Tag Archives: Trekking

4.500 Kilometer Wildnis – der PCT steht an

Als ich vor rund zweieinhalb Jahren abwägen musste, ob ich es mir leisten kann, eine weitere Auszeit für 2021 zu nehmen oder doch besser auf ein Jahr später zu vertagen, da wäre eine Glaskugel nicht schlecht gewesen. Ich hätte eine mehr als zwei Jahre andauernde Pandemie gesehen.  Continue reading

[:de]April, April: Hüttensaison-Einläutung im Elbsandsteingebirge[:]

[:de]Das erste Mal die neue Isomatte aufpusten.

Zum ersten Mal Trekkingstöcke benutzen.

Erstmals den Gaskocher anfeuern und das erste Trekkingessen genießen.

Die ersten Liter Flusswasser filtern und die erste Nacht in einer Hütte.

Lang, lang ist es her, dass ich all das zum ersten Mal gemacht habe. Umso mehr freue ich mich, wenn mich jemand begleitet, der alle diese Dinge noch vor sich hat. Am letzten Wochenende ist mir eine gute Freundin pünktlich zum Start der Trekkingsaison ins Elbsandsteingebirge gefolgt und hat sich auf das kleine Abenteuer rund um die gemütlichen Trekkinghütten und malerischen Tafelberge eingelassen. 

Tag 1: Vom Feierabend direkt nach Kleinhennersdorf

Kaum sind die Hütten und Biwakplätze entlang des Forststeigs eröffnet, bin ich auch schon wieder im Elbsandsteingebirge. Diesmal mit dabei: die liebe Ivette. Freitag nach der Arbeit sausen wir mit dem Auto nach Kleinhennersdorf und schlappen los. Ob wir unser Zelt am Biwakplatz aufschlagen oder lieber doch in eine der gemütlichen Hütten einkehren, wollen wir spontan entscheiden.

Der angeblich stundenlange Schneefall hat sich leider nicht bemerkbar gemacht. Zwar liegen hier und da Krümel rum, aber die erhoffte Neuschneedecke liegt anscheinend woanders. Die Microspikes bleiben daher im Auto. Angesichts des doch netten Wetters nehmen wir den Kleinen Zschirnstein mit Aussicht mit und schlagen dann aber den Weg Richtung Haselmausbaude ein. Es ist doch ziemlich frisch und ein warmer Kamin überzeugt dann doch. 

 
 

Durch den Wildbretkeller geht’s also zum Krippenbach, wo wir ordentlich Wasser auffüllen. Als wir um die Ecke biegen, sehen wir schon Rauch aus der Haselmausbaude aufsteigen. Ein freundlichen Pärchen öffnet uns die Tür zur schon vorgewärmten Hütte. Nach einem köstlichen Trekkingessen und süffigem Tee breiten wir unsere Schlafsäcke auf dem Dachboden aus, der gefühlt 15 Grad kälter ist als der Kaminraum. Gute Nacht.

 
 

Tag 2: Von Hütte zu Hütte, von Stein zu Stein

Ein erster Kaffee im Schlafsack und ein gemütlich knisternder Kamin eine Etage tiefer – so kann ein Morgen beginnen. So gemütlich, dass wir erst kurz nach 10 Uhr aufbrechen. Auch heute haben wir unsere Tour schon wieder umgeplant. Zur Steinsammlung soll der Pfaffenstein, Spitzstein und Katzstein kommen. Nebenbei will ich mir mal den recht neuen Biwakplatz am Quirl anschauen.

 
 

Das Wetter schickt sich an, deutlich schöner zu werden, als die pessimistischen Wetterfrösche es vorhersagten. Finden wir gut, denn wie immer sind so weniger Menschen unterwegs. Zumindest bis zum Pfaffenstein. Da treffen sich heute anscheinend alle Touristen, so dass wir ein Päuschen vor der noch geschlossenen Berggaststätte einlegen, schauen, ob die Barbarine noch steht und dann weiter ziehen.

 

 

Am Mäuseborn vorbei steigen wir noch einmal hoch zum Katzstein. Warum nur liegen Katz und Maus hier so dicht beeinander? Wie dem auch sei, die Aussicht samt Katzenskulptur sind wie immer den Aufstieg wert. 

 

 

Von hier ist es nur noch ein Katzensprung (…) zur Rotsteinhütte, die heute unser Nachtquartier sein wird. Während wir Holz fürs Feuer hacken, kommt der nette Hüttenbetreuer vom Sachsenforst vorbei und weist mir den Weg zur Quelle: „Da im Grünen. Quasi bei der ersten Fichte.“ So weit, so ungenau. Und so suche ich erst auch an der völlig falschen Stelle, komme aber am Ende mit sechs Litern frischem Quellwasser zurück. Die wollen natürlich erstmal gefiltert werden, und so rühren wir rhythmisch mit dem UV-Filter in der Flasche herum.

 
 

Gegen 18.30 Uhr ziehen drei Mädels in die nun schon von uns vorgewärmte Hütte. Viel zu sagen haben sie uns nicht. Das liegt vielleicht auch daran, dass pünktlich zu ihrem Erscheinen unser Glühwein im Ofen überkocht und spontan den Rauchmelder auslöst. Der erste Eindruck und so…

 

Tag 3: Bergspätzle auf Sächsisch zum Wintereinbruch

Der letzte Morgen wird aus durch einen wunderschönen Sonnenaufgang versüßt. Klirrend kalt ist es dennoch, so dass es einige Kilometer dauert, bis meine Hände nach einem recht frühen Aufbruch mal auftauen.  

 

 

Über das schöne Cunnersdorf, dass sich anscheinend für Ostern nochmal richtig aufgeputzt hat, geht es schnurstracks Richtung Gohrisch. Unsere drei deutlich jüngeren Mitübernachterinnen, die schon eine halbe Stunde vor uns aufgebrochen sind, holen wir ziemlich bald ein. Am Eichhörnleweg geht’s weiter und bald ächzen wir die unzähligen Stufen zum Gohrisch hoch. Windig ist’s, aber noch sonnig und der Ausblick wie immer atemberaubend. Damit haben wir auch richtig Glück, denn es scheinen die letzten Sonnenstrahlen des Tages zu sein.

Nur einen Tafelberg weiter gönnen wir uns zünftige Bergspätzle, Nudeln, Tee und ein Radler. Draußen fängt es ganz allmählich an zu schneien. Zwei Kilometer sind es nur zum Auto. Die brauche ich auch, denn das doch recht üppige Essen liegt mir schwer im Magen. Und die Kohlensäure des Radlers weiß auch nicht, wohin mit sich. Ich lerne wohl nie dazu.

 

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[:de]Vom Elbsandsteingebirge auf den OP-Tisch[:]

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Mitte Juni ging es nochmal auf ein vorerst letztes kleines Abenteuer ins Elbsandsteingebirge. Die zwei Jahre alten Trekkingtickets wollten schließlich endlich mal eingelöst werden. Und so starteten wir am Freitag um 19.30 Uhr in Königstein, übernachteten auf dem recht neuen Trekkingplatz Nikolsdorf und zogen dann weiter zum Taubenteich. In der coolen Biwakschachtel hatten wir eine äußerst gemütliche Nacht und einen klasse Abend am Lagerfeuer, das nur dort erlaubt ist. Sonntag ging es wieder zurück in die Heimat.

 
 

 

Die Touren zum Nachwandern findet ihr hier:

 
Vom S-Bahnhof Königstein zum Biwakplatz Nikolsdorf
Vom Biwakplatz Nikolsdorf zum Biwakplatz Taubenteich
Vom Biwakplatz Taubenteich nach Bad Schandau 
 

Warum ein vorerst letztes Abenteuer? Vor ein paar Wochen hatte ich starke Schmerzen im Knie. Das MRT brachte einen Meniskusanriss und schlimmer noch eine Reruptur meines vor 18 Jahren (falsch) reparierten Kreuzbands hervor. Der Doc sagte: „In Ihrem Alter und bei dem, was Sie noch vorhaben, lohnt sich ne OP noch“.

