerven ungemein. Und die Farbe, die kann ich mir mit einem Glas violettem Wein auch schöntrinken *hicks*

Meine Packliste scheint mir (wie auch vor Monaten schon) final. Aber mal schauen, was mir morgen noch einfällt, was ich UNBEDINGT noch brauche…

 


Meine Ausrüstung für den Fjällräven Classic 2017

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