Tag Archives: Wanderung

[:en]Miles to go – preparing a thruhike[:de]Einen Fuß vor den anderen – eine Weitwanderung vorbereiten[:]

[:de]Der Rucksack ist gepackt, die Schuhe geschnürt. Vor dir liegen mehrere Tage, Wochen, ja vielleicht sogar Monate, in denen der Weg dein Zuhause ist. Ob hundert, tausend oder fünftausend Kilometer – eine Weitwanderung ist immer etwas Besonderes. Dabei ist das reine einen Fuß vor den anderen zu setzen aber nur ein Teil deines fantastischen Abenteuers. Fast genauso spannend ist die Zeit davor, wenn du deinen Trip vorbereitest.

 

Wieviele Kilometer nehme ich mir pro Tag vor? Welches Equipment wandert mit? Wo bekomme ich neues „Futter“? Wie bereite ich meinen Körper auf diese neue Belastung vor? Viele Fragen gilt es zu beantworten, die aber genau eines bedeuten: grenzenlose Vorfreude auf das, was kommt. Der 160 Kilometer lange West Highland Way in Schottland, der fast doppelt so lange Heidschnuckenweg in Deutschland, der 1.300 Kilometer weite Arizona Trail oder der Pacific Crest Trail mit seinen 4.260 Kilometern Länge, auf den ich mich gerade selbst vorbereite – sie alle haben ein gutes Stück Planung abverlangt und die Zeit bis zum tatsächlichen Start extrem versüßt.

Du planst etwas Ähnliches? Perfekt! Dann lass dir von mir erzählen, was mich in den Monaten vor dem sogenannten Traillife jedesmal am meisten beschäftigt und bewegt.

Die Strecke

Ich bin ein absoluter Freund von Papierkarten. Stunden und Tage kann ich über einer Papierkarte eines bestimmten Gebietes verbringen, neue Wege und Kleinode wie Felsformationen, Heidelandschaften und gemütliche Schutzhütten entdecken, Abenteuer stricken. Das erste, was ich mir für eine Weitwanderung zulege, ist eine Papierkarte. Die bleibt in der Regel wegen des hohen Gewichts am Ende zu Hause, aber für die visuelle Planung ist sie Gold wert und zeigt dir, was dich am Wegesrand noch so erwartet. Vielleicht magst du deine Strecke nach deinen Wünschen anpassen, wenn du etwas Spannendes gleich um die Ecke findest.

 

Tageseinteilung

Ganz am Anfang steht bei mir stets die Frage, wieviel Zeit ich mir für einen Trail nehmen kann und möchte. Das hängt unter anderem von meiner Urlaubszeit, der Streckenbeschaffenheit (flach oder gebirgig) und meiner Kondition ab, aber auch vom zu erwartenden Wetter. Um meinen Körper erst einmal langsam an die tägliche Belastung heranzuführen, plane ich für die ersten Tage möglichst nicht mehr als 25 Kilometer am Tag ein. Deine Gelenke und Bänder werden es dir danken. Zu oft habe ich es gesehen, wie einige Mitwanderer ambitioniert mit 40 oder 50 Kilometern starteten. Die traf ich wenige Tage später wieder, gestrandet in Hotels oder auf Zeltplätzen, um ihre Wunden zu lecken.

Bist du lange Strecken mit Gepäck gewöhnt, kann es natürlich auch mal ein bisschen mehr sein. Aber sei versichert: Je länger du unterwegs bist, fallen dir nach ein paar Wochen auch 35 bis 40 Kilometer nicht mehr schwer. Spätestens dann ist auch deine einst geplante Tageseinteilung überholt, denn wieviel du wirklich schaffst, hängt von etlichen nicht planbaren Faktoren ab. Für den Arizona Trail hatte ich ein ausgefeiltes Excel-Sheet über die gesamten 1.300 Kilometer. Schon nach 700 Kilometern hatte ich zwei Tage Vorsprung herausgewandert. Es kommt immer alles anders als du denkst!

Einkaufen und Wasserquellen

Übernachtest du hauptsächlich in festen Unterkünften und Ortschaften, kannst du das Kapitel quasi überspringen. Willst du aber wild zelten, biwakieren oder in Schutzhütten nächtigen, braucht es schon etwas mehr an Überlegung und Logistik. Anhand deiner Tageseinteilung kannst du ungefähr abschätzen, ob du täglich an einem Lebensmittelgeschäft vorbeikommst, um deine Essenvorräte aufzufüllen oder sogar an einem Pub wie in Schottland, wo wir fast jeden Tag zu Mittag gegessen haben. Führt deine Planung dich nur alle paar Tage mal in eine Ortschaft, gilt es entsprechend viele Portionen an Frühstück, Snacks und Abendessen einzupacken bis du wieder einkaufen kannst.

Ähnlich sieht es mit Wasser aus. Speziell auf dem Heidschnuckenweg galt es zu wissen, wann wir das letzte Mal unsere Trinkflaschen auffüllen können und wie weit am nächsten Tag die nächste Wasserquelle entfernt ist. Das lag vor allem an unserer coronabedingten Planung, die darauf aufsetzte, dass noch immer ein Beherbergungsverbot besteht. Nicht eine von uns geplante Schutzhütte lag an einem Flüsschen oder See. Fürs abendliche Kochen und die Überbrückung der ersten Kilometer am Folgetag schleppten wir also teilweise vier Liter pro Person von der letztmöglichen Wasserquelle (sei es ein Fluss oder eine Toilette in einem Restaurant) über weite Strecken zum Tagesende bis zu unserem Tagesziel. Kaum etwas ist schlimmer als nach einem langen Wandertag am gewässerlosen Ziel anzukommen und festzustellen, dass man zu wenig oder gar kein Wasser mehr hat.

Das Equipment

Ultraleichtrucksack oder ein superhaltbarer Trekkingrucksack mit allen Schnörkeln? Daunenschlafsack oder doch Synthetik? Zelt, Tarp oder Hängematte? Im Urwald von Wanderausrüstung kann man sich schon mal verl(k)aufen. In vielen Gruppen lese ich immer wieder die Frage nach Empfehlungen. Natürlich empfiehlt jeder genau das, womit er selbst zufrieden ist. Aber nicht umsonst gibt es tausende von Rucksackmodellen, die sich in Passform, Features, Material und Gewicht unterscheiden.

Welcher für dich der Richtige ist, kannst du nur selbst herausfinden. Auch ich bin mit recht schweren Rucksäcken in mein Trekkingleben gestartet, weil es eben das ist, was man von (deutschen) Händlern so empfohlen bekommt. Inzwischen bin ich aber nur noch mit absolut leichten Modellen unterwegs, die neben dem Vorteil des geringen Gewichts aber auch eine Notwendigkeit mit sich bringen: Auch dein gesamtes weiteres Equipment muss ebenso leicht sein, denn das Maximalgewicht ist bei diesen Rucksäcken extrem begrenzt. Recherchiere, probiere und stelle fest, was für dich passt. Wahrscheinlich wird es am Ende nicht bei einem Rucksack bleiben.

Daune oder Synthetik? Ein Daunenschlafsack ist einfach um ein vielfaches leichter als ein vergleichbar warmer Synthetikschlafsack. Warum also überhaupt einen aus Kunstfaser in Betracht ziehen? Bist du in feuchtem Gebiet oder mit hoher Regenwahrscheinlichkeit unterwegs, wärmt dich ein Synthetikschlafsack auch noch, wenn er klamm oder feucht geworden ist. Nasse Daunen dagegen verlieren ihre Isolierungseigenschaften und du frierst.

In meinem Schrank liegen inzwischen mehrere Zelte, ein Tarp (Zelt ohne Boden) und eine Hängematte. Und jedes Stück wird immer mal wieder benötigt. Vor allem in Deutschland schaue ich gern mal in das Wald- und/oder Naturschutzgesetz des jeweiligen Bundeslandes. Ist in Berlin das Zelten und sogar Lagern verboten, ziehe ich mit der Hängematte los. In Niedersachsen sind Zelte verboten, also ist für mich das Tarp perfekt. Ihm fehlt zur Eigenschaft eines Zeltes eben der Boden. Stattdessen lege ich eine separate, wasserdichte Matte unter. Kleine Krabbeltiere finden ihren Weg natürlich trotzdem hinein. In Brandenburg dürfen Wanderer für eine Nacht ihr Zelt aufschlagen. Hier ist die Lage absolut unkompliziert. Du siehst, auch hier kommt es drauf an, was du vor hast und vor allem wo. 

Um dir mal einen Einblick in meine Ausrüstung zu geben, findest du hier die komplette Liste der Dinge, die ich auf meiner neuntägigen Wanderung auf dem Heidschnuckenweg mit dabei hatte. Natürlich mit detaillierten Gewichtsangaben, versteht sich.

Die Fitness

Last but not least ist es wichtig, deinen Körper ausreichend vorzubereiten. Ein ausgewogenes Training, um deine Muskeln zu stärken, hilft dir, die plötzliche Belastung des schweren Rucksacks besser zu verkraften. Damit schützt du zudem deine Gelenke und Bänder. 

Testwanderungen

Für einen Marathon trainiert man am Besten durch Lauftraining. Du denkst es dir wahrscheinlich schon: Eine Weitwanderung trainierst du idealerweise durch mehrere längere Testwanderungen. Damit bekommst du ein Gefühl für den Bewegungsablauf, den du Tag für Tag über viele Stunden durchziehen wirst. Wo schmerzt es? Wo reiben Socken oder Schuhe? Wo merke ich Schwächen im Muskelapparat? Für mich ganz typisch: Spätestens nach 25 Kilometern schmerzen meine Fußsohlen und teilweise auch die Knöchel. In der Regel gibt sich das nach rund zwei Wochen. Ein gutes Training kann diese schmerzvolle Zeit der Gewöhnung jedoch verkürzen.

