Einen Fuß vor den anderen – eine Fernwanderung vorbereiten

Der Rucksack ist gepackt, die Schuhe geschnürt. Vor dir liegen mehrere Tage, Wochen, ja vielleicht sogar Monate, in denen der Weg dein Zuhause ist. Ob hundert, tausend oder fünftausend Kilometer – eine Weitwanderung ist immer etwas Besonderes. Dabei ist das reine einen Fuß vor den anderen zu setzen aber nur ein Teil deines fantastischen Abenteuers. Fast genauso spannend ist die Zeit davor, wenn du deinen Trip vorbereitest. Und ein paar Tipps dazu findest du hier.

Wieviele Kilometer nehme ich mir pro Tag vor? Welches Equipment wandert mit? Wo bekomme ich neues „Futter“? Wie bereite ich meinen Körper auf diese neue Belastung vor? Viele Fragen gilt es zu beantworten, die aber genau eines bedeuten: grenzenlose Vorfreude auf das, was kommt. Der 160 Kilometer lange West Highland Way in Schottland, der fast doppelt so lange Heidschnuckenweg in Deutschland, der 1.300 Kilometer weite Arizona Trail oder der Pacific Crest Trail mit seinen 4.260 Kilometern Länge, auf den ich mich gerade selbst vorbereite – sie alle haben ein gutes Stück Planung abverlangt und die Zeit bis zum tatsächlichen Start extrem versüßt.

Du planst etwas Ähnliches? Perfekt! Dann lass dir von mir erzählen, was mich in den Monaten vor dem sogenannten Traillife jedesmal am meisten beschäftigt und bewegt.

Die Strecke

Ich bin ein absoluter Freund von Papierkarten. Stunden und Tage kann ich über einer Papierkarte eines bestimmten Gebietes verbringen, neue Wege und Kleinode wie Felsformationen, Heidelandschaften und gemütliche Schutzhütten entdecken, Abenteuer stricken. Das erste, was ich mir für eine Weitwanderung zulege, ist eine Papierkarte. Die bleibt in der Regel wegen des hohen Gewichts am Ende zu Hause, aber für die visuelle Planung ist sie Gold wert und zeigt dir, was dich am Wegesrand noch so erwartet. Vielleicht magst du deine Strecke nach deinen Wünschen anpassen, wenn du etwas Spannendes gleich um die Ecke findest.

Tageseinteilung

Ganz am Anfang steht bei mir stets die Frage, wieviel Zeit ich mir für einen Trail nehmen kann und möchte. Das hängt unter anderem von meiner Urlaubszeit, der Streckenbeschaffenheit (flach oder gebirgig) und meiner Kondition ab, aber auch vom zu erwartenden Wetter. Um meinen Körper erst einmal langsam an die tägliche Belastung heranzuführen, plane ich für die ersten Tage möglichst nicht mehr als 25 Kilometer am Tag ein. Deine Gelenke und Bänder werden es dir danken. Zu oft habe ich es gesehen, wie einige Mitwanderer ambitioniert mit 40 oder 50 Kilometern starteten. Die traf ich wenige Tage später wieder, gestrandet in Hotels oder auf Zeltplätzen, um ihre Wunden zu lecken.

Bist du lange Strecken mit Gepäck gewöhnt, kann es natürlich auch mal ein bisschen mehr sein. Aber sei versichert: Je länger du unterwegs bist, fallen dir nach ein paar Wochen auch 35 bis 40 Kilometer nicht mehr schwer. Spätestens dann ist auch deine einst geplante Tageseinteilung überholt, denn wieviel du wirklich schaffst, hängt von etlichen nicht planbaren Faktoren ab. Für den Arizona Trail hatte ich ein ausgefeiltes Excel-Sheet über die gesamten 1.300 Kilometer. Schon nach 700 Kilometern hatte ich zwei Tage Vorsprung herausgewandert. Es kommt immer alles anders als du denkst!

Einkaufen und Wasserquellen

Übernachtest du hauptsächlich in festen Unterkünften und Ortschaften, kannst du das Kapitel quasi überspringen. Willst du aber wild zelten, biwakieren oder in Schutzhütten nächtigen, braucht es schon etwas mehr an Überlegung und Logistik. Anhand deiner Tageseinteilung kannst du ungefähr abschätzen, ob du täglich an einem Lebensmittelgeschäft vorbeikommst, um deine Essenvorräte aufzufüllen oder sogar an einem Pub wie in Schottland, wo wir fast jeden Tag zu Mittag gegessen haben. Führt deine Planung dich nur alle paar Tage mal in eine Ortschaft, gilt es entsprechend viele Portionen an Frühstück, Snacks und Abendessen einzupacken bis du wieder einkaufen kannst.

Ähnlich sieht es mit Wasser aus. Speziell auf dem Heidschnuckenweg galt es zu wissen, wann wir das letzte Mal unsere Trinkflaschen auffüllen können und wie weit am nächsten Tag die nächste Wasserquelle entfernt ist. Das lag vor allem an unserer coronabedingten Planung, die darauf aufsetzte, dass noch immer ein Beherbergungsverbot besteht. Nicht eine von uns geplante Schutzhütte lag an einem Flüsschen oder See. Fürs abendliche Kochen und die Überbrückung der ersten Kilometer am Folgetag schleppten wir also teilweise vier Liter pro Person von der letztmöglichen Wasserquelle (sei es ein Fluss oder eine Toilette in einem Restaurant) über weite Strecken zum Tagesende bis zu unserem Tagesziel. Kaum etwas ist schlimmer als nach einem langen Wandertag am gewässerlosen Ziel anzukommen und festzustellen, dass man zu wenig oder gar kein Wasser mehr hat.

