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[:de]Forststeig Elbsandstein – Wunderschöne Herausforderung [:]

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„Der Forststeig Elbsandstein ist eine anspruchsvolle Trekkingroute für geübte, trittsichere und gut ausgerüstete Wanderer.“

So wird der über 100 km lange brandneue* Wanderweg auf der ruhigen Seite der Sächsischen Schweiz beworben. Nach vier Tagen auf dem Forststeig kann ich jedes Adjektiv in diesem Satz bestätigen und folgendes hinzufügen: der Forststeig ist eine wunderschöne, abwechslungsreiche Strecke mit einigen Herausforderungen.

Der Sachsenforst hat die Trekkingtour in sieben Tagesetappen zwischen 8,6 km bis 20 km eingeteilt. Da Zeit eine knappe Ressource ist und ich der Meinung war, 25 km pro Tag sollten doch schaffbar sein (der Harzer Hexenstieg ging ja schließlich auch in drei Tagen), plante ich nur vier Tage für den Rundkurs. Ein ambitioniertes Ziel, wie ich feststellen musste. Unter anderem schon deshalb, weil die Trekkinghütten und Biwakplätze am Forststeig nicht ideal verteilt sind.

*  (Eröffnung im April 2018)

Etappe 1 – Goldener Oktober am Forststeig

Mitte Oktober machen Gritta und ich uns an einem Donnerstag Nachmittag auf den Weg ins Elbsandsteingebirge. Nach einer Übernachtung im Nachbarort Krippen stellen wir Freitag morgen das Auto auf dem kostenlosen Park + Ride-Parkplatz am Bahnhof Bad Schandau ab und huschen in die Touristeninformation. Obwohl ich schon sicher bin, dass wir keine Gelegenheit haben werden, in einer der Trekkingunterkünfte zu schlafen, besorgen wir uns je drei Trekkingtickets. Für die Übernachtung in einer der Trekkinghütten oder Biwakplätze müssen bereits vorher gekaufte Trekkingtickets entwertet und in eine Box vor Ort gesteckt werden.

Die S-Bahn bringt uns in 10 Minuten zum Startpunkt in Schöna, wo wir quasi schon auf den Forststeig stolpern. Bunte Herbstfarben, warme Sonnenstrahlen und ein gemäßigter Anstieg. Ein schöner Einstieg in unsere Herbsttour. Da wir aus Berichten wissen, dass die Ausschilderung des Forststeigs nicht immer ganz eindeutig ist, haben wir unsere Telefone bzw. meine GPS-Uhr mit der Route gefüttert, die es auf der Website des Forststeigs herunterzuladen gibt. Wie wir bald feststellen, ist das sehr hilfreich, um zumindest annähernd zu wissen, wo der Weg hingehen soll und dann gezielt nach den gelben Klecksen als Bestätigung zu suchen. Schon nach 5 km stellen wir fest, dass auch die GPS-Route nicht immer der Realität entspricht. Die Kleckse weisen in eine andere Richtung, während unsere Geräte meckern: „Streckenabweichung“.

 

Das hindert uns aber nicht daran, die wunderschöne Natur in vollen Zügen zu genießen. Die Pfade sind bedeckt mit trockenem, raschelnden Laub, durch das ich mit meinen Wanderschuhen lautstark schlurfe. Ich fühle mich auf einmal wieder wie ein Kind im Herbstwald. Auf dem Zschirnstein machen wir eine kurze Snackpause mit der ersten eindrucksvollen Aussicht über die Wälder der Sächsischen Schweiz, bevor es kilometerweit an der deutsch-tschechischen Grenze entlang geht. Immer wieder kreuzen wir dabei kleine Bäche und Quellen, so dass wir unsere Wasservorräte regelmäßig auffüllen können. Wasserfilter gehören also unbedingt in das Gepäck.

 

Aus reiner Neugier schauen wir uns die am Weg liegenden, liebevoll aufbereiteten Biwakplätze und Hütten an. Leider liegen diese alle weit vor unserem heutigen Tagesziel. Am Hühnerberg biegen wir nach Tschechien ab und überschreiten alsbald die Grenze. Der steinige Kammweg führt uns hier wieder ganz weit nach oben. Ein Turm taucht vor uns auf, dazu eine kleine Gaststätte. Aber wir wollen noch ein paar Kilometer machen, bevor die Sonne untergeht.

 

Kurz vor dem Örtchen Sněžník (Schneeberg) biegen wir in einen Waldweg ein und suchen uns ein Plätzchen für die Nacht. Im Landschaftsschutzgebiet Sächsische Schweiz ist zwar das Zelten verboten, das Übernachten im Freien aber grundsätzlich gestattet. Nachdem Hängematte aufgehängt und Cowboycamp hergerichtet sind, genießen Gritta und ich unser warmes Abendessen und den sternenreichen Himmel über uns. Es ist gerade mal 21:00 Uhr, da verschwinden wir schon in den Schlafsäcken. Hiker midnight auch in Tschechien.

Etappe 2 – Wo lang denn jetzt?

Ein heißer Kaffee zum Morgen, Müsli mit Milchpulver und schon geht es um 8 Uhr weiter. Nach etwa 10 Minuten Fußmarsch kommen wir an einer Herberge in Schneeberg vorbei. Der Ort scheint auch nur aus dieser zu bestehen. Kurz danach biegen wir wieder in den Wald ab und wandern nach Ostrov weiter. Gelbe Striche haben wir übrigens seit Überschreiten der Grenze nicht mehr gesehen. Vielmehr muss man jetzt wissen, mit welchem Weg(symbol) der Forststeig parallel verläuft. Die grobe Übersichtskarte, die man kostenlos am Bahnhof erhält, ist hier sehr hilfreich. Auf dem Campingplatz mit Gaststätte dürfen wir die Toilette benutzen, wo wir auch gleich unsere Wasservorräte auffüllen.

 

Durch das Wasser gerade 3 kg schwerer geworden, geht es auch schon wieder in die Berge. Steile Felstreppen,  breite Forststraßen und schmale Pfade bringen uns wieder völlig unbemerkt auf die deutsche Seite. Ganz selten begegnen uns mal Wanderer, die den Weg in die andere Richtung gehen. Ansonsten ist es hier einfach nur herrlich still. Dass wir uns wieder der Zivilisation nähern, merken wir an den ersten auftauchenden Tageswanderern. An der Kamphütte machen wir nach bereits sechs durchwanderten Stunden Pause. Meine Füße schmerzen wie verrückt und mit einem Brombeerstrauch musste ich mich auch noch anlegen. Die Brombeere sah hinterher allerdings besser aus als mein Fuß.

 

Das Rosenthal-Bielatal ist gesäumt von Felsformationen, von denen viele zum Klettern einladen. Genau hierdurch führt uns auch der Forststeig. Am Bielawächter/Johannisturm stehen wir auf einmal vor der Wahl: rechts oder links lang? Hinweise gibt es keine. Wir entscheiden uns für links und klettern, bis der „Weg“ aufhört und wir nur noch vor einer zugewachsenen Böschung stehen. Fuß- und Rutschspuren deuten darauf hin, dass wir nicht die ersten sind, die hier landen. Weiter oben müsste der Weg sein. Also krabbeln und klettern wir durchs Unterholz und landen tatsächlich wieder auf unserem Steig. Es soll ja auch Abenteuer sein.