Muskeln aufbauen

Besonders wichtig zur Vermeidung von Rückenverletzungen ist ein stabiler Core. Das heißt: gezieltes Training deiner Rücken- und Bauchmuskulatur. Vor dem Arizona Trail bin ich daher ein Stammgast im Fitnessstudio geworden. In Coronazeiten ein Luxus, der leider wegfällt. Stattdessen habe ich mich zu Hause recht gut mit Kraftgeräten wie einem Rückentrainer ausgestattet. Für die Kondition und die Bauchmuskulatur habe ich mir zudem eine Rudermaschine geliehen, die aber eher ein schönes Möbelstück geworden ist. 

Letzten Endes kann man über die Vorbereitung einer Weitwanderung durchaus Bücher füllen, was einige ja auch tun. Dies soll daher eher als Einstieg in deine Planung dienen. Denn selbst recherchieren, Blogbeiträge lesen und YouTube-Channels durchforsten gehört doch heutzutage genauso dazu. Und macht dazu noch Spaß![:]

Arizona Trail Prequel – Blinddarm mit Zeitmanagement

“Du bist doch fit und gesund, was soll schon passieren?” sagten sie. “Du tust doch alles für deinen Körper und die Ausdauer” sagten sie. Trotzdem machte ich mir die zwei Jahre lang, die ich für meine Auszeit an Zeit herausarbeitete, schon Gedanken. Gebrechen kommen bei mir ja immer mal gern unangekündigt. Adduktorenzerrung 2015, Ermüdungsbruch 2017. Irgendwas ist ja immer. Und ich sollte recht behalten.

Vier Wochen vor meinem Abflug grummelte am Sonntag morgen meine untere Magengegend. Na gut, kommt öfter mal vor. Vor allem bei Frauen. Ohne mir weiter darüber Sorgen zu machen traf ich mich mit meiner lieben Lauffreundin Sam, um mit ihr eine 10 km-Laufrunde zu drehen. Meine erste seit recht langer Zeit. Es schüttete aus Kübeln, ich war pudelnass, wie immer verschwitzt, aber gut dabei. Zu Hause angekommen taute ich in der heißen Wanne auf, machte mir Essen, alles war schön. Zum Abend hin schmerzte der Magen wieder mehr. Ruhe und ein heißes Mikrowellentier machten es nicht wirklich besser. Das Aufstehen aus der Liege- oder Sitzposition tat weh. Also ging ich früh schlafen. 

Am nächsten Morgen war es nicht viel besser, aber nicht so schlimm, dass ich nicht hätte arbeiten gehen können. Ich zog den Arbeitstag durch, stand aber jedes Mal wie eine alte Frau mit Hexenschuss gebeugt von meinem Bürostuhl auf. Irgendwas stimmte da nicht. Da ich ja in vier Wochen Großes vorhatte, wählte ich dann doch gleich den Weg zu meinem Hausarzt. Der hatte doch sicher was gegen Magengrummeln im Repertoire. Dass hier eventuell der Blinddarm zickte, hatte mir schon am Vorabend geschwant, aber ich hatte die Idee noch für absurd abgetan und verdrängt. 

Leider konnte mir mein Arzt mein ungutes Gefühl nicht nehmen. Im Gegenteil. Keine Stunde später fand ich mich in der Notaufnahme des Bethel-Krankenhauses in Lichterfelde wieder und musste mir Blut und andere Körperflüssigkeiten abringen lassen. Hier war man zwiegespalten. Die Entzündungswerte waren da, aber nicht so schlimm, um mich zwangsweise dort zu behalten. “Ein Blinddarm muss heutzutage auch nicht unbedingt mehr operiert werden”, sagt der Doc. Mit Schmerztabletten und Antibiotika bewaffnet wurde ich mich dem Versprechen entlassen, am nächsten Morgen zur Kontrolle vorbeizukommen. 

Der muss raus!

Dienstag, 8 Uhr morgens im Krankenhaus. Diesmal wendet sich der Chef meinem Problem zu und drückt mir das Ultraschallgerät an Stellen hinein, die mich aufquietschen lassen. “Ja, der hat sich nach hinten verkrümelt. Und stark vergrößert ist er. Der muss raus. Morgen platzt er sonst.” Das sind Sätze, die man vier Wochen vor dem seit Jahren geplanten Lebenstraum so gar nicht hören will. Aber ich ergebe mich in mein Schicksal. Besser jetzt als auf dem Trail. Den Satz höre ich übrigens in den nächsten Wochen am häufigsten. Dicht gefolgt von: “Jetzt bist du wenigstens noch leichter unterwegs” und “Nun übertreibst du es aber mit dem Ultraleicht”.

 

Die Ärzte und Schwestern versuchen sich abwechselnd daran, Blut aus mir heraus und Kanülen in mich hinein zu bekommen. Das Blutabnehmen klappt im dritten Anlauf, die Kanüle soll dann unter Narkose gelegt werden. Zwischenzeitlich sehe ich zerstochen aus wie ein Schweizer Käse. Pünktlich um 13 Uhr werde ich samt Bett abgeholt und um 16 Uhr erblicke ich wieder das Licht der Krankenhausbeleuchtung. Ich kann mich ohne Hochzerren am Plastikdreieck nicht alleine aufrichten, der Bauch fühlt sich an, als wäre immer noch ein Alien drin (es ist aber nur ein Schlauch), ich darf immer noch nichts essen und beim zweiten Toilettengang wird mir einfach nur schwarz vor Augen. Großartig! 

T Minus 3 Wochen bis zum Trail

Nach vier Tagen im Krankenhaus reicht es mir. Ich wackele so oft über den Krankenhausflur und nerve die Ärzte und Schwestern so oft, dass sie mich am vierten Tag entlassen. Ich bewege mich langsam wie eine Schnecke, untenrum ist immer noch alles komisch und lachen geht nur, wenn ich stehenbleibe. Small steps! Das für dieses Wochenende geplante Schneeschuhwandern in Oslo ist damit auch gestorben. Ein winziger Spaziergang zu meinem geheimen See ist jetzt genau das, was ich für meine Seele brauche.

 

Bei der Entlassung sagte mir der Arzt, ich solle jetzt 4 Wochen nichts Schweres heben. Wandern und Tragen sei in vier Wochen möglich, ich solle mir aber den Rucksack aufsetzen lassen. Die Geister scheinen sich hier zu scheiden. Beim laparoskopischen Eingriff, der bei mir vorgenommen wurde, solle die Heilung eigentlich schneller passieren, meinen andere Mediziner. Zumindest braucht es jetzt Ruhe und Geduld. Beides Dinge, für die ich jetzt kurz vor meiner Abreise überhaupt keine Zeit habe. 

T Minus 1 Tag bis zur Abreise

Ich habe mir Mühe gegeben. Ich war größtenteils ruhig. Wann immer ich es nicht war, hat mir mein Körper das nur zu deutlich zu verstehen gegeben und ich musste wieder einen Gang zurückschalten. Morgen geht es nun los, auf mein großes Abenteuer in Arizona. In zwei Tagen und damit genau vier Wochen nach dem Ausbruch meines Blinddarms werde ich die ersten Wasserkanister in der Wüste verteilen. Mein Blinddarm muss meine Planung genau gekannt haben. Großartiges Zeitmanagement! Warum er allerdings nicht mit wollte auf dieses wunderbare Reise, kann ich nicht verstehen. Wenn sich ein Körperteil hätte im Voraus beschweren können, wären es wohl eher meine Füße gewesen…

[:de]40 km Grunewald – Eine Wandergruppe… is ja doll![:]

[:de]Dass meine erste selbstgeführte Wanderung 2018 noch im März eine klassische Winterwanderung werden würde, hatte ich bei der Planung so nicht geahnt. Anfang Januar hatte ich mit Blick auf den Kalender festgestellt, dass sowohl der Januar als auch der Februar gut mit offiziellen wie inoffiziellen Events gefüllt sind.
Im März ist es eh schöner und wärmer, dachte ich, als ich den 4. März für eine Wanderung mit 40 km ohne konkrete Strecke ankündigte. Januar und Februar waren für deutsche Verhältnisse überraschend warm ausgefallen. Aber das sollte nur eine Täuschung gewesen sein. Während die Vögel schon tirilierend in den Bäumen saßen und die Krokusse bereits ihre weißen und lila Köpfchen aus diversen Wiesen streckten, dachte sich der Winter: jetzt komm ich nochmal richtig!

-12 Grad zeigt das Thermometer, als ich die Route für meine Märzwanderung plane. Wohin nur? Bei den Temperaturen weit raus aus der Stadt ist keine gute Idee und viele fangen die Saison ja auch jetzt erst an, schaffen also noch keine 40 km. Aus einer schon längst geplanten Sommerroute durch den Grunewald stricke ich kurzerhand eine wintertaugliche und lade alle Teilnehmer zum Start am U-Bahnhof Ruhleben ein.

Hilfe, das Handy ist weg

Von mir zu Hause aus sind es gute 50 Minuten bis Ruhleben. Unterwegs treffe ich auf Diana, Christian und Hanna. Wir quatschen munter bis zur Zielstation, steigen aus und finden unten am Eingang eine bunte Traube Wanderwütiger. Fast alle sind da. Alle, bis auf Max. Der sitzt gemütlich im warmen Auto und lässt auf sich warten. „Fragen wir ihn doch mal, wie lange er noch braucht“, denke ich und greife zu meinem Handy. Ins Leere. Da, wo es sein sollte, ist es nicht. Und auch bei allen Alternativaufbewahrungsstellen finde ich es nicht. Hab ich doofe Kuh jetzt echt mein Handy in der Bahn liegen lassen? Ich renne hoch. Zum Glück ist Ruhleben der Endbahnhof der U2. Die Bahn steht noch dort und wartet auf die Wiederabfahrt in die andere Richtung. Ich hechte zum Abteil, wo wir saßen. Kein Handy. Ich frage eine dort sitzende Frau, ob sie ein Telefon gefunden hat. Nein. „Aber da drüben liegt doch was“, sagt sie. Tatsächlich liegt gegenüber von dort, wo ich saß, gut getarnt mein Telefon. Weiß der Fuchs, wie es da hin kam. Egal. Mit unglaublicher Erleichterung husche ich wieder nach unten zu meiner Wandergruppe. Während wir unser typisches Start-Gruppenfoto machen, kommt dann auch Max. Es geht los!

