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4.500 Kilometer Wildnis – der PCT steht an

Als ich vor rund zweieinhalb Jahren abwägen musste, ob ich es mir leisten kann, eine weitere Auszeit für 2021 zu nehmen oder doch besser auf ein Jahr später zu vertagen, da wäre eine Glaskugel nicht schlecht gewesen. Ich hätte eine mehr als zwei Jahre andauernde Pandemie gesehen.  Continue reading

[:de]Arizona Trail – Der Zeitplan[:]

[:de]Lange war’s ruhig um mein Arizona Trail Projekt. Das heißt aber bei weitem nicht, dass ich untätig war. Im Gegenteil, der Trail nimmt langsam Formen an und so lösen sich einige der 999 Fragen rund um mein großes Abenteuer mehr und mehr auf.

Der Flug ist gebucht!

Nun gibt es quasi kein Zurück mehr. In fünf Monaten ist es endlich soweit, ich lasse Deutschland für etwa vier Monate hinter mir, um mich in dieses riesige Abenteuer, 1.300 km Arizona Trail zu Fuß, und viele kleinere im Anschluss daran zu stürzen. Drei Monate davon decke ich über ein vereinbartes Sabbatical ab, der Rest sind Urlaubstage.

Der Visumsantrag

Diese Zeit übersteigt damit die erlaubten 90 Tage Aufenthaltsdauer am Stück, die mit dem unbürokratischen ESTA-Verfahren möglich sind. Für längere Aufenthalte ist ein Besucher-Visum nötig. Also machte ich biometrische Passfotos, füllte einen sehr langen, englischen Online-Antrag (Formular DS-160) aus und vereinbarte schließlich einen Termin bei der US-Botschaft, die zum Glück einen Standort in Berlin hat. Dort angekommen sollte man mit mindestens einer Stunde für das Anstehen und persönliche Interview mitbringen. Wird der Antrag auf ein Visum genehmigt (was direkt in diesem Termin geschieht), lässt man seinen Reisepass dort und erhält ihn ein paar Tage später mit dem eingetragenen Visum per Post zurück.

Mit dem Visum darf ich nun theoretisch zehn Jahre lang jährlich 180 Tage in den USA verbringen. Theoretisch deswegen, da die jeweilige Aufenthaltsdauer bei jeder Einreise von einem Beamten des Heimatschutzes festgelegt wird. Wollen wir hoffen, dass ich solange bleiben darf, um all die vielen Pläne umzusetzen, die ich gerade schmiede.

Ich baue mir meine Wege

Seit Monaten hocke ich über Papier- und digitalen Karten, suche und plane mir meinen Weg durch die Wüsten und Berge Arizonas. Die Arizona Trail Association stellt dafür für ihre Mitglieder (wird man per jährlichem Beitrag) hochdetaillierte topographische Karten zum Download zur Verfügung. Anhand der darin enthaltenen Routen, Höhenmeter und Wasserstellen habe ich meine Tagesabschnitte in Komoot geplant und gleich noch Fertigkeiten in Open Street Map erworben, denn ich musste feststellen: nicht jeder Trailabschnitt ist in Komoot vorhanden. Da Komoot auf Daten von Open Street Map basiert, habe ich immerhin die komplette Passage 16 per Hand in der freien Kartendatenbank ergänzt. Und siehe da, ein paar Tage später war der Weg in Komoot sichtbar und einige Wochen später auch routebar.

 

Kartentechnisch sollte ich gut ausgestattet sein. Neben den Komoot-Routen habe ich den gesamten Trail auf meiner Fenix. Über mein InReach stehen mir weitere topographische Karten via EarthMate-App auf dem Handy zur Verfügung und zu guter Letzt gibt es die ultimative Arizona Trail-App mit allen aktuellen Daten zu Trails, Wasserverfügbarkeit, Zäunen, Straßen und allem, was dem Wanderer so begegnen kann. Auf (ausgedruckte) Papierkarten werde ich aufgrund der schieren Masse verzichten müssen.

Im Schnitt plane ich, jeden Tag etwa 25 km zurück zu legen. Auf flacheren Abschnitten werden mehr Kilometer geschrubbt, wird es sehr bergig, auch mal weniger. Nach diesem Plan brauche ich 52 Tage, um von Mexiko nach Utah zu wandern. Wahrscheinlich werde ich gerade am Ende viel mehr laufen, aber ich gehe lieber vorsichtig an die Sache heran. Vielleicht verliere ich ja auch aus gesundheitlichen Gründen unterwegs ein paar Tage, die ich dann wieder aufholen muss. Wer weiß?

