42. Gutsmuths Rennsteiglauf

Bereits ein Jahr vorher hatte ich mich Ende Mai 2013 für den Halbmarathon auf dem Rennsteig vorangemeldet und im Juni eine Unterkunft gebucht. Zu diesem Zeitpunkt war ich in meinem gesamten Läuferleben gerade mal einen einzigen Wettkampf über 10 km auf komplett flacher Betonstrecke gelaufen. Ich muss wohl verrückt gewesen sein. Aber es war ja auch noch ein Jahr Zeit, sich auf diese Herausforderung vorzubereiten. Das Jahr ging vorüber und durch zahlreiche Wettkämpfe auch mal über die Halbmarathondistanz hinaus fühlte ich mich im Grunde recht fit. Die Aufregung war dennoch immens. Recht weit von zu Hause weg, in völlig unbekanntem Terrain mit einigen Höhenmetern, die es zu überbrücken galt. Und Startzeit bereits um 7:30 Uhr. Das war schon eine andere Hausnummer als der Berliner Halbmarathon.

Silbergrund2
Vorsperre Silbergrund

Um noch ein paar schöne Tage vor Ort zu verbringen, ging die Reise schon am Donnerstag nach Oberhof, dem Startort für den Halbmarathon, los. Da war der Ort noch so gut wie ausgestorben. Kaum Touristen, ab und an mal ein Läufer. Das sah am Freitag Nachmittag aber dann ganz anders aus. Den Vormittag hatte ich mit einer kleinen Wanderung von 17 km von Oberhof zur Vorsperre Silbergrund und zurück verbracht. Sozusagen als Einstimmung und Auflockerung für den Wettkampf. Für denjenigen, der ähnliches plant: Wanderwege im Thüringer Wald sind – abgesehen vom Rennsteig – teilweise durch starke Verwilderung oder Erosion und mangelnde Wartung nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen und können leicht als Abzweig übersehen werden. Hat man sie aber einmal gefunden, ist das Erlebnis umso imposanter.

rennsteig_klosscollageMeine Startunterlagen holte ich ganz unkompliziert am Nachmittag in der Dreifelderhalle ab. Für die Wanderung bzw. Nordic Walking gab es diese gleich nebenan in der Grundschule. Ich erhielt einen großen gelben Transportbeutel mit meiner Startnummer, an der gleichzeitig Coupons für ein Kloßessen, Bier und Suppe angebracht waren. Die Kloßparty startete ab 18 Uhr des Lauf-Vorabends in den jeweiligen Startorten. In Orennsteig_zeltberhof war ein großes Festzelt mit Tischen, Bänken und einer Bühne mit brüllend lauter Musik aufgebaut. Für den Coupon bekam ich einen Teller mit einer übersichtlichen Portion Schweinegulasch und zwei Klößen. Da ich mir vorher schon in der “Kaminhütte” Wildgulasch mit Rotkohl und Klößen einverleibt hatte, war mein Hunger jetzt nicht riesig. Geschmeckt hat’s trotzdem. Soweit ich es in meiner Unterkunft mitbekommen habe, war ab Mitternacht Ruhe im Partyzelt. Kein Wunder, der nächste Tag fing auch früh an und alle Läufer sollten noch eine Mütze voll Schlaf bekommen.

Um 5:30 Uhr morgens klingelte mein Wecker. Nicht, dass ich das von einem Arbeitstag nicht gewöhnt war, aber am Wochenende war es schon grausam. Das “Waldschlösschen” hatte sich netterweise auf die Teilnehmer am Rennsteiglauf eingestellt und bot das Frühstücksbuffet bereits ab 5:30 Uhr an. Im Festzelt soll es laut Ausschreibung ebenfalls Frühstück gegeben haben, ich habe dann aber lieber doch “zu Hause” gegessen. Um 6 Uhr versuchte ich mich zum Verzehr eines Marmeladenbrötchens zu überzeugen. Das ist einfach nicht meine Zeit.

rennsteig_transportSchon vorher hatte ich meinen Transportbeutel zu den zahlreichen Deutsche Post-LKWs gebracht, da der letzte bereits um 7 Uhr losfahren sollte. Je näher die Zeit dem Start rückte, umso größer wurde der Strom der Läufer, die mit ihren Beuteln Richtung Start pilgerten. Der letzte LKW fuhr dann tatsächlich gegen 7.20 Uhr los und sammelte noch im Fahren die Beutel von Nachzüglern ein. Am Start war bereits die Hölle los. Mit den gepäcksammelnden LKWs, dem kreisenden Hubschrauber und den Menschenmassen auf der Straße glich das Szenario schon sehr einer Evakuierung.

