[:de]Fjällräven Classic 2017 – Tag 1: “Das schaffen wir nie in 5 Tagen!”[:]

[:de]

Die Geschichte des Fjällräven Classic in einem Beitrag zu erzählen, wäre sicher machbar. Aber wird das dem tagelangen Event wirklich gerecht? Zugegeben, das ist zum Teil nur ein vorgeschobener Grund. Denn wer mich und meinen Blog kennt, weiß: es fällt mir schwer, mich kurz zu fassen. Zu schön war die Zeit, zu erlebnisreich die Tage, zu perfekt der Team-Spirit, daher schreit unsere Reise ins schwedische Lappland nach einem Mehrteiler. Den ersten gibt es heute.

Tag 0 –  Mein Gepäck bleibt wohl in Stockholm

Um 4:40 klingelt der Wecker. Gruselige Zeit. Mit den Öffis geht’s es zum Flughafen. Die Fahrt im Express-Bus ist allerdings weit weniger entspannt, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich dachte an gemütliches Kaffeebecherschlürfen und Croissantknabbern im Sitzen. Die Realität zeigt mir das Bild von Heringen, die in ein Glas gepfercht und beim Transport wild durcheinander geschüttelt werden. Am Flughafen dann die nächste Ernüchterung. “Wollen die alle nach Schweden?” Die Reihe am Gepäckschalter ist endlos und geht kaum voran. Kann ja nur besser werden. Der nette Mann vom Bodenpersonal bemerkt treffend: “Heute wollen aber viele nach Kiruna. Sonst immer nur so zwei-drei Leute. Heute sind’s 18!” Was die wohl vorhaben?

Einen Direktflug von Berlin nach Kiruna gibt es nicht. Daher landen wir vier vom neunköpfigen EarnYourBacon-Team, das sich im Februar geschlossen für das Event gemeldet hat, erstmal in Stockholm zwischen. Fliegen macht hungrig, daher gibt es erstmal den angeblich besten Burger Schwedens (zum Glück gibt es den gleich am Flughafen!). Danach verlaufen wir uns erstmal im falschen Terminal und landen aber am Ende zwischen einer Masse Menschen, die wie wir aussehen: Outdoorhosen, Wanderschuhe, Rucksäcke als Handgepäck, Funktionskleidung am ganzen Leib. Nur Johanna fällt mit ihren Jeans irgendwie aus dem Raster. Da sie nur fürs Event anreist, kann sie sich ihre Alltagssachen bequem vom Basecamp in Kiruna zum Zielort Abisko transportieren lassen. Für uns andere geht die Reise danach noch weiter, daher besteht unser Outfit schon zu 100 % aus Outdoorkrempel.

Während wir so auf den Einstieg warten, schaue ich aus dem Fenster zu, wie die Taschen ins Flugzeug verladen werden. Taschen und Rucksäcke werden auf ein steiles Gepäckband gelegt und in den Rumpf transportiert. Und da kommt meine Tasche… fährt nach oben… und fällt auf der anderen Seite des Bandes herunter. Äh. Blöd. Nun liegt mein Gepäck da. Unterm Flugzeug. Außerhalb der Sichtweite der Gepäckpackjungs. Und nu? Es ist ein ziemlich komisches Gefühl, das eigene Gepäck dort liegen zu sehen, aber nichts tun zu können. Nachdem fast alles verladen ist, erbarmt sich doch noch einer der Jungs dazu, die Tasche in den Vogel zu befördern. Uff. Ich muss den Fjällräven Classic also nicht nackt laufen.

Wir werden mehr

Vom Kiruna Airport werden wir direkt mit einem Bus-Shuttle des Veranstalters ins Basecamp in der Högalidskolan gefahren. Der Zeltplatz Camp Ripan ist gleich nebenan, wo Steve und Janine, die vorher schon paddeln waren und mit dem Zug angereist sind, uns ein Plätzchen freigehalten haben. 22,50 € zahlt man pro Nacht je Zelt.

