Wie eine sterbende Schnecke habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Zumindest nicht nach 22 km. “Just do it”, dachte ich mir, als ich am letzten Samstag am Halbmarathon-Training des NRC Nike Run Club Berlin Mitte teilgenommen habe. Im Nachhinein denke ich mir: “Don’t do it again…in the near future”. Warum es mir so ging, erzähle ich euch hier.
Samstag stand für mich der Long Run auf dem Plan. 30 km mindestens fürs Marathon-Training. Meine Freundin Sam, mit der ich bei unseren Long Runs gern zusammen leide, schlug mir vor, mal das Halbmarathon-Training des Nike Run Club (NRC) auszuprobieren. 15 km sollte das Training umfassen, die restlichen 12-15 wollten wir dann vom Hackeschen Markt zusammen nach Hause laufen. Ich stehe neuen Dingen immer sehr aufgeschlossen gegenüber, also sagte ich zu.
Über die Website des NRC konnte ich mir völlig unproblematisch einen Platz fürs Training reservieren. Die Reservierungen werden allerdings erst kurzfristig freigeschaltet (2 bis 7 Tage vor dem Event).
Um 8:30 Uhr schälte ich mich am Samstag aus dem Bett und machte mich in voller Laufmontur auf den Weg zum Hackeschen Markt.
Organisatorisches
Laut Plan sollte das Training um 10.28 Uhr losgehen. Aha, wer macht denn solch krumme Zeiten? Na gut, jeder hat seine Eigenheiten. Doof nur, dass die Teilnehmer eine halbe Stunde vorher da sein sollen, die Filiale aber erst um 10 Uhr aufmacht und nicht um 9.58 Uhr. Diese Vorlage musste ich jetzt einfach aufgreifen!
Zur Ladenöffnung waren nur ein paar Leute da. Gut für uns, denn somit waren wir ohne Schlangestehen mit der Gepäckabgabe (kleiner Rucksack mit Jacke) und Ausgabe der Pace-Bänder durch. Zur Auswahl standen drei verschiedene Pace-Gruppen: 4:45, 5:30 und 6:30, wobei die letztere charmanterweise als SexyPace bezeichnet wird und ein rosa Bändchen bekommt.
Je näher die Startzeit rückte, desto voller wurde der Laden. Und als um 10:28 Uhr noch immer nicht alle ihre Bändchen hatten, war wohl klar, dass es später losgehen würde. Coach Falko, den ich schon vom Garmin-Training “Garmin for runners” in 2014 kannte, begrüßte alle Teilnehmer und gab letzte Instruktionen.
Wir waren zwar gut eine viertel Stunde zu spät dran, aber Zeit für ein Gruppenfoto der durchaus beindruckenden Teilnehmeranzahl war noch drin.
Dann begann sich das Teilnehmerfeld in Bewegung zu setzen. Die unterschiedlichen Pace-Gruppen würden alle dieselbe Strecke laufen, daher waren wir am Anfang alle noch dicht beieinander. Und wenn an die 100 Läufer gleichzeitig durch die Touristenhochburg Hackescher Markt/Alexanderplatz am Samstag morgen zur Geschäftsöffnungszeit wollen, kann das schon mal ein kleines Verkehrshindernis bedeuten.
Ein Pacer stellte mir, aber wohl eher sich selbst angesichts dieser Tatsache die Frage, ob man denn vielleicht doch so eine Veranstaltung anmelden müsse. Ich versuchte ihm in Grundzügen meine Erkenntnisse aus der Recherche bezüglich der Mammutmarsch-Trainings zu erläutern. So ganz wollte er aber nicht glauben, dass eine Gruppe laut Rechtsprechung schon bei 7 Personen beginnt.
Und so blieben wir auf den ersten Kilometern oft an solchen Stellen stehen, von denen es in der Innenstadt nur so wimmelt: Ampeln. Gern auch mehrstufig an einer Kreuzung. Das führte zum einen schon mal zu einer Trennung der Gruppen, die es über die Ampelphasen geschafft hatten und denen, die zurück geblieben waren. Zum anderen kam man aber auch nicht richtig in den “Fluss”. So richtig rund lief es dann nach knapp 4 km, als wir bereits am Volkspark Friedrichshain vorbei waren.
Bald trennten sich auch die paar Läufer, die heute nur 12 statt 15 km laufen wollten. Sam und ich stellten mit erschrecken fest, dass wir gerade erst 5 km gelaufen waren, aber trotzdem schon mit der Zunge halb über den Boden schleiften. Das Stop & Go am Anfang war schon recht anstrengend gewesen. Zudem stellten wir fest, dass wir von einer 6:30er Pace weit entfernt waren. Wir waren deutlich schneller. Weil wir aber noch 15 km mehr als alle anderen vor uns hatten, versuchten wir uns an die 6:30er Pace zu halten. Mit dem Effekt, dass wir ganz hinten waren.