 

An der Biela fülle ich nochmal mein Wasser auf. Wer weiß, wo wir heute landen? Es geht runter und wieder rauf. Auf der Grenzplatte genießen wir den weiten Ausblick in Richtung Tschechien, unter uns der Ort Ostrov. Eigentlich müssten wir noch ein paar Kilometer schrubben, um die Hälfte der Strecke zur Hälfte der Zeit absolviert zu haben. Nach einigem Hadern geben wir jedoch der Verlockung nach, hier an der Felskante unter freiem Sternenhimmel zu schlafen und schlagen unser Nachtlager auf.

 

Etappe 3 – Die fliegende Isomatte

2 Uhr nachts. Der Wind hat merklich aufgefrischt. Und zwar so sehr, dass ich regelmäßig aufwache, um zu gucken, dass meine Siebensachen noch da sind, die ich auf der Grenzplatte verstreut habe. Zu allem Unglück drückt auch noch die Blase. „Aber wenn ich jetzt aufstehe, hab ich nichts mehr, was meine Isomatte mit Quilt am Boden hält“, denke ich. Ich könnte meinen Rucksack oben drauf legen. An dem baumelt aber mein scheppernder Topf und ich will Gritta nicht wecken. Also suche ich ein paar mutmaßlich schwere Gegenstände und lege sie auf meine Schlafstelle, bevor ich mir ein stilles Örtchen suche.

Nur eine Minute später höre ich einen Schrei „CARO! Dein Bett!“ und sehe meine Isomatte in hohem Bogen an mir vorbei und den Felsen herunter fliegen. Zum Glück weht der Wind „landeinwärts“ über die Grenzplatte, so dass ich nur 4 m nach unten steigen muss und nicht 400, um meine Matte zu bergen. Gritta ist somit wach und ich muss vor Schreck auch nicht mehr pinkeln.

5:45 Uhr morgens. Der Wind hat sich zu einem waschechten Sturm entwickelt. Sobald ich mein Kopfkissen loslasse, fliegt es weg. Für Gritta ist die Nacht zu Ende, sie zieht mit Sack und Pack von der Platte  hinter den Felsen, wo ich meine Isomatte gefangen hatte. Ich versuche noch eine Stunde lang, eine Mütze Schlaf zu kriegen, packe dann aber unter den erschwerten Bedingungen und der aufgehenden Sonne doch auch recht bald meinen Rucksack. Um 7 Uhr brechen wir auf, ohne Frühstück.

Die Biegung der Bäume gibt einen ungefähren Eindruck der Windstärke

52 km Gesamtstrecke liegen noch vor uns. Es ist erstaunlich, wie wenig Tageskilometer man in diesem Terrain schafft. Vor allem, wenn man sich oftmals erstmal orientieren muss und verzweifelt die gelben Kleckse sucht, die manchmal unglücklich unterm Astansatz einer Tanne angebracht sind oder sich im Herbstgold der Blätter verstecken. Oder wenn man sich dreimal um die eigene Achse dreht, weil das GPS wieder eine andere Strecke kennt. Oder wenn der Weg steil die Böschung hochgeht und man merkt: hier soll erst noch ein Weg durch die Forststeigwanderer platt getrampelt werden.

 

Nach gut drei Stunden erreichen wir die Rotsteinhütte, in der wir letzte Nacht wirklich gern geschlafen hätten, aber nicht bereit waren, noch die drei Stunden  im Dunkeln zurück zu legen. Das letzte Stück hierher führt experimentell durch ein Rodungsgebiet. Wir verbringen unser zweites Frühstück hier, bevor es weiter in das Tageswanderungs-Gebiet um den Katzsteinfels geht. Zwischen den gut riechenden Tageswanderern fühlen wir uns schon ein wenig komisch, ernten verständnislose Blicke für unsere riesigen Rucksäcke. Die haben ja keine Ahnung.

 

Am Neuteich hören zwei Typen unsere Diskussion mit an, ob das Wasser aus dem Teich wohl nach Filterung trinkbar ist. Was denen wohl durch den Kopf gegangen sein muss. Das Teichwasser ist wunderbar klar und wird eingepackt.

Als Reststrecke für den morgigen Tag möchte ich etwas unter 25 km übrig haben. Damit kommen wir dem Campingplatz Nikolsdorfer Berg immer näher, den wir aber unbedingt vermeiden wollen. Außerdem wollen wir die Nacht wieder unter freiem Himmel verbringen, vorzugsweise in einer Boofe. Weil uns die Aussicht der ersten Boofe nicht schön genug ist, laufen wir noch weiter bis zum Labyrinth, einer großen Felsgruppe und Spielplatz für jeden Kletterfreund.

 

Nachdem Gritta und ich uns blöderweise ausgerechnet hier getrennt hatten, finden wir uns nach 20 Minuten wieder und machen uns auf die Suche zum Zugang einer Boofe, die ich zwar gefunden, aber von der einen Seite nicht erreicht hatte. Als wir schon aufgeben und uns woanders häuslich einrichten wollen, klettere ich noch einmal um den Felsen herum und da ist sie: die perfekte Boofe mit Blick in den Wald und Uhu-Gehuhu die ganze Nacht über.

 

Etappe 4 – Endspurt

Es fällt uns wahrlich schwer, am Morgen die gemütliche Boofe zu verlassen. Windstille, völlige Ruhe und angenehme Herbsttemperaturen haben uns gut schlafen lassen. Wir hatten diese Luxus-Boofe ganz für uns alleine, was nicht selbstverständlich ist, wenn man sich die Bilder dicht gedrängter Wanderer auf der Nationalparkseite ansieht. Aber 25 km sind heute noch zu gehen und die Heimfahrt anzutreten. Da das am Vortag so gut geklappt hatte, bleibt auch heute die Küche kalt und wir vertagen das Frühstück auf das erste Wiedertreffen mit der Biela und essen auf einem Holzstapel.

 

Heute führen viele lange Abschnitte über Forststraßen. Nach der vielen Abwechslung wird uns schon ein wenig langweilig. Gerade rechtzeitig biegt der Steig mitten ins Dickicht ab und bringt uns steil über einen wohl gerade erst entstehenden Pfad auf dem direkten Weg nach oben zum Quirl. Schnaufen, ächzen, schwitzen. Man soll sich halt nicht beschweren. Wir kommen der Festung Königsstein und dem herausstechenden Pfaffenstein immer näher, umrunden ihn sogar zur Hälfte. Dann geht es auf einen unserer letzten Anstiege. Hoch zum Gohrisch. Hier stehen wir wieder vor der Wahl: rechts oder links, denn gelbe Kleckse finden wir nicht. Die Entscheidung für rechts bringt uns zwar nach oben, von Forststeig-Markierungen ist aber weiterhin nichts zu sehen.

 

Zeit für eine letzte Pause. Mir tun heute schon seit Km 10 die Füße weh. Ich schiebe mir die restlichen Gummibärchen gepaart mit Tornado-Chips und kaltem Kaffee hinein, während ich zum ersten Mal wirklich die große Papierkarte zur Orientierung nutze. Die gibt mir Aufschluss, dass wir vom Gohrisch dem Malerweg folgen müssen. Na klar, muss man halt wissen. Auf dem Gohrisch ist vergleichsweise viel Betrieb. Zwischen ihm und dem benachbarten Papststein befindet sich ein gut besuchter Parkplatz und auf dem Papststein auch noch eine Gaststätte. Kein Wunder, dass es vor Leuten wimmelt.

Einem älteren Ehepaar, das gerade die Treppe herunter kommt und mir versichert, es sei nicht mehr weit, erzähle ich kurz von unseren bereits 94 zurückgelegten Kilometern mit Gepäck.

„Wirklich? Das ist ja toll! Machen Sie das unbedingt weiter.“ Ich glaube, die beiden hätten daran auch viel Spaß gehabt, als sie noch konnten.