Das Equipment

Ultraleichtrucksack oder ein superhaltbarer Trekkingrucksack mit allen Schnörkeln? Daunenschlafsack oder doch Synthetik? Zelt, Tarp oder Hängematte? Im Urwald von Wanderausrüstung kann man sich schon mal verl(k)aufen. In vielen Gruppen lese ich immer wieder die Frage nach Empfehlungen. Natürlich empfiehlt jeder genau das, womit er selbst zufrieden ist. Aber nicht umsonst gibt es tausende von Rucksackmodellen, die sich in Passform, Features, Material und Gewicht unterscheiden.

Welcher für dich der Richtige ist, kannst du nur selbst herausfinden. Auch ich bin mit recht schweren Rucksäcken in mein Trekkingleben gestartet, weil es eben das ist, was man von (deutschen) Händlern so empfohlen bekommt. Inzwischen bin ich aber nur noch mit absolut leichten Modellen unterwegs, die neben dem Vorteil des geringen Gewichts aber auch eine Notwendigkeit mit sich bringen: Auch dein gesamtes weiteres Equipment muss ebenso leicht sein, denn das Maximalgewicht ist bei diesen Rucksäcken extrem begrenzt. Recherchiere, probiere und stelle fest, was für dich passt. Wahrscheinlich wird es am Ende nicht bei einem Rucksack bleiben.

Daune oder Synthetik? Ein Daunenschlafsack ist einfach um ein vielfaches leichter als ein vergleichbar warmer Synthetikschlafsack. Warum also überhaupt einen aus Kunstfaser in Betracht ziehen? Bist du in feuchtem Gebiet oder mit hoher Regenwahrscheinlichkeit unterwegs, wärmt dich ein Synthetikschlafsack auch noch, wenn er klamm oder feucht geworden ist. Nasse Daunen dagegen verlieren ihre Isolierungseigenschaften und du frierst.

In meinem Schrank liegen inzwischen mehrere Zelte, ein Tarp (Zelt ohne Boden) und eine Hängematte. Und jedes Stück wird immer mal wieder benötigt. Vor allem in Deutschland schaue ich gern mal in das Wald- und/oder Naturschutzgesetz des jeweiligen Bundeslandes. Ist in Berlin das Zelten und sogar Lagern verboten, ziehe ich mit der Hängematte los. In Niedersachsen sind Zelte verboten, also ist für mich das Tarp perfekt. Ihm fehlt zur Eigenschaft eines Zeltes eben der Boden. Stattdessen lege ich eine separate, wasserdichte Matte unter. Kleine Krabbeltiere finden ihren Weg natürlich trotzdem hinein. In Brandenburg dürfen Wanderer für eine Nacht ihr Zelt aufschlagen. Hier ist die Lage absolut unkompliziert. Du siehst, auch hier kommt es drauf an, was du vor hast und vor allem wo.

Um dir mal einen Einblick in meine Ausrüstung zu geben, findest du hier die komplette Liste der Dinge, die ich auf meiner neuntägigen Wanderung auf dem Heidschnuckenweg mit dabei hatte. Natürlich mit detaillierten Gewichtsangaben, versteht sich.

Die Fitness

Last but not least ist es wichtig, deinen Körper ausreichend vorzubereiten. Ein ausgewogenes Training, um deine Muskeln zu stärken, hilft dir, die plötzliche Belastung des schweren Rucksacks besser zu verkraften. Damit schützt du zudem deine Gelenke und Bänder.

Testwanderungen

Für einen Marathon trainiert man am Besten durch Lauftraining. Du denkst es dir wahrscheinlich schon: Eine Weitwanderung trainierst du idealerweise durch mehrere längere Testwanderungen. Damit bekommst du ein Gefühl für den Bewegungsablauf, den du Tag für Tag über viele Stunden durchziehen wirst. Wo schmerzt es? Wo reiben Socken oder Schuhe? Wo merke ich Schwächen im Muskelapparat? Für mich ganz typisch: Spätestens nach 25 Kilometern schmerzen meine Fußsohlen und teilweise auch die Knöchel. In der Regel gibt sich das nach rund zwei Wochen. Ein gutes Training kann diese schmerzvolle Zeit der Gewöhnung jedoch verkürzen.

Muskeln aufbauen

Besonders wichtig zur Vermeidung von Rückenverletzungen ist ein stabiler Core. Das heißt: gezieltes Training deiner Rücken- und Bauchmuskulatur. Vor dem Arizona Trail bin ich daher ein Stammgast im Fitnessstudio geworden. In Coronazeiten ein Luxus, der leider wegfällt. Stattdessen habe ich mich zu Hause recht gut mit Kraftgeräten wie einem Rückentrainer ausgestattet. Für die Kondition und die Bauchmuskulatur habe ich mir zudem eine Rudermaschine geliehen, die aber eher ein schönes Möbelstück geworden ist.

Letzten Endes kann man über die Vorbereitung einer Weitwanderung durchaus Bücher füllen, was einige ja auch tun. Dies soll daher eher als Einstieg in deine Planung dienen. Denn selbst recherchieren, Blogbeiträge lesen und YouTube-Channels durchforsten gehört doch heutzutage genauso dazu. Und macht dazu noch Spaß![:]