Leider ist eine erneute Kreuzbandplastik um ein Vielfaches komplizierter als die erste. Die Bohrkanäle müssen erstmal zugespachtelt werden, dann Krücken und Reha. Erst nach rund vier Monaten kann dann das Kreuzband gemacht werden. Dann erneut Krücken, eine Schiene und Reha. 2020 ist so ein Jahr, das sollte ich aus dem Kalender streichen.

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[:de]Endlich wieder Neuigkeiten![:]

[:de]Über drei Monate kein neuer Post! Das gab’s ja hier noch nie. Stimmt. Aber nicht, weil der Blog hier auf einmal einschläft. Ganz im Gegenteil. Jetzt geht es erst richtig los. Jetzt, da die technischen Schwierigkeiten keine mehr sind.

Vier Monate war ich nun im amerikanischen Backcountry unterwegs. Zwei davon auf dem Arizona Trail. Meine Bemühungen, regelmäßig Blogbeiträge hier zu veröffentlichen, scheiterte immer wieder an der meist nur rudimentär vorhandenen Bandbreite des WLANs in Motel, die ich auch nur alle paar Tage mal zu Gesicht bekam. Mobiles Internet hatte ich nicht und die WLAN-Verbindungen waren so schwach, dass meine App sich schlichtweg weigerte, Blogbeiträge hochzuladen. Um einigermaßen die Qualität meiner Beiträge aufrecht zu erhalten, entschloss ich mich daher Anfang April, vorerst auf die Veröffentlichung zu verzichten und hauptsächlich Facebook und Instagram zu nutzen, um euch einigermaßen auf dem Laufenden zu halten. Da funktionierte zumindest besser als über den Blog.

Nun, da ich wieder in der Zivilisation angekommen bin, wird es nach und nach die Aufbereitung meines Arizona Trail-Abenteuers geben, auf welches ich so lange hin gearbeitet hatte. Blut und Schweiß sind geflossen. Ob und wie ich an der Grenze Utahs angekommen bin? Das lest ihr in den nächsten Wochen. Vorab gibt es schon einmal Part 1 bis 3, der Rest wird nach und nach veröffentlicht. Zudem gibt es jede Menge Videomaterial. Ihr dürft euch also auch auf einige Episoden auf YouTube freuen.

Nun aber an die Arbeit. Ich zumindest. 🙂

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[:de]Forststeig Elbsandstein – Wunderschöne Herausforderung [:]

[:de]

„Der Forststeig Elbsandstein ist eine anspruchsvolle Trekkingroute für geübte, trittsichere und gut ausgerüstete Wanderer.“

So wird der über 100 km lange brandneue* Wanderweg auf der ruhigen Seite der Sächsischen Schweiz beworben. Nach vier Tagen auf dem Forststeig kann ich jedes Adjektiv in diesem Satz bestätigen und folgendes hinzufügen: der Forststeig ist eine wunderschöne, abwechslungsreiche Strecke mit einigen Herausforderungen.

Der Sachsenforst hat die Trekkingtour in sieben Tagesetappen zwischen 8,6 km bis 20 km eingeteilt. Da Zeit eine knappe Ressource ist und ich der Meinung war, 25 km pro Tag sollten doch schaffbar sein (der Harzer Hexenstieg ging ja schließlich auch in drei Tagen), plante ich nur vier Tage für den Rundkurs. Ein ambitioniertes Ziel, wie ich feststellen musste. Unter anderem schon deshalb, weil die Trekkinghütten und Biwakplätze am Forststeig nicht ideal verteilt sind.

*  (Eröffnung im April 2018)

Etappe 1 – Goldener Oktober am Forststeig

Mitte Oktober machen Gritta und ich uns an einem Donnerstag Nachmittag auf den Weg ins Elbsandsteingebirge. Nach einer Übernachtung im Nachbarort Krippen stellen wir Freitag morgen das Auto auf dem kostenlosen Park + Ride-Parkplatz am Bahnhof Bad Schandau ab und huschen in die Touristeninformation. Obwohl ich schon sicher bin, dass wir keine Gelegenheit haben werden, in einer der Trekkingunterkünfte zu schlafen, besorgen wir uns je drei Trekkingtickets. Für die Übernachtung in einer der Trekkinghütten oder Biwakplätze müssen bereits vorher gekaufte Trekkingtickets entwertet und in eine Box vor Ort gesteckt werden.

Die S-Bahn bringt uns in 10 Minuten zum Startpunkt in Schöna, wo wir quasi schon auf den Forststeig stolpern. Bunte Herbstfarben, warme Sonnenstrahlen und ein gemäßigter Anstieg. Ein schöner Einstieg in unsere Herbsttour. Da wir aus Berichten wissen, dass die Ausschilderung des Forststeigs nicht immer ganz eindeutig ist, haben wir unsere Telefone bzw. meine GPS-Uhr mit der Route gefüttert, die es auf der Website des Forststeigs herunterzuladen gibt. Wie wir bald feststellen, ist das sehr hilfreich, um zumindest annähernd zu wissen, wo der Weg hingehen soll und dann gezielt nach den gelben Klecksen als Bestätigung zu suchen. Schon nach 5 km stellen wir fest, dass auch die GPS-Route nicht immer der Realität entspricht. Die Kleckse weisen in eine andere Richtung, während unsere Geräte meckern: „Streckenabweichung“.

 

Das hindert uns aber nicht daran, die wunderschöne Natur in vollen Zügen zu genießen. Die Pfade sind bedeckt mit trockenem, raschelnden Laub, durch das ich mit meinen Wanderschuhen lautstark schlurfe. Ich fühle mich auf einmal wieder wie ein Kind im Herbstwald. Auf dem Zschirnstein machen wir eine kurze Snackpause mit der ersten eindrucksvollen Aussicht über die Wälder der Sächsischen Schweiz, bevor es kilometerweit an der deutsch-tschechischen Grenze entlang geht. Immer wieder kreuzen wir dabei kleine Bäche und Quellen, so dass wir unsere Wasservorräte regelmäßig auffüllen können. Wasserfilter gehören also unbedingt in das Gepäck.

 

Aus reiner Neugier schauen wir uns die am Weg liegenden, liebevoll aufbereiteten Biwakplätze und Hütten an. Leider liegen diese alle weit vor unserem heutigen Tagesziel. Am Hühnerberg biegen wir nach Tschechien ab und überschreiten alsbald die Grenze. Der steinige Kammweg führt uns hier wieder ganz weit nach oben. Ein Turm taucht vor uns auf, dazu eine kleine Gaststätte. Aber wir wollen noch ein paar Kilometer machen, bevor die Sonne untergeht.

 

Kurz vor dem Örtchen Sněžník (Schneeberg) biegen wir in einen Waldweg ein und suchen uns ein Plätzchen für die Nacht. Im Landschaftsschutzgebiet Sächsische Schweiz ist zwar das Zelten verboten, das Übernachten im Freien aber grundsätzlich gestattet. Nachdem Hängematte aufgehängt und Cowboycamp hergerichtet sind, genießen Gritta und ich unser warmes Abendessen und den sternenreichen Himmel über uns. Es ist gerade mal 21:00 Uhr, da verschwinden wir schon in den Schlafsäcken. Hiker midnight auch in Tschechien.

Etappe 2 – Wo lang denn jetzt?

Ein heißer Kaffee zum Morgen, Müsli mit Milchpulver und schon geht es um 8 Uhr weiter. Nach etwa 10 Minuten Fußmarsch kommen wir an einer Herberge in Schneeberg vorbei. Der Ort scheint auch nur aus dieser zu bestehen. Kurz danach biegen wir wieder in den Wald ab und wandern nach Ostrov weiter. Gelbe Striche haben wir übrigens seit Überschreiten der Grenze nicht mehr gesehen. Vielmehr muss man jetzt wissen, mit welchem Weg(symbol) der Forststeig parallel verläuft. Die grobe Übersichtskarte, die man kostenlos am Bahnhof erhält, ist hier sehr hilfreich. Auf dem Campingplatz mit Gaststätte dürfen wir die Toilette benutzen, wo wir auch gleich unsere Wasservorräte auffüllen.