Die Pacer führten uns durch den Volkspark Prenzlauer Berg, in dem ich noch nie zuvor gewesen war. Nebenbei gesagt: schönes Stückchen Berlin! Weiter ging es durch Kleingartensiedlungen und plötzlich fand ich mich am Sportforum Weißensee wieder. Düstere Zeiten kamen in mir hoch. Wieviele Runden hatte ich vor (sind es wirklich schon) 25 Jahren hier gedreht, um noch ein paar hundert Gramm Körpergewicht zu verlieren. Das alles, um noch in die untere Gewichtsklasse bei den Berliner Meisterschaften beim Judo zu kommen. Damals war Laufen für mich nur Mittel zum Zweck. Heute genieße ich es. Naja, vielleicht nicht genau an diesem Tag!
Auf dem Rückweg merkten wir bei unserer zweiten Pacerin, die die Gruppe begleitete an, dass das Tempo vorne viel zu schnell sei. Dass wir eigentlich gedacht hätten, wenn 6:30 angesagt wird, wird 6:30 gelaufen. Nun ist aber so eine Horde euphorischer, sich auf den Trainingshöhepunkt befindender Läufer schlimmer als ein Flohzirkus. Und der macht es den Pacern schwer, das Tempo zu zügeln. Klar, das hatte ich auch schon bei den Mammut-Trainings gemerkt. Es gibt immer welche die schneller wollen. Die lasse ich auch, aber dann müssen sie die Strecke eben notfalls kennen und sich absplitten. Hier gaben aber ganz klar die vorderen Läufer die Pace vor. Wäre ich nur die 15 km gelaufen, hätte mir das wahrscheinlich nicht so viel ausgemacht. Angesichts der geplanten 30 hatten wir uns aber darauf verlassen, dass das Tempo gehalten wird.
Zumindest waren wir dankbar, dass die Pacerin uns sechs Schnecken mit Sexypace begleitete. Am Velodrom mussten die Schnelleren dann eben mit dem Gruppenfoto auf uns warten.
Schnell eine sportliche Pose eingenommen und flink ging es oberhalb des Velodroms weiter.
Auch nach der kurzen Pause waren die Vorderen schon ganz schnell wieder weit weg. Von wegen 6:30er Pace! Egal, wir hielten am Tempo fest und die Pacerin redete uns gut zu, erklärte uns noch einmal, wie schwierig das sei, die stürmende Menge im Zaum zu halten. Es gäbe immer welche, die sich unterschätzen. Eine Mitläuferin erzählte zudem, dass es schon weit besser geworden sei im Gegensatz zu den Anfängen vor ein paar Jahren. Ich glaubte das mal.
Der Alexanderplatz und die Straßen rund um den Hackeschen Markt waren jetzt gegen 12:30 Uhr prall gefüllt mit Touristen und Shoppingwütigen. Die hatten teilweise überhaupt kein Verständnis für uns Läufer, so dass man das eine oder andere Mal einfach angerempelt wurde, zumindest aber Slalom angesagt war.
Wir letzten Läuferchen trafen ein, als andere anderen mit ihrem Stretching quasi schon durch waren. Durch war ich allerdings auch. Ich hatte viel zu wenig am Morgen getrunken und freute mich aufs Wasser. Leider war auch das fast alle und so füllte ich mir meine Softflask auf der Toilette und wir machten uns zu zweit auf zu den letzten Kilometern.
Uns war schon beim Aufbrechen klar, dass es wohl nicht die angepeilten 27 bzw. 30 Km werden würden. Viel zu fertig waren wir dafür schon. Wir widerstanden der Verlockung, am Potsdamer Platz einfach in die Bahn zu steigen und quälten uns immerhin noch bis Südkreuz weiter. Dort war aber nach 22 km Schluss. Mehr wollten unsere Beine uns nicht zubillligen.
Fazit
Wer sich gerade im Halbmarathon-Training befindet und sich nicht unbedingt an eine feste Pace klammert, der ist bei dem Training sicher gut aufgehoben. Man sollte auch ein wenig stadtaffin sein und sich nicht an Ampeln stören. Wer die Ruhe des Waldes sucht, ist hier falsch. Man trifft viele Gleichgesinnte und lernt neue Stadtteile kennen. Zum After-Run-Shoppen lädt die Nike-Filiale am Hackeschen Markt auf alle Fälle ein. Die Pacer sind bemüht und wirklich nett.
Für den Zweck, den wir uns ausgesucht hatten, nämlich das NRC-Training als Basis für den LongRun zu nehmen, ist es m. E. nicht geeignet. Die Pace ist zu unbeständig bzw. zu schnell – für mein Marathon-Training erst recht. Außerdem wird man in der Pause, die für alle anderen der Schluss ist, unnötig kalt. Aber man läuft ja auch nicht gleich weiter. Man stretcht, holt seine Sachen, trinkt noch etwas, geht auf Toilette.
Für eine Tempoeinheit im Marathon-Training… ja. Das würde ich ggf. noch als sinnvoll erachten. Ich, die aber viel lieber im Wald als im Touri-Gebiet läuft, warte dann doch besser auf ein Training, das im Grunewald stattfindet.