Wasser in der Wüste

Das leidige Thema des Arizona Trails, die Wasserknappheit. 2018 war eines der trockensten Jahre seit Jahrzehnten. Bedingt durch geringen Schneefall in den Bergen und an sich wenig Niederschlag trugen die wenigen Flüsse so gut wie oder sogar kein Wasser. Kleinere Seen waren schon im März ausgetrocknet. Die Trail Angels waren schwer beschäftigt, Wasserkanister an den Trailheads zu lagern. Niemand weiß, ob es in 2019 besser wird. Und selbst wenn es ein regen- bzw. schneereiches Jahr werden sollte, gibt es Abschnitte, auf denen die Wahrscheinlichkeit, Wasser zu finden, zwischen 0 bis 1 (auf einer Skala bis 4) gibt.

50 oder mehr Kilometer ohne die Sicherheit, Wasser zu bekommen, ist ein Risiko, was ich lieber vorsorglich minimiere. Also werde ich mir etwa eine Woche vor meinem Start ein Mietauto schnappen, einen Hamsterkauf Wasserkanister tätigen und mich auf einen lustigen Roadtrip durch Arizona begeben. Da ich in Tucson lande und der südliche Teil des Arizona Trails wassertechnisch positiver aussieht als der Norden, klappere ich Trailheads und Hinterlandstraßen bis fast zum Grand Canyon ab, um dort jeweils 1-2 Kanister für mich zu lagern.

 

Natürlich könnte ich mich in dem Punkt auch auf die Hilfsbereitschaft der Trail angel verlassen. Aber mal ehrlich, es gibt doch schlimmeres als einen Roadtrip quer durch Arizona… Danach wird mich meine vorerst letzte Autofahrt von Tucson in die Nähe des südlichen Startpunkts an der mexikanischen Grenze bringen. Ein Trail angel ist so nett und bietet Shuttleservices für die Thruhiker an. Dort, am Coronado National Memorial beginnt er dann, der Weg, mein Ziel.

 

 


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[:de]Deep Creek Hot Springs – ein wenig PCT-Luft schnuppern[:]

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Tag 3

Deep Creek Hot Springs – wie das schon klingt. Wie eine Einladung, der man einfach folgen muss. Zum ersten Mal bin ich diesem Namen begegnet als ich Christine Thürmers “Laufen.Essen.Schlafen” in den Händen hielt. Auf dem Weg von Mexiko nach Kanada auf dem legendären Pacific Crest Trail (kurz: PCT) kam sie genau an dieser Stelle vorbei, wo warme Wasserquellen zum Baden einladen. In der Planung meiner Novemberreise schlich sich dieser Platz nun heimlich in die “Da-muss-ich-hin”-Hitliste meiner Wanderungen. Zu den Hot Springs zu gelangen ist grundsätzlich nicht schwer. Drei Wege unterschiedlicher Länge und Schwierigkeit führen dorthin, soviel hatte ich schon recherchiert. Zwei davon, der Goat Trail und Bradford Ridge Path, waren mit etwa 3-4 km Laufweg erfrischend kurz. Und dennoch. Wollte ich nicht das richtige PCT-Gefühl erfahren? Klar doch! Dafür war ich ja hier. Also fiel die Wahl des Weges auf den mit ca. 10 km Strecke direkt auf dem PCT. One-way, versteht sich.

Ende November parkte dann das Auto am Ende der 173. Straße  direkt am rostigen Schild, das diese Sektion des PCT einleitete. Die Hot Springs waren hier sogar schon angeschlagen. Die Anzahl der Meilen stimmte mich mal wieder unangemessen optimistisch. Kaum hatte ich einen Schritt auf dem Weg getan, hatte mich auch schon der Zauber des PCT eingefangen. Ein schmaler Pfad, der erst in karger Wüstengegend beginnt und plötzlich findet man sich in einem Wäldchen aus herbstgoldenen Cottonwood Trees wieder.