Spieglein, Spieglein

Unser Weg führt uns zur Murellenschlucht. Dort wollte ich schon einige Zeit hin, denn es soll ein wunderschöner Trail sein. Und das stimmt auch. Schon kurz nach Verlassen des Bahnhofes biegen wir rechts in den Wald ab. Sümpfe und Moorlandschaft umgeben den Waldweg. Und alles ist gefroren. Die Sonne strahlt durch die Baumwipfel und lässt das Eis glänzen. Bei einem Blick nach hinten erscheint mir unsere Gruppe auf einmal ums doppelte gewachsen. Ach nee, sind Trailrunner. Die laufen hier wahrscheinlich jeden Sonntag. Nun, heute sind wir hier. Wie eine Horde ultralangsamer Trailrunner bewegen wir uns durch den Wald und blockieren ihre Strecke, so dass sie sich woanders langschlängeln müssen.

Aus der Schlucht heraus geht es ordentlich bergauf und ich höre Geschnaufe hinter mir. Kalt ist sicher niemandem mehr. Wir sind jetzt genau hinter der Waldbühne. Hier stehen überall am Weg – völlig deplatziert – Verkehrsspiegel rum. Es soll wohl ein Kunstprojekt sein, erzählt mir jemand. Ein Mahnmal für den nationalsozialistischen Hintergrund der Murellenschlucht, wie ich später herausfinde. Ich glaube viel eher, dass die Spiegel dazu dienen, bei Konzerten besser Leute zu sehen, die über den Zaun der Waldbühne klettern.

 

Dass wir bei dieser Tour die sechsspurige Heerstraße an einer ampellosen Stelle überqueren müssen, hatte ich so gar nicht auf dem Schirm. Umso größer sind meine Augen als wir an der Stelle ankommen und ich eine Assoziation zu Frogger habe. Das ist ein putziges kleines PC-Spiel aus den 80ern, bei dem man Frösche über eine Straße bringen muss, ohne dass sie überfahren werden. So ungefähr muss das dann aus Autofahrersicht auch aussehen, als 35 bunte Quakfrösche über die startbefahrene Heerstraße hüpfen, aber heil auf der anderen Seite ankommen.

Wir biegen auf Pichelswerder ein, eine kleine Halbinsel, die noch zu Spandau gehört. Direkt am südlichen Ufer sind Schirme und Stände aufgestellt und ein Mann lässt sich zum Fenster raushängen. Ob die hier Glühwein haben?
„Hey, habt ihr Glühwein?“ „Na klar. Roten und weißen!“ Es sind zwar noch keine 7 Km gewandert, aber Glühwein schreit nach Pause. Einige huschen aufs improvisierte Örtchen, viele holen sich Glühwein und Kuchen und wärmen sich kurz an der Feuertonne auf, in der um halb elf morgens schon das Feuer knistert.

 

Im Blindflug durch den Grunewald

Bevor wir wieder aufbrechen, gebe ich meine Rolle als Navigator kurzerhand an Melli ab. Ich sehe nämlich seit ein paar Kilometern so gut wie nüscht mehr. Meine Augen zeigen mir deutlich, dass sie die Investition in ein neues, teureres Paar Kontaktlinsen missbilligen und schmieren irgendwelchen Kram von innen rauf. Ich sehe nur noch Nebel und den Bildschirm meines Handy kann ich schon gar nicht mehr richtig erkennen.

Und so trotte ich dann selbst mitten in der bunten Masse mit, glücklich, dass jemand anderer nun erstmal den Weg weist. Die ungewöhnliche Sanddüne im Grunewald kennen die meisten noch nicht. Ich freue mich immer sehr, meinen Mitwanderern neue Ecken Berlins und Brandenburgs zeigen zu können. Fast alle gehen automatisch direkt auf den Gipfel und dann gleich weiter zu der kleinen Eisfläche am Fuße der Düne. Blind wie ich bin, traue ich mich trotzdem hier rauf, denn der Tümpel ist klein genug, um gut durchgefroren zu sein. Ein bedrohliches Knacken aber lässt fünf von uns aufhorchen, als sie alle zusammen auf einer Stelle stehen. Bloß runter hier.

 

Nach guten 18 km kommen wir an unserer ersten (und einzigen) richtigen Pause an und veranstalten wie so oft einen Flashmob bei McDonalds. Während sich die meisten eine kleine Stärkung holen, verschwinde ich erstmal zur Toilette und putze die hässlichen Linsen. Erst danach erkenne Miri, die dort zu uns stößt und mich zu einem fetten Stück Schokotorte verführt.

Ich see was, was du nicht seest

Kurz nach Wiederaufbruch gelangen wir zur Krummen Lanke und sehen uns einem Meer von Spaziergängern und Ausflüglern gegenüber, die wie die Wilden über die Eisfläche auf der Krummen Lanke flitzen. Ein wenig verführerisch sieht es schon aus. Aber haben die Minusgrade nicht erst vor einer Woche eingesetzt? Wie dick kann die Eisschicht auf ein doch recht großen See schon sein? Nicht sehr, wie uns einige hundert Meter weiter bewusst wird. Auf der Seeseite, an der wir gerade vorbei gehen, ist noch nicht einmal eine dünne Eisschicht, sondern offenes Wasser. Auf dem Schlachtensee sehen wir das vom erhöhten Weg aus nochmal deutlicher. Die Schlittschuhfahrer und Eisbegeher sehen das von der Seite, von der der sie die Eisfläche aus betreten, wahrscheinlich nicht. Sogar ein Zelt steht dort bedrohlich nah an der Grenze zwischen Eis und offenem Wasser. Alles Anwärter für den Darwin-Award, wie jemand später treffend schreibt.

Ich kann zwar nach der Linsenreinigung wieder alles klar sehen, aber etwas anderes trübt nach gut 24 km mein Vergnügen. Mein linker Fuß tut genau an der Stelle weh, die mir schon nach dem Ostseeweg solche Schmerzen bereitet hatte, dass ich hinterher kaum noch auftreten konnte. Sind meine Füße auf einmal nicht mehr kompatibel zu meinen geliebten Hiking-Schuhen? Ich habe die „Schuhzunge“ im Verdacht. Einige schmerzvolle Kilometer weiter (die schon gar nicht mehr hätte gehen sollen), schnürt mir Miri die Zunge vom Gelenk weg, damit sie nicht mehr drückt. Und ich laufe weiter.

Schwan drüber und Schwein gehabt

Ein wenig seelische Linderung bringt der Anblick dutzender Schwäne, die in Ufernähe der Havel übers Eis watscheln und im Wasser gründeln. Ein Mikropäuschen für alle, auch die, die die Schwäne ignorieren. Der Hammer zum Schluss kommt ja noch. Erstmal scheuche ich alle den Karlsberg hoch, der zum Grunewaldturm führt. Am Ufer zu bleiben, wäre auch nicht caro-like gewesen. Dafür spare ich uns aber den Schlenker über Schildhorn, der uns sicher 300 m Fußweg spart.

 

Stattdessen geht es alsbald rechts wieder in den Wald, gefährlich nah an verführerischen BVG-Bussen vorbei. Die Sonne senkt sich langsam über den Baumwipfeln hinter uns herab. Es wird wohl knapp, den Gipfel des Drachenbergs noch pünktlich zum Sonnenuntergang zu erreichen. Viele sehen schon richtig kaputt aus und dazu zähle ich auch mich dank meines Fußes. Neben mir schreit Aivin auf einmal auf. Eine Wildschweinrotte guckt uns von links nur einige Meter entfernt an. Frischlinge sind auch dabei. Etwa sieben Schweine gucken etwa 20 Wanderer an. Und andersherum. Den Schweinen wird’s zuerst zu blöd und sie trollen sich zurück in den Wald.

 

Kurz bevor sich der Weg gabelt – rechts hoch zum Berg, links drumherum – stelle ich jedem den Aufstieg frei. Ausnahmslos alle entscheiden sich für… rechts! Der Aufstieg ist steil und hart. Oben weht ein fieser Wind und ich höre jemanden sagen: „Da hinten ist ja mal Zivilisation zu sehen!“ Ja, diese Tour hat sich nicht nach Stadt angefühlt. In der Dämmerung wuseln wir den Berg hinab. Die Glühweinpause hat uns leider den Sonnenuntergang dort oben gekostet.

 

Nur ganz wenige Meter trennen uns nun noch vom Ziel am S-Bahnhof Heerstraße. Nach neun einviertel Stunden finden wir uns zum Abschlussfoto dieser Winterwanderung bei bestem Wetter zusammen. Es war ein schöner Tag.

Ich hoffe, ich sehe ganz viele von euch ganz bald wieder!

Die Strecke zum Nachwandern

[:]

[:de]Abenteurer gesucht – Was die Daunenjacke und 24 h-Wanderungen gemeinsam haben[:]

[:de]Der Mammutmarsch und Megamarsch sind schon gegangen, der Dodentocht wird es bald sein. Der Ostseeweg wartet noch, aber vielleicht darf es davor und/oder danach noch etwas sein? Wie wäre es mit der wohlklingenden wie herausfordernden 24h-Trophy? Hier wird, wie der Name schon vermuten lässt, rund um die Uhr gewandert. Und das nicht nur an einem Ort oder zu einem Zeitpunkt. Es ist vielmehr eine Veranstaltungsreihe von Langzeitwanderungen, bei denen 12 oder 24 Stunden gewandert werden können. Also schnappt euch euer Daunenjäckchen und los gehts.

Aber halt. Da war ja was. Was hat denn die Daunenjacke nun mit dieser 24-stündigen Wanderung zu tun?

Raus in die Natur zu gehen, weg von der Stadt, sich auszupowern und neue Abenteuer zu erleben ist genau das, was wir lieben. Abschalten, auch wenn die Wanderung, der Lauf oder der nächste Wettkampf noch so anstrengend ist. Mit Freunden zusammen an die eigenen Grenzen gehen, sich gegenseitig motivieren und auf die schönen Dinge am Wegesrand hinweisen, die der andere vielleicht im Vorübergehen nicht wahrgenommen hat.

