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Frühes Aufstehen lohnt sich. Denn wer sich am dritten Tag des Fjällräven Classic gegen halb acht aus seinem Zelt schälte, wurde Zeuge eines wunderbaren Naturschauspiels. Eine Herde aus über 100 Rentieren (wer Zeit hat, kann auf dem Bild genau nachzählen) zog in einiger Entfernung am anderen Flussufer gen Norden und bescherte uns einen Anblick, wie man ihn wohl nur in den Weiten Lapplands erwarten kann. Warme Sonnenstrahlen und eine Rentierherde zum morgendlichen Instant-Kaffee… was kann es schöneres geben?
Unserer selbstauferlegten Disziplin folgend brechen wir um 9 Uhr mit Sack und Pack Richtung Sälka, unserem nächsten Checkpoint auf. Der sollte etwa 9-10 Kilometer entfernt sein und eine Sauna für die Teilnehmer bereithalten. Vier von uns wollen diesem heiß-fröhlichen Vergnügen für ein paar Stunden frönen und richten uns bereits auf einen sehr langen Wandertag ein, denn die anderen fünf wollen indes schon weiterziehen und es geht ja heute auch noch über den Pass. Pläne werden geschmiedet, wie wir uns dann am Abend wieder zusammenfinden wollen, denn der Trennungsschmerz wäre heute noch zu groß. Das Wetter meint es heute wieder gut mit uns und lässt die Sonne vom Himmel strahlen. Das Türkisblau der Flüsse und Wasserfälle, die wir immer wieder überqueren, kommt besonders schön zur Geltung und lässt uns immer mal wieder staunend innehalten.
Was sind wir heute schnell
Zu unserer aller Überraschung kommen nach schon 6,5 km ein paar Häuschen in Sichtweite. Da kann doch nicht schon Sälka sein? Doch, da steht ein blaues Checkpoint-Zelt in der Mitte. Und so sammeln wir bereits um 11:50 Uhr unseren nächsten Stempel und Nachschub an gefriergetrocknetem Futter ein. Das Saunahäuschen steht etwas weiter unten direkt am Fluss, in dem man sich nach dem Saunagang abkühlen kann. Voller Vorfreude hüpfen wir Richtung Sauna… um dann mit hängendem Kopf wieder zur Gruppe zurück zu kehren. Sauna gibt es erst ab 16 Uhr. So lange wollen wir dann doch nicht warten. In Alesjaure, dem übernächsten Checkpoint gibt es ja auch nochmal eine Gelegenheit auf Sauna und so können wir zu neunt noch länger weiterziehen. Zumindest statte ich aber noch schnell einem meiner liebgewonnenen Toilettenzelte einen Besuch ab. Dass diese gegenüber fest installierten Toilettenhäuschen wegen der guten Luft durchaus zu bevorzugen sind, habe ich schon in Singi festgestellt. Darin befindet sich ein kleines Plastikklo mit einem integrierten Urinseparator. Was für ein schönes Wort. Letztlich hängt in einer Klobrille eine Plastiktüte für „hinten“ und ein Trichter für „vorne“. Klopapier gibt’s vom Stock. Spartanisch, aber gut.
Der heutige Tag ist mein persönliches landschaftliches Highlight. Wir wandern durch das grüne Valley, rechts und links erheben sich majestätisch die Berge schwedisch Lapplands. Ein paar Kilometer weiter finden wir uns an einem kleinen See wieder, in dem eine Möwe dekorativ auf einem Stein hockt und uns scheinbar fasziniert zuschaut. Wiesen mit knallgelben Sumpfdotterblumen und kleinen Tümpeln säumen unseren Weg und links begleitet uns ein mächtiger rauschender Fluss durchs Tal.
Unsere Mittagspause verbringen wir am Fuße eines kleinen Hügels und direkt in Flussnähe. Während die Gaskocher angeschmissen werden, suche ich erstmal meine noch nassen Klamotten raus. Für die 10 Tage Trekking habe ich je zwei Paar Socken und zweimal Unterwäsche dabei, die täglich gewechselt und gewaschen wird. Irgendwie muss der Kram ja trocken werden und so hängt mein Höschen dann eben beim Mittagessen zwischen den Trekkingstöckern. That´s trail life! Einen schönen Anblick gibt es dafür auf der anderen Flussseite, wo uns ein kleiner Regenbogen quasi ins Land der Gummibärenband verzaubert, so kitschig mutet das an.
Auf zum Höhepunkt
Nach der Mittagspause wartet der gefürchtete Aufstieg zum Tjäktapass, dem höchsten Punkt des Fjällräven Classic, auf uns. Auf dem Höhenprofil unseres Wanderpasses sieht der Anstieg respekteinflößend aus. Bis dorthin geht es noch gemächlich weiter durchs Valley. Während wir uns wieder durch Matschepampe gemixt mit Felsen kämpfen, wird mir immer wärmer und ich ziehe Schicht für Schicht aus.