Keinen halben Kilometer traf ich schon auf den Fluss, der mich bis zu meinem Ziel mal näher mal weiter weg begleiten sollte: der Deep Creek. Ich hätte allerdings nicht gedacht, das ich schon so bald mit ihm “kuscheln” würde. Nach gerade mal 2 km am Flussufer durchs waldiges und wiesiges Gebiet entlang stand ich vor einer Felswand. “Na gut, klettern ist angesagt”, dachte ich und kletterte. Schon nach 4 Höhenmetern war mir aber klar, dass das nicht der richtige Weg sein konnte. Aber wo dann? Von dort oben hatte ich einen guten Ausblick auf den Fluss. Das klare Wasser lies einen bis auf den Boden gucken. Und der war an genau dieser Stelle verdächtig algenfrei. Guuut. DAS ist dann wohl der Weg.

Mit meinem Schicksal völlig abgefunden, zippte ich mir die Hosenbeine ab. Eigentlich wollte ich sie nur hochkrempeln, aber sicher ist sicher, dachte ich mir. Los gings. Das kalte Wasser traf mich wie ein Schock. Wie kann denn Wasser in der heißen Wüste nur so kalt sein? Schnell durch. Es wurde tiefer. Und tiefer. Sollte die Hose eben unten ein wenig nass werden. Geht schon. Nach etwa der Hälfte des Flusses dachte ich, müsste es ja wieder flacher werden. Aber nicht der Deep Creek! Ich watete weiter und spürte, wie meine Oberschenkel kalt wurden und das Wasser am Ende bis zum Bauchnabel stand. Das war mir inzwischen wurscht, ich wollte nur raus aus diesem Wasser. Triefend nass und schimpfend kam ich dann doch am anderen Ufer an. Die Hose, Unterwäsche und unteres Shirt tropften fröhlich vor sich hin. Zum Glück wars ja warm und noch ein langer Weg zum Trocknen. Natürlich gibt es auch ein Video zur Misere. Ihr verzeiht mir hoffentlich das Fluchen…

Die Gelegenheit und Deckung am Schopfe packend, wollte ich erstmal in die Büsche verschwinden und stapfte barfuß durch den Sand. Keine zwei Meter weiter waren meine Fußsohlen mit spitzen Dornen übersät, die eine Pflanze wohl zur Verteidigung abschmeißt. Ja, die Wüste ist eine feinseelige Landschaft. Schuhe an. Weiter. Nach einer kurzen Orientierungsphase wies dann ein Schild endlich wieder den “Original”-PCT aus und es ging in Serpentinen bergauf. Ein schmaler Pfad schlängelte sich um das bergige Land, der Deep Creek lang inzwischen viele Höhenmeter unter mir. Der Ausblick raubte mir einfach den Atem und ich konnte mich kaum sattsehen. Die Höhe blieb nun für einige Kilometer gleich, der Weg wurde aber stellenweise schmaler oder war durch Erosion kaum zu erkennen. Neben mir ging es einfach nur steil abwärts. Jeder Fehlschritt konnte der letzte sein. Die Sonne brannte unerbärmlich von oben. Ich fragte mich, wie man es hier wohl in der Sommerhitze aushalten sollte. Jetzt war Ende November und meine Hose trocknete ohne Probleme unter der Sonne!

Etwa 7 Kilometer weiter erreichte ich die hölzerne Rainbow Bridge und wechselte die Uferseite. Von hier an ging es noch einmal ordentlich bergauf und immer mehr Höhenmeter vom Deep Creek weg. Das konnte doch nicht sein! Gerade als ich schon zweifeln wollte, kam ein älterer Herr entgegen. Mit Schlapphut mit PCT-Aufnäher, Wanderstock und typischer Ausrüstung war er den PCT sicher schon mindestens einmal durchgewandert. Zu den Hot Springs? Ja, da ist schon einiges los! Viele Nackte! Der Weg war also noch richtig. Es ging weitere 2 km bergauf bis der PCT auf meinen ersten Wahlweg traf. Der Bradford Ridge Path kam an dieser Stelle von rechts herunter und vereinigte sich mit dem PCT. Es konnte also nicht mehr weit sein. Und tatsächlich: einmal um die Ecke herum verlor ich jetzt ordentlich an Höhe und in der Ferne konnte ich schon Gestalten erkennen.