 

Durch das Wasser gerade 3 kg schwerer geworden, geht es auch schon wieder in die Berge. Steile Felstreppen,  breite Forststraßen und schmale Pfade bringen uns wieder völlig unbemerkt auf die deutsche Seite. Ganz selten begegnen uns mal Wanderer, die den Weg in die andere Richtung gehen. Ansonsten ist es hier einfach nur herrlich still. Dass wir uns wieder der Zivilisation nähern, merken wir an den ersten auftauchenden Tageswanderern. An der Kamphütte machen wir nach bereits sechs durchwanderten Stunden Pause. Meine Füße schmerzen wie verrückt und mit einem Brombeerstrauch musste ich mich auch noch anlegen. Die Brombeere sah hinterher allerdings besser aus als mein Fuß.

 

Das Rosenthal-Bielatal ist gesäumt von Felsformationen, von denen viele zum Klettern einladen. Genau hierdurch führt uns auch der Forststeig. Am Bielawächter/Johannisturm stehen wir auf einmal vor der Wahl: rechts oder links lang? Hinweise gibt es keine. Wir entscheiden uns für links und klettern, bis der „Weg“ aufhört und wir nur noch vor einer zugewachsenen Böschung stehen. Fuß- und Rutschspuren deuten darauf hin, dass wir nicht die ersten sind, die hier landen. Weiter oben müsste der Weg sein. Also krabbeln und klettern wir durchs Unterholz und landen tatsächlich wieder auf unserem Steig. Es soll ja auch Abenteuer sein.

 

An der Biela fülle ich nochmal mein Wasser auf. Wer weiß, wo wir heute landen? Es geht runter und wieder rauf. Auf der Grenzplatte genießen wir den weiten Ausblick in Richtung Tschechien, unter uns der Ort Ostrov. Eigentlich müssten wir noch ein paar Kilometer schrubben, um die Hälfte der Strecke zur Hälfte der Zeit absolviert zu haben. Nach einigem Hadern geben wir jedoch der Verlockung nach, hier an der Felskante unter freiem Sternenhimmel zu schlafen und schlagen unser Nachtlager auf.

 

Etappe 3 – Die fliegende Isomatte

2 Uhr nachts. Der Wind hat merklich aufgefrischt. Und zwar so sehr, dass ich regelmäßig aufwache, um zu gucken, dass meine Siebensachen noch da sind, die ich auf der Grenzplatte verstreut habe. Zu allem Unglück drückt auch noch die Blase. „Aber wenn ich jetzt aufstehe, hab ich nichts mehr, was meine Isomatte mit Quilt am Boden hält“, denke ich. Ich könnte meinen Rucksack oben drauf legen. An dem baumelt aber mein scheppernder Topf und ich will Gritta nicht wecken. Also suche ich ein paar mutmaßlich schwere Gegenstände und lege sie auf meine Schlafstelle, bevor ich mir ein stilles Örtchen suche.

Nur eine Minute später höre ich einen Schrei „CARO! Dein Bett!“ und sehe meine Isomatte in hohem Bogen an mir vorbei und den Felsen herunter fliegen. Zum Glück weht der Wind „landeinwärts“ über die Grenzplatte, so dass ich nur 4 m nach unten steigen muss und nicht 400, um meine Matte zu bergen. Gritta ist somit wach und ich muss vor Schreck auch nicht mehr pinkeln.

5:45 Uhr morgens. Der Wind hat sich zu einem waschechten Sturm entwickelt. Sobald ich mein Kopfkissen loslasse, fliegt es weg. Für Gritta ist die Nacht zu Ende, sie zieht mit Sack und Pack von der Platte  hinter den Felsen, wo ich meine Isomatte gefangen hatte. Ich versuche noch eine Stunde lang, eine Mütze Schlaf zu kriegen, packe dann aber unter den erschwerten Bedingungen und der aufgehenden Sonne doch auch recht bald meinen Rucksack. Um 7 Uhr brechen wir auf, ohne Frühstück.

Die Biegung der Bäume gibt einen ungefähren Eindruck der Windstärke

52 km Gesamtstrecke liegen noch vor uns. Es ist erstaunlich, wie wenig Tageskilometer man in diesem Terrain schafft. Vor allem, wenn man sich oftmals erstmal orientieren muss und verzweifelt die gelben Kleckse sucht, die manchmal unglücklich unterm Astansatz einer Tanne angebracht sind oder sich im Herbstgold der Blätter verstecken. Oder wenn man sich dreimal um die eigene Achse dreht, weil das GPS wieder eine andere Strecke kennt. Oder wenn der Weg steil die Böschung hochgeht und man merkt: hier soll erst noch ein Weg durch die Forststeigwanderer platt getrampelt werden.

 

Nach gut drei Stunden erreichen wir die Rotsteinhütte, in der wir letzte Nacht wirklich gern geschlafen hätten, aber nicht bereit waren, noch die drei Stunden  im Dunkeln zurück zu legen. Das letzte Stück hierher führt experimentell durch ein Rodungsgebiet. Wir verbringen unser zweites Frühstück hier, bevor es weiter in das Tageswanderungs-Gebiet um den Katzsteinfels geht. Zwischen den gut riechenden Tageswanderern fühlen wir uns schon ein wenig komisch, ernten verständnislose Blicke für unsere riesigen Rucksäcke. Die haben ja keine Ahnung.

 

Am Neuteich hören zwei Typen unsere Diskussion mit an, ob das Wasser aus dem Teich wohl nach Filterung trinkbar ist. Was denen wohl durch den Kopf gegangen sein muss. Das Teichwasser ist wunderbar klar und wird eingepackt.

Als Reststrecke für den morgigen Tag möchte ich etwas unter 25 km übrig haben. Damit kommen wir dem Campingplatz Nikolsdorfer Berg immer näher, den wir aber unbedingt vermeiden wollen. Außerdem wollen wir die Nacht wieder unter freiem Himmel verbringen, vorzugsweise in einer Boofe. Weil uns die Aussicht der ersten Boofe nicht schön genug ist, laufen wir noch weiter bis zum Labyrinth, einer großen Felsgruppe und Spielplatz für jeden Kletterfreund.

 

Nachdem Gritta und ich uns blöderweise ausgerechnet hier getrennt hatten, finden wir uns nach 20 Minuten wieder und machen uns auf die Suche zum Zugang einer Boofe, die ich zwar gefunden, aber von der einen Seite nicht erreicht hatte. Als wir schon aufgeben und uns woanders häuslich einrichten wollen, klettere ich noch einmal um den Felsen herum und da ist sie: die perfekte Boofe mit Blick in den Wald und Uhu-Gehuhu die ganze Nacht über.

 

Etappe 4 – Endspurt

Es fällt uns wahrlich schwer, am Morgen die gemütliche Boofe zu verlassen. Windstille, völlige Ruhe und angenehme Herbsttemperaturen haben uns gut schlafen lassen. Wir hatten diese Luxus-Boofe ganz für uns alleine, was nicht selbstverständlich ist, wenn man sich die Bilder dicht gedrängter Wanderer auf der Nationalparkseite ansieht. Aber 25 km sind heute noch zu gehen und die Heimfahrt anzutreten. Da das am Vortag so gut geklappt hatte, bleibt auch heute die Küche kalt und wir vertagen das Frühstück auf das erste Wiedertreffen mit der Biela und essen auf einem Holzstapel.

 

Heute führen viele lange Abschnitte über Forststraßen. Nach der vielen Abwechslung wird uns schon ein wenig langweilig. Gerade rechtzeitig biegt der Steig mitten ins Dickicht ab und bringt uns steil über einen wohl gerade erst entstehenden Pfad auf dem direkten Weg nach oben zum Quirl. Schnaufen, ächzen, schwitzen. Man soll sich halt nicht beschweren. Wir kommen der Festung Königsstein und dem herausstechenden Pfaffenstein immer näher, umrunden ihn sogar zur Hälfte. Dann geht es auf einen unserer letzten Anstiege. Hoch zum Gohrisch. Hier stehen wir wieder vor der Wahl: rechts oder links, denn gelbe Kleckse finden wir nicht. Die Entscheidung für rechts bringt uns zwar nach oben, von Forststeig-Markierungen ist aber weiterhin nichts zu sehen.