Probiert’s aus! Schreibt mir Eure Erfahrungen!
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schade, dass es immer noch so ist:-(
Sie haben sich ja durchaus Mühe gegeben. Vielleicht wäre es ein Ansatz, gleich bei der Online-Reservierung die Pace abzufragen. So wissen sie zumindest schon im Voraus die Gruppengröße. Und schön war ja auch, dass die Pacerin dann am Ende bei uns blieb. Dennoch hat man die Pacer ja eigentlich, damit sie die Pace bestimmen!
Ach ja, das kenne ich auch noch von den NRC-Läufen. Die kann man dann auch eher unter Fahrtspiel packen als lang+langsam 😉
Fahrtspiel passt! Möchte ja dann nicht wissen, wie die Intervalleinheiten bei denen aussehen. Da seh ich dann wahrscheinlich nur noch ne Staubwolke 🙂
Ich war ja auch dabei….15km in der Gruppe und 5.5 km ohne Gruppe davor angehängt. Mir war gar nicht so bewusst dass wir schneller waren als geplant da och selber aktuell nich nicht nach pace laufe.Für mich war es der längste lauf (bisher 18 km) bei der Vorbereitung auf Halbmarathon. Mir persönlich hat es gut gefallen…an dem Tag das richtige Tempo und die Strecke …und das Wetter!….klar… vergleichen mit Waldlauf kann man es nicht. Ich persönlich werde nochmal hingehen wenn ich merke dass ich mich für einen Longrun/Halbmarathon schlecht motivieren kann. ….und natürlich war es auch schön Doch mal wieder zu sehen. Liebe grüsse
Ja, toll, wo man sich inzwischen überall wiedertrifft 🙂 Fand ich auch schön!
Ach, wenn ich auch “nur” die 18 vorgehabt hätte, wäre es wahrscheinlich auch gegangen. Aber ich war im Nachhinein schon ein wenig böse, dass ich nicht die 30 geschafft hab, wie ich es geplant hatte. Für nen langen Tempolauf ist die Einheit sicher genau richtig. Für Halbmarathon erst recht. 😉 Aber nicht für nen langsamen Marathon
Ich laufe seit fast einem Jahr mit dem NRC. Mir tut es gut, mal nicht immer nur nach angegebener Pace zu laufen. So verlässt man seine Komfortzone und geht auch mal über seine Grenzen- und ich bin tatsächlich um einiges besser geworden in diesem einen Jahr.
Das freut mich für Dich, liebe Yvonne. Natürlich ist es schön, dass das Konzept soviel Anklang findet. Überhaupt, dass so etwas angeboten wird, ist toll. Wenn ich schneller werden will, wer weiß, dann trau ich mich sicher auch mal wieder dorthin. Aber erstmal zählt, den Marathon durchzulaufen.
Da hast du recht. Für Halbmarathon war es gut…für Marathon zu schnell
War ja aber auch nicht als Marathontraining angepriesen… also selbst schuld… ich 🙂
Servus Carola,
vielen Dank für diesen Bericht. Da ich sowieso zu weit weg wohne, werde ich da wohl auch nicht teilnehmen. Allerdings gibt es diese Art hier in München auch und habe mich bisher immer davor gescheut. Es soll Menschen geben, die beim Laufen diese Geselligkeit brauchen, um eben den Hintern hoch zu bekommen. Ich bin aber auch eher der Waldläufer, mit Ruhe, eigenem Tempo und eigenem Plan. Daher werde ich diese Erfahrungen wohl nicht machen 😉 Weiterhin viel Spaß im Training!
Servus 🙂
ich habe ganz gerne mal Gesellschaft, aber meist reichen mir dann 1-2 Personen. Und auch nicht immer. Manchmal tuen es auch Wildschweine, Rehe, Enten und sonstiges Getier, um das Bedürfnis nach Geselligkeit zu befriedigen. Von daher schön, dass Du dir mit meinem Bericht einen kleinen Eindruck verschaffen konntest. Viel Erfolg wünsche ich dir im Training!
Hallo,
Na da hast du dir viel vorgenommen,schade das es nicht geklappt hat, aber du bist ja nicht ganz allein gewesen 🙂 Ich kenne die Läufer(Pace) von Plänterwaldlauf,ziemlich grosse und laute Truppe,mit ihrem Ghettoblaster , hört man sie schon vom Weiten 🙂 Aber warum nicht,sie sind ja noch jung und wild. Falko, den hatte ich auch beim Garminlauftreff und da ging es ruhiger zur Sache.
Mit sportlichen Gruss
Marcus
Manche Dinge muss man halt einfach mal ausprobieren 😉
Was ich vom Ghettoblaster halten sollte, wusste ich auch nicht so genau. Auf der einen Seite fand ich es ganz witzig mit musikalischer Untermalung. Aber wenn man sich mit der Pacerin unterhalten wollte, die den bei sich trug, war das Geplärre doch ziemlich störend. Vielleicht bin ich auch schon zu alt dafür 😉