Als ich dort ankam, saß ein Pärchen in einem aus Steinen künstlich aufgestauten Pool. Ein zotteliger Mann, nur bekleidet von einem Shirt und sonst nichts, richtete gerade seine Hängematte. Ein weiteres Pärchen zog sich seine Badesachen an und ein vernebelter blonder Einheimischer bereitete sich gerade ein Hühnchen mit einer großen Zwiebel unter einem Stein auf einem winzigen Feuer zu. So ein Bild sieht man nicht häufig. Die Lage sondierend schaute ich mich erstmal um und lief noch ein Stück flussaufwärts. Ich musste mal die Hand ins Wasser halten. Kalt. Na toll. Aber die Leute setzen sich doch bestimmt nicht so entspannt in so kaltes Wasser. Bikini raus und zum Mann mit Hühnchen geschlappt, der genau neben einem weiteren “Pool” saß. Vorsichtig streckte ich den Zeh ins Wasser uns dann das ganze Bein. Ich konnte es kaum glauben: das Wasser war badewannenheiß. Nicht warm. Heiß! Völlig verzückt ließ ich mich ins Wasser gleiten und es dauerte keine zwei Minuten, da wurde mir schon was zu rauchen angeboten. Nee, danke, das war so gar nicht mein Ding. Ich schwebte auch so auf meiner Wolke 7. Stattdessen genehmigte ich mir eine mitgeschleppte Coke Lime Zero, die ich mit allen Mitteln gegen die Bienenhorden vor Ort verteidigen musste.

Außerhalb des Pools war das Flusswasser um einiges kälter, so dass man wunderbare Wechselbäder vornehmen konnte. Zwischen Felsen, in einem Canyon mitten in der Wüste. Dass es so einen zauberhaften Ort gibt, hätte ich nicht gedacht. Und für mich unfassbar, plätscherte das glasklare Wasser einfach aus dem Ufer heraus. Das einheimische Pärchen wunderte sich, dass überhaupt Ausländer hierher fanden, kannten sie doch selbst als “Locals” diesen Ort erst seit kurzem. Den langen Weg war hier natürlich niemand gegangen. Ich stellte mir vor, wie großartig es doch sein müsste, nachts in der heißen Quelle sitzend die Milchstraße über sich zu haben. Aber leider ist dieses Gebiet eine “day-use area”, also nur für tagsüber und es lag ja auch noch ein weiter Rückweg an. Schweren Herzens zog ich mir daher wieder meine staubigen Hiker-Klamotten an und begab mich auf den Trail.

Zurück auf der Rainbow Bridge kündigte die Sonne langsam ihr Verschwinden an und tauchte die Berge in goldenes Licht. Auch auf dem Rückweg fand sich kein besserer Weg als der durch den schweinekalten, bauchnabeltiefen Fluss, obwohl laut GPS einer hätte da sein müssen. Erst zurück in Berlin fand ich dann im Internet des Rätsels Lösung: es gab mal eine Brücke, doch die wurde schon 2010 vom Fluss weggespült. Aber was ein richtiger PCT-Thruhiker ist, der wandert auch durchs Wasser!

 

Weiter geht es mit Tag 4 bis 6

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[:de]Laufen.Essen.Schlafen – Eine Frau, drei Trails und was ich dazu denke[:]

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 LaufenEssenSchlafen

Vorwort

Zur Vorbereitung auf mein Projekt, den Arizona Trail zu durchwandern, decke ich mich mit viel Literatur, Fachbüchern und Ratgebern ein. Einige dieser Bücher stelle ich euch in den nächsten Monaten immer mal wieder vor. Den Anfang macht hiermit das Buch “Laufen. Essen. Schlafen” von Christine Thürmer, das erst im Frühjahr 2016 erschienen ist.

Kurz zum Inhalt

Die Geschäftsfrau Christine Thürmer packt nach einer Unterhaltung mit Wanderern, die den Pacific Crest Trail (PCT) durchwandern selbst die Lust, eine solche Langdistanzwanderung zu unternehmen. Nachdem sie nach einer umfangreichen Unternehmenssanierung ihre Kündigung erhält, macht sie sich auf die Reise, ein halbes Jahr lang von der mexikanischen Grenze zur kanadischen zu laufen. Doch damit nicht genug. In den folgenden Jahren bezwingt sie zwei weitere Weitwanderwege in den USA: den Continental Divide Trail (CDT) und den Appalachian Trail (AT) und erhält für diese Leistung die Auszeichnung „Triple Crown“ verliehen.

Persönliche Kritik

Das Buch dient der Unterhaltung, das sollte einem klar sein, wenn man das Buch als Kauf in Erwägung zieht. Dass innerhalb von knapp 300 Seiten drei komplette Langdistanzwanderungen abgehandelt werden, ist schon ein erstes Zeichen, dass es sich hier nicht um ein Fachbuch oder einen Ratgeber handelt, der einem (großartig) für die Vorbereitung eines ähnlichen Plans hilft.