 

Die letzten Meter führen uns durch die „Hölle“, eine spektakuläre Schlucht mit einer einladenden Boofe. Es geht immer weiter abwärts bis die Knie glühen. Die Elbe können wir schon durch die Baumwipfel sehen. Bald ist die wunderschöne Abenteuerwanderung zu Ende. 800 m Elberadweg holen uns in die städtische Realität zurück und wir versuchen mit einem großen Softeis aus dem Bahnhof den Schmerz zu lindern, als wir ins Auto steigen.

Aber wisst ihr was? Ich hab da noch diese Trekkingtickets. Die wollen ja auch nochmal gebraucht werden. Auf einer Forststeigwanderung mit 5-6 Tagen. Denn jede Wanderung auch auf demselben Weg ist immer anders!

Meine Packliste, mit allem, was ich dabei hatte, findet ihr hier.

Tipps zu Wasser, Unterkünften, Versorgung und Navigation gibts in diesem Beitrag. Das hätte hier leider den Rahmen gesprengt.

 

 



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[:de]Nachts allein im Wald – Wenn der Boogieman kommt[:]

[:de]Immer mal wieder zieht es mich für eine oder mehrere Nächte raus in die Natur. Nicht immer habe ich dabei Gesellschaft. Ich gehe auch allein zum Schlafen in den Wald. Gerade als Frau werde ich immer wieder gefragt, ob ich denn keine Angst so allein da draußen im Dunkeln hätte. Nein, eigentlich nicht. Sonst könnte ich auch nicht tun, was ich tue. Dennoch suche ich mir meine Schlafplätze immer sehr bewusst aus: in menschenberuhigtem Gebiet und außer Sichtweite von Wegen und Pfaden. Es muss ja nicht jeder wissen, wo ich gerade bin. Unter dem Radar bleiben ist meine Devise.

So sehr ich diese einsamen Kurzabenteuer liebe, gibt es doch ab und zu Vorfälle, die auch mich nervös werden lassen.

Erst vor zwei Tagen las ich einen Blogbeitrag über die 17 erschreckendsten Dinge auf dem Pacific Crest Trail. Ein Punkt davon war „der Boogieman“. Natürlich handelte es sich dabei nicht um eine Person im eigentlichen Sinne, sondern vielmehr um die Urängste, die nachts in einem aufsteigen. Völlige Dunkelheit, heulender Wind, ein brechender Ast hier, ein Schnaufen da. Es gibt sicher nur wenige Menschen, die dabei komplett gelassen bleiben. Und wer hätte gedacht, dass noch dieselbe Nacht eine solche werden würde, in der mich der Boogieman gleich dreimal besucht?

Auf in den stürmischen Wald

Freitag, 16 Uhr. Mit gepacktem Rucksack mache ich mich auf den Weg zu meinem schon bekannten und geliebten Wildzeltplatz an der Berlin-Brandenburgischen Grenze. Wie vorausgesagt fängt es an zu stürmen und eine Regenfront zieht auf. Genau deswegen bin ich heute hier. Ich will mein Hammock mit dem Tarp und meine Fertigkeiten damit austesten und zwar nicht nur bei Schönwetterlage. Gerade noch bevor der Regen einsetzt hängt meine Hängematte schlupffertig unter dem festgezurrten Tarp. Die Temperatur ist mal eben von 28 auf 13 Grad gefallen.

18:30 Uhr. Mir ist inzwischen recht frisch. Also koche ich mir noch eine würzige heiße Suppe und bereite mir eine heiße Schokolade. Danach will ich in die Hängematte schlüpfen und mein Buch lesen, aber mein Buch ist nicht im Rucksack. Ich hätte schwören können, dass ich es eingepackt habe. Also lade ich mir kurzerhand die Kindl-Version herunter und lese auf meinem Handy. Mein Buch werde ich erst am nächsten Morgen durchnässt hinter dem Baum, an dem meine Hängematte hängt, finden.

19:45 Uhr Die Sonne ist inzwischen untergegangen, der Regen hat aufgehört und es ist bereits ziemlich dunkel im Wald. In einiger Entfernung höre ich ein paar Wildschweine grunzen. Ein bekanntes Geräusch, denn im Sommer bin ich ihnen fast täglich bei meinen Trainingsläufen zum Sonnenaufgang begegnet.

21:30 Uhr Hiker’s Midnight. Auch wenn ich nicht viel gewandert bin, macht die Waldluft müde. Außerdem bin ich mit meinem leuchtenden Handy auch von Ferne gut auszumachen, daher entscheide ich mich für einen frühen Schlaf.

1:34 Uhr Ich wache auf und höre kurz darauf, was mich geweckt hat. Ein Geräusch, was ich in meinem Leben noch nie gehört habe. Ein tiefes, langanhaltendes Knurren. Danach Schnaufen. Und zwar aus nächster Nähe. Mein Herz fängt an zu schlagen. Was ist das? Das Knurren und Schnaufen bewegt sich. Mal ist es näher, mal weiter weg, aber nie wirklich weit. Wäre ich im amerikanischen Backcountry wäre mein erster Gedanke: das ist das Grollen eines großen Bären. Aber ich hänge hier, in den brandenburgischen Wäldern. Wölfe wurden immer öfter wieder in der Gegend gesichtet. Jedoch klingt dieses Knurren zu groß für einen Wolf. Was bleibt also übrig? So wenig, wie ich dieses haarsträubende Geräusch damit in Verbindung bringen würde, bleibt eigentlich nur ein Tier. Ein Keiler. Oder doch der Wolf? Was immer es ist, es versetzt mich in Angst. So sehr, dass ich zu meinem Neck Knife greife und es aus der Scheide ziehe. Genau so liege ich da. Minutenlang. Das Knurren kommt immer näher. Ich denke an die Tüte mit dem leeren Suppenbecher, die direkt unter meiner Hängematte liegt. Warum habe ich sie nicht in den Baum gehängt?

Schnaufen direkt neben mir. Ok, was mache ich jetzt? Still liegenbleiben hilft offensichtlich nicht. Und an Schlafen ist nicht zu denken. Ich strecke meine Arme unter dem Quilt hervor, suche nach meiner Brille, der Stirnlampe, dem Handy und dem inReach, schaue nochmal, wo genau der Notfallknopf ist. Nur für alle Fälle. Ich raschele und rutsche in meiner Hängematte umher. Das ist meinem Gast wohl zuviel. Er trollt sich. Mehrere Minuten bleibe ich noch regungslos liegen, um sicherzugehen, dass er wirklich weg ist. Dann drehe ich mich wieder auf die Seite und freue mich auf Schlaf.

3:18 Uhr Knurren. Schnaufen. Ich werde aus dem Tiefschlaf gerissen. Es ist wieder da. Nur zwei Stunden nach dem letzten Besuch. Habe ich ihm nicht genug Angst gemacht? Ist es jetzt mutiger? Liege ich vielleicht einfach nur über etwas besonders Leckerem? Wieder umkreist es mich. Ich schnappe mir wieder mein Messer und überlege kurz, mit der Stirnlampe nachzusehen, was es wirklich ist. Vielleicht rege ich es damit aber noch mehr auf. Also lasse ich den Gedanken sein. Der fast volle Mond scheint direkt auf meine Hängematte, aber durch die Bäume und Sträucher ist es trotzdem so dunkel, dass ich absolut nicht erkennen kann, wo sich das Tier befindet. Diesmal fange ich schon nach etwas mehr als drei Minuten an zu rascheln. Was vorhin funktioniert hat, klappt hoffentlich diesmal auch wieder. Und ja, das Knurren und Schnaufen entfernt sich langsam. Ich hoffe, ich habe jetzt Ruhe bis die Sonne aufgeht.

