Arizona Trail – Part 10: Tausche Steine gegen Nadelwald

„Achtung, Schießübungen! Zutritt verboten! Arizona Trail Wanderer okay”. Bei diesem Schild am Wegesrand wird mir doch ein wenig mulmig. Aber was will man machen? Es muss schließlich voran gehen. Also öffne ich das rostige Stacheldrahttor und wandere hinein ins Schießgebiet. Immerhin sind gerade jetzt keine Schüsse zu hören.

Heute ist ein großer Tag, denn nach acht Tagen geht es endlich wieder in eine kleine Stadt. Zeit wird’s, denn meine Powerbank ist komplett leer und meine Geräte konnte ich nur noch leidlich mit meinem ultraleichten Solarpanel versorgen. Außerdem kann ich die fischförmigen Cracker nicht mehr sehen – das einzige, was mir im Futtersack noch an Essbarem verblieben ist.

Pine ist eine bezaubernde Kleinstadt, umgeben von Nadelwald, mit Hirschen und Rehen, die hier frei umherstreifen. In der örtlichen Brauerei gibt es nicht nur das legendäre Arizona Trail Ale – ein speziell gebrautes Bier – sondern auch neue Schuhe, die ich mir hierher habe schicken lassen. Nach über 700 Kilometern muss ich mich von meinem ersten Paar schweren Herzens verabschieden. Wir haben zusammen viel durchgemacht. Am Abend treffe ich mich mit ein paar anderen Thruhikern in der einzigen Pizzeria im Ort. Ein Fest, von dem niemand genug kriegen kann. Außerdem hat der General Store der Kleinstadt alles im Angebot, was ich mir nur wünschen kann: Allen voran meine geliebten Rocky Road Riegel, die es immer seltener gibt, je weiter ich nach Norden wandere.

Bye bye, Wüste!

Mit dem Aufstieg aus Pine lasse ich die Wüste nun endgültig hinter mir. Das Gestein trägt zwar noch immer die typisch rötliche Farbe, um mich herum wachsen aber Kiefern, Wacholderbäume und tiefgrüne Sträucher. Immer wieder stolpere ich über einen rauschenden, von der Schneeschmelze gefüllten Bach oder eine eiskalte Quelle. Auch den East Verde River treffe ich hier oben wieder – als plätschernden Gebirgsbach.

Der Mogollon Rim will es nochmal wissen. Steil und steinig – ich erklimme mir die Kante des massiven Colorado Plateaus über den hier unbarmherzigen Arizona Trail. Es ist warm, aber die duftenden Nadelbäume spenden herrlichen Schatten. Obwohl ich inzwischen recht fit bin, sind die Höhenmeter eine echte Herausforderung.

Oben angekommen! Das war noch mal ein Akt. Aber die Schönheit hier auf dem Colorado Plateau entschädigt für alle Mühen. Auf 2.200 Metern schlängelt sich ein türkiser Bach entlang des bewaldeten Arizona Trails. Und was sehe ich da durch die Bäume blitzen? Schneefelder! Es ist nicht so, dass die Nächte wärmer werden.

Die Jahreszeit wandelt sich zwar von Winter zu Frühling zu Sommer. Doch je weiter ich nach Norden komme, desto höher liegen die einzelnen Abschnitte auch. Temperaturen um den Gefrierpunkt sind in der Nacht weiterhin keine Seltenheit. Umso verlockender erscheinen mir die Plätze, an denen andere Wanderer vor mir gezeltet haben müssen. Kunstvoll aufgeschichtete Steinkamine lassen mich fast schwach werden, den Tag einfach Tag sein zu lassen. Aber es sind noch ein paar Kilometer bis zur Grenze Utahs…

Stattdessen wandern Ranger und ich weiter zum Blue Ridge Campground, wo ich Mitte März einige Gallonen Wasser im hohen Schnee hinterlegt hatte. Zumindest dachte ich, es wäre gleich ums Eck gewesen. Tatsächlich muss ich knapp zwei Kilometer zum Wasservorrat weiter wandern und mit je vier Litern Wasser pro Hand wieder zum Zeltplatz zurück. Herrje, auch das verkraftet man inzwischen. Zum ersten Mal seit langer Zeit reiße ich auch ein richtiges Lagerfeuer für Ranger und mich an. Normalerweise sind wir dafür einfach viel zu müde. Heute halten wir bis 22 Uhr durch.