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4 Uhr nachts. Es ist taghell im Zelt. So ist das eben, wenn man oberhalb des Polarkreises seinen Sommerurlaub verbringt. Da hilft nur eins: Schlafsack über den Kopf ziehen und weiterschlafen. Bis um 7 Uhr, dann hat es sich ausgeschlafen. Beim Blick aus dem Zelt ziehen leichte Nebelschwaden über die grünen Hügel hinweg. Die ersten (oder letzten?) Wanderer mit knallorangem Fjällräven Classic-Wimpel sind schon wieder auf dem Trail unterwegs.
Wir wollen heute gegen 9 Uhr aufbrechen, schließlich haben wir gestern gemerkt, wie wenig Kilometer wir pro Stunde schaffen. Das heißt für uns: länger laufen, also früher los. Das vom Veranstalter gestellte Frühstück besteht aus Fruchtmüsli, das eigentlich heiß aufgegossen werden muss. Ich esse meins lieber kalt und knackig, da kommt der Zimtgeschmack besser heraus.
Vor dem Aufbruch habe ich ein wenig Bammel, denn meine Hüften hatten den Rucksackgurt gestern Abend kaum noch ertragen. Wie soll das nur werden? Beim Aufsetzen merke ich aber: es geht. Es tut gar nicht mehr (so) weh. Es scheint zu stimmen, dass sich der Körper erstmal einen Tag lang an die Last gewöhnen muss.
Rudolph im Wald
Zum Glück ist der erste Checkpoint nicht mehr weit. Kurz, bevor wir dort ankommen, wird unsere Aufmerksamkeit aber von einem anderen Wanderer auf einen Elch gelenkt, der angeblich irgendwo hinten im Unterholz liegen soll. Zwischen Birken und Zelten liegt da tatsächlich auf einer Mini-Lichtung etwas. Es ist aber kein Elch, sondern ein Rentier. Es ist wach und aufmerksam, stört sich aber überhaupt nicht an unserer Gegenwart. Wir machen leise Fotos von dem anmutigen Tier und ziehen uns wieder zurück.
Nach wenigen hundert Metern verlassen wir den Birkenwald und steuern geradewegs auf die Kebnekaise Fjällstation zu, wo wir endlich unseren ersten Stempel für den Wanderpass erhalten. Hier bekomme ich auch mein erstes Stück Kanelbullar – eine schwedische Zimtschnecke. Ich stehe ja auf die Dinger! Wir halten uns hier nur kurz auf, denn weit gekommen sind wir ja noch nicht. Trotzdem eignet sich die Pause, um ein paar Kleidungsschichten abzulegen. Die Sonne ist rausgekommen und es geht bergauf. Schwitzen garantiert.
Vor uns eröffnet sich schönstes Bergpanorama. Immer wieder rätseln wir, welcher Berg wohl der Kebnekaise ist. Der höchste Berg Schwedens. Dessen Besteigung haben wir als Gruppe zumindest für diesen Urlaub ad acta gelegt und freuen uns stattdessen, weiter gemeinsam mit Karsten, Conny und ihren Hunden das Abenteuer zu genießen. Sie wären heute sonst nicht mit uns auf den Berg gekommen und das hätte eine Trennung der Gruppe bedeutet. Stattdessen genießen wir zusammen die herrliche Landschaft und das unerwartet gute Wetter.
Auf Sonnenschein folgt Regen
Wie schnell sich das Wetter ändern kann, merken wir nach unserer zweiten Pause. Der Wind frischt auf, Wolken ziehen ins Tal. Und in dem Moment, wo wir wieder aufbrechen, tun das auch die Wolken. In Windeseile werden Regenjacken an- und Capes übergezogen. Zum Glück sind wir alle gut vorbereitet. Es geht weiter bergauf und der Wind wird richtig eisig. Aber die Zeit ist schon vorangeschritten und der Magen knurrt. Die meisten Hosen sind inzwischen durch den Regen ziemlich durchnässt. Trotz Warnung suchen wir uns einen Platz für die Mittagspause, der mal so richtig windig ist. Zeit, die nassen Klamotten zu tauschen. Trotzdem friere ich mir beim Wasserkochen einen Ast ab und will einfach nur wieder los, mich bewegen.
Nach einigen hundert Metern taue ich wieder auf und bin auch recht flott unterwegs. Heute läuft es besser als gestern. Das trifft aber leider nicht auf alle zu. Conny leidet sehr unter ihrem Rucksack, vor allem den Hüftgurten, so dass sie diese immer mal wieder öffnen muss. Da ich den gleichen Rucksack habe, bin ich froh, dass meine Hüftknochen anscheinend kompatibler dazu sind. Sie kommt damit nur schleppend voran, aber wir warten immer wieder abschnittsweise. Schließlich sind wir ein Team und wollen den Trekk gemeinsam schaffen.
Rentierwrap to go
Den nächsten Checkpoint – Singi – wollen wir heute auch noch mitnehmen. Dass es ihn gibt, treibt mich voran, denn ich muss schon seit einigen Kilometern dringend das schwedische Essen loswerden. Gefriergetrocknetes Essen haut echt durch. Kaum kommt der Checkpoint in Sicht, fange ich an zu rennen. Es geht nicht mehr anders. Ich überhole alle in meiner Gruppe und noch weitere verdutzte Wanderer, springe über Steine und hüpfe durch den Schlamm. Endlich am Checkpoint angekommen, schmeiße ich nur noch den Rucksack gegen einen Felsen und stürze auf die Toilettenzelte zu. Erleichterung! Und so ein gutes Klima in dem privaten Klozelt.
Langsam trudeln die anderen ein und wir suchen uns ein schönes Plätzchen. Nun kann ich mich auf den zweiten Stempel konzentrieren und eine Portion des leckeren Rentierwraps holen, den es hier in einem Zelt gratis gibt. In dem Wrap ist auf jeden Fall mehr Rentier drin als auf den Rentierburger gestern drauf war. Dazu gibt es Kartoffelbrei und Preiselbeersauce. Die Schweden sind großartig.
Endspurt
Der Regen hat sich verzogen und der Plan steht, heute noch ein paar Kilometer zu schrubben. Einigen ist zwar gar nicht danach, aber was muss, das muss. Aus ein paar Kilometern werden genauer gesagt drei. Nach längerer Findungsphase bauen wir unser Mini-Zeltlager auf einer Anhöhe über einem Fluss auf, damit die Wasserversorgung gesichert ist. Danach werden erstmal die tapferen Hunde versorgt, die genauso erschöpft sind wie Frauchen und Herrchen und gleich nach dem Futter in einen tiefen Schlaf fallen.
Das Wetter belohnt uns für die Strapazen mit Sonnenstrahlen, die über die Bergkuppen direkt auf unsere Lager fallen. Trotz Sonne ist mir wie jeden Abend furchtbar kalt und so schlürfe ich meinen Tee schön in voller Montur aus dem Schlafsack heraus. Die Müdigkeit, Kälte und Mücken lassen uns alle aber wieder gegen 21 Uhr in den flatternden vier Wänden verschwinden. Am Schlaf hindert uns die frühe Uhrzeit nicht, die Augen fallen einfach zu. So kann ein Tag zu Ende gehen.
– Weiter zu Tag 3 –
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Super toll geschrieben! Freue mich auf die Fortsetzung:-)
Viele Grüsse Steffi