Nachdem unsere Behausungen aufgestellt sind, geht es zum Basecamp in der Schulturnhalle. Hier gibt es gefriergetrocknete Trekkingnahrung in allerlei Geschmackssorten von Pulled Pork über Lammgryte (liebevoll Lammgrütze von uns genannt) bis hin zu Chili con Carne und Kabeljau. Kistenweise stehen hier die orangen Packungen von Real Turmat zur Verfügung. Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht neugierig in die noch nicht ausgepackten Kisten schauen würde. Hier gibts schließlich noch mehr leckere Sorten. Und wer weiß, welche Sorten es dann nur noch an den Checkpoints gibt. Mit einem ganzen Rucksack voll Real Turmat, Schwedenbrot, unserem Wanderpass, einem knallorangen Wimpel, Wanderkarte und sehr hochwertigem Müllbeutel (andere würden das als Packsack verkaufen) geht es wieder Richtung Zeltlager.

Am Abend hören wir uns noch einen Vortrag an, der einen für unseren Geschmack zu hohen botanischen Anteil hat und für einige als besseres Schlafmittel fungiert. Einen ersten Vorgeschmack auf die Heerscharen von Mücken gibt es gleich hinterher und Steve kann mal wieder seinen Mückenhut zücken. Recht früh geht es in die Federn, denn der nächste Tag wird aufregend und anstrengend zugleich.

Tag 1 – Los geht die outdoorige Menschenkette

Um kurz vor 10 Uhr stapfen wir mit Sack und Pack zum Bus-Shuttle, dass die Massen zum Startort nach Nikkaluokta fahren soll. Endlich treffen wir in der beachtlichen Schlange auch die letzten Teammitglieder Karsten, Conny und Ralf, die mit dem Auto angereist sind. Eine gute Stunde dauert der Transfer, aber es ist immer noch genug Zeit bis zum Start der Startgruppe 2 um 13 Uhr. Aufgeregt werden Fotos gemacht, die Rucksäcke noch einmal justiert, die Hund befüttert und beruhigt, Chips gegessen. Alle Rucksäcke werden handverwogen. Bei den Mädels ist das Standardgewicht zwischen 15,5 und 16 kg, während bei den Herren bis zu stolze 21,5 kg gemessen werden.

Pünktlich um 13 Uhr geht es dann endlich los! Team EarnYourBacon setzt sich mit hunderten anderer Trekker aus allen möglichen Nationen in Bewegung. Die ersten Schritte der 110 km-langen Strecke sind getan.

Gemächlich bewegt sich die gutgelaunte Menschenschlange voran. Schon nach wenigen Minuten ist unser Team auseinander gezogen. Ein paar müssen noch mehr justieren als andere und einige sind einfach mal deutlich flotter unterwegs. Die 16 kg auf meinem Rücken merke ich schon und denke jetzt bereits an den Rentierburger, der uns angeblich nach 5 km winken soll, während Ralf einen ersten Schluck frisches Flusswasser zu sich nimmt. Unser Weg führt uns bis dahin durch kleine Birkenwälder und nach einem Weilchen dort hinaus ins offenere Feld. Wir steuern genau auf die verschneiten Berge zu. Die Wege sind matschig und steinig. Ein Zustand, der uns bis zum Ende hin begleiten wird. Unsere zwei felligen Teammitglieder müssen ihre erste wackelige Stahlbrücke überqueren und machen das besser als so mancher Mensch.

Lap Dånalds in Sicht!

Nach guten 5 km bin ich mehr als froh, dass die erste Pausenstation mit den versprochenen Rentierburgern erreicht ist. Es regnet ein wenig, aber das stört mich weit weniger als mein dringendes Bedürfnis, eine Toilette aufzusuchen. Die Schlange an den Burgern ist sowieso ewig lang, also stellen sich ein paar von uns an, während ich die hölzernen Klohäuschen aufsuche.

Für zwei Burger, ein Bier und eine Zimtschnecke werde ich stolze 40 € los. Natürlich kann man hier in der Wildnis mit Kreditkarte zahlen, wie überall in Schweden. Wer glaubt, der Rentierburger würde hauptsächlich aus dem namensgebenden Tier bestehen, der irrt. Einige kleine dünne Scheiben Rentierwurst, gut versteckt unter dem Rindfleischpaddy. Das ist der Rentierburger. Egal. Er schmeckt!