 

Zeit für eine letzte Pause. Mir tun heute schon seit Km 10 die Füße weh. Ich schiebe mir die restlichen Gummibärchen gepaart mit Tornado-Chips und kaltem Kaffee hinein, während ich zum ersten Mal wirklich die große Papierkarte zur Orientierung nutze. Die gibt mir Aufschluss, dass wir vom Gohrisch dem Malerweg folgen müssen. Na klar, muss man halt wissen. Auf dem Gohrisch ist vergleichsweise viel Betrieb. Zwischen ihm und dem benachbarten Papststein befindet sich ein gut besuchter Parkplatz und auf dem Papststein auch noch eine Gaststätte. Kein Wunder, dass es vor Leuten wimmelt.

Einem älteren Ehepaar, das gerade die Treppe herunter kommt und mir versichert, es sei nicht mehr weit, erzähle ich kurz von unseren bereits 94 zurückgelegten Kilometern mit Gepäck.

„Wirklich? Das ist ja toll! Machen Sie das unbedingt weiter.“ Ich glaube, die beiden hätten daran auch viel Spaß gehabt, als sie noch konnten.

 

Die letzten Meter führen uns durch die „Hölle“, eine spektakuläre Schlucht mit einer einladenden Boofe. Es geht immer weiter abwärts bis die Knie glühen. Die Elbe können wir schon durch die Baumwipfel sehen. Bald ist die wunderschöne Abenteuerwanderung zu Ende. 800 m Elberadweg holen uns in die städtische Realität zurück und wir versuchen mit einem großen Softeis aus dem Bahnhof den Schmerz zu lindern, als wir ins Auto steigen.

Aber wisst ihr was? Ich hab da noch diese Trekkingtickets. Die wollen ja auch nochmal gebraucht werden. Auf einer Forststeigwanderung mit 5-6 Tagen. Denn jede Wanderung auch auf demselben Weg ist immer anders!

Meine Packliste, mit allem, was ich dabei hatte, findet ihr hier.

Tipps zu Wasser, Unterkünften, Versorgung und Navigation gibts in diesem Beitrag. Das hätte hier leider den Rahmen gesprengt.

 

 



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[:de]Reiseapotheke ultraleicht – Was kann hinein?[:]

[:de]Es gehört in jeden Wanderruck: das Erste-Hilfe-Set. Ob lang oder kurz, viele Kilometer oder wenig, eintägig oder mehrtägig nehme ich zu jeder Wanderung eine kleine Reiseapotheke. Je nach Ausprägung der Wanderung findet sich jedoch immer ein etwas anderer Inhalt in ihr. In einem meiner Artikel hatte ich schon mal den Inhalt meines Erste-Hilfe-Sets für euch vorgestellt. Es kann und muss nicht immer das Dreieckstuch mit der dicken Schere, hunderter Pflaster und Cremes in einer DIN-A5-großen robusten Erste-Hilfe-Tasche sein.

Gerade für mehrtägige oder sogar mehrwöchige/-monatige Trekkingtouren, bei denen wir Wanderer möglichst leicht unterwegs sein wollen, ist es wichtig, auszusortieren und sich die Frage zu stellen, wie man von der Monster-Apotheke zu einem schlanken Erste-Hilfe-Kit kommt.

Kleinstpackungen

Von vielen Medikamenten, Cremes, Lösungen o. ä.  gibt es Kleinstgrößen zu kaufen. Es ist also nicht notwendig, 100 g Wund- und Heilsalbe und 200 ml Desinfektionslösung mit sich herum zu schleppen. Selbst Tape zum Verbinden von geschundenen Füßen gibt es im Outdoorladen in winzigen Rollen (oder man rollt sich einfach selbst soviel ab, wie man mitnehmen möchte). Kleinstmengen oder Inspirationen, was in eure Reiseapotheke Einzug finden könnte, findet ihr z. B. in schon zusammengestellten Sets im Internet. Für spezielle Flüssigkeiten oder Cremes, für die es keine Kleinstmengen gibt, lohnt es sich, kleine leere Fläschchen oder Döschen zu kaufen und diese dann selbst abzufüllen. Ein Blick lohnt sich hier in die 1-€-Abteilung von Drogerien und Kaufläden. Mini-Gesichtswasserfläschchen eignen sich in der Zweitverwendung prima für das Abfüllen von Kontaktlinsenflüssigkeit und sind in der Regel mit Inhalt sogar noch leichter als das leere Exemplar vom Outdoorausstatter.

Umverpackungen weglassen

Blasenpflaster müssen nicht in der Plastikverpackung mitgenommen werden, die mehr wiegt als die Pflaster selbst. Bei Ebay oder anderen Anbietern im Internet findest du Druckverschlussbeutel in alle möglichen Größen, in denen du deine Medikamente und Pflaster sicher verstauen kannst und die nur ein Bruchteil der ursprünglichen Verpackung wiegen. Ein Mini-Druckverschlussbeutel wiegt gerade mal 1 Gramm. Natürlich kannst du auch die gesamte Reiseapotheke in einem größeren Druckverschlussbeutel mitnehmen. Vorteil neben dem Federgewicht: du sieht immer auf einen Blick, wo sich etwas befindet.

So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich

Wanderst du nur drei Tage oder schickst dir auf einem langen Trekk Versorgungspakete zu? Dann kann das große Blister voller Tabletten getrost auf genau die Anzahl an Tabletten auseinander geschnitten werden, die du für deinen Wanderabschnitt brauchst. Musst du täglich mehrere, gut voneinander unterscheidbare Tabletten zu dir nehmen (z. B. Blutdruck, Verhütung oder ähnliches) lohnt es sich sogar, die Tabletten ganz aus ihrem Blister zu befreien und zusammen in einen kleinen Druckverschlussbeutel zu tun. Das spart wieder ein paar Gramm.

Was ich so mitnehme

Für meinen Arizona-Trail überlege ich mir natürlich ganz genau, was ich (hoffentlich nicht) brauche und was nicht. Von einem klobigen Reiseset bin ich lange weg und wiege jede einzelne Tablette, Pflaster und co. Dass sich die Mühe lohnt, kann man sehen. Mein Erste-Hilfe-Set für etwa 4 Tage (wird alle 4 Tage aufgefüllt) wiegt gerade mal nur noch 44 g! Also ran an die Waage.

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[:de]Fjällräven Classic 2017: Tag 5 – Ein Tag entlang der Veränderungskurve[:]

[:de]Von vorne lesen? Hier geht es zu Tag 1


Erzählt von Martin H.


Nun waren wir nur noch zu viert. Nachdem ein Teil unserer Gruppe sich am Vortag weiter  auf den Weg gemacht hatte, hatten wir es uns noch in der Sauna und im Bistro in der STF Alesjaure gut gehen lassen. Und mit dem Weggang unserer fünf  Begleiter brach der Schlendrian bei uns aus. Nach einem leckeren Frühstück und langsamem Packen im Sonnenschein brachen wir heute erst gegen 12:00 Uhr zum nächsten Checkpoint auf. Drei Stunden später als sonst.

Der Weg führte zunächst durch hüfthohe Büsche zum See Alesjaure hinab und dann an ihm entlang. Hier galt es einige recht breite Flüsse zu überqueren.  Auf der anderen Seite des Ufers konnte man die Sami-Gemeinde Leavas sehen. Die Stimmung war gut und meine linke Ferse noch schmerzfrei.

Nach ein paar Kilometern offenbarte der Blick zurück zum Checkpoint dicke Regenwolken.  Wir waren zur richtigen Zeit aufgebrochen, denn die Regenwolken folgten uns stetig. Jede kleine Pause erinnerte uns an den Regen, den wir im Rücken hatten und lies uns weiterlaufen.

Wassermangel – und das in Schweden!