5:47 Uhr Es ist immer noch stockdunkel. Und ich bin nicht freiwillig wach. Mein persönlicher Boogieman ist schon wieder da. Tiefes, anhaltendes Grollen nur ein paar Meter von mir entfernt. Wieder zücke ich mein Messer. Diesmal versuche ich, das Geräusch mit dem Handy aufzunehmen. Kurz überlege ich auch, danach zu Googlen, um endlich final herauszufinden, ob ich mit meiner Vermutung – Keiler – richtig liege. Jedoch habe ich keine Lust, durch dasselbe Geräusch aus dem Handy das Tier vielleicht noch mehr anzulocken und verschiebe das auf später. Stattdessen kann ich meine Neugier kaum noch im Zaum halten und überlege wieder den Einsatz der Stirnlampe. Ich lasse es. Für mich ist die Situation unberechenbar, ich sehe meinen „Gegner“ ja nicht einmal. Er weiß aber genau, wo ich bin. Ich raschle. Diesmal dauert es länger bis er seinen Rückzug antritt. Wirklich einschlafen kann ich jetzt auch nicht mehr.

6:57 Uhr Es ist endlich hell geworden im Wald. Erstaunlich, wieviel sicherer ich mich auf einmal fühle, wo ich wieder alles um mich herum sehen kann. Irgendwie hoffe ich, meinen knurrenden Boogieman nun noch einmal zu sehen, um meine Vermutung bestätigt zu wissen. Noch in der Hängematte liegend höre ich mir allerlei Wildschweingeräusche an, aber keins kommt wirklich dem nahe, was mir heute Nacht hat die Nackenhaare hat aufrecht stehen lassen. Ich schaue mir ein Video an, was man im Falle eines Wildschweinangriffs tun soll. Die nüchterne Erkenntnis: wenn man sich nicht schnell genug auf einen Baum flüchten kann, ist man als Mensch quasi chancenlos. Da hilft auch ein kleines Messerchen nicht. Beim Rundumblick stelle ich fest, dass keiner der naheliegenden Bäume bekletterbar ist. Alles hohe Nadelbäume ohne Äste in Reichweite am Stamm. Soviel zum Notfallplan.

Das wütende Wildschwein

Erst am Abend finde ich ein Video, was exakt das bedrohliche Geräusch wiedergibt. Bislang war ich davon ausgegangen, dass ich einfach im Fressgebiet des Wildschweins genächtigt hatte und es mich immer erst dann bemerkt hatte, wenn ich lautstark raschelte.

Die Angaben, die ich während meiner Recherche fand, sagen jedoch etwas anderes. Es seien „Kontaktlaute“ von Wildschweinen. Laute, die ein Tier von sich gibt, wenn es sagen will: „Ich weiß, dass du da bist und ich finde das überhaupt nicht gut.“ So betrachtet beunruhigt mich diese Erkenntnis noch im Nachhinein. Vor allem mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass das Tier in dieser Nacht immer wieder kam, um mir nachdrücklich mitzuteilen, dass es meinen Aufenthalt immer noch nicht gutheißt.

Und was lernen wir daraus?

In früheren Zeiten lebten Mensch und Tier ganz selbstverständlich nebeneinander. Ich finde es wunderbar, bei meinen Wanderungen immer mal wieder Füchse, Rehe und auch Rotten von Wildschweinen zu treffen. Dennoch gibt es Situationen, in denen beide Seiten – Mensch und Tier – mit der ungewohnten Lage erst einmal wieder umgehen müssen. Welcher Mensch schläft denn heutzutage noch im Wald? Klar, dass da ein Schwein mal ungemütlich wird, wenn man einfach so in seinem Wohnzimmer pennt.

Auch wenn ich bereits schon einige Male an exakt derselben Stelle ohne nächtlichen Besuch gehangen habe, werde ich es mir überlegen, dort noch einmal zu bleiben. Denn ohne Zweifel hatten wir beide keine besonders entspannte Nacht, das Wildschwein und ich.[:]

[:de]Die EarnYourBacon’s beim Spreewaldmarathon – 42 km auf der Spree[:]

[:de]Seit 2013 hole ich mir jedes Jahr eine Gurke. Keine Gewürz- oder Salatgurke (wobei die Anzahl pro Jahr da auch nicht viel höher ist). Nein, eine besondere Gurke. Die gusseiserne Gurkenmedaille vom Spreewaldmarathon. Da ich diesjahr aber zum zeitgleich stattfindenden Hamburg-Marathon angemeldet war, fielen die Optionen Laufen und/oder Skaten aus. Es blieb die Disziplin Paddeln übrig, die man den ganzen April über absolvieren kann. Das war letztes Jahr schon ein tolles Mini-Abenteuer gewesen, also warum nicht wieder? Tatsächlich fanden sich in der Marschgruppe auch einige Irre, die die 42 km mitpaddeln wollten und so starteten zwei Autos nur wenige Stunden nach der blutigen Wanderung vom Vortag in Berlin mit Kurs auf den Spreewald.

Pünktlich um halb zehn landet unser Auto mit Martin, Olaf und mir beim Bootshaus Leineweber, wo wir starten wollen. Das andere Auto muss noch einen Umweg über Lübbenau machen, um einen weiteren Paddler einzufangen. Nicht schlimm, denn so können wir gleich mal das Missverständnis mit den falschen, bereits zu Wasser gelassenen Booten, klären. Dass es die falschen sind, fällt mir aber auch dann erst auf, als ich versuche, mein Gepäck dort hinein zu quetschen, was recht erfolglos verläuft, obwohl ich genauso gepackt habe wie im Vorjahr. Einige Startunterlagen fehlen zudem, werden aber vor Ort schnell durch Blankounterlagen ersetzt. Na, solange es am Ende Gurken gibt!

Viel später als geplant starten vier Boote von Burg und folgen dem Lauf der Spree. Das Wetter meint es gut mit uns. 20 Grad und Sonne sind mehr als wir vom bislang räudigen Frühling erwarten konnten. Mit Martin im Boot habe ich offensichtlich einen richtig guten Paddler erwischt, denn die anderen drei Boote sind stets hinter uns. Teilweise sehr weit hinter uns. Zum Glück gibt es jede Menge Schleusen auf unserem Weg, die immer wieder dafür sorgen, dass wir zusammen kommen. Gleich in der ersten gibt es gleich mal ne Runde Gurken von Katharina geschmissen.

Die Fahrt entlang der Hauptspree ist locker flockig. Wir fahren ja auch mit dem Strom. Tatsächlich treffen wir auch ab und an auf weitere Paddler. Im Vorjahr war hier niemand sonst gewesen. Dass wir uns in der Vor-Osterwoche befinden und anscheinend alle Ausflügler selbst unter der Woche aus ihren Löchern gekrochen sind, merken wir, als wir beim Froschkönig die ersehnten Pellkartoffeln essen wollen. Alle Tisch sind besetzt. Alle? Zumindest draußen. Drinnen ist alles leer, aber da dürfen wir nicht hin, weil die Bedienung nicht hinterher kommt. Nach ein wenig Wartezeit wird dann doch noch ein Tisch für uns frei und wir laben uns am guten Essen. Fast jeder bestellt noch einen Nachtisch, die meisten die ortstypische Hefeplinse. Mit Aussicht auf den Sommerurlaub ordere ich mir stattdessen einen Schwedenbecher. Schön mit Eierlikör. Paddelt sich dann wie von alleine.