Aus einiger Entfernung sehen wir gut, wie sich die kleine Kette aus Wanderern den Pass nach oben windet und bald schon stehen wir selbst am Fuße der Bergschneise, die es zu überwinden gilt. Ich latsche allen voran locker flockig die Höhenmeter entlang. Irgendwie habe ich gerade Energieüberschuss. Außerdem will ich den anstrengenden Aufstieg schnell hinter mich bringen. Ich latsche und latsche… und plötzlich bin ich schon fast oben. Am Meditationsplatz lasse ich meinen Rucksack fallen und nutze die Gelegenheit, den unglaublichen Ausblick über das zurückgelegte Valley zu fotografieren. Unsere vierpfotigen Begleiter sind wenig begeistert, den Aufstieg an der Leine zurücklegen zu müssen. Da ich schon mal oben stehe, werden die Hundis einfach losgelassen und fetzen den Berg hoch… um sich dann von Janine und mir einfangen zu lassen. So geht Hundebergtransport!
Ein paar Höhenmeter sind es noch, dann sehen wir die Schutzhütte am Tjäktapass. Ein fieser Wind weht hier oben, so dass wir uns erstmal auf die Rückseite der Hütte verkrümeln. Der Gipfelwhisky, den ich in kleinen Plastikfläschchen mitgeschleppt habt, ist jetzt endlich fällig und schmeckt hier oben gleich doppelt so gut. Nach einem halberfrorenen Gruppenfoto vor der Schutzhütte stellen wir fest, dass diese sogar offen ist. Warum nicht gleich so? Hier drin ist es gleich viel weniger windig, so dass wir uns nochmal zu einem Foto zusammenrotten. Der höchste Punkt ist damit geschafft. Und gleichzeitig auch schon 75 km des gesamten Treks. Auf einmal ging das doch sehr schnell.
Zeltplatzsuche par excellence
Lange halten wir uns nicht am Pass auf, denn der Wind ist zum einen eisig, die Zeit vorangeschritten und wir müssen ja auch noch einen Zeltplatz finden. Gemäß der Streckenbeschreibung braucht es nach dem Pass dafür einige Kilometer, da dahinter erstmal eine lange Steinwüste folgt. Und die Streckenbeschreibung hat recht. Wo man hinblickt: Steine! Nun, ich liebe Steine. Aber zeltbar ist diese Gegend hier nicht.
Wir wandern und wandern bis es schon richtig spät ist und wir einiges an Kilometern hinter uns gebracht haben. Jetzt endlich einen Zeltplatz zu finden, wäre klasse. Jeder potentiell schöne Platz wird bei näherem Begutachten jedoch wieder verworfen. Der Wind weht überall einfach zu heftig. Also geht es weiter. In der Ferne erblicken wir nun auch schon den nächsten Checkpoint, Tjäktja, und beschließen, mangels gutem Zeltplatz, dort in der Nähe nach einem passenden Platz zu suchen.
Am Checkpoint gibt es zum Stempel noch herrlich heißen Kaffee und die großartigsten Brownies der Welt. Auf einmal zerstreut sich die Gruppe. Zwei wandern in die eine Richtung zur Zeltplatzsuche, zwei in eine andere. Bei Gruppen bekommen aber von der Suche der jeweils anderen jedoch nichts mit, so dass der Rest erstmal verdutzt im Gras sitzt, seine Brownies isst und wartet, was passiert. Während Gruppe 1 nach gefühlter Ewigkeit wieder zurückkommt und uns einen nicht ganz so windigen Platz für die Nacht zeigt, bleibt Gruppe 2 verschwunden. Erst ein Suchtrupp in Form von Steve holt die beiden wieder zurück. Ralf sieht´s gelassen, während Martin über die mangelnde Abstimmung schimpft und meint, er hätte den perfekten Platz ganz hinten am Horizont gefunden. Da schon alle Zelte aufgebaut sind, bleiben wir beim Platz mit reduzierter Qualität.
In einer Senke finden wir uns für allabendliche Real Turmat-Essen vom Gaskocher ein. Mir ist schon wieder so kalt, dass ich mich fast komplett in meinen Schlafsack kuschele und gefüttert werden muss. Ralf tut es mir gleich und so sitzen wir wie die Raupen mit den anderen beim Essen. Alt wird heute keiner von uns, denn der Tag war schön, aber sehr anstrengend. Nachdem die letzten Sonnenstrahlen hinter den Bergen verschwunden sind, tun wir es ihnen gleich und verschwinden in den Zelten mit dem Wissen: morgen steht tatsächlich eine Trennung bevor.
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Hi Carola,
super Beitrag über den heurigen FC. Wir (d.h. meine Tochter und ich) sind am SA um 9:00 gestartet. Deine tollen Bilder darf ich ihr nicht zeigen, da sie auf der Tour immer ein Rentier sehen wollte, wir aber NIE eines gesichtet haben — und ihr hattet gleich alle verfügbaren Tiere direkt vor der Nase und Linse.
Nur eine Kleinigkeit, der Tjäktapass liegt doch — zumindest nach meiner Streckenzählung — nicht erst bei 75km, sondern eher ziemlich in der Mitte …?
Toller Bericht, der lässt gleich nochmal fühlen wie es war 🙂