Sollte man mit einer gerade frischen Verletzung an einem 22 km langen, mit 37 Hindernissen gespickten Hindernislauf teilnehmen? Wohl kaum. Sollte man nach einem Monat Trainingspause und noch immer abklingender Verletzung einen 19 km Trailrun mit 500 Höhenmetern laufen? Eigentlich versteht sich die Antwort auf diese Frage von selbst. Eigentlich.
Viele Läufer können sich bestimmt in diese Lage hinein versetzen: seit Monaten hatte ich eifrig und ambitioniert trainiert, war viermal die Woche in meinen Laufschuhen unterwegs, quälte mich zweimal pro Woche im Fitnessstudio, ab und an ging ich stattdessen mal Inlineskaten. Die Wettkämpfe liefen gut und ich erreichte sogar zweimal persönliche Bestzeiten. Mein Highlight des ersten Halbjahres sollte die XLETIX Challenge werden, für die ich mich mit meinem Team schon für Monaten über die L-Distanz angemeldet hatte. Alles lief perfekt… bis eine Woche vor dem Event. Eine plötzlich nach dem Training aufgetretene Zerrung der Adduktoren machte mir selbst das normale Gehen schwer. Man darf sich gar nicht die Flüche vorstellen, die mir durch den Kopf schossen, war ich doch gerade gefühlt auf meinem Trainingshöhepunkt angelangt. Und nun?
Jeder halbwegs klar denkende Mensch weiß sofort: das war’s mit der Challenge. 22 km durchs Gelände und über Hindernisse… geht’s noch? Dadurch wird die Verletzung nur noch schlimmer und die Ausfallzeit länger. Und durch unrundes Laufen steigt das Risiko weiterer Verletzungen noch unnötig an. Natürlich weiß ich das. Und dennoch setzt bei mir als leidenschaftlichem Läufer ein anderer Prozess ein: das Abwägen der Wichtigkeit des Wettkampfes für mich persönlich und der verbleibenden Optionen.
- Den Lauf komplett sausen lassen und gar nicht erst antreten
- Ohne Rücksicht auf Verluste die Sache durchziehen
- Antreten mit dem Bewusstsein, jederzeit aussteigen zu können
Sofern es sich um einen, ich nenne es jetzt mal herkömmlichen Straßenlauf handelt, der jedes Jahr wieder quasi vor meiner Nase angeboten wird und auf den ich nicht unbedingt als Hauptziel hintrainiert habe, entscheide ich mich in so einer Verletzungssituation natürlich für Option 1.
Wenn ich allerdings die ganze Saison darauf hin gefiebert habe, der Wettkampf außergewöhnlich ist und ein absolutes Highlight in meinem Kalender darstellt, fällt die Entscheidung nicht so leicht. Dann heißt es, in mich hinein zu horchen, ob ein Versuch überhaupt denkbar ist. Und wenn der nicht völlig unmöglich erscheint, fällt die Entscheidung trotz vollem Bewusstsein für die Risiken auf Option 3. So auch bei der XLETIX Challenge, die ich ohne weiterführende Probleme oder Verletzungen und ohne Muskelkater mit sehr viel Freude completed habe.
Etwas anders war die Sachlage beim Sachsentrail. War ich bei der Challenge noch auf vollem Trainingsniveau gewesen, fehlte mir nun ein kompletter Monat Ausdauer- und Krafttraining. Jeder Zwischenversuch war nach kurzer Zeit gescheitert. Das Abwägen der aktuellen Situation ergab: außergewöhnlicher Wettkampf? = ja! Highlight? = ja! Versuch möglich? = möglich, aber harte Arbeit! Alle weiteren Wettkämpfe der Saison waren sekundär. Also lief ich. Natürlich lief ich nicht die gesamte Distanz im Wettkampftempo, ich ging auch sehr viel. Temperatur und Steigung rechtfertigten das noch zusätzlich. Aber ich war glücklich, es probiert und durchgehalten zu haben. Mein Körper gab mir selbstredend noch drei weitere Tage in Form von heftigem Muskelkater zu verstehen, was er von dieser Frechheit hielt, aber damit hatte ich gerechnet… und es bewusst in Kauf genommen.
Viele haben mich für verrückt gehalten, einige haben mir stolz auf die Schulter geklopft. Ich mir insgeheim auch. Sicher ist man für Ratschläge dankbar, aber letztlich ist jeder Läufer für sich selbst verantwortlich. Und manchmal tut ein verpasster Wettkampf eben mehr weh als es doch zu probieren. Aussteigen kann man immer!
Bei einer stinknormalen Zerrung klebe ich einfach Kinesio drauf und laufe weiter… Wenn ich jedes Mal deswegen (oder wenn eine Sehne meckert) pausieren würde, würde mein Läuferleben nur noch aus Pausen bestehen. Macht kein Spaß!
Naja, ich bezweifle, dass du mit einer Adduktorenzerrung auch noch weiter laufen würdest. Ich bin durchaus nicht schmerzempfindlich, aber damit laufen war einfach nicht mehr schön 😉 Und besser wird es davon auch nicht.