Unter dem Motto, “Live your adventure” – Lebe Dein Abenteuer, sucht die Outdoormarke Eddie Bauer uns und möchte uns zu neuen Outdoor-Abenteuern inspirieren und darüber berichten, wie manche ihr ganz persönliches Abenteuer in der Natur suchen und erleben. Und um dabei immer schon warm eingekuschelt zu sein und sich trotzdem nicht totzuschleppen, hat Eddie mal eben vor fast 100 Jahren die Daunenjacke erfunden. Ich, die bei jeder kälteren Wanderung stets ein Daunenjäckchen im Schichtsystem dabei hat, wusste das bis vor kurzem auch nicht. Also: wer hat’s erfunden? Nein, diesmal nicht die Schweizer!

Um den Fortbestand der Abenteurer zu sichern und deren Berichte zu streuen, unterstützt Eddie Bauer nun verschiedene Outdoor-Veranstaltungen, wie eben die 24h-Trophy.

Für die letzten beiden Termine der Veranstaltungsreihe Anfang September in Saalbach-Hinterglemm und Anfang Oktober in der Alpenwelt Karwendel könnt ihr über Eddie Bauer Teilnahme-Tickets inklusive Übernachtung für je 2 Personen gewinnen. Eure Abenteuer könnt ihr dann auf Facebook und Instagram unter dem Hashtag #liveyouradventure teilen und die Inspiration weitergeben.

Viel Glück!


Sponsored Post in Zusammenarbeit mit OBN: Dieser Artikel wurde gesponsert, jedoch aus freier Hand geschrieben. Es wurde keinerlei Einfluss auf den Inhalt des Artikels genommen.[:]

[:de]Dein Ostseeweg – Jede Medaille hat zwei Seiten[:]

[:de]

Als Bloggerin habe ich die Möglichkeit, mich über absolvierte Veranstaltungen auf meiner Seite auszulassen, Lob auszusprechen, wo es angebracht ist und auf Verbesserungsmöglichkeiten hinzuweisen, wo ich persönlich welche entdeckte. Zu Dein-Ostseeweg 2016 habe ich mir ein paar Gedanken gemacht, was ich ganz wunderbar fand und wo ich Optimierungspotential sehe. Da das eine höchst subjektive Sichtweise darstellt, freue ich mich, wenn der ein oder andere über einen Kommentar auch seinen Senf dazu gibt. Was hat euch gefallen? Was hättet ihr euch anders gewünscht?

Hier kommen meine Eindrücke

Was lief super?

Navigation und Streckenmarkierung

Die Strecke wurde sowohl als gpx-Datei für Handy-Apps und GPS-Geräte zur Verfügung gestellt und zusätzlich noch als PDF und  Papierausdruck am Start.

Die komplette Strecke war zudem mit gelben Pfeilen markiert (auf dem Boden, an Bäumen), denen man immer leicht folgen konnte, ohne ständig auf das Handy oder den ausgedruckten Plan schauen zu müssen. Eine super Idee, um sich nur auf die Strecke und sich selbst konzentrieren zu können. Ein Verlaufen war damit so gut wie ausgeschlossen. An kritischen Punkten standen zudem Streckenposten. Eine Stirn- oder Taschenlampe war jedoch vor allem in den trotz mondscheinheller Nacht stockdunklen Wäldern unabdingbar.

Verpflegungspunkt bei etwa 52 KM

Der Verpflegungspunkt nach der strecostseeweg-2016-verpflegungspaketkenmäßigen Halbzeit war hervorragend organisiert. Es gab ein beheiztes Zelt mit Bänken, um sich wieder aufzuwärmen und die Beine zu erholen. Direkt daneben befanden sich saubere sanitäre Anlagen und ein Stand, an dem man Pasta und Fischbrötchen käuflich erwerben konnte. Außerdem gab es in der Verpflegung enthaltene heiße (Hühner-)Brühe mit Nudeln, Wasser zum Auffüllen und Tee. Durch den Gepäckservice vor Ort hatte man Zugriff auf seine selbst mitgebrachte Verpflegung.

Gepäckservice inklusive

Im Gegensatz zum Mammutmarsch war der Gepäcktransport hier inklusive, statt optional dazu buchbar. Gut, dafür war die Anmeldegebühr auch um einiges höher. Selbst mitgebrachte Verpflegung konnte in einem einzigen Klarsichtbeutel verpackt werden oder eine eigene Tasche abgegeben werden. Der Vorteil gegenüber einzelner Beutel je Verpflegungspunkt: man hatte Zugriff auf die gesamte selbst mitgebrachte Auswahl an Leckereien und musste sich nicht ärgern, dass die Schokokekse, auf die man doch schon beim ersten Verpflegungspunkt Lust hat, erst im dritten Gepäckbeutel sind.

Fährticket

Das Fährticket für die Überfahrt über die Warnow war  in den Startunterlagen bereits enthalten. Und so eine Fährfahrt als Abwechslung ist auch was feines!

Shuttle-Service für Abbrecher

Über eine Notfall-Handynummer konnte man zu fast jedem Punkt der Strecke ein Abhol-Shuttle herbeirufen, das einen dann zum nächsten ÖPNV brachte (in diesem Fall Rostock HBF). Eine unserer Vierergruppe musste diesen Service leider in Anspruch nehmen. Sie wurde mit einigen anderen auf einer Sammeltour von Abbrechern in Basdorf abgeholt. Die Shuttles fuhren von den Verpflegungspunkten los, wo bereits geplante Abbrecher diesen Service nutzen konnten.

Guter Sani-Service (auch an der Strecke)

An jedem VP standen Sanitäter für Notfälle und kleinere Übel bereit. Außerdem fuhren Mopeds und Malteser-Wagen auch nachts an der Strecke entlang und erkundigten sich proaktiv über das Befinden der Teilnehmer.

Finisher-Souvenir

Neben einer ausgedruckten und handschriftlich ausgefüllten Finisher-Urkunde erhielt jeder Finisher ein kleines Souvenir in Form von einer kleinen Holzscheibe mit eingebranntem Dein-Ostseeweg-Logo. Ein sehr liebevolles und unerwartetes Detail!

Landschaftlich abwechslungsreiche und regionstypische Strecke

Der Start erfolgte im schönen Rostock mit Blick zurück auf die Skyline. Viele Abschnitte führten über Felder und vor allem die Kühlung durch dicht bewaldetes Gebiet. In Warnemünde durchquerten wir den Hafen und liefen die Strandpromenade entlang. Der Küstenstreifen zog sich von Warnemünde bis nach Kühlungsborn, ließ lange Zeit einen Blick auf die rauschende Ostsee zu und lud zu einem Abstecher an den Strand ein. Der eigentümliche Gespensterwald, der Basdorfer Leuchtturm mit seinem funkelnden Licht und die beleuchteten Schiffe am Horizont machten die Strecke optisch rund.

ostseeweg-2016-ostsee-panorama


Was könnte man verbessern?

Verpflegungspunkte-System

Obschon vor allem der Verpflegungspunkt bei KM 52 einfach herausragend organisiert war, war das Gesamtsystem an Verpflegungspunkten ein wenig unausgewogen. Es gab drei Punkte für die ersten 50 km, auf den letzten 50 wurde leider nur einer angeboten. Gerade die letzten 50 km sind aber die härtesten und vor allem nach einer langen, kalten Nacht wünscht man sich als Teilnehmer nach Sitzungen im Wald schon eine richtige Toilette mit Wänden, gern auch in Form eines Dixie-Klos.

Meine Empfehlung: lieber am Anfang einen Verpflegungspunkt sparen, wenn alle noch frisch und im Zweifel gesättigt sind und diesen ans Ende der Reise hängen.

Den letzten beißen die Hunde…

Am ersten Verpflegungspunkt nach 13 km gab es leckere Brezeln, die allerdings nach kurzer Zeit vergriffen waren, so dass nicht jeder eine erhielt. Ein ähnliches Bild ergab sich beim letzten und einzigen Verpflegungspunkt auf den letzten 50 km: es gab nur noch Obst, aber keine Kohlenhydrate wie Brezeln oder Milchbrötchen mehr um 6 Uhr morgens, keinen heißen Tee oder Kaffee.

Meine Empfehlung: Natürlich hilft es wenig, jedem Teilnehmer zu sagen, er möge sich nur eine Brezel o. ä. nehmen, damit genug für alle da ist. Im Zweifel stellt der sich wieder an und man hat keine Kontrolle. Daher würde ich beim nächsten Mal einfach kleine Coupons in die Startunterlagen packen, die jeder einlösen kann. Wer seinen Brezelcoupon nicht braucht, kann ihn ja an andere weitergeben.

Gepäckservice-System

Der erste Zugriff auf das Gepäck vor der Fähre war leider getrennt vom Verpflegungspunkt und daher ohne sinnvolle Möglichkeit, hier Pause zu machen. Das führte dazu, dass das Gepäck sofern möglich umgefüllt oder entnommen und mitgeschleppt werden musste bis zum nächsten Verpflegungspunkt.

Zudem endete der Gepäckservice nach 50 km, also musste für die letzten 50 km wieder das entnommen und mitgetragen werden, was notwendig erschien oder auf das noch nicht gegessene für die restliche Strecke verzichtet werden.

Meine Empfehlung: Der Zugriff auf den Gepäckservice sollte an einem Verpflegungspunkt möglich sein, da einige sich zum Pause machen aus ihren Gepäckbeuteln bedienen wollten, ohne erst zum nächsten Versorgungspunkt weiterlaufen zu müssen. Ein Weitertransport zum letzten und einzigen VP auf den letzten 50 km wäre m. E. auch machbar und sehr sinnvoll, vor allem, da es beim letzten Verpflegungspunkt keine richtige Verpflegung mehr gab und man so noch auf eigene Ressourcen zurückgreifen könnte.

Urkunden für Zwischenziele

Leider gab es keine Urkunden für Zwischen-Finisher, daher stellt sich ggf. kein richtiges Erfolgserlebnis selbst nach 90 geschafften Kilometern ein, obwohl das eine beachtliche Leistung ist.