Bob, der Retter

Vom Froschkönig ist es nicht mehr weit bis zum Zeltplatz, wo wir nächtigen werden. Noch zum Mittag hat uns Bob angeboten, mal eben von Berlin in den Spreewald zu kommen, um mit uns abends zu grillen. Uns würden aber ein paar Sachen fehlen, geben wir zu bedenken. Wir haben ja keinen Grill. Und Fleisch fehlt. Grillkäse natürlich auch. Und Soßen! Am Ende klappert Bob mit einer Rieseneinkaufsliste einen Berliner Supermarkt ab, während wir schon unsere Zelte aufbauen. Wie auf einer Mini-Globeboot begutachtet jeder mal das Zelt des anderen, findet sein eigenes am Ende dann aber doch am besten. Dabei stellt Lea fest, dass sich ihr Equipment doch sehr von dem der anderen unterscheidet. Die versprochene Isomatte wurde leider vom potentiellen Mitbringer vergessen. Und ihr Nachbar gab ihr nur einen Schlafsack, der mehr an ein Handtuch erinnert. Zum Glück gibts ja Bob, der auch noch eine Isomatte mitbringt und ihr zudem selbstlos seinen Schlafsack überlässt.

Für mich persönlich ist dagegen Katharina die Retterin des Abends. Merke: packe Zelt und Heringe nie in getrennte Taschen des Rucksacks! Mein Zelt ist im Spreewald, die Heringe in Berlin. Und was so ein Ultraleichtzelt ist, das fliegt gern, wenn es nicht verankert ist. Zum Glück hat Katharina, für die ultraleicht dankenswerterweise ein Fremdwort ist, einen Sack gemischter Heringe dabei, von denen sie einige abgeben kann und am Ende immer noch welche übrig sind.

Die Flammen züngeln auf den Einweg-Grills. Schnell das Grillgut draufgeschmissen, denn die Brenndauer dieser Grills ist kürzer als eine Packung Bratwürste es bräuchte. Als Gruppe von sieben haben wir uns auch die einzige Feuerschale des Zeltplatzes gegönnt und sitzen noch weit bis in die Nacht (22 Uhr, denn dann ist Zapfenstreich) am Feuer und erfreuen uns am Vollmond und einiger “Passfotos” einschlägiger Apps, die auch noch nach Zapfenstreich wild zwischen den Zelten hin und her geschickt werden. Dem mobilen Internet sei dank.

Tag 2 – Es wird grausam

So früh wie es ins Bett ging, so früh geht es am nächsten Morgen auch wieder raus. Heute müssen wir gegen den Strom paddeln und es wartet die längere Hälfte auf uns. Zünftiges Frühstück vom Gas- und Holzkocher muss trotzdem sein. Katharina kocht Kaffee in Suppengröße, frische Croissants werden vom Zeltplatz geholt und allerlei mit kochendem Wasser zubereitet. Als wir pünktlich um 9 Uhr die Leinen losmachen, scheint die Sonne noch, aber es ist merklich kühler geworden.

Unseren zweiten Stempel für die Stempelkarte hole ich gleich nach der Bootsrolle als gesammelte Werke ab. Diesmal werde ich sogar gleich gehört und muss nicht eine halbe Stunde in die Küche brüllen. Teilweise fängt es an zu nieseln und die Regenjacken werden übergestreift. Wir paddeln in den malerischen Hochwald, wo uns ein älterer Herr während der Schleusenbedienung mit einer sehr gewagten Interpretation zur Entstehung des Spreewalds unterhält. Die Unterhaltung ist für manch ein Boot auch bitter nötig, denn so langsam lässt die Kraft und Ausdauer in den Armen nach.

Da kommt die Pause am dritten Stempelpunkt gerade recht. Für mich gibts wieder Pellkartoffeln mit Quark und hinterher Hefeplinse. Soviel hab ich mir im Leben nicht weggepaddelt. Der Kamin verbreitet wohlige Wärme und so richtig wollen wir da nicht mehr raus, um die letzten Kilometer zu paddeln. Aber wat mut, dat mut. Das üppige Grün des Spreewalds hebt die Laune wieder ein wenig. Und ein großes Platsch gefolgt von einer Herde Wildschweine, die einmal direkt vor uns quer durch den Fluss schwimmen, reist und aus der Lethargie des Paddel rein, Paddel raus.

Überhaupt meint es die Natur heute besser mit uns als am Vortag. Ein Reiherpärchen turtelt auf einer Wiese, ein Kälbchen schaut uns vom Ufer aus verdutzt an und am Ende schwimmt noch ein Nutria völlig tiefenentspannt an uns vorbei. Tiefenentspannt sind wir erst, als wir gegen 17 Uhr wieder am Bootshaus landen. Nach dem Entladen der Boote weicht die Erschöpfung auch dem Stolz, spätestens aber, als wir uns gegenseitig die hart erpaddelten goldenen Gurken um den Hals hängen. Schmerz vergeht, die Gurke bleibt!

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[:de]Microadventure: Paddeln mit Zelten im Spreewald, 2-Tages-Tour[:]

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Paddelmarathon 2016 Karte

Im Hochsommer sich in aller Herrgottsfrüh mit hunderten anderer Paddler um die Boote und Kanäle streiten, wenn man doch einfach nur lospaddeln will? Slalom und Stau, weil die zahlreichen grottenlangsamen Kähne Vorfahrt haben? Im Gasthaus das Nachsehen haben, weil durch den Spontantrip natürlich nichts reserviert wurde? Das muss nicht sein. Es geht auch wild(romantisch).

Zugegeben, Anfang April zwei Tage Paddeln und Zelten zu gehen ist schon ein wenig gewagt. Es ist kalt, das Wetter unbeständig. Nun muss man dieses kleine Abenteuer auch nicht unbedingt zu dieser frühen Jahreszeit angehen. Mit der richtigen Kleidung und Ausrüstung hat der Frühling allerdings auch unschätzbare Vorteile.Paddelmarathon 2016 Osterglocken Narzissen

Ein Boot auch noch um halb elf vormittags zu bekommen war am 6. April gar kein Problem. Ich hatte eher bedenken, der Bootsverleih könne gar geschlossen sein. Da das Bootshaus Leineweber in Burg aber den Startpunkt für den Spreewaldmarathon im Paddeln darstellt, reichte in kurzer Anruf am Tag zuvor, um die notwendigen Details zu klären. Ein Zweierboot mit Steuer durfte es sein. Zu meinem Erstaunen hatte das Boot ausreichend Stauraum für Zelt, Futtertaschen, Schlafsäcke, Isomatten und was man sonst noch so zum Zelten braucht. Kostenpunkt: 35 €/Tag. Ohne Steuer 30 €, aber bei geplanten 42 km an zwei Tagen kann man sich diesen Luxus schon mal leisten. Da zu dieser Jahreszeit kaum jemand anderer beim Bootshaus auftaucht, konnte ich mein Auto sogar beim Bootsverleih selbst parken. Kostenfrei. Im Gegensatz zum 6 €/Tag-Parkplatz auf der anderen Straßenseite. Also wieder was gespart.

Paddelmarathon 2016 Startunterlagen

Mit den Startunterlagen für den Paddelmarathon gab es eine Startnummer, eine Paddelkarte, die die verschiedenen Routen und Stempelstellen anzeigte, eine Stempelkarte und sechs Essensgutscheine im Wert von je 1 €. Die Gutscheine sollten wir in den Gasthäusern einlösen können, die gleichzeitig auch Stempelstellen waren. Praktisch. Den Paddelmarathon kann man übrigens den gesamten April über absolvieren. Auch an mehreren, nicht aneinander hängenden Tagen.

