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Willkommen beim Oberlausitzer Gipfelstürmer
14 Gipfel und 8.723 m in zwei Tagen im Zittauer Gebirge. Wer das auf meiner schicken Urkunde liest, reißt erstmal ehrfürchtig die Augen auf. Als Manuel mit dieser Tour durch seine Heimat in unserer Marschgruppe um die Ecke kam, hatte ich schon im Geiste meinen Rucksack gepackt. Und an jedem Gipfel sollte es auch noch einen Code für den Bergpass geben. Da war es um mich geschehen. Wenn ich meine Wanderleidenschaft auch noch mit Sammeln von Stempeln, Codes oder sonstigem verbinden kann, laufe ich Stunden, Tage, Kilometer… weiter als meine Füße mich eigentlich tragen wollen.
Dass sich hinter den 8.723 m keine echten Höhenmeter, sondern Gipfelmeter verbergen, macht die Gipfeljagd zum Oberlausitzer Gipfelstürmer nicht weniger spannend. Streckenmäßig bedeutet die Tour, rund 45 km und 1.400 Höhenmeter zurückzulegen. Für den normalen Gelegenheitswanderer ist das schon ein starkes Stück.
Und dennoch (oder gerade deswegen) trafen sich über 30 Leutchen an einem Freitag Abend Mitte März in der Sonnenbergbaude des Zittauer Gebirges. Während der Schnee in der Hauptstadt schon längst weggetaut war, fanden sich hier auf der nahegelegenen Piste noch zahlreiche Schneeflecken. Und das sollte nicht der letzte Schnee gewesen sein, den wir zu sehen bekommen.
Tag 1 – Bis zur Grenze Österreichs
Um kurz vor 8 schleiche ich aus meinem Zimmer in den Frühstücksaal. Da herrscht schon wildes Treiben an den riesigen Tischen, die unsere Wandergruppe für dieses Wochenende für sich eingenommen hat. Ein bisschen wie Klassenfahrt. Nur das Frühstücksbuffet ist deutlich besser. Punkt 9 Uhr stehen wir im Schatten der Sonnenbergbaude bereit, um der knackig kurzen Einweisung von Herrn Fichte, unserem Bergführer, zu lauschen. Schön, das mal nicht selbst machen zu müssen.
Dann geht’s los. Die ersten Höhenmeter warten schon in Form von einer Treppe auf uns. Erstes Schnaufen von hinten. Dafür gibt es das erste Gipfelglück aber schon nach einer guten Viertelstunde. Weiter geht es durch den Wald, teilweise sehr steil. Und ich schwitze. Beim zweiten Gipfel muss ich erstmal eine meiner Schichten loswerden.
Im Flachland zieht sich unsere Gruppe bei unseren Trainings ja immer schon recht weit auseinander. Kommen Höhenmeter dazu, potenziert sich das Ganze. Sowohl bergauf als auch bergab. Vorne entstehen immer mal wieder Pausenmöglichkeiten, um die Gemütlicheren wieder herankommen zu lassen. Genug Zeit, die Strecke zu genießen, bleibt allemal. Die Temperaturen sind mit ca. 10-15 Grad fürs Wandern sehr angenehm und die Sonne strahlt ein ums andere Mal durch die Baumwipfel hindurch. Der wurzelige Boden mit seinen Anstiegen zu den vielen, vielen Gipfeln lässt die Waden brennen. Der Duft nach Moos und Tannenzapfen gepaart mit den zahlreichen Gesteinsformationen, die sehr an die Sächsische Schweiz erinnern, lassen die Anstrengung aber immer wieder verblassen. Und immer mal wieder findet sich ein neuer Gesprächspartner, obschon manches Gespräch mit spontaner Schnappatmung beendet und die Weiterführung auf das Erreichen des nächsten Gipfels verschoben wird.
Weil ich damit noch nicht ausgelastet bin, wühle ich ab und zu mal fernab des eigentlichen Weges im Dreck… auf der Suche nach Geocaches. Ein Erfolgserlebnis dieser Art würde ich hier schon gerne mitnehmen. Kurz vor „meinem“ Felsen, auf dem wir eine kleine Rast machen wollen, verliere dann mal eben den Anschluss, aber mit ein paar Nachzüglern finde ich dann auch den Carolafelsen. Den Geocache im Übrigen nicht. Salate werden ausgepackt. Würste, Brote, Kekse und Schokolade. Die Nahrung der „Gipfelstürmer“ ist vielfältig, manchmal sogar gesund. Energie wird auch gebraucht, denn die große Pause mit warmer Mahlzeit auf dem Hochwald ist noch einige Kilometer und viele Stunden entfernt.
Ein Anstieg der besonderen Art erwartet uns auf dem Weg zum Nonnenfelsen. Eine Treppe führt durch eine kleine Schneise zwischen zwei Felsen nach oben. Soweit so gut, wäre sie nicht noch komplett unter Schnee vergraben. Die Stufen bestehen also aus zu Stufen getretenem Schnee, der aber die Last einiger Mitwanderer nicht verkraftet. Knietief im Schnee stehen. Und sich wieder rauskämpfen. Als wäre es nicht schon schlimm genug.