Der drohende Regen und die Aussicht auf ein leckeres Essen trieben uns voran. Dabei hatte ich meine Ferse immer wieder versucht zu ignorieren und ihr nur kurze Pausen gegönnt. Es ging leicht bergauf und vom See weg. Wir realisierten zu spät, dass uns der See kein Wasser fürs Mittag spenden würde und die Suche nach Flüssen war auch nicht erfolgreich. Am Wegesrand trafen wir immer wieder auf kleine Gruppen, die an windgeschützten Stellen ihr Mittag aßen – sie hatten besser geplant als wir und vorher ihre Wasservorräte aufgefüllt.

Wir zogen immer weiter, bei trockenem, aber sehr windigen Wetter, die Blicke nach rechts und links des Weges gerichtet auf der Suche nach einem Rastplatz und Wasser. Die Stimmung kippte und meine Ferse schmerzte inzwischen stark, da ich ihr Pausen verwehrt hatte.

Erst nach 3:45 h und 12 KM kamen wir zu unserer ersehnten Mittagspause. Wir setzen uns an einen großen Felsbrocken am Wegesrand inmitten der flachen, kargen Landschaft, der ein wenig Schutz vor dem Wind bot. Caro ging noch etwa 200 m weiter, um Wasser für unser Mittag zu holen. Meine Füße schmerzten und die Badelatschen waren eine Wohltat. Der Wind pfiff über den Felsbrocken und wir kauerten uns dahinter. Das Aufbrechen nach der wortarmen Pause fiel mir sehr schwer – aber irgendwann wollten wir ja auch mal ankommen.

Nach der Pause wurde das Gelände unwegsamer. Aber der Blick in die Ferne belohnte für die Mühe. Die Landschaft sah wie schon so oft speziell, aber auf ihre eigene Weise gigantisch aus. Wir sahen links von uns eine weite Steppe und in der Ferne kleine Hütten – Quartiere der samischen Rentierhirten.

In die andere Richtung wurde der See immer kleiner und der Weg führte zum Berg Kartinvare.

Die Beschaffenheit des Weges wurde immer schlechter und meine Ferse meldete sich wieder lautstark pochend in meinem Kopf.  Links der Berg, rechts der gestrüpp-überwucherte Abhang und Wassermangel machten die so sehnsüchtig herbeigewünschte Aussicht auf einen Platz fürs Zelt zunichte. Ich fluchte oft und bewegte mich für den Teil der Strecke im Schneckentempo voran. Rechts und links überholten mich immer wieder andere Wanderer und ich fiel immer mehr zurück. Furchen und Steine im Weg, dazu stellenweise Matsch und rutschige Planken bremsten zusätzlich. Ich schaute immer wieder auf mein GPS – die Meter zum Ziel schrumpften nur sehr langsam. Wir liefen im Schatten des Berges leicht abwärts und hatten noch 200 Höhenmeter Abstieg vor uns. Mit jedem Meter wurden auch die Mücken aktiver und schwirrten in Massen um den Kopf, sobald man stehen blieb.

Wenn der Körper nicht mehr will

Schritt für Schritt voran und endlich aus dem Schatten des Berges ins wärmende Sonnenlicht und das Ziel fast vor Augen. Auf dem letzten Kilometer gab es noch einen ordentlichen Motivationsschub. Wir liefen an den ersten schönen Zeltplätzen vorbei – ohne „Wasseranschluss“ leider ungeeignet.

Es ging immer weiter abwärts. Unten im Tal sahen wir bunte Flecken durch die Bäume – die Zelte am Checkpoint Kieron. Der Blick durch das Teleobjektiv meiner Kamera offenbarte ein emsiges Gewusel im Wald.

Nach etwa hundert weiteren Metern war es geschafft – ein noch leerer wunderschöner Platz auf dem Berg, weit weg vom Trubel in Kieron, eben, mit Feuerstelle und sonnengeflutet. Zwar auch ohne Wasser – aber das holte Martin später aus dem rauschenden Fluss im Tal . Erschöpft und glücklich über den Platz ließen wir die Rucksäcke fallen. Die Zelte waren schnell aufgebaut und Caro hatte inzwischen Unmengen an Holz herangeschafft – und das obwohl es hier kaum Bäume gab.

So saßen wir fröhlich um unser Lagerfeuer – der festen Überzeugung, dass es auch nach Sonnenuntergang um 21:30 noch Wärme spenden wird. Aber weit gefehlt. Mit dem Moment, an dem die Sonne hinter den Bergen verschwand wurde es mit einem Mal so kalt und windig, dass wir alle beschlossen, blitzartig in unseren warmen Schlafsäcken zu verschwinden.

Dieser fünfte Tag war sehr abwechslungsreich und schön – hat mich aber einige Male auch an meine Grenzen gebracht.[:]

[:de]Fjällräven Classic 2017 – Tag 3: Von Höhepunkten und Trennungen[:]

[:de]Von vorne lesen? Hier geht es zu Tag 1


Frühes Aufstehen lohnt sich. Denn wer sich am dritten Tag des Fjällräven Classic gegen halb acht aus seinem Zelt schälte, wurde Zeuge eines wunderbaren Naturschauspiels. Eine Herde aus über 100 Rentieren (wer Zeit hat, kann auf dem Bild genau nachzählen) zog in einiger Entfernung am anderen Flussufer gen Norden und bescherte uns einen Anblick, wie man ihn wohl nur in den Weiten Lapplands erwarten kann. Warme Sonnenstrahlen und eine Rentierherde zum morgendlichen Instant-Kaffee… was kann es schöneres geben?

Unserer selbstauferlegten Disziplin folgend brechen wir um 9 Uhr mit Sack und Pack Richtung Sälka, unserem nächsten Checkpoint auf. Der sollte etwa 9-10 Kilometer entfernt sein und eine Sauna für die Teilnehmer bereithalten. Vier von uns wollen diesem heiß-fröhlichen Vergnügen für ein paar Stunden frönen und richten uns bereits auf einen sehr langen Wandertag ein, denn die anderen fünf wollen indes schon weiterziehen und es geht ja heute auch noch über den Pass. Pläne werden geschmiedet, wie wir uns dann am Abend wieder zusammenfinden wollen, denn der Trennungsschmerz wäre heute noch zu groß. Das Wetter meint es heute wieder gut mit uns und lässt die Sonne vom Himmel strahlen. Das Türkisblau der Flüsse und Wasserfälle, die wir immer wieder überqueren, kommt besonders schön zur Geltung und lässt uns immer mal wieder staunend innehalten.

Was sind wir heute schnell

Zu unserer aller Überraschung kommen nach schon 6,5 km ein paar Häuschen in Sichtweite. Da kann doch nicht schon Sälka sein? Doch, da steht ein blaues Checkpoint-Zelt in der Mitte. Und so sammeln wir bereits um 11:50 Uhr unseren nächsten Stempel und Nachschub an gefriergetrocknetem Futter ein. Das Saunahäuschen steht etwas weiter unten direkt am Fluss, in dem man sich nach dem Saunagang abkühlen kann. Voller Vorfreude hüpfen wir Richtung Sauna… um dann mit hängendem Kopf wieder zur Gruppe zurück zu kehren. Sauna gibt es erst ab 16 Uhr. So lange wollen wir dann doch nicht warten. In Alesjaure, dem übernächsten Checkpoint gibt es ja auch nochmal eine Gelegenheit auf Sauna und so können wir zu neunt noch länger weiterziehen. Zumindest statte ich aber noch schnell einem meiner liebgewonnenen Toilettenzelte einen Besuch ab. Dass diese gegenüber fest installierten Toilettenhäuschen wegen der guten Luft durchaus zu bevorzugen sind, habe ich schon in Singi festgestellt. Darin befindet sich ein kleines Plastikklo mit einem integrierten Urinseparator. Was für ein schönes Wort. Letztlich hängt in einer Klobrille eine Plastiktüte für „hinten“ und ein Trichter für „vorne“. Klopapier gibt’s vom Stock. Spartanisch, aber gut.