Meine Empfehlung: Zumindest an den Verpflegungspunkten könnten Listen geführt werden, wer hier angekommen ist und eine Downloadmöglichkeit für Urkunden mit den entsprechend geschafften Kilometern an den Verpflegungspunkten zur Verfügung gestellt werden.

Alles in allem war es ein großartiges Event, was mir viel Spaß gemacht hat. Ich ziehe immer wieder gern meinen Hut vor den Organisatoren. Da steckt eine Menge Arbeit dahinter, die ich zu schätzen weiß. Ich hoffe, es gibt noch viele Veranstaltungen dieser Art!

ostseeweg-2016-octopussy

[:]

[:de]6. Mammutmarsch-Training: Wandergruppe sprengt Fähre![:]

[:de]

Die Planung

Ich sitze vor meinem Laptop mit einem Glas Rotwein und plane eine Wanderroute. Draußen herrscht eisige Kälte, denn es ist Dezember. Die Wanderroute ist erst für den nächsten April vorgesehen, aber man braucht ja einen Plan, um sich für den Mammutmarsch vorzubereiten. Auf GPSies und Google Maps schaue ich, wo man so lang gehen könnte, wo es schön ist. Mal hier geklickt, mal da geklickt und schon zwei Stunden später ist die 55 km-lange Runde fertig. Bei näherem Hinsehen stelle ich fest, dass es an dieser einen Stelle, wo das Gewässer Dahme überquert werden muss, gar keine Brücke gibt. Oh! Da fährt nur eine Fähre. Na gut. Warum auch nicht.

Zu diesem Zeitpunkt schaue ich trotzdem mal lieber nach den mammutmarsch-trainingsplanFahrzeiten der Fähre. Hm. Die letzte fährt abends um 20 Uhr. Das wird ja bei geschätzten 12 Stunden Wanderzeit recht knapp. Erst sehr viel später flüstert man mir über Facebook die glorreiche Idee zu, die Route einfach umzudrehen.

Vier Monate später sitze ich wieder am Rechner. Durch die Erfahrungen der letzten fünf Wanderungen habe ich festgestellt, wie wichtig Ausstiegspunkte sind. Leider hat die 55-km-Tour durch Grünau aber keine. Mist. In mühsamer Kleinstarbeit, aber diesmal ohne Rotwein, stricke ich nochmal um, suche nach öffentlichem Nahverkehr, der die Beibehaltung der Route trotzdem noch möglich macht. Finde zwei Busse, die grundsätzlich recht regelmäßig fahren sollen, aber immer mal wieder eine anderthalbstündige Pause einlegen – natürlich genau dann, wenn wir eigentlich an der Haltestelle ankommen sollte. Nochmal neu stricken. Passt irgendwie.

Ich lasse mir nochmal die Anzahl der Teilnehmer durch den Kopf gehen. Geschätzte 50. Ob die Fähre wohl Platz für so viele Leute hat? Denke bei der kurzen Strecke eher an ein nussschalenartiges Paddelboot mit Fährmann, dem man ein paar Silbertaler in die Hand drückt. Also rufe ich mal lieber bei jemandem an, der sich damit auskennt: die BVG. Die hört so eine Frage nach der Kapazität der Fähre auch nicht häufig. „Äh, da muss ich mal fragen.“ Aus „Äh“ wird 49. Ich frage, ob da noch eine 50. Person raufpasst. „Also das müssen Sie dann mit dem Käpt´n klären.“ Na schön. Im winterlichen Rotweinrausch hatte ich beim Planen der Route nicht gedacht, dass das zum Problem werden könnte…

Auf zu 55 km

Samstag morgen, 7:30 Uhr. Mein Handy klingelt. Ich bin schon seit 15 Minuten in der üblichen Aufbruchspanik, weil ich wieder so lange getrödelt habe. Nina ist am Telefon.
„Wo bist du denn? Es geht doch um 7:30 Uhr los. Hier sind schon ganz viele.“
„Nein, nein, ich habe doch die Veranstaltung auf 8:00 gelegt. Ich schließe ja gerade erst meine Haustür ab und mache mich auf den Weg.“

Heute breche ich den Rekord und bin innerhalb von 25 Minuten von Lichterfelde in Grünau angelangt. Ich husche über die Ampel zur buntgekleideten Gruppe und entschuldige mich vielmals, falls noch irgendwo 7:30 Uhr als Anfangszeit stand. Fragende Blicke. Keiner der hier Wartenden war von 7:30 Uhr ausgegangen und Nina ist nicht da.

Mammutmarschtraining 6 Fähre

Zehn nach 8 brechen wir auf Richtung Fähre. Ein paar von uns sollen wohl schon übergesetzt haben. Etwa 30 Männlein und Weiblein nehmen mit mir die Fähre um 8:18 Uhr und sehen schon die anderen auf der gegenüberliegenden Seite warten. Um etwaigen Diskussionen mit dem Käpt´n bezüglich Fährenüberlastung aus dem Weg zu gehen, hatte ich schon letzte Woche vorgeschlagen, in Etappen die Fähre zu nutzen. Da noch ein paar mehr Wanderwütige mit der nächsten Fähre und einige direkt zu dieser Seite kommen, warten wir im Rudel. Nina sehe ich aber auch hier nicht. Komisch. 62 Männer und Frauen ziehen dann los. Soviele Fährgäste hat die BVG auf dieser Linie sicher den ganzen Monat sonst nicht.

Mammutmarschtraining 6 Wandergruppe EarnYourBacon

Es geht los Richtung Müggelberge. Ich unterhalte mich eine ganze Weile mit Steffi. Sie entschuldigt sich, dass sie mich heute morgen so früh angerufen hat. Häh? Mich hat heute morgen nur Nina angerufen. Ich schau nochmal in meine Anrufliste. Zwei Anrufe von Nina. „Nein, das war doch ich“, meint Steffi. Oh man. Anscheinend hab ich sie in meinen Kontakten als Nina abgelegt. Mit Foto. Natürlich von Nina. Das kommt in dem Gewirr von Messengern schon mal vor. Kein Wunder, dass Nina nicht da war.

Das ist übrigens Steffi, nicht Nina :)

Das ist übrigens Steffi, nicht Nina 🙂

Wer schon mal mit mir unterwegs war, der kennt das schon. Ich schaffe es irgendwie immer die hügeligsten Routen zu finden. Diesmal ist ein besonderes Schmankerl dabei: die Treppen hoch zum Müggelturm. Aber nicht ganz hoch. Außer Uwe, der zieht natürlich einfach durch. Beim Anblick des Schilds „Zum höchsten Berg Berlins“ werde einige Gesichter spontan grün. Dabei geht’s heute gar nicht dort hinauf, nur herum. Ein paar Abtrünnige wollen aber auch hier das Gipfelkreuz nicht verpassen.

Mammutmarschtraining 6 Müggelberge

Hinterher geht es nach Müggelheim. Da stellen die Vordersten schon fest, dass die GPSies-Route durch ein abgeschlossenes Privatgartentor führt. Ups. Das hatten wir schon mal. Da ein kleiner Weg drumherum geht, entern wir heute mal nicht zu sechzigst den Garten.

An einem kurzen Abschnitt treffen wir zum ersten Mal auf Wasser und Lena, Uwes fitte Schäferhündin nutzt die Gelegenheit, um einen Schluck aus der Großen Krampe zu nehmen. Schon geht’s zurück in den Wald, den wir aber bald wieder verlassen müssen, da der einzige Weg über die Gosener Landstraße und den Gosener Graben führt. Jetzt kann/muss ich zum ersten Mal mein Pfeifchen einsetzen, das im Starterpaket zum Paris Marathon enthalten war. Die vordere Truppe latscht nämlich die unromantische Hauptstraße geradeaus weiter, statt scharf rechts in den grünen Wald abzubiegen. Das laute Trillern holt die Vordersten wieder zurück. Das ist wohl im klassischsten Sinne das, was man unter „jemanden zurückpfeifen“ versteht.

Ein bisschen Quantenphysik

Wir laufen entlang einer renaturieren Mülldeponie, da bekomme ich hinter mir ein Gespräch mit, in dem Wortfetzen wie Sockentheorie und Reibungskoeffizenten auftauchen. Jetzt wird’s aber wissenschaftlich. Die Wrightsocks sollen angeblich durch ihre zwei Lagen einen sehr geringen Reibungskoeffizenten haben. Na hoffentlich wissen das die Füße auch!

Die erste Pause legen wir auf einer großen Wiese ein. Natürlich wähle ich mir meinen Sitzplatz genau so aus, dass ich mich in ein Ameisennest setze. Ich bin kein großer Fan von Ameisen, zumindest nicht, wenn sie nicht durch mindestens eine Glasscheibe von mir getrennt sind. Neben Quallen sind das die Tiere auf dem Planeten, die mich am wenigsten mögen und am häufigsten ärgern. Also weg hier.
Nebenan werden Wurstbrote und Nudelsalat ausgepackt und schon die ersten Blasen versorgt und Füße mumifiziert. Es kommen immer noch ein paar Nachzügler, während die ersten schon wieder aufbrechen wollen oder einfach weiterlatschen. Wir werden also wie gehabt in mehreren Kleinstgrüppchen am Ziel ankommen.

An der Wernsdorfer Schleuse befindet sich nach 18 km der erste Ausstiegspunkt mit der Bushaltestelle. Nur eine Teilnehmerin verlässt uns hier. Wir laufen vorbei an einem alten Laden, den anscheinend jeder fotografiert hat und tauchen bald wieder in den dichten Wald ab. Der Weg, den ich mir als wunderbaren Waldweg vorgestellt hatte, ist eher eine für Waldarbeiten aufbereitete Schotterpiste, die schnurgeradeaus führt. Leider laufen wir die Piste viel länger geradeaus als ich geplant hatte, weil ganz vorn nicht nach links abgebogen wird. Sehnsüchtig schaue ich dem grasbewachsenen Weg hinterher, während ich dran vorbei ziehe. Meine Pfeife ist leider nicht mehr laut genug, weil die Vordersten schon fast außer Sichtweite sind.