Die Seiten und Kapitel lesen sich flüssig und in einem Rutsch. Jeden Abend habe ich mehrere Kapitel verschlungen. Ob es an der Einfachheit des Lesens lag, der Spannung, wie es weiter geht oder der Hoffnung, doch noch mehr zu erfahren… sicherlich wird alles zu einem Teil beigetragen haben, dass ich das Buch in wenigen Tagen durch hatte.

Die Autorin beschreibt kurz, wie und was sie zu diesen mutmaßlich heftigen Wanderungen verleitet hat. Der berufliche Alltag und die Rahmenbedingungen werden beschrieben und der Leser bekommt mehr als einmal mit, dass sie eine äußerst erfolgreiche Geschäftsfrau ist, der aber dennoch (mehrfach) gekündigt wird.

Der Einstieg auf dem PCT wird noch einigermaßen detailliert und gefühlvoll beschrieben. Danach geht es mir zu schnell. Schon nach wenigen Seiten befinden wir uns 500 km weiter – was etwa schon zwanzig Wandertagen entspricht. Ich hätte gerne mehr erfahren über die ersten Tage. Wie sich das neue, völlig ungewohnte Leben so anfühlt. Welche Gedanken und Herausforderungen diese Zeit mit sich gebracht haben. Wie die Landschaft und Leute wirken. Was der Körper nach 30 gewanderten Kilometern in teils schwierigem Terrain mit kompletter Ausrüstung zu sagen hat. Dazu erfährt der Leser leider so gut wie nichts. Und das zieht sich auch den gesamten Trail hindurch.

Man liest viel von Mitwanderern und sogenannten Trail Angels, freiwilligen Helfern am Rande des PCT. Dadurch, dass derart viel von anderen Thru-Hikern berichtet wird, kam in mir das Gefühl auf, Frau Thürmer wäre seltens allein gewandert. Vom PCT ist bei mir hängen geblieben:

  • es gibt sehr viele Trail Angels
  • am Anfang recht viel Wüste
  • der Bundesstaat Kalifornien zieht sich wie ein Kaugummi
  • es gibt einen schwierigen Pass zu überqueren
  • ab der nördlichen Grenze Kaliforniens regnet es nur noch

Der Bericht vom CDT, auf den ich am meisten gespannt war, ist fast ausschließlich geprägt von der Beziehung zwischen Frau Thürmer und ihren damaligen Freund und Mitwanderer Bob. Ihre unterschiedlichen Lebensweisen, Wanderstile, Probleme und Streitigkeiten . Vom CDT blieb bei mir folgendes zurück:

  • Am nördlichen Beginn des CDT wimmelt es vor Grizzly- und Schwarzbären
  • Es gibt viele Stellen, an denen der Trail keine Kennzeichnung hat und es mehrere Routenvarianten gibt
  • Die Zeit sitzt einem im Nacken, da der Winter jederzeit auszubrechen droht

Den immerhin auch 3.500 km langen Appalachian Trail handelt Frau Thürmer mit nur knapp 50 Seiten ab. Man merkt, dass dieser ihr am wenigsten gelegen hat. Zumindest am Anfang bekommt man den Missmut zu spüren, den sie auf dem Trail entwickelt. Hier ist alles anders als erwartet und von den anderen Trail gewohnt. Erst zum Ende hin kann sie sich ein wenig mit dem AT anfreunden. Der Funke springt hier allerdings nicht über. Man bekommt das Gefühl, sie würde  „nur Strecke machen“ wollen.

Der Appalachian Trail ist daher nach dieser Lektüre genau das:

  • Ein langer, grüner Tunnel und endloser Wald
  • Stets verregnet
  • Langweilig und überlaufen im Gegensatz zum PCT und CDT
  • fast ständig an die Zivilisation angeschlossen

Was mir fehlt…

… sind die Beschreibungen der Vorbereitung und des Alltagslebens eines Thru-Hikers. Sie schreibt, man müsse mit ultraleichter Ausrüstung unterwegs sein, ohne im Ansatz zu erwähnen, dass genau das auch eine Herausforderung in der Anschaffung darstellt. Gerade ultraleichte Zelte und Schlafsäcke sprengen gerne mal das übliche Haushaltsbudget. Vor allem, wenn davon auszugehen ist, dass der Wanderer während seiner Auszeit womöglich kein Geld verdient. Kann sein, dass es für Frau Thürmer gar keine Herausforderung war, denn wie sie selbst in einem Interview sagte: sie könne sich diesen Lebenstil mit ihren Ersparnissen leisten bis sie 90 Jahre alt ist. Auf den Normalverdiener trifft das wohl eher nicht zu.