Der heutige Tag ist mein persönliches landschaftliches Highlight. Wir wandern durch das grüne Valley, rechts und links erheben sich majestätisch die Berge schwedisch Lapplands. Ein paar Kilometer weiter finden wir uns an einem kleinen See wieder, in dem eine Möwe dekorativ auf einem Stein hockt und uns scheinbar fasziniert zuschaut. Wiesen mit knallgelben Sumpfdotterblumen und kleinen Tümpeln säumen unseren Weg und links begleitet uns ein mächtiger rauschender Fluss durchs Tal.

Unsere Mittagspause verbringen wir am Fuße eines kleinen Hügels und direkt in Flussnähe. Während die Gaskocher angeschmissen werden, suche ich erstmal meine noch nassen Klamotten raus. Für die 10 Tage Trekking habe ich je zwei Paar Socken und zweimal Unterwäsche dabei, die täglich gewechselt und gewaschen wird. Irgendwie muss der Kram ja trocken werden und so hängt mein Höschen dann eben beim Mittagessen zwischen den Trekkingstöckern. That´s trail life! Einen schönen Anblick gibt es dafür auf der anderen Flussseite, wo uns ein kleiner Regenbogen quasi ins Land der Gummibärenband verzaubert, so kitschig mutet das an.

Auf zum Höhepunkt

Nach der Mittagspause wartet der gefürchtete Aufstieg zum Tjäktapass, dem höchsten Punkt des Fjällräven Classic, auf uns. Auf dem Höhenprofil unseres Wanderpasses sieht der Anstieg respekteinflößend aus. Bis dorthin geht es noch gemächlich weiter durchs Valley. Während wir uns wieder durch Matschepampe gemixt mit Felsen kämpfen, wird mir immer wärmer und ich ziehe Schicht für Schicht aus.

Aus einiger Entfernung sehen wir gut, wie sich die kleine Kette aus Wanderern den Pass nach oben windet und bald schon stehen wir selbst am Fuße der Bergschneise, die es zu überwinden gilt. Ich latsche allen voran locker flockig die Höhenmeter entlang. Irgendwie habe ich gerade Energieüberschuss. Außerdem will ich den anstrengenden Aufstieg schnell hinter mich bringen. Ich latsche und latsche… und plötzlich bin ich schon fast oben. Am Meditationsplatz lasse ich meinen Rucksack fallen und nutze die Gelegenheit, den unglaublichen Ausblick über das zurückgelegte Valley zu fotografieren. Unsere vierpfotigen Begleiter sind wenig begeistert, den Aufstieg an der Leine zurücklegen zu müssen. Da ich schon mal oben stehe, werden die Hundis einfach losgelassen und fetzen den Berg hoch… um sich dann von Janine und mir einfangen zu lassen. So geht Hundebergtransport!

Ein paar Höhenmeter sind es noch, dann sehen wir die Schutzhütte am Tjäktapass. Ein fieser Wind weht hier oben, so dass wir uns erstmal auf die Rückseite der Hütte verkrümeln. Der Gipfelwhisky, den ich in kleinen Plastikfläschchen mitgeschleppt habt, ist jetzt endlich fällig und schmeckt hier oben gleich doppelt so gut. Nach einem halberfrorenen Gruppenfoto vor der Schutzhütte stellen wir fest, dass diese sogar offen ist. Warum nicht gleich so? Hier drin ist es gleich viel weniger windig, so dass wir uns nochmal zu einem Foto zusammenrotten. Der höchste Punkt ist damit geschafft. Und gleichzeitig auch schon 75 km des gesamten Treks. Auf einmal ging das doch sehr schnell.

Zeltplatzsuche par excellence

Lange halten wir uns nicht am Pass auf, denn der Wind ist zum einen eisig, die Zeit vorangeschritten und wir müssen ja auch noch einen Zeltplatz finden. Gemäß der Streckenbeschreibung braucht es nach dem Pass dafür einige Kilometer, da dahinter erstmal eine lange Steinwüste folgt. Und die Streckenbeschreibung hat recht. Wo man hinblickt: Steine! Nun, ich liebe Steine. Aber zeltbar ist diese Gegend hier nicht.

Wir wandern und wandern bis es schon richtig spät ist und wir einiges an Kilometern hinter uns gebracht haben. Jetzt endlich einen Zeltplatz zu finden, wäre klasse. Jeder potentiell schöne Platz wird bei näherem Begutachten jedoch wieder verworfen. Der Wind weht überall einfach zu heftig. Also geht es weiter. In der Ferne erblicken wir nun auch schon den nächsten Checkpoint, Tjäktja, und beschließen, mangels gutem Zeltplatz, dort in der Nähe nach einem passenden Platz zu suchen.

Am Checkpoint gibt es zum Stempel noch herrlich heißen Kaffee und die großartigsten Brownies der Welt. Auf einmal zerstreut sich die Gruppe. Zwei wandern in die eine Richtung zur Zeltplatzsuche, zwei in eine andere. Bei Gruppen bekommen aber von der Suche der jeweils anderen jedoch nichts mit, so dass der Rest erstmal verdutzt im Gras sitzt, seine Brownies isst und wartet, was passiert. Während Gruppe 1 nach gefühlter Ewigkeit wieder zurückkommt und uns einen nicht ganz so windigen Platz für die Nacht zeigt, bleibt Gruppe 2 verschwunden. Erst ein Suchtrupp in Form von Steve holt die beiden wieder zurück. Ralf sieht´s gelassen, während Martin über die mangelnde Abstimmung schimpft und meint, er hätte den perfekten Platz ganz hinten am Horizont gefunden. Da schon alle Zelte aufgebaut sind, bleiben wir beim Platz mit reduzierter Qualität.

In einer Senke finden wir uns für allabendliche Real Turmat-Essen vom Gaskocher ein. Mir ist schon wieder so kalt, dass ich mich fast komplett in meinen Schlafsack kuschele und gefüttert werden muss. Ralf tut es mir gleich und so sitzen wir wie die Raupen mit den anderen beim Essen. Alt wird heute keiner von uns, denn der Tag war schön, aber sehr anstrengend. Nachdem die letzten Sonnenstrahlen hinter den Bergen verschwunden sind, tun wir es ihnen gleich und verschwinden in den Zelten mit dem Wissen: morgen steht tatsächlich eine Trennung bevor.

 

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[:de]Fjällräven Classic 2017 – Tag 2: “Rentier im Wald und im Wrap”[:]

[:de]Von vorne lesen? Hier geht es zu Tag 1


4 Uhr nachts. Es ist taghell im Zelt. So ist das eben, wenn man oberhalb des Polarkreises seinen Sommerurlaub verbringt. Da hilft nur eins: Schlafsack über den Kopf ziehen und weiterschlafen. Bis um 7 Uhr, dann hat es sich ausgeschlafen. Beim Blick aus dem Zelt ziehen leichte Nebelschwaden über die grünen Hügel hinweg. Die ersten (oder letzten?) Wanderer mit knallorangem Fjällräven Classic-Wimpel sind schon wieder auf dem Trail unterwegs.

Wir wollen heute gegen 9 Uhr aufbrechen, schließlich haben wir gestern gemerkt, wie wenig Kilometer wir pro Stunde schaffen. Das heißt für uns: länger laufen, also früher los. Das vom Veranstalter gestellte Frühstück besteht aus Fruchtmüsli, das eigentlich heiß aufgegossen werden muss. Ich esse meins lieber kalt und knackig, da kommt der Zimtgeschmack besser heraus.

Vor dem Aufbruch habe ich ein wenig Bammel, denn meine Hüften hatten den Rucksackgurt gestern Abend kaum noch ertragen. Wie soll das nur werden? Beim Aufsetzen merke ich aber: es geht. Es tut gar nicht mehr (so) weh. Es scheint zu stimmen, dass sich der Körper erstmal einen Tag lang an die Last gewöhnen muss.