rennsteig_heliMit meinem Versorgungsgürtel für unterwegs fühlte ich mich so gesehen auch richtig gut aufgehoben. Eingepackt hatte ich zwei 237 ml Softflasks mit Wasser in den hinteren Taschen, zwei Energy-Gels (Schoko & Vanille) und zwei Chomps von GU (fruchtgummiartige Energiehäppchen), von denen ich auf der Messe zum Berliner Halbmarathon mal eins getestet hatte, in den vorderen Taschen. In meinem Transportbeutel würden im Ziel ein kleiner Schokokuchen, Ritter Sport Rumschokolade und eine Banane als Belohnung warten.

rennsteig_caroDer Startbereich war in immerhin 8 Blöcke unterteilt. Obwohl ich den Rennsteiglauf bei der Anmeldung noch nie gelaufen war, hatte ich immerhin eine Startnummer für den Block 5 bekommen. Jeder Block startete einzeln mit 3 Minuten Verzögerung, Dabei wurden die Teilnehmer der Blöcke kurz vor dem jeweiligen Start direkt an die Startlinie geführt. Um 7.42 Uhr fiel für meinen Block der Startschuss und es ging los in Richtung Rennsteig. Die ersten Kilometer führten allerdings noch um Oberhof herum, vorbei an der Rodelbahn und dem Biathlon-Zentrum.

Nach knapp 3,5 km erreichte ich die Wiese vor dem Sportplatz “Am Harzwald”, von dem aus die Wanderer und Nordic Walker starteten. Und da ging es auch ab in den dichten Nebel. Der erste Anstieg lag an und hier trennte sich kurzzeitig das Feld der Halbmarathonläufer, um die Wege zu entlasten.

Start der Wanderer und Nordic Walker
Start der Wanderer und Nordic Walker

Ein paarmal ging es danach noch ein wenig abwärts, tendentiell aber eher bergauf. Angesichts der großen Teilnehmerzahl und engen Wege fühlte ich mich ein wenig wie beim Berliner Halbmarathon – nur im Wald. Soweit ich sehen konnte Läufer. Direkt vor mir, neben mir, hinter mir. Und kaum mal eine Chance zum Überholen, wenn man nicht einfach direkt von Weg in den Wald sprang. Und das war durch die überraschende Dichte an Bäumen im Wald auch nicht immer möglich. Wenn es bergab ging, versuchte ich in schnellem Tempo an der Seite vorbeizuziehen. Bergauf ließ ich mich ein wenig gehen, im wahrsten Sinne des Wortes. Im Gehen war ich mit großen Schritten auch nicht viel langsamer als diejenigen, die mit Trippelschrittchen liefen.

Nach gut 6,5 km passierte ich den ersten Verpflegungspunkt “Sommerswiese”. Hier gab es Wasser, Cola, isotonisches Getränk und Tee. Da ich aber selbst Wasser “an Bord” hatte, lief ich einfach weiter und nutzte den nächsten Anstieg, um einen Schluck aus meinen Flaschen zu nehmen. Die gröbsten Höhenmeter waren nach etwa 9 km bei “Plänckners Aussicht” mit 969 Metern Höhe rennsteig_schneeerreicht. Hier lag sogar noch ein aufgetürmtes Häufchen Schnee! Ein wenig bergab, dann auf fast ebener Erde mit nur einem kleinen Anstieg ging es weiter zum nächsten Verpflegungspunkt bei 12 km.

Mir ging es noch immer prächtig. Ich hatte noch genug Wasser in meinen Flaschen und zog auch hier vorbei. Zumindest aber eine viertel Banane, die hier zusätzlich zu den o. g. Getränken angeboten wurde, schnappte ich mir im Vorbeilaufen. Frisches Obst ist doch immer noch deutlich leckerer als jedes Energy-Gel. Dennoch entschied ich mich, einen der Chomps in den Mund zu nehmen, um einem drohenden Energieverlust vorzubeugen. Ein Schluck Wasser aus der Flasche und es ging weiter. Und zwar nun über eine richtig lange Strecke immer hinunter. Nebenbei genoss ich den wunderbaren Wald- und Wiesenduft, den ich bei Wettkämpfen in der Stadt wirklich vermisste. Ich hatte soviel Spaß und lief übermütig teilweise mit 5er-Pace den Rennsteig hinunter. Manchmal war ich so übermütig, dass ich mehr über die Wurzeln und Steine stolperte als dass ich lief. Aber mit jedem Blick auf meinen Laufcomputer nahm mein Durchschnitts-Pace immer weiter ab. Und das beflügelte!