Um weiteres Unglück zu vermeiden (geradeaus hätte schnurstracks in eine Sandgrube geführt), renne ich so weit nach vorn, dass die Falschläufer gerade noch in Pfeifreichweite sind. Rechts geht’s lang. Jetzt bleibe ich aber auch ganz vorn. Hin und her rennen ist doch anstrengend.

Mammutmarschtraining 6 Turm

Eine kleine Schleife führt uns zum ehemaligen NVA Treib- und Schmierstofflager. Alte heruntergekommene Gebäude säumen den Weg und wecken bei einigen den Entdeckergeist. Ich husche mal schnell einen Berg hoch. Riesige Tanks sind in den Berg eingelassen, in die Metallleitern hinunterführen. Für mehr Erkundung ist leider keine Zeit, ich bin schon wieder fast ganz hinten.

Der Weg wird jetzt recht experimentell, führt durch Dickicht und Gestrüpp und einen kleinen Graben. Dann sind wir wieder auf einem befestigten Weg, der noch zum Lager gehört. Wir lassen die letzten Gebäude, die nutzlos in der Gegend herumstehen, hinter uns liegen und machen uns auf den Rückweg.

Für die zweite Pause setzen wir uns nach 32 km ins Gras und genießen die Sonne. Füße werden versorgt, das leibliche Wohl gepflegt und Dehnübungen durchgeführt. Diesmal setze ich mich nicht in eine Ameisenkolonie, stattdessen spaziert eine Zecke über mein Handy. Gut. Zecken zählen auch nicht zu meinen Favoriten. Fehlen heute nur noch Blutegel.

Nach der Schleife kommen wir wieder an Wernsdorf vorbei, wo sich noch einige wenige dankbar verabschieden, um auf den Bus zu warten. Dass diese nie kommen werden, kann zu diesem Zeitpunkt noch keiner ahnen. Merke: verlasse dich am Wochenende nicht auf Busabfahrtzeiten außerhalb von Berlin.

Mammutmarschtraining 6 Wernsdorf Kirche

Nur noch 15 km haben wir vor uns. Das Wasser begleitet uns nun zur linken, während wir einen Spaziergang entlang des Ufers der Schmöckwitzer Halbinsel machen. Die Spitzengruppe haben wir schon wieder verloren. Ein paar finden wir dann aber im Gras lümmelnd wieder.

Die dritte und letzte Pause genießt die „Schleichergruppe“ in der Abendsonne am Seeufer. Ich ziehe jetzt auch zum ersten Mal meine Schuhe für einen Sockenwechsel aus und frage mich, warum meine Füße so aussehen, als hätte ich weder Socken noch Schuhe angehabt. Sandig, dreckig, dunkel. Jetzt schon in meine LUNA Sandalen zu schlüpfen, traue ich mich noch nicht. Sind noch zuviele Km zu gehen und ich habe mit den Dingerchen noch gar nicht trainiert. Für den Fall, dass ich meine Wanderschuhe aber nicht mehr ertrage, habe ich sie aber dennoch dabei.

Hier hätte Ihr Start sein können

Der Endspurt schrammt an Eichwalde vorbei, dem ursprünglichen Startpunkt für den Mammutmarsch 2016. So bekommt ein kleiner Teil der Teilnehmer ein wenig Eichwalder Luft zu schnuppern. Schön ist es hier allemal.

Mammutmarschtraining 6 Eichwalde
Mein Handy klingelt wieder. Steffi ist dran. Eine andere diesmal. Da sind noch zwei bei Rewe abgebogen um sich Kaffee zu holen, kennen aber den Weg nicht. Also lasse ich die anderen ziehen und warte auf die Koffeinjunkies. Mit Steffi teile ich mir mein Red Bull und frisch gestärkt holen wir die anderen bald wieder ein. Sie erzählt mir, dass sie Wrightsocks trägt und trotz niedrigem Reibungskoeffizenten Blasen bekommen hat. Ihren Füßen fehlen wohl die Kenntnisse in Socken-/Quantentheorie, sonst hätten sie gewusst, dass sie darin keine Blasen kriegen können.

Mammutmarschtraining 6 Luna Sandals

Die letzten Kilometer. Der Weg windet sich an der Krummen Lake entlang, einen Miniflüsschen mit Sumpfgebiet, das früher einmal meine Laufstrecke gewesen ist. Etwa anderthalb Kilometer vor Grünau packe ich dann doch noch meine LUNAs aus und schlüpfe hinein, obwohl es nur etwa 10 Grad warm ist. Wie wunderbar, wenn die Füße auf einmal Luft bekommen und nichts mehr reibt. Allerdings sind die Sandalen quasi ohne jegliche Dämpfung. Mehr als die kurze Strecke wäre wirklich nicht angemessen gewesen.

Das Abschlussfoto machen wir unterm Irrgarten-Schild. Es passt einfach so schön. Dann geht’s zurück über die Autobahn Richtung Badewanne. In einer Woche setzen wir noch einen drauf und wollen 65 km rocken. Ja. Wir sind schon ganz richtig im Irr(en)garten!

Mammutmarschtraining 6 Ziel

[:]

[:de]5. Mammutmarschtraining – 50 km Spaziergang zum Eis essen[:]

[:de]

Mammutmarschtraining 5 Wannsee

„Wollen wir heute nicht mal nach Spandau zum Eis essen und davor einen kleinen Spaziergang machen?“ Bevor Du diese Frage mit „Ja“ beantwortest, solltest du unbedingt wissen, wer dir diese Frage stellt. Der normale Mensch denkt bei einem Spaziergang an eine, maximal zwei Stunden. Wenn dir die Frage aber von jemanden entgegen gebracht wird, der für den Mammutmarsch trainiert, können daraus gern mal neun bis zehn Stunden werden. Denn wir Mammutmärschler nehmen ja nicht den direkten, sondern den schönsten Weg mit Trainingseffekt!

Mammutmarschtraining 5 Carola KeßlerAm zweiten Aprilwochenende war das Wetter wieder traumhaft schön. Es scheint fast, als hätten wir als Trainingsgruppe eine Art Schönwettergarantie. Ich hätte nichts dagegen, wenn das bis inklusive Mammutmarsch so bleibt. Trotz des Sonnenscheins und Kaffee war ich noch hinreichend müde als ich in Wannsee ankam.

Diesmal ging es nicht ganz so pünktlich los wie sonst, weil noch ein paar Nachzügler eine kleine Verspätung angekündigt hatten. Um 8:45 Uhr setzten sich aber rund 118 Beine in Bewegung Richtung Potsdam. 110 menschliche Beine und acht Hundepfoten. Drei der Teilnehmer hatten sich schon spät in der Nacht (oder früh, wie man es nimmt) auf die Socken gemacht und waren schon etliche Kilometer durch die Dunkelheit gewandert.

Mammutmarschtraining 5 Gruppe

Von S-Bhf Wannsee aus verschwanden wir gleich im Wald und folgten für ein paar Kilometer dem Berliner Mauerweg. Eigentlich sollte die Strecke dann auf der Südseite des Griebnitzsees entlang führen. Da hier aber deutlich mehr Stadt als Wald ist, hatte ich den Vorschlag gemacht, wieder oben lang zu wandern, der dankbar angenommen wurde.

Mammutmarschtraining 5 Carola Keßler walking

Kurzzeitig wanderten wir also dieselbe Route entlang, die wir schon vor zwei Wochen gegangen waren. Nur andersherum. Und diesmal war der Weg, der an dem Café/Biergarten am Griebnitzsee vorbeiführte, auf einer Seite abgesperrt. Also kurz das Band zur Seite gemacht und nach hinten durchgegeben, dass der Letzte es wieder zu machen sollte. Es interessiert mich ja schon, was mit dem Stille Post-Verfahren hinten angekommen ist.

Ich führte unser Grüppchen diesmal aber nicht am Ufer des Sees weiter, sondern oben entlang der ehemaligen Deponie Wannsee, die inzwischen schon sehr gut renaturiert ist. Das Ufer ließen wir im wahrsten Sinne des Wortes links liegen.

Danach folgten wir auch noch einmal etwa einen Kilometer dem Weg des letzten Trainings durch die geheime Tür zum Jagdschlossgarten und Richtung Glienicker Brücke. Das Tor, das auf der anderen Seite eigentlich aus dem Garten wieder hinausführen sollte, war geschlossen. Also hieß es schön hintereinander aufstellen und über die Mauer hüpfen. Ein bisschen Hindernistraining darf ja auch mal sein.

Kaum das wir das überwunden hatten, kam schon das nächste auf uns zu: ein Laufwettkampf. Auf der Glienicker Brücke rannten alle Nase lang Läufer mit Startnummer entlang. Und zwar genau da, wo wir rüber mussten. Ich dachte, ich kenne alle Laufveranstaltungen der Gegend. Der Potsdamer Haveluferlauf war aber anscheinend ein blinder Fleck auf meinem Wettkampfkalender. Da ich selbst gut genug weiß, wie anstrengend und ärgerlich es für einen Wettkämpfer ist, wenn etwas auf seiner Strecke stört, versuchte ich die 50-Mann-Kompanie mit so wenig Einfluss wie möglich auf die Läufer hinüber auf unseren Weg zu schleusen. Klappte auch weitestgehend beschwerdefrei.

Mammutmarschtraining 5 Haveluferlauf

Weiter ging es durch die „Berliner Vorstadt“, ein Bezirk von Potsdam mit Schlossgarten und allerlei sehenswerten Gebäuden rund um den Heiligen See. Mir war inzwischen schon so warm geworden, dass ich nur noch im T-Shirt wandern konnte.

Hier machten wir bei ein paar Bänken unsere erste kleine Frühstückspause. Für 50 Leute reichen die Sitzgelegenheiten natürlich nicht, aber dann setzt man sich eben kurzerhand ins Gras. Die Hundis bekamen natürlich auch ihr Frühstück. Was der eine Hund nicht wollte, aß dann halt der andere.

Mammutmarschtraining 5 Pause 1 Panorama

Leider verloren wir nach dem Aufbruch ein paar Teilnehmer, die einen kleinen Abstecher zur Meierei für sanitäre Anlagen machten und uns dann nicht mehr wieder fanden.