Tag 1

Reichlich spät am Tag wird erst um dreiviertel zwölf losgepaddelt. Es geht los auf ein langes gerades Stück auf dem Südumfluter. Die Sonne scheint wunderbar vom Himmel und wärmt auf. Von vorn kommt ein ordentlicher Wind, der sogar kleine Wellen aufs Wasser zaubert. Wann sieht man schon mal Wellengang im Spreewald?

 

Die erste Schleuse lässt nicht lange auf sich warten. Insgesamt sieben Schleusen warten heute darauf, das Boot hinauf- bzw. hinab zu befördern. In der Hochsaison sind die Schleusen meist von Freiwilligen besetzt, die sich mit dem „Schleusengeld“ ein wenig was dazu verdienen, indem sie die Paddler durchschleusen, ohne dass diese sich aus dem Boot bewegen müssen. Allerdings ist es dann oft auch so voll, dass Paddlerstau vor der Schleuse entsteht und man erst im zweiten Gang mit hinein kommt.

Anfang April ist hier niemand. Jede Schleuse will also von eigener Hand bedient oder das Boot herum getragen werden. Zu zweit ist das aber kein Problem. Einer schleust, einer paddelt.

 

Weiter geht es auf dem Südumfluter. Immer dem Wind entgegen. Kann der denn nicht von hinten kommen? Ich hoffe auf den Richtungswechsel nach 10 km. So lange muss im Akkord gepaddelt werden. Zeit, die Ruhe und Idylle des Spreewalds zu genießen, bleibt aber allemal.

Nach dem Abdrehen nach Osten geht es ein wenig leichter. Eine Schleuse, noch ne Schleuse. Dann treibt der Hunger uns nach Leipe. Eine Gaststätte ist auf der Marathonpaddelkarte zwar nicht eingezeichnet, aber wir versuchen unser Glück und landen beim Froschkönig. Mensch, hier war ich sogar schon mal als ich von Lübbenau aus gepaddelt war. Ob der Froschkönig heute wohl empfängt?

Die Paddelboot- und Kahnanlegestellen sind gähnend leer. Also schnell das Boot an Land gelegt und erwartungsvoll über die Holzbrücke gehuscht. Der Froschkönig hat offen. Aber keine Gäste. Drinnen knistert das Kaminfeuer und verbreitet eine wohlige Wärme.

 

Die Bestellung geht schnell: Pellkartoffeln mit Sahnequark und Leinöl, dazu eine Portion Pommes. So esse ich das im Spreewald. Dass so eine Portion Kartoffeln mit Quark 6-8 € kostet, darüber sehe ich jedesmal geflissentlich hinweg und genieße trotzdem. Es passt einfach.

 

Frisch gestärkt geht es weiter. Ziel ist heute der Naturcampingplatz am Schlosspark, bei dem ich vorher einen Zeltplatz reserviert habe. Ich ging zwar nicht davon aus, dass der überfüllt sein wird, aber sicher ist sicher.

Obwohl wir erst so spät los sind, ist immer noch genug Zeit für Unfug. Hier in der Nähe gibt es einen Geocache zu holen. Und zwar nur per Boot. Wir wuseln um eine kleine Insel herum und ich schaue mir das Ufer genau an. Den Cache entdecke ich zwar nicht, dafür eine Schlange, die sich gemütlich sonnt. Eine Ringelnatter. Nachdem ich meine Faszination für die Natter, die sich so gar nicht um mich schert, unter Kontrolle gekriegt hab, finde ich sogar noch den Cache. Nass und schimmlig ist das Logbuch. Ein Eintrag geht trotzdem.

Paddelmarathon 2016 Ringelnatter

Das nächste Teilstück hat wieder Gegenwind. Aber durch das Essen ist neue Kraft im Körper und die Aussicht, dass der erste Ziel- und Stempelpunkt nicht mehr weit ist, lässt die Oberarme anschwellen.

So richtig eindeutig ist die Karte nicht, ob sich die Stempelstelle beim Bootsverleih noch vor oder hinter der Schleuse befindet. Oder ich bin einfach nur zu doof zum interpretieren. Da vor der Schleuse aber nichts bootsverleihiges zu sehen ist, fahren wir hindurch. Da ist auch schon der Campingplatz für die Nacht. Etwa 19 km haben wir heute hinter uns gebracht und sind jetzt „mitten“ in Lübbenau.

Zelten im April

Das Boot wird aus dem Wasser genommen und der Entschluss gefasst, erstmal „einzuchecken“ und dann die Stempelstelle zu suchen. Der Platzwart ist schroff, aber hilfreich. 25 € (8,50 €/Person, 4,00 €/Zelt und je 2 € Kurtaxe) kostet eine Nacht im Zelt hier. Er erklärt uns, wo wir unser Zelt aufschlagen dürfen und wo die Stempelstelle ist. Er würde aber auch stempeln, wenn beim Bootsverleih niemand mehr ist. Ob Brötchen zum Frühstück gewünscht sind, fragt er. Nö. Ich hab Fertig-Müsli eingepackt.

Paddelmarathon 2016 Spreewald Naturcamping Schlosspark

Ein ruhiges Fleckchen direkt am Wasser ist schnell gefunden. Hier stehen heute nur noch zwei weitere Zelte und ein Dauercamper mit ausreichend Abstand. Beim Bootsverleih sitzen noch Gäste im Garten, daher bekommen wir unseren Stempel problemlos. Die Stempelkarten sind allerdings alles andere als wasserfest und schon gut durchgeweicht.

Die Abendsonne verschwindet hinter den Bäumen und es gibt Abendbrot aus der Tüte: Wildgulasch. Die Portion Outdoor-Essen ist so riesig, dass locker drei Personen davon essen könnten. Zum Tütengulasch gibt es stilecht Champagner. Der ist noch vom Paris-Marathon übrig. Schmeckt prima zum Zelten. Die Franzosen würden sich im Grab umdrehen, wenn sie das sehen könnten.

 

Mit mehreren Jacken übereinander lässt es sich noch ein paar Stunden am kleinen Kocher aushalten, der, nachdem er brav das Wasser zum Kochen gebracht hat, wunderbar als Mini-Kamin herhält. Stöckchen gibt es hier mehr als genug.

Da die Tour morgen ein paar mehr Kilometer hat, steht der Plan, früh(er) loszufahren als heute. Um 22:30 Uhr ist also Schlafenszeit. Noch schnell Zähne geputzt und ab in den Schlafsack gekuschelt. Die sanitären Anlagen des Campingplatzes können sich im Übrigen sehen lassen. Moderner und sauberer als die meisten Hotelbadezimmer. Zudem läuft das Radio dort. Volle Punktzahl.

 

Tag 2

Immerhin eine Stunde früher geht es am nächsten Tag los. Heute liegen wieder zahlreiche Schleusen und eine Bootsrolle vor uns. Und zwei Stempelstellen, wovon eine das Mittagessen servieren darf. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Paddelmarathon 2016 Tag 2

Die Kanäle sind hier klein und schmal. Nach ein paar Kurven sehe ich schon die Bootsrolle vor mir. Hier ist wirklich kein Platz für eine Schleuse. Das durchaus humoristische Schild weist uns an, dass beide das Boot verlassen und über die Rolle ziehen müssen. Ich finde, das Männchen auf dem Schild sieht aus, als hätte es richtig Spaß.