Rudolph im Wald

Zum Glück ist der erste Checkpoint nicht mehr weit. Kurz, bevor wir dort ankommen, wird unsere Aufmerksamkeit aber von einem anderen Wanderer auf einen Elch gelenkt, der angeblich irgendwo hinten im Unterholz liegen soll. Zwischen Birken und Zelten liegt da tatsächlich auf einer Mini-Lichtung etwas. Es ist aber kein Elch, sondern ein Rentier. Es ist wach und aufmerksam, stört sich aber überhaupt nicht an unserer Gegenwart. Wir machen leise Fotos von dem anmutigen Tier und ziehen uns wieder zurück.

Nach wenigen hundert Metern verlassen wir den Birkenwald und steuern geradewegs auf die Kebnekaise Fjällstation zu, wo wir endlich unseren ersten Stempel für den Wanderpass erhalten. Hier bekomme ich auch mein erstes Stück Kanelbullar – eine schwedische Zimtschnecke. Ich stehe ja auf die Dinger! Wir halten uns hier nur kurz auf, denn weit gekommen sind wir ja noch nicht. Trotzdem eignet sich die Pause, um ein paar Kleidungsschichten abzulegen. Die Sonne ist rausgekommen und es geht bergauf. Schwitzen garantiert.

Vor uns eröffnet sich schönstes Bergpanorama. Immer wieder rätseln wir, welcher Berg wohl der Kebnekaise ist. Der höchste Berg Schwedens. Dessen Besteigung haben wir als Gruppe zumindest für diesen Urlaub ad acta gelegt und freuen uns stattdessen, weiter gemeinsam mit Karsten, Conny und ihren Hunden das Abenteuer zu genießen. Sie wären heute sonst nicht mit uns auf den Berg gekommen und das hätte eine Trennung der Gruppe bedeutet. Stattdessen genießen wir zusammen die herrliche Landschaft und das unerwartet gute Wetter.

Auf Sonnenschein folgt Regen

Wie schnell sich das Wetter ändern kann, merken wir nach unserer zweiten Pause. Der Wind frischt auf, Wolken ziehen ins Tal. Und in dem Moment, wo wir wieder aufbrechen, tun das auch die Wolken. In Windeseile werden Regenjacken an- und Capes übergezogen. Zum Glück sind wir alle gut vorbereitet. Es geht weiter bergauf und der Wind wird richtig eisig. Aber die Zeit ist schon vorangeschritten und der Magen knurrt. Die meisten Hosen sind inzwischen durch den Regen ziemlich durchnässt. Trotz Warnung suchen wir uns einen Platz für die Mittagspause, der mal so richtig windig ist. Zeit, die nassen Klamotten zu tauschen. Trotzdem friere ich mir beim Wasserkochen einen Ast ab und will einfach nur wieder los, mich bewegen.

Nach einigen hundert Metern taue ich wieder auf und bin auch recht flott unterwegs. Heute läuft es besser als gestern. Das trifft aber leider nicht auf alle zu. Conny leidet sehr unter ihrem Rucksack, vor allem den Hüftgurten, so dass sie diese immer mal wieder öffnen muss. Da ich den gleichen Rucksack habe, bin ich froh, dass meine Hüftknochen anscheinend kompatibler dazu sind. Sie kommt damit nur schleppend voran, aber wir warten immer wieder abschnittsweise. Schließlich sind wir ein Team und wollen den Trekk gemeinsam schaffen.

Rentierwrap to go

Den nächsten Checkpoint – Singi – wollen wir heute auch noch mitnehmen. Dass es ihn gibt, treibt mich voran, denn ich muss schon seit einigen Kilometern dringend das schwedische  Essen loswerden. Gefriergetrocknetes Essen haut echt durch. Kaum kommt der Checkpoint in Sicht, fange ich an zu rennen. Es geht nicht mehr anders. Ich überhole alle in meiner Gruppe und noch weitere verdutzte Wanderer, springe über Steine und hüpfe durch den Schlamm. Endlich am Checkpoint angekommen, schmeiße ich nur noch den Rucksack gegen einen Felsen und stürze auf die Toilettenzelte zu. Erleichterung! Und so ein gutes Klima in dem privaten Klozelt.

Langsam trudeln die anderen ein und wir suchen uns ein schönes Plätzchen. Nun kann ich mich auf den zweiten Stempel konzentrieren und eine Portion des leckeren Rentierwraps holen, den es hier in einem Zelt gratis gibt. In dem Wrap ist auf jeden Fall mehr Rentier drin als auf den Rentierburger gestern drauf war. Dazu gibt es Kartoffelbrei und Preiselbeersauce. Die Schweden sind großartig.

Endspurt

Der Regen hat sich verzogen und der Plan steht, heute noch ein paar Kilometer zu schrubben. Einigen ist zwar gar nicht danach, aber was muss, das muss. Aus ein paar Kilometern werden genauer gesagt drei. Nach längerer Findungsphase bauen wir unser Mini-Zeltlager auf einer Anhöhe über einem Fluss auf, damit die Wasserversorgung gesichert ist. Danach werden erstmal die tapferen Hunde versorgt, die genauso erschöpft sind wie Frauchen und Herrchen und gleich nach dem Futter in einen tiefen Schlaf fallen.

Das Wetter belohnt uns für die Strapazen mit Sonnenstrahlen, die über die Bergkuppen direkt auf unsere Lager fallen. Trotz Sonne ist mir wie jeden Abend furchtbar kalt und so schlürfe ich meinen Tee schön in voller Montur aus dem Schlafsack heraus. Die Müdigkeit, Kälte und Mücken lassen uns alle aber wieder gegen 21 Uhr in den flatternden vier Wänden verschwinden. Am Schlaf hindert uns die frühe Uhrzeit nicht, die Augen fallen einfach zu. So kann ein Tag zu Ende gehen.

– Weiter zu Tag 3 –

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[:de]Fjällräven Classic 2017 – Tag 1: “Das schaffen wir nie in 5 Tagen!”[:]

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Die Geschichte des Fjällräven Classic in einem Beitrag zu erzählen, wäre sicher machbar. Aber wird das dem tagelangen Event wirklich gerecht? Zugegeben, das ist zum Teil nur ein vorgeschobener Grund. Denn wer mich und meinen Blog kennt, weiß: es fällt mir schwer, mich kurz zu fassen. Zu schön war die Zeit, zu erlebnisreich die Tage, zu perfekt der Team-Spirit, daher schreit unsere Reise ins schwedische Lappland nach einem Mehrteiler. Den ersten gibt es heute.

Tag 0 –  Mein Gepäck bleibt wohl in Stockholm

Um 4:40 klingelt der Wecker. Gruselige Zeit. Mit den Öffis geht’s es zum Flughafen. Die Fahrt im Express-Bus ist allerdings weit weniger entspannt, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte an gemütliches Kaffeebecherschlürfen und Croissantknabbern im Sitzen. Die Realität zeigt mir das Bild von Heringen, die in ein Glas gepfercht und beim Transport wild durcheinander geschüttelt werden. Am Flughafen dann die nächste Ernüchterung. “Wollen die alle nach Schweden?” Die Reihe am Gepäckschalter ist endlos und geht kaum voran. Kann ja nur besser werden. Der nette Mann vom Bodenpersonal bemerkt treffend: “Heute wollen aber viele nach Kiruna. Sonst immer nur so zwei-drei Leute. Heute sind’s 18!” Was die wohl vorhaben?

Einen Direktflug von Berlin nach Kiruna gibt es nicht. Daher landen wir vier vom neunköpfigen EarnYourBacon-Team, das sich im Februar geschlossen für das Event gemeldet hat, erstmal in Stockholm zwischen. Fliegen macht hungrig, daher gibt es erstmal den angeblich besten Burger Schwedens (zum Glück gibt es den gleich am Flughafen!). Danach verlaufen wir uns erstmal im falschen Terminal und landen aber am Ende zwischen einer Masse Menschen, die wie wir aussehen: Outdoorhosen, Wanderschuhe, Rucksäcke als Handgepäck, Funktionskleidung am ganzen Leib. Nur Johanna fällt mit ihren Jeans irgendwie aus dem Raster. Da sie nur fürs Event anreist, kann sie sich ihre Alltagssachen bequem vom Basecamp in Kiruna zum Zielort Abisko transportieren lassen. Für uns andere geht die Reise danach noch weiter, daher besteht unser Outfit schon zu 100 % aus Outdoorkrempel.

