Als ich vor rund zweieinhalb Jahren abwägen musste, ob ich es mir leisten kann, eine weitere Auszeit für 2021 zu nehmen oder doch besser auf ein Jahr später zu vertagen, da wäre eine Glaskugel nicht schlecht gewesen. Ich hätte eine mehr als zwei Jahre andauernde Pandemie gesehen.
Zahlreiche Lockdowns und weitreichende Einschränkungen des für uns so selbstverständlichen Lebens. Ich hätte gesehen, dass ich im Februar 2020 für eine lange Zeit die vorerst letzten Schritte auf dem nordamerikanischen Kontinent im Dschungel Floridas machen würde und ein Start des Pacific Crest Trail in 2021 durch die Einreisesperre unmöglich gewesen wäre.
Ich hätte gewusst, dass mir mein Orthopäde raten würde, bei meinen doch ehrgeizigen Wandervorhaben noch einmal das Kreuzband richten zu lassen. Und es wäre klar gewesen, dass auch die längere Wartezeit bis 2022 mit jeder Menge unerwarteter kleinerer und größerer Abenteuer erfüllt sein würde.
Hätte ich damals gewusst, was ich heute weiß, wäre die Entscheidung ganz leicht gefallen. Wie das Schicksal manchmal so spielt, traf ich damals – mehr aus finanziellen und Vernunftsgründen – die rückblickend betrachtete richtige Entscheidung. Auch, wenn es damals noch eine Ewigkeit und unerträglich weit weg schien, bis ich endlich wieder einen Fuß auf einen wirklich langen Weg setzen würde.
Es ist soweit
Einen Fuß vor den anderen. Nur aus dem Rucksack leben. Im Zelt (oder auch ohne) monatelang in der Wildnis schlafen. Das Abenteuer auf dem rund 4.300 Kilometer langen PCT steht an. Ich bin nicht halb so gut trainiert wie ich mir das gewünscht hätte. Eigentlich nicht mal ein Viertel soviel. Und meinen Tick, alles übervorzubereiten und bis ins kleinste Detail zu planen, habe ich nach dem Arizona Trail auch abgelegt. Ein bisschen Logistik gehört natürlich trotzdem dazu und macht einen guten Teil der Vorfreude aus.
Ich habe mir aber vorgenommen, mich von dem treiben zu lassen, was immer der Trail für mich bereithält. Das Wetter, die Menschen, die ich unterwegs treffe. Wie mein Körper der ungewohnt gewordenen Belastung dank Home Office standhält. Wo und mit wem ich meinen Geburtstag feiere. Und ob ich mein Ziel (nicht etwa Kanada, sondern die legendären Zimtschnecken in Stehekin etwa 160 Kilometer vor der kanadischen Grenze) erreiche. Alles ist unklar. Und das ist klasse!
Natürlich macht auch wieder die Technik, was sie will. Trotzdem werde ich versuchen, euch Stück für Stück von Mexiko nach Kanada mitzunehmen. Kalifornien, Oregon und Washington warten. Zeit, aufzubrechen!