 

Die nächste Stempelstelle ist nicht weit. Ein winziges Kanälchen lädt zur Abkürzung ein, endet aber in einer Sackgasse. Zum Glück ist das Wasser breit genug zum Wenden. Gefühlt einmal mit der Kirch ums Dorf kommen wir dann doch noch beim Gasthaus Wotschofska an. Ich schnappe mir die über Nacht getrocknete Stempelkarte und stapfe rein. Offen, aber niemand da. Auch keine Klingel. Aus der Küche höre ich zumindest Stimmen und Klappern. Ich rufe. Nichts. Ich rufe lauter. Wieder nichts. Ich rufe richtig laut. Nö. Nix rührt sich. Ich schreie. Kurz bevor ich mein Handy zücke, um im Gasthaus anzurufen, kommt doch noch jemand. Genauso schroff wie der Campingplatzwart. Und dann will ich nur nen Stempel. Raus hier.

 

An diesem Punkt könnte man eigentlich ordentlich abkürzen und von Km 22 direkt zur 30 und damit zur dritten und letzten Stempelstelle durchbrettern, ohne den Umweg über den Hochwald zu machen. Aber wir sind ja des Paddelns wegen da. Es wäre auch eine Schande gewesen, abzukürzen, da der Hochwald zum schönsten Stück der Strecke gehört. Vorbei am Schützenhaus fühlt man sich wie im tropischen Regenwald. Nur ohne tropisch. Regen gibt es aber dafür. Es nieselt ein wenig. Zum Glück hatte ich mich noch kurz vorm Aufbruch dazu entschlossen, die Regenjacke einzupacken, obwohl kein Regen vorausgesagt war.

Paddelmarathon 2016 Nordfließ Panorama

 

Allerlei Getier

Der Spreewald könnte auch gut Spechtwald genannt werden. Sicher mehr als zehn Buntspechte zähle ich allein an dem Tag. Und sogar einen Schwarzspecht erwische ich beim Hämmern.

Das Wetter wird immer noch ungemütlicher. Aber die letzte Stempelstelle ist schon in paddelweite. Nach 28 km (laut Karte) legen wir an der Pohlenzschänke an. Auch hier gibt es wieder gemütliche Stimmung aus dem Kamin, keine Gäste und Pellkartoffeln mit Sahnequark. Die Essensgutscheine werden ohne Probleme verrechnet.

 

Nach der Mittagspause hat es aufgehört zu nieseln. Es regnet jetzt richtig. Mit vollem Magen ist die Laune, jetzt noch 14 km im Regen weiter zu paddeln, im Keller. Aber das Boot muss ja zurück. Und bei Abfahrt hatte mir die Frau gesagt, sie seien bis etwa 18 Uhr da. Ich rechne hin und her und stelle fest, dass der zeitliche Puffer, den ich gesehen hatte irgendwie weg ist.

Es wird ein Zahn zugelegt und ich hoffe inständig, nicht den kleinen Abzweig zu verpassen, der wieder Richtung Burg führt. Und tatsächlich lädt das Nordfließ eher dazu ein, einfach geradeaus weiter zu fahren, anstatt durch die winzige ungeschriftete Brücke zu dümpeln. Die Route stimmt aber, also weiter.

Paddelmarathon 2016 Karte studieren

Jetzt nimmt die Schleusendichte auch sprunghaft zu. Ein paar Scherzkekse haben es irgendwie geschafft, die Tore von beiden Seiten zu schließen, so dass mir erstmal ein ordentlicher Wasserschwall aus der Schleuse entgegen kommt und mich mitreißen will. Einmal Wildbach, bitte!

Zur Aufheiterung trägt ein schwarzes Hausschweinchen bei, das ans Ufer gelatscht kommt, neugierig guckt und dann mit seinem dicken Hals versucht, aus dem Kanal zu saufen.

 

Und auch die Wachgans, die wütend angeflattert kommt und dann fauchend am Zaun entlang patroulliert, sorgt für Ablenkung vom schlechten Wetter.

Es geht nach Burg-Kauper hinein und an Kühen vorbei. Dann biegen wir auf die Große Wildbahn ein. Nein, rechts lang ist falsch. Umdrehen und links lang. Es wird immer dörflicher. Als die Schilder nach fünf gefahrenen Kurven nicht mehr nach Burg zeigen, werde ich stutzig. Mist. Die Karte muss falsch sein. Bestimmt! Der Fehler kann doch nicht vor der Karte sitzen. Wieder umgedreht und zurück gepaddelt. Und das, obwohl die Zeit ohnehin schon knapp ist.

Paddelmarathon 2016 Kühe

Das Wetter heitert langsam wieder auf. Die letzte Schleuse wartet, die mehr durchlöchert ist als dass sie dicht hält. 18 Uhr. Das schaffen wir doch nie. Also werden die Ärmel hochgekrempelt und Stoff gegeben bis das Boot fast wie bei Obelix übers Wasser fliegt. Die Startnummer hängt nur noch auf Halbacht.

Paddelmarathon 2016 Abendsonne

Völlig im Eimer landen wir um 17:45 Uhr beim Leineweber an. 25 Km sind wir laut Garmin heute gepaddelt. So fühle ich mich auch. Der Bootsverleiher ist dagegen tiefenentspannt. Wahrscheinlich hätten wir auch noch um 20 Uhr hier ankommen können. „Viele machen die Tour an einem Tag“, sagt er. Von mir aus. Ich nicht. „Die starten dann aber auch um 7 und kommen erst um 19 Uhr wieder rein“, schiebt er zur Beruhigung noch hinterher.

Zur Belohnung für die „Strapazen“ bekomme ich meine goldene gusseiserne Spreewaldgurke und eine Urkunde. Das ist noch eine hübsche Dreingabe. Nichtsdestotrotz würde ich die Tour jederzeit auch ohne den Marathon machen. Einfach, um ein kleines Abenteuer zu haben.

Paddelmarathon 2016 Goldene Gurke Urkunde

An diesen zwei Tagen habe ich im Übrigen keinen Paddler und nur einen einzigen Kahn gesehen. Wer den Spreewald mal in Ruhe und Idylle genießen will: nehmt euch frei und dann raus mit euch, wenn alle anderen noch meinen, das geht nicht.

Ach ja, was ich nicht verschweigen will: als ungeübter Freizeitpaddler merkt der Körper, was er getan hat. In der zweiten Nacht wollte ich mir am liebsten die Arme abhacken, so sehr hat sich der Muskelkater gerächt. 😉

Kosten für die Tour:

70 € Bootsausleihe für beide Tage zusammen

25 € Übernachtung auf dem Zeltplatz

40 € Mittagessen in den Gaststätten für zwei Personen für beide Tage

(25 €/ Person für die Teilnahme am Spreewaldmarathon Paddeln, 12 € Essengutscheine enthalten)

Spreewaldmarathon Paddeln 42 km

Quelle: runtastic, Open Street Map

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[:de]Microadventures – Abenteuer für den kleinen Geldbeutel und uns, die wir heutzutage keine Zeit mehr haben[:]

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Microadventure Titel

Microadventure? Was ist das denn? Schon wieder so ein neumodisches angloamerikanisches Wort. Am besten erkläre ich das an einem praktischen Beispiel.

Letzten Sommer wollte ich raus. Einfach mal raus. Nicht lange, nicht weit weg. Ausspannen, Natur und Ruhe genießen.

Also packte ich meinen Wanderrucksack inklusive kompletter Zelt- und Kochausrüstung und wir machten uns zu zweit auf den Weg nach Brandenburg. Im Süden Berlins hatten wir uns ein schönes Fleckchen Natur ausgesucht, das nachweislich kein Naturschutzgebiet war, aber einen kleinen See im Wald bot.