Nach einer recht ausgiebigen Pause geht es weiter. Wir haben heute noch einiges an Wegstrecke vor uns. Eigentlich wollen die meisten von uns am Fuße des Kebnekaise, dem höchsten Berg Schwedens, zelten, um am nächsten Tag die Besteigung desselbigen in Angriff zu nehmen. Die Realität holt uns aber nach gut 10 km schon ein. Für die kurze Strecke brauchen wir unerwartet lange. Fast vier Stunden! Das Terrain ist schwierig, so dass jeder Schritt konzentriert getan werden will. Trotzdem möchte man ja auch ab und an noch mal einen Blick auf die wunderschöne Landschaft werfen und das Panorama einsaugen. Die Last auf dem Rücken macht die Sache nicht einfacher, geschweige denn schneller.

Die Kebnekaise Fjällstation – unser erster Checkpoint – kommt nach etwa 16 km in Sichtweite. Zu diesem Zeitpunkt bin ich echt schon ziemlich fertig und frage mich, worauf ich mich da eingelassen habe. Was habe ich mir denn dabei gedacht, sowas 1.300 km lang in Arizona mit täglich 25 km machen zu wollen, wenn ich nach einem Tag mit gerade 16 km völlig im Eimer bin? Meine Hüften, wo der Rucksack aufliegt, schmerzen wie die Hölle. Meine Füße tun weh und ich muss schon wieder dringend auf die Toilette. Etwa der Hälfte unserer Gruppe geht es auch nicht anders und so beschließen wir, heute nicht einmal mehr bis zum ersten Checkpoint zu gehen.

Auf einer Anhöhe finden wir eine schöne Stelle für unsere sechs Zelte. Es ist windig und frisch, daher wird in Windeseile aufgebaut und zu Abend gegessen. Das gefriergetrocknete Essen zaubert allen noch einmal ein Lächeln auf die Lippen. Es ist richtig gut! Um 21 Uhr sind alle in den Zelten verschwunden. Auf meinen Hüftknochen haben sich tiefrote, geschwollene Kreise gebildet, die ein wenig wie ein Bluterguss aussehen. Ich habe keine Ahnung, wie ich damit morgen meinen Rucksack tragen soll. Also kuschel ich mich erstmal meinen warmen Daunenschlafsack, den ich mir kurz vor der Reise noch zugelegt habe. Heute ist heute und morgen ist morgen.

– Weiter zu Tag 2 –

[:]

4 Gedanken zu “[:de]Fjällräven Classic 2017 – Tag 1: “Das schaffen wir nie in 5 Tagen!”[:]

  1. Hi liebe Steffi, freut mich, dass dir der Bericht gefällt. Vielleicht ist das Event ja auch etwas für dich. Wenn es Fragen gibt, jederzeit 🙂

  2. Ein sehr schöner Bericht, werde ich gerne weiterverfolgen
    Das letzte Jahr sind wir auch um 13 Uhr gestartet und am Checkpoint Kebnekaise waren unsere Ressourcen so ziemlich am Ende. Dort haben wir dann Gezeltet. Dieses Mal, genau wie 2015, sind wir um 9 Uhr gestartet und an der gleichen Stelle waren alle so fit, dass wir entschieden haben bis Singi weiterzugehen. Der Duft des Rentierwraps hat die letzten Schritte wesentlich leichter gemacht.
    Es könnte also einen Zusammenhang zwischen Startzeit und Tagesform geben.

  3. Hej. ich lese Deine Berichte seit einiger Zeit (genauer seit meiner Mammut-Marsch-Vorbereitung) begeistert, und freue mich auch auf die nächsten…aber wer 110 km F-R-Classic wandern will, darf sich nicht in Arlanda (!) verlaufen!!
    Bin jedenfalls sehr auf die nächsten Tage Deiner Tour gespannt!
    Liebe Grüße aus Xberg
    Manfred 3:0))

Kommentare sind geschlossen.