Ich habe wenig von der Landschaft mitbekommen und kann mir nur im Ansatz vorstellen, wie es auf den Trails ausgesehen hat. Ein paar Seiten hierzu hätten nicht geschadet, denn als Leser möchte ich mitgenommen werden auf das große Abenteuer, welches ich selbst vielleicht nie realisieren kann.

Auf Probleme und Ängste geht sie nur sehr selten ein. Dass Wasserknappheit herrscht, habe ich nur auf einer einzigen Seite gelesen, als sie beschreibt, dass sie ihren eigenen Urin zum Abspülen von Geschirr nutzt. Ansonsten scheint sie weder Hunger, Durst, Schmerzen, Krankheiten oder sonstige Ausfallerscheinungen gehabt zu haben. Hut ab, wenn es wirklich so war.

Was ich für mein Arizona Trail Projekt mitgenommen habe

1) Ich bin jetzt ziemlich fit, was Trail-Jargon angeht. Ich weiß, was ein Thru-Hiker, eine bounce box, ein Bärenkanister und der Trailname Da mir im Lauf meiner Vorbereitungen sicher noch mehr Wörter in Langdistanzwanderer-Fachchinesisch begegenen werden, habe ich mal ein Glossar begonnen, auf das ich bei Bedarf immer mal wieder verlinken werde.

2) Langdistanzwanderer sind fast ausschließlich in Trail Runnern unterwegs statt schweren Wanderstiefeln. Das bestätigt auch meine Erfahrungen aus den Trainings zum Mammutmarsch und Ostseeweg. Wanderstiefel bieten zwar eine erhöhte Sicherheit gegen Umknicken in schwierigem Terrain, werden ab auf Dauer zu schwer und ermüden die Beine.

3) Ich werde wohl zu einer seltenen Spezies auf dem Arizona Trail gehören. Thru-Hiker sind hauptsächlich männlich und unter 30. Die zweitgrößte Gruppe stellen Pärchen bis zur selben Altersgrenze dar. Allein wandernde Frauen sind selten und wenn dann auch eher der jüngeren Altersgruppe zu zuordnen. Mit meinen 40 Jahren in 2019 bin ich dann wohl meine eigene Randgruppe.

4) Es gibt sogenannte bounce boxen, die von den Wanderern von Kleinstadt zu Kleinstadt und dort zu den jeweiligen Postfilialen geschickt werden. Darin enthalten ist Proviant und Equipment für den nächsten Abschnitt. Was nicht (mehr) benötigt wird, wird einfach zur nächsten „Station“ weiter geschickt. Eine sehr sinnvolle Organisation, da nicht jedes Örtchen mit einem Walmart ausgestattet ist und manch individuelle Bedarfe nicht vor Ort gedeckt werden können.

5) Klapperschlangenbisse scheinen in den meisten Fällen nicht tödlich zu sein. Pro Jahr werden etwa 7.000 bis 8.000 Menschen mit Klapperschlangenbissen behandelt und nur etwa 5 sterben daran. Für mich stellt sich aber die Frage: Was ist mit denen, die nicht behandelt werden, weil sie nicht rechtzeitig medizinische Hilfe erhalten? Wie hoch ist die Dunkelziffer derer, die mitten in der Wüste gebissen werden und dort verenden?

6) Beim Arizona Trail wird es für mich wohl nicht bleiben. Schon jetzt bin ich ganz angefixt von der Idee, vor allem den PCT und den CDT zu laufen. Wüste Gedanken in meinem Gehirn bilden sich schon und überlegen, wie und wann dann wohl das nächste Sabbatical fällig wird. Und das erste ist noch so lange hin…

Wer das Buch lesen möchte, findet es hier bei Amazon. Natürlich hat Christine Thürmer auch ihren eigenen Blog, der mir schon das Fürchten vor dem Arizona Trail gelehrt hat. Und eine Facebook-Seite darf nicht fehlen, damit ihr verfolgen könnt, auf welchem Abenteuer sie sich gerade befindet.

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