Während wir so auf den Einstieg warten, schaue ich aus dem Fenster zu, wie die Taschen ins Flugzeug verladen werden. Taschen und Rucksäcke werden auf ein steiles Gepäckband gelegt und in den Rumpf transportiert. Und da kommt meine Tasche… fährt nach oben… und fällt auf der anderen Seite des Bandes herunter. Äh. Blöd. Nun liegt mein Gepäck da. Unterm Flugzeug. Außerhalb der Sichtweite der Gepäckpackjungs. Und nu? Es ist ein ziemlich komisches Gefühl, das eigene Gepäck dort liegen zu sehen, aber nichts tun zu können. Nachdem fast alles verladen ist, erbarmt sich doch noch einer der Jungs dazu, die Tasche in den Vogel zu befördern. Uff. Ich muss den Fjällräven Classic also nicht nackt laufen.

Wir werden mehr

Vom Kiruna Airport werden wir direkt mit einem Bus-Shuttle des Veranstalters ins Basecamp in der Högalidskolan gefahren. Der Zeltplatz Camp Ripan ist gleich nebenan, wo Steve und Janine, die vorher schon paddeln waren und mit dem Zug angereist sind, uns ein Plätzchen freigehalten haben. 22,50 € zahlt man pro Nacht je Zelt.

Nachdem unsere Behausungen aufgestellt sind, geht es zum Basecamp in der Schulturnhalle. Hier gibt es gefriergetrocknete Trekkingnahrung in allerlei Geschmackssorten von Pulled Pork über Lammgryte (liebevoll Lammgrütze von uns genannt) bis hin zu Chili con Carne und Kabeljau. Kistenweise stehen hier die orangen Packungen von Real Turmat zur Verfügung. Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht neugierig in die noch nicht ausgepackten Kisten schauen würde. Hier gibts schließlich noch mehr leckere Sorten. Und wer weiß, welche Sorten es dann nur noch an den Checkpoints gibt. Mit einem ganzen Rucksack voll Real Turmat, Schwedenbrot, unserem Wanderpass, einem knallorangen Wimpel, Wanderkarte und sehr hochwertigem Müllbeutel (andere würden das als Packsack verkaufen) geht es wieder Richtung Zeltlager.

Am Abend hören wir uns noch einen Vortrag an, der einen für unseren Geschmack zu hohen botanischen Anteil hat und für einige als besseres Schlafmittel fungiert. Einen ersten Vorgeschmack auf die Heerscharen von Mücken gibt es gleich hinterher und Steve kann mal wieder seinen Mückenhut zücken. Recht früh geht es in die Federn, denn der nächste Tag wird aufregend und anstrengend zugleich.

Tag 1 – Los geht die outdoorige Menschenkette

Um kurz vor 10 Uhr stapfen wir mit Sack und Pack zum Bus-Shuttle, dass die Massen zum Startort nach Nikkaluokta fahren soll. Endlich treffen wir in der beachtlichen Schlange auch die letzten Teammitglieder Karsten, Conny und Ralf, die mit dem Auto angereist sind. Eine gute Stunde dauert der Transfer, aber es ist immer noch genug Zeit bis zum Start der Startgruppe 2 um 13 Uhr. Aufgeregt werden Fotos gemacht, die Rucksäcke noch einmal justiert, die Hund befüttert und beruhigt, Chips gegessen. Alle Rucksäcke werden handverwogen. Bei den Mädels ist das Standardgewicht zwischen 15,5 und 16 kg, während bei den Herren bis zu stolze 21,5 kg gemessen werden.

Pünktlich um 13 Uhr geht es dann endlich los! Team EarnYourBacon setzt sich mit hunderten anderer Trekker aus allen möglichen Nationen in Bewegung. Die ersten Schritte der 110 km-langen Strecke sind getan.

Gemächlich bewegt sich die gutgelaunte Menschenschlange voran. Schon nach wenigen Minuten ist unser Team auseinander gezogen. Ein paar müssen noch mehr justieren als andere und einige sind einfach mal deutlich flotter unterwegs. Die 16 kg auf meinem Rücken merke ich schon und denke jetzt bereits an den Rentierburger, der uns angeblich nach 5 km winken soll, während Ralf einen ersten Schluck frisches Flusswasser zu sich nimmt. Unser Weg führt uns bis dahin durch kleine Birkenwälder und nach einem Weilchen dort hinaus ins offenere Feld. Wir steuern genau auf die verschneiten Berge zu. Die Wege sind matschig und steinig. Ein Zustand, der uns bis zum Ende hin begleiten wird. Unsere zwei felligen Teammitglieder müssen ihre erste wackelige Stahlbrücke überqueren und machen das besser als so mancher Mensch.

Lap Dånalds in Sicht!

Nach guten 5 km bin ich mehr als froh, dass die erste Pausenstation mit den versprochenen Rentierburgern erreicht ist. Es regnet ein wenig, aber das stört mich weit weniger als mein dringendes Bedürfnis, eine Toilette aufzusuchen. Die Schlange an den Burgern ist sowieso ewig lang, also stellen sich ein paar von uns an, während ich die hölzernen Klohäuschen aufsuche.

Für zwei Burger, ein Bier und eine Zimtschnecke werde ich stolze 40 € los. Natürlich kann man hier in der Wildnis mit Kreditkarte zahlen, wie überall in Schweden. Wer glaubt, der Rentierburger würde hauptsächlich aus dem namensgebenden Tier bestehen, der irrt. Einige kleine dünne Scheiben Rentierwurst, gut versteckt unter dem Rindfleischpaddy. Das ist der Rentierburger. Egal. Er schmeckt!

Nach einer recht ausgiebigen Pause geht es weiter. Wir haben heute noch einiges an Wegstrecke vor uns. Eigentlich wollen die meisten von uns am Fuße des Kebnekaise, dem höchsten Berg Schwedens, zelten, um am nächsten Tag die Besteigung desselbigen in Angriff zu nehmen. Die Realität holt uns aber nach gut 10 km schon ein. Für die kurze Strecke brauchen wir unerwartet lange. Fast vier Stunden! Das Terrain ist schwierig, so dass jeder Schritt konzentriert getan werden will. Trotzdem möchte man ja auch ab und an noch mal einen Blick auf die wunderschöne Landschaft werfen und das Panorama einsaugen. Die Last auf dem Rücken macht die Sache nicht einfacher, geschweige denn schneller.

Die Kebnekaise Fjällstation – unser erster Checkpoint – kommt nach etwa 16 km in Sichtweite. Zu diesem Zeitpunkt bin ich echt schon ziemlich fertig und frage mich, worauf ich mich da eingelassen habe. Was habe ich mir denn dabei gedacht, sowas 1.300 km lang in Arizona mit täglich 25 km machen zu wollen, wenn ich nach einem Tag mit gerade 16 km völlig im Eimer bin? Meine Hüften, wo der Rucksack aufliegt, schmerzen wie die Hölle. Meine Füße tun weh und ich muss schon wieder dringend auf die Toilette. Etwa der Hälfte unserer Gruppe geht es auch nicht anders und so beschließen wir, heute nicht einmal mehr bis zum ersten Checkpoint zu gehen.

Auf einer Anhöhe finden wir eine schöne Stelle für unsere sechs Zelte. Es ist windig und frisch, daher wird in Windeseile aufgebaut und zu Abend gegessen. Das gefriergetrocknete Essen zaubert allen noch einmal ein Lächeln auf die Lippen. Es ist richtig gut! Um 21 Uhr sind alle in den Zelten verschwunden. Auf meinen Hüftknochen haben sich tiefrote, geschwollene Kreise gebildet, die ein wenig wie ein Bluterguss aussehen. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit morgen meinen Rucksack tragen soll. Also kuschel ich mich erstmal meinen warmen Daunenschlafsack, den ich mir kurz vor der Reise noch zugelegt habe. Heute ist heute und morgen ist morgen.

– Weiter zu Tag 2 –

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