Wir folgten dem Ufer des Jungfernsees bis nach Neu-Fahrland, wo das Gewässer in den Krampnitzsee übergeht. Hier steht auch die Kaserne Krampnitz, die ehemalige Heeres-Reitschule. Seitdem sie nicht mehr militärisch genutzt wird, dient sie ab und an als Filmkulisse. Filme wie Resident Evil und Inglorious Basterds wurden hier szenenweise gedreht.

Den Ausstiegspunkt per Bus nach Rathaus Spandau nutzt niemand. Trotzdem kommt es mir so vor, als seien wir schon wieder weniger geworden. Es ist erstaunlich, wieviel Schwund immer am Ende vorhanden ist, ohne dass ich es zwischendurch mitkriege. Wo bleiben die Leute nur? Ist wie Socken aus der Waschmaschine. Die sind einfach weg.

Jetzt drehen wir ab nach Norden in die Döberitzer Heide, eine von Sielmanns Naturlandschaften. Und plötzlich ist jede Spur von Zivilisation verschwunden. Abgesehen von uns. Und einem verrosteten Schrottberg im ehemaligen militärischen Übungsgelände, was die Döberitzer Heide mal war. Es geht über kleine Wald- und Wiesenwege und dann landen wir auf dem offiziellen 22-km-Rundwanderweg der Heidelandschaft. Dem kleinen Chihuahua (ist das jetzt ein weißer Schimmel?) geht es inzwischen gar nicht mehr so gut. Er läuft nur noch dreibeinig. Und auch der Hündin Louisa hat die Strecke schon zugesetzt.

Mammutmarschtraining 5 Schrottsammlung

Der Weg wird jetzt richtig sandig. Klar, wir folgen ja auch dem Abschnitt, der auf der Karte als Wüste bezeichnet ist. Trotzdem stoßen wir auf eine Rinderzucht. Mitten in der Wüste. Unser Trüppchen mit den Hunden bildet derweil das Schlusslicht unserer Wanderergruppe. Die Schnellen sind nur noch ab und zu in Sichtweite.

Wir finden sie beim zweiten Pausenplatz wieder. Den erreichen wir, nachdem wir uns über die Wisents und Wildpferde gefreut haben, die wir erspähen konnten. Ja, die schwarzen Punkte ganz hinten auf dem Bild hinter den Pferden – das sind Wisente. Die grasen in der Naturlandschaft direkt neben ehemaligen Bunkeranlagen. Irgendwie postapokalyptisch.

Der Rastplatz bietet viele Sitzgelegenheiten und auch einen erhöhten überdachten Ausguck. Da finden wir sogar einen Geocache drin. Selbst Ingress-Portale gibt es hier draußen. Und immer mehr kristallisiert sich so heraus, wer die wahren Nerds unter uns sind. Da gibt es einige. Ich mag das.

Noch einige Kilometer wandern wir durch das Wüsten-Bunker-Gemisch und biegen nach 30 km in Elstal Richtung Dallgow ab. Zum ersten Mal kann ich meine Erste-Hilfe-Tasche zücken und Ibus verteilen. Die Hunde sind nun wirklich am Ende ihrer Kräfte und auf menschliche Hilfe angewiesen. Während der anderthalb Kilo schwere Chihuahua bei seinem Herrchen auf dem Arm bleibt, wird Louisa, die mit ihren 6 Kilo auf Dauer für eine Person zu schwer wird, einfach mal im Kreis der Schlusslichttruppe herumgereicht. Am zweiten Ausstiegspunkt südlich des Havelparks ist dann nach 37 km Schluss für Hund und Frauchen/Herrchen.

Mammutmarschtraining 5 Bunker 2

Am Waldesrand finden wir einen der Frühstarter, der sich eine einsame Pause gönnt. Die andere Truppe sei noch gar nicht so weit voraus, meint er. Ich wage das zu bezweifeln und tatsächlich sollten wir die Vordersten an dem Tag auch nicht mehr sehen, geschweige denn einholen.

Aus der Heidelandschaft hinaus führt der Weg über Felder und an weiteren Rindviechern mit Pony vorbei. In Staaken sammelt unser Sechsertrüppchen zwei Ingressspieler ein, die in der Spiellaune von der Strecke abgekommen sind. Der kleine Waldweg war aber auch tückisch zu finden.

Obwohl wir alle nach 45 km schon gut fertig sind, erklimmen wir für einen Ausblick über Spandau den Hahneberg. Auf dem Weg nach oben erspähe ich ein Fasanenpärchen und überlege kurz, wie es wohl am besten in meinen Backofen kriege. Aber will wollen ja weiter und Fasanenjagd ist zeitlich nicht eingeplant.

Vom Hahneberg aus sehen wir sogar schon das Ziel: Rathaus Spandau. Aber es ist noch so weit weg. Meine Fußsohlen brennen wie Feuer und ich möchte die Schuhe am liebsten sofort ausziehen. Würden wir nicht über Asphalt laufen, sondern über Gras oder Sand, würde ich das auch tun. Die letzten Kilometer sind schmerzhaft und anstrengend. Ich frage mich, ob das (auch) daran liegt, dass mein Marathon noch keine Woche vorbei ist.

Mammutmarschtraining 5 Spandau

Am Rathaus angekommen machen wir das obligatorische Siegerfoto mit den Verbliebenen. Und weil immer noch 300 Meter auf meiner Uhr zu den 50 km fehlen, beiße ich die Zähne zusammen und laufe die noch fehlenden Meter zusammen mit Betty, der noch ein paar mehr fehlen. GPS-Systeme sind sich leider stets uneinig. Aber danach… danach gibt es für vier von uns einen Becher leckeren Floridaeises mit Rumschoko-Sauce und gerösteten Mandeln oben drauf. In der Art gibt es ihn nur hier in Spandau. Und wenn ich schon mal einen „Spaziergang“ nach Spandau mache, dann bitteschön mit Eis am Ende.

Fazit: Mein Gott, 50 km! Meine Füße sahen am Abend aus als hätten sie rundherum Sonnenbrand. Nach 100 km ist ja da nichts mehr von menschlichem Fuß zu erwarten. Regelmäßiger Schuh- und Sockenwechsel erscheinen mir inzwischen durchaus sinnvoll und werden beim nächsten Mal getestet.

Apropos nächstes Mal: das ist am Samstag, 23.04.2016. Wir starten um 8 Uhr in Grünau und laufen diesmal einen 55 km-Rundkurs durch Wald- und Seengebiet. Ein paar kleine Hügel sind auch wieder dabei.

[:]

[:de]23. Berliner Polarnacht – Der Mammutmarsch, den keiner kennt[:]

[:de]Berliner Polarnacht title2

Wie Berliner Polarnacht? Und schon die 23.? Habt ihr etwa noch nie von der berühmten Berliner Polarnacht gehört? Und ihr nennt euch Berliner! Nicht schlimm. Wäre ich nicht zufällig Mitglied in der Facebook-Gruppe zum Mammutmarsch 2016, in der jemand etwas zur Berliner Polarnacht postete, hätte ich davon auch diesjahr nichts gewusst.

“Geführte Wanderung und Temperaturmessung an einem Kältepol Berlins” – so bezeichnet Wolfgang Pagel dieses Event, das er organisiert und führt. Das klingt erst einmal nicht nach einem aufregenden Abenteuer. Wenn ich euch aber erzähle, dass er mit seinen Schäfchen, die sich zur Polarnacht trauen, bis zu 100 km in 23 Stunden bewältigt, werden die Augen groß! 100 km durch Berlin und Brandenburg. Wer sich nicht gleich die komplette Distanz zumuten will, für den hat er die Wanderung in zwei Teile gesplittet: 50 km Nachtwanderung und 50 km Tagwanderung, was immer noch ein Hammer ist.

Töricht, wie ich war, hatte ich mich für die 50 km Nachtwanderung angemeldet. Oldschool per Email an Herrn Pagel. Ein Anmeldeformular gibt es auf der übersichtlich gestalteten Website zur Berliner Polarnacht nicht. Um 20 Uhr sollte es vom Bahnhof Südkreuz aus losgehen. Nach einem kompletten Arbeitstag inklusive frühem Aufstehen und einem erfolglosen Mittagsschlafversuch schnürte ich mein Ränzchen für den nächtlichen Ausflug. Heißer Kaffee, heißer Tee und Klamotten im fast schon übertriebenen Zwiebelprinzip sollten mich warm halten. Meine recht neuen Wanderschuhe hatte ich am Vorabend liebevoll mit Bienenwachs eingecremt.

Berliner Polarnacht Gepäck

Berliner Polarnacht Carola Keßler Start

Bananen, Kuchen und ClifBars sollten neben noch frisch gemachten gebrannten Mandeln die Moral aufrecht erhalten. Hinreichend müde, aber frohen Mutes begab ich mich zum Treffpunkt. Ein übersichtliches Rudel hatte sich um viertel vor acht schon vor dem DB Reisezentrum eingefunden und Herr Pagel gab eifrig Kartenkopien und letzte Hinweise aus. Der Organisationsbeitrag in Höhe von 3 € wurde direkt dort gezahlt.

Berliner Polarnacht treffpunkt

KM: Null – Es geht los

Punkt 20 Uhr setzte sich unser für Stadtverhältnisse sehr ungewohnt gekleidetes Grüppchen in Bewegung. Vor dem Bahnhof drückte Herr Pagel (Wolfgang) seine Überraschung über die hohe Anzahl an Teilnehmern aus. Etwa gut 30 Männlein und Weiblein wollten durch die Nacht wandern. Das seien doppelt soviel wie in den Vorjahren. Die sozialen Medien eben…

Und dann ging es auch schon weiter. Im Schweinsgalopp. Wir hatten ja schließlich einen straffen Zeitplan. Schon an der ersten Ampel sahen wir uns den Herausforderungen der Stadt gegenüber: während gut 3/4 der Gruppe die Ampelphase geschafft hatten, stand ein kläglicher Rest bei rot greinend am Bordstein. Und sah sein Rudel um die nächste Häuserecke in der Nacht verschwinden. Solche Szenen sollten sich noch oft abspielen.