Der dritte Versorgungspunkt mit Getränken zog vorbei und ich sah mich noch einmal einem leichten, aber langgezogenen Anstieg gegenüber, den ich mir sorennsteig_ziel im Höhenprofil gar nicht vorgestellt hatte. Aber auch der ging vorüber. Nach 18 km verspürte ich doch mal einen Hauch von Erschöpfung. Die Aussicht jedoch, dass nur noch 3 km vor mir lagen und es noch immer einige Höhenmeter nach unten waren, ließen mich wie ein Uhrwerk laufen. Km 19 wurde doch tatsächlich mein schnellster mit einem Pace von 4:58. Und da war das Ziel schon wirklich in greifbarer Nähe. Die letzten paar hundert Meter führten nach Schmiedefeld hinein durch eine Gartenanlage. Noch schnell über den Teerweg und das Ziel war in Sichtweite.

2:08:16 Stunden standen bei Zieleinlauf auf meiner Garmin. Nach dem verkorksten Berliner Halbmarathon damit meine HM-Bestzeit. Und das bei einem Crosslauf mit 300 m hoch und 400 m runter. Zufrieden mit der Zeit und nach so viel Laufspaß suchte ich nach der Medaillenausgabe, die in dem Gewühl ziemlich unterging. Danach stellte ich mich an. Wo, das wusste ich nicht und die Läufer vor mir, auch nicht. Nach einigem Gedrängel und Geschiebe war ich bei Tee und Äpfeln angelangt. Na gut. Die Cola gab es leider nebenan.

rennsteig_gepaeckDie Sonne war inzwischen durchgekommen, aber ich fröstelte dennoch ein wenig. Ich fragte mich durch, wo denn die “Gepäckausgabe” sei und fand mich auf einer großen Wiese überflutet mit gelben Säcken wieder unter denen sich nach längerem Suchen auch meiner wiederfand. Wie ich mich auf meinen Schokokuchen freute! Aber erstmal umgezogen wie allen anderen Teilnehmer auf der Wiese. Nach Umkleiden zu suchen, war mir nun doch zu müßig. Sehr froh war ich, dass ich meine Daunenweste noch mit eingepackt hatte. Mir war doch arg frisch. Fertig umgezogen legte ich mich für ein kurzes Weilchen in die Sonne, aß meinen Kuchen, die Schokolade und die Banane und schaute dann den einlaufenden Teilnehmern des Nordic Walking, Wanderns und der ersten Marathonis zu.

Im Zielbereich waren zahlreiche “Fressbuden” aufgebaut. Nach meinem Freibier holte ich mir passenderweise eine Thüringer Rostbratwurst, als Nachtisch zwei Kugeln Eis und auch vom Handbrot musste ich mal probieren. Schließlich mussten die weggerannten Kalorien ja wieder reingeschaufelt werden. Den Coupon für die Suppe ließ ich verfallen. Zum einen, weil ich die Suppenausgabe einfach nicht fand und zum anderen, weil mir nun wirklich nicht nach Suppe/ Brühe war.rennsteig_schmiedefeld

Gegen 12 Uhr begab ich mich zum Bus-Shuttle nach Oberhof zurück. Auch hier musste ich mich wieder durchfragen, denn eine Ausschilderung sah ich nirgends. Wahrscheinlich hätte ich mir die Karte von Schmiedefeld im Voraus ein bisschen besser (überhaupt) ansehen sollen. Aber das quasi nicht vorhandene mobile Internet in Oberhof zum Großereignis hatte das verhindert. Auf dem Weg zum Shuttle kam ich an der Strecke der Marathonläufer vorbei. Besonders hart fand ich hier, dass es kurz vor dem Ziel nochmal richtig bergauf für sie ging. Es fuhr ein Bus nach dem nächsten, aber jeder war ordentlich gefüllt mit Teilnehmern und Angehörigen.

Am Abend konnte der Zieleinlauf dann im Festzelt noch einmal ordentlich begossen werden. Da mein Nachmittagsprogramm statt aus Erholung aus dem fotografischen Erkunden verlassener Gebäude und Biathlon-Schießen bestand, verzichtete ich auf das Gelage im Zelt und sank nach einem XXL-Schnitzel nur noch erschöpft, aber zufrieden in mein Bett.

Wir sehen uns wieder, Rennsteiglauf. Im nächsten Jahr!

Meine Wettkampfbewertung gibt es wie immer hier.

Halbmarathon mit Pace und Höhenprofil, Quelle: runtastic
Halbmarathon mit Pace und Höhenprofil
42. Gutsmuths Rennsteiglauf HM 2014
42. Gutsmuths Rennsteiglauf HM 2014

5 Gedanken zu “42. Gutsmuths Rennsteiglauf

  1. Sehr schöner Artikel, wenn man ihn ließt es es als wäre man mit Dir unterwegs. In meinem Herzen bist Du immer bei mir.

  2. Danke 🙂
    Ich hatte auch Respekt davor, aber man glaubt ja nicht, wieviel Spaß es macht, wenn es einfach nur noch abwärts geht! Musst Du mal ausprobieren.

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