Wir wanderten am späten Nachmittag los in den von der Sommerhitze aufgewärmten Wald, der wunderbar nach Kiefernnadeln duftete. Der breite Waldweg führte durch die sandige Brandenburger Landschaft quasi direkt zum See.  Dort gab es ein großes Betonplateau und eine kleine Treppe runter zum Ufer. Und zwischen drei Bäumen bot sich der richtige Platz fürs Zelt. Abends nach dem Sonnenuntergang bei Grillenzirpen in den Schlafsack kuscheln und am Morgen vom Zwitschern der Vögel geweckt werden. Auf dem Campingkocher den ersten Kaffee des morgens zubereiten und am See in den Schlafsack gewickelt dampfend genießen. Die romantische Outdoor-Vorstellung war perfekt.

Der Waldhüter

Microadventure CaroEs dauerte allerdings nicht lange, da wurde die Romantik durch Motorengeräusche durchbrochen. Natürlich war mir bewusst gewesen, dass Zelten in deutschen Wäldern grundsätzlich nicht gestattet ist. (Warum, wo und wie das geregelt und was ein Wald laut Gesetz überhaupt ist, damit beschäftigt sich der Artikel bei aufundab.eu.) Aber getreu nach dem Motto „Wo kein Kläger, da kein Richter“ dachte ich, „Hier kommt heute abend bestimmt niemand mehr vorbei“. Niemand kam dann aber leider doch und zwar im lauten Truck.

Es war nicht der Förster, sondern viel eher der Waldhüter.

Der hiesige Wald gehörte nämlich laut dem Waldhüter einem privaten Forstwirtschaftsunternehmen.

Das Gespräch verlief sehr ruhig und informativ. Leider teilte er uns trotzdem mit, dass er es nicht zulassen könne, uns hier übernachten zu lassen. Die Waldbrandgefahr sei sehr hoch und damit hätte er keine Chance, uns im Falle des Falles aus dem Wald herauszuholen. Er schien durchaus Verständnis für den Abenteuergeist zu haben, aber im Sinne seines Jobs konnte er nicht anders reagieren. Stattdessen erzählte er uns ein wenig über die Historie des Gebiets. Viele Wälder und Heiden in Brandenburg sind ehemaliges militärisches Übungsgelände. Direkt hier, wo wir waren, solle sich unter dem Waldboden sogar ein Atomschutzbunker befinden. Da wurde ich natürlich hellhörig. Er wies nur grob die Richtung, ohne genauere Angaben und fuhr dann wieder weiter auf seine Runde. Natürlich mussten wir versprechen, bei seiner zweiten Runde nicht mehr mit Zelt dort zu stehen.

Da wir den lauen Sommerabend aber wenigstens noch ein bisschen genießen wollten, bereiteten wir uns auf unserem Einweggrill auf dem riesigen Betonplateau (wegen Waldbrand) Grillkäse und Würstchen, tranken ein Bier und Limonade. Als wir aßen, schlängelte sich eine Ringelnatter am Seeufer entlang. Schlangen sieht man in Deutschland auch nicht alle Tage.

Das Zelt hatten wir noch stehen lassen. Keine halbe Stunde später war der Waldhüter tatsächlich wieder da. Ja, wir würden noch vor Einbruch der Nacht verschwunden sein. Zumindest das Zelt.

Schweren Herzens wurden Schlafsäcke wieder eingerollt, Isomatten einlüftet, Zeltstangen zusammengefaltet und Planen wieder verpackt und verstaut. Schade. Es hätte so schön werden können.

Der Bunker

Dann machten wir uns auf den Weg in die Richtung, die uns der Hüter gewiesen hatte: auf die Suche nach dem Bunker. Hügel rauf, Hügel runter. Um unzählige Bäume herum. So ein Atombunker steht ja leider nicht offensichtlich in der Gegend herum. Mit ein bisschen Logik ließ sich aber erkennen, wo er sein könnte und wo auf keinen Fall. Stichwort Alter der herumstehenden Bäume.

Nachdem ich die Hoffnung schon fast aufgegeben hatte, sah ich aus dem Augenwinkel etwas, das nicht passte. Ein Stahlrohr. Ich sprang ein paar Meter nach hier, ein paar Meter nach da und da war er, der Eingang. Ein kleines Loch im Boden, sandig, steil. Aber zugänglich. Die Rucksäcke wurden kurzerhand abgestellt. Hier würde sicher keiner vorbeikommen und Rucksäcke klauen. Nein, in einschlägigen Horrorfilmen würde jemand die Tür zum Bunker von außen zuschmeißen, sobald wir drinnen sind. Aber das sind ja nur Filme.

Also schwupp, nach unten geschlüpft. Natürlich gehört zu meinen 15 Dingen, die ich bei jeder Wanderung dabei habe auch eine Taschenlampe. Die war auch nötig, denn es war dort unten stockdunkel. Das Licht der Taschenlampe offenbarte dann, dass ich nicht alleine war. Es wuselte und flatterte an der Decke und durch den Bunker. Fledermäuse! Langohrfledermäuse, wie ich später recherchierte.

Natürlich sehe ich öfter Fledermäuse flattern, wenn ich in der Dämmerung laufen gehe. Aber so nah und still in ihrem Quartier hängend… wann hat man das schon mal? Ich wäre am liebsten gar nicht mehr herausgegangen und hätte eine von ihnen zu gern gestreichelt. Aber wir hatten ja noch einen langen Rückweg vor uns.

Als wir aus dem Bunker kamen, war es schon richtig dunkel. Es war ja bereits nach 22 Uhr. Die Kiefernwälder dufteten noch immer und wir folgten dem Weg, den ich heute eigentlich nicht mehr hatte gehen wollen. Über mir begleiteten uns weitere Fledermäuse.

Es leuchtet grün…

Auf einmal – fast am Ende des Waldes – sah ich etwas aus dem Laub leuchten. Sehr hell und grüngelb fluoreszierend. Ich fragte mich, was das sein konnte. Eine kleine grüne LED hier mitten im Laub? Ich schob die Blätter weg und hob das leuchtende Etwas auf. Ich staunte nicht Lampyris_noctilucaschlecht, als ein Käfer daran hing. Oder ein Wurm? Etwas dazwischen. Sein Hinterteil war das, was dieses Lichtspiel verursachte. Natürlich!

Ein Glühwürmchen! Ich hatte noch nie ein Glühwürmchen in freier Wildbahn gesehen. Und ich hätte es auch an dem Tag nicht gesehen, wenn ich nicht den unfreiwilligen Nachtspaziergang hätte machen müssen.

Um das zu erleben, musste ich nicht weit hinaus fahren. Nur etwa eine dreiviertel Stunde mit dem Auto. Ich hatte das mitgenommen, was ich ohnehin schon an Ausrüstung hatte. Nur für das leibliche Wohl wurde neu eingekauft. Ansonsten bedurfte es keiner weiteren Ausgaben. Der Ausflug sollte nur für eine Nacht sein und damit zeitlich begrenzt, aber ohne größere Absprachen oder Urlaubsanträge machbar.

Auch wenn es mit der Übernachtung nicht geklappt hat, habe ich an diesem einen Abend so viel erlebt und gesehen wie manch einer ein ganzes Jahr lang nicht. Und den Alltag völlig vergessen.

Das genau ist ein Microadventure. Geprägt hat diesen Begriff übrigens der britische Abenteurer und Autor Alastair Humphreys.

Aber warum erzähle ich eigentlich davon? Ich möchte euch gerne ab und an auf ein Microadventure mitnehmen und vielmehr ermutigen, es mir gleichzutun. Ausrüstung geschnappt, raus in die Natur, weg vom Alltag. Für ein kleines Abenteuer.

Wenn ihr Ideen für Microadventures habt: jederzeit her damit 🙂

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