Nach einer Verfolgungsjagd, um mit dem Polarnachtrudel wieder aufzuschließen, ging es schnurstracks Richtung Potsdamer Platz. Zum ersten Mal durchwanderte ich den Park am Gleisdreieck. Der soll sehr schön sein, habe ich mir sagen lassen. Leider war davon durch Nacht und Nebel nicht viel zu sehen.

Berliner Polarnacht View Potsdamer Platz

Bei -1 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit war der Weg stellenweise gefährlich glatt. Langsamer oder vorsichtiger laufen war aber keine Option. Das Rudel kannte kein Erbarmen. Durch den flotten Schritt und meine gefühlten hundert Schichten Kleidung war mir richtig warm. Hände, Beine, Oberkörper… alles glühte. Und ich hatte sogar noch eine weitere Schicht im Rucksack. Aber immer noch besser als zu frieren.

KM 5: Die Essensbuden am Potsdamer Platz verlocken

An der großen Kreuzung am Potsdamer Platz endlich mal auch eine rote Ampel für die Vordersten. Unser Grüppchen rückte wieder näher zusammen. Genau eine Ampelschaltung hatte ich Zeit für ein kitschiges Touristenfoto. Man nimmt, was man kriegt. Ich hatte nicht mal genug Zeit, viele Gedanken daran zu verschwenden, den verlockenden kulinarischen Düften nachzugehen. Einen Coffee-to-go holen? Undenkbar bei dem Tempo. Wir hatten es schließlich eilig.

Berliner Polarnacht Potsdamer Platz

Kaum hatte ich mich von den Bildern leckeren Essens in meinem Kopf erholt, passierten wir auch schon das Brandenburger Tor, ohne einen weiteren Moment daran zu verschwenden. Ich machte flink ein Bild und hörte Gemurmel hinter mir “…muss ja alles gleich in Echtzeit bei Facebook reingestellt werden.” Nee! Nicht bei Facebook. Twitter, ihr Unwissenden! DA läuft mein Alle-paar-Kilometer-Live-Feed!

Berliner Polarnacht Brandenburger Tor

Auch als wir ins Regierungsviertel und an der Spree entlang wanderten oder vielmehr durchrasten, nahm ich mir die Zeit, ein paar Bilder am Wegesrand zu machen. Wann komme ich sonst schon mal um die Uhrzeit hier lang? Jedes Foto bedeutete aber immer wieder eine wilde Aufholjagd und manch ermahnendes Wort vom Wanderleiter. Ja, Herr Lehrer, ich hab schon wieder getrödelt.

Berliner Polarnacht Spree

Berliner Polarnacht Lampen

Nach 11,5 km gab ich meinem stärker werdenen Hungergefühl nach und packte die gebrannten Mandeln und meine Banane aus. Verhungert wäre ich an der Stelle sicher nicht, aber was ist schon eine Wanderung ohne Verpflegung? Nebenbei machte sich ein weiteres Bedürfnis bei mir breit, das sich nicht so einfach lösen ließ. Die Männer stellten sich dafür einfach an einen Baum. Bei mir hätte das geheißen, alle Zwiebelschichten abzupellen. Und folgerichtig wieder anzupellen. Also verkniff ich es mir bis zur Pause.

KM 15: Einkehr im Gasthaus zur goldenen Möwe

Pause. Endlich Pause. Nicht, weil ich nicht mehr marschieren konnte, sondern wegen der sanitären Anlagen, die ich beim Burgerbrater als allererste Maßnahme aufsuchte. Darüber, dass die Pause bei McDonalds stattfand, kann man sicher geteilter Meinung sein. Allerdings muss ja auch beachtet werden, dass um 23:oo Uhr nicht mehr jede Lokalität geöffnet ist. Von ausreichenden Sitzplätzen für über 30 Wandersleute mal ganz abgesehen. Natürlich war mein Rucksack gefüllt mit ausreichend nahrhafter Energie. Natürlich holte ich mir trotzdem eine Portion Curly Fries.

Berliner Polarnacht Pause

Da demnächst dunklere Wegesabschnitte anstanden, kramte ich aus meinem Rucksack die Stirnlampen raus. Wie ich da so saß und kramte, bemerkte Tim, einer meiner Weggefährten plötzlich: “Du läufst aus.” Hatte ich mal wieder nicht meinen Trinkschlauch gesichert und drückte nun beim Wühlen darauf. Unter meinen Stuhl hatte sich bereits eine Pfütze gebildet. Und auch meine Hose war voll Wasser. Auf weitere Nachfragen, was ich denn da angestellt hätte, meinte ich dann nur trocken “Ich hab meine Blase entleert”.

Vierzig Minuten später rief Wolfgang zum erneuten Aufbruch auf. Meinetwegen hätten auch 20 oder 30 Minuten Pause gereicht. Dann hätte man an der einen oder anderen Stelle auch Zeit gehabt, auf die ampelgepeinigten Nachzügler zu warten.

KM 20: The Walking Dead

Nachdem wir das gleißende Licht des Flughafens Tegel hinter uns gelassen hatten, trabten wir weiter durch den Forst Jungfernheide und trafen auf ein Gewässer. Grob die Karte vor Augen habend, vermutete ich dahinter den Tegeler See. Stimmte sogar. Ein schöner Ausblick zum beleuchteten Ufer inklusive. Nachdem ich mir meine Frage zur aktuellen Position selbst beantwortet hatte, trottete ich weiter hinterher. In dem Moment war mir alles andere sowieso schnurz und ich folgte wie ein Zombie dem Gehirn ganz vorne. Körperlich ging es mir gut. Geistig hatte ich erstmal abgeschaltet. Um 00:40 Uhr konnte man nach einem Arbeitstag und 20 km Marschieren auch nicht mehr erwarten.

Berliner Polarnacht Tegeler See

Berliner Polarnacht Tegel

Im Tegeler Forst setzte ich zum ersten Mal meine Stirnlampe auf. Aber nur kurz, um ein Foto unseres Waldschratdaseins festzuhalten und des Wanderweges, den wir nun verfolgten. Obwohl stockdunkel gab es Einzelmeinungen derart, dass es ja wohl hell genug im dichten Wald ohne Beleuchtung sei. Das Licht der Sterne konnte es nicht gewesen sein, dem derjenige folgte, denn der Himmel war wolkenverhangen. Da ich nicht unbedingt Bekanntschaft mit einem Baum machen wollte, die gemeinhin im Wald ab und zu stehen, war ich froh über die Beleuchtung der Stirnlampen meines Grüppchens. Der Kritiker hielt von da an Sicherheitsabstand von unserer blendenden Schönheit.

Berliner Polarnacht Wanderweg7

Berliner Polarnacht Tegeler Frs

KM 25: Meuterei bei der Berliner Polarnacht

Obwohl alle kleinen Grüppchen größtenteils unter sich blieben, schafften wir es doch mal, einen Dialog mit ein paar Mitmarschierern aufzubauen. Wir wollten herausfinden, wie sie denn auf die Berliner Polarnacht gekommen sind. “Na da gab es so einen Post in der Mammutmarsch-Gruppe bei Facebook”. Ja, der! Ohne den wäre die Hälfte jetzt wohl nicht hier. Und nächste Woche, beim ersten Trainingsmarsch zum Mammut seien sie  auch dabei. Mal schauen, ob ich dann noch jemanden wiedererkenne. Nachts sind alle Wanderer grau…

Berliner Polarnacht Brücke

In unserem Dreiergespann machte sich währenddessen Unmut breit. Schmerzende Fußsohlen, aufgeriebene Blasen und sonstige Ausfallerscheinungen. Es ächzte und stöhnte beidseitig neben mir. Als ich nach 27 km nach dem Passieren eines vereisten Feldes nochmal einen Zahn zulegte, kam das erste “Ich hasse Dich!” hinübergeknurrt. Gefolgt von “Der nächste S-Bhf ist meiner!” Der nächste Bahnhof war Heiligensee. Mir ging es vergleichsweise gut. Meine Schienbeine merkte ich zwar genauso wie mein Knie, auf das ich beim Lauftraining auf Eis gefallen war. Aber ich wäre auch noch ein paar Kilometer gegangen.

KM 30: In Heiligensee ist Schluss

Als wir nach knapp 30 km den S-Bhf Heiligensee erreichten, war ich der festen Überzeugung, hier würden einige die Ausstiegsmöglichkeit nutzen. Pustekuchen! Es wurde weder das Tempo gedrosselt, noch der Abzweig zum Bahnsteig eines Blickes gewürdigt. Auch keine Frage, ob jemand genug hat. Alle zogen weiter durch. Wir waren also offiziell die Luschen vom Dienst. Die letzten winkten noch kurz und verschwanden in der Dunkelheit. Die vordersten werden nicht einmal mitbekommen haben, dass wir uns abgeseilt hatten. “Niemand wird zurückgelassen” ist ein Spruch, der bei dieser Veranstaltung völlig fehl am Platze ist.

Berliner Polarnacht Heiligensee

Glücklicherweise fuhr die S-Bahn von Heiligensee alle halbe Stunde. Die ganze Nacht hindurch. Hauptstadt zu sein, ist doch was feines. Nicht einmal umsteigen brauchte ich. Meine Begleiter leckten sich ihre Wunden und trafen Feststellungen zum falsch gewählten Schuhwerk oder Socken. Mir machten hautpsächlich meine Schienbeine zu schaffen. Aber ich dachte, das hielte sich noch in Grenzen. Eine Stunde S-Bahnfahrt später wurde ich eines besseren belehrt. Ich stand auf, stieg aus und versuchte zu laufen. Meine Beine waren steifer als die von Pinoccio! Und so lief ich auch. Bestimmt einen halben Kilometer. Danach wurde es allmählich besser. Wer weiß, wie das geendet hätte, wenn ich die ganzen 50 km gelaufen wäre.

So gesehen war ich durchaus froh, mich als Lusche geoutet zu haben. Wer wandert auch schon aus dem Stand heraus 50 km, wenn einem der eigene Körper lieb ist? Genau deswegen fängt nächste Woche mein offizielles Training zum Mammutmarsch dort an, wo die Polarnacht aufgehört hat: mit 30 km!

[:]