Aber auch hier oben auf dem Nonnenfelsen wartet neben einem grandiosen Ausblick noch eine weitere Belohnung. Herr Fichte hat eine ganze Schachtel Schnäpperken mitgeschleppt. Da nehm ich doch einen und klopfe mit. Bevor wir nun alle auf dem windigen Gipfel komplett auskühlen, geht’s schon wieder weiter. Der Gipfelcode ist hier gut versteckt, aber verteilt sich in der Gruppe schnell, nachdem einer ihn gefunden hat. Kiefernwäldchen, massive Felsen, moosiges Gelände, wurzelige Abstiege. Ich fühle mich pudelwohl und springe wie ein junges Reh die Abhänge runter. Zum ersten Mal seit zwei Wochen schütte ich wieder Endorphine aus und bin richtig glücklich. Jetzt ist nicht die Zeit zum Traurigsein. Jetzt genieße ich einfach nur das hier und jetzt in Form von Natur, Begleitung, Anstrengung.
Das höchstgelegene Gebäude des Zittauer Gebirges, die Hochwaldbaude, erreichen wir um 16 Uhr nach einem mühseligen Anstieg durch ein Schneefeld. Na gut, ein schneebedeckter Weg. Aber anstrengend.
Der Wirt hat extra für uns seine Pforten geöffnet und serviert Bauernfrühstück, Schweinegulasch und Sülze. Letztere erfreut sich nicht unbedingt größter Beliebtheit, dafür ist das Bauernfrühstück so riesig, dass zwei muntere Wanderer davon satt werden. Gestärkt durch ein mit Tatjana geteiltes Kirschbier (denn das gibt’s nur in Flaschen und daher nicht für Einzelpersonen) treten wir wieder raus in die Kälte. Die Sonne senkt sich langsam in orangerosa hinter den Baumwipfeln und es geht alle erklommenen Höhenmeter wieder bergab. Mir geht das Getrotte zu langsam und so rennen Martin, Peter und ich wie von der Tarantel gestochen bis zur nächsten Weggabelung. Um dort doch wieder auf die anderen zu warten.
Allmählich senkt sich die Nacht und die Waldwege werden dunkler. Felsen verwandeln sich von grauen, strukturierten Formationen in Silhouetten von Grandpa Simpson. Während die Vordersten versuchen, ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, packen weiter hinten einige die Stirnlampen aus. Durch das Lichtergewackel hinten sehen wir vorne aber nix mehr und setzen uns ein wenig von den Lichtquellen ab. Wir sind nun schon so lange in der Dunkelheit an den Grenzsteinen unterwegs, dass Gerüchte aufkommen, es ginge direkt zur Grenze Österreichs weiter. Dass sich der Weg zwischenzeitlich zu Matsch und einem ausgewachsenen Sumpf entpuppt, macht die Sache nicht besser. Nicht jeder hat wasserdichte Schuhe an. Ich schon. Mein Füße sind angenehm warm und mir geht’s gut. Immer mal wieder rotten wir uns zusammen, denn wir sind vorn ganz schön flott unterwegs.
Nach fast zehnstündiger Wanderung kehren wir kurz vor 20 Uhr wieder in der Sonnebergbaude ein. Der kleine Trupp, der vor uns allen gestartet war, um möglichst noch im Hellen anzukommen, ist noch nicht da. Und auch Olaf und Ralf haben wir im Wald verloren, letzteren aber noch unterwegs zwischen den Grenzsteinen wiedergefunden. Auf alle wartet nun erstmal eine heiße Dusche, bevor wir uns zu mehr Gulasch, Riesenwindbeuteln und Eis wieder im Speisesaal einfinden. Alt will ich heute eigentlich nicht mehr werden. Eigentlich. Denn irgendwie lande ich dann doch in der 6-köpfigen Pokerrunde um einen kleinen Pot. Und schwups ist es Mitternacht, als Ingo und ich uns den „fetten“ Gewinn teilen. So richtig müde bin ich noch nicht. Oder nicht mehr. Ich schaue noch ein paar Trailer über die rudimentär vorhandene Internetleitung und träume dann selig von den Ereignissen des Tages. Die letzten verlorenen Wanderer trafen übrigens gegen 22 Uhr doch noch ein. Wohlgemerkt nicht im Hellen.
Tag 2 – Wir gehen jetzt mal ne Piste hoch
Am nächsten Morgen sind alle wieder putzmunter. Einige spüren zwar, was sie am Vortag geleistet haben, aber es sind noch nicht alle Gipfel zum Erreichen des Gipfelstürmers erklommen. Drei fehlen uns noch, u. a. der höchste von allen: die Lausche.
Um kurz nach 9 stapfen wir also wieder nach oben. Und um möglichst viele Höhenmeter gleich am Anfang runterzureißen, keuchen wir den Abhang einer Skipiste hoch. Warum auch nicht. Macht man beim Redbull 400 ja auch so. Manuel beteuert, das sei der korrekte Wanderweg. Auf den treffen wir dann auch und der ist – mal wieder – komplett mit Schnee bedeckt. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen, aber wir kommen alle auf dem Gipfel der Lausche an und werden mit einem grandiosen Rundblick über die Region und schönstem Wetter belohnt. Zeit für ein Zwischenetappenzielgruppenfoto!
Weiter geht es tendenziell mit negativem Aufstieg über kleine Waldwege, mit viel bis mäßig Schnee, Wiesen und Felder. Wir sammeln die letzten Gipfelcodes sowie das ein oder andere Fundstück ein und spazieren fröhlich die heutige 12 km-Runde, die schneller vorbei ist, als mir die Füße weh tun können. Plötzlich stehen wir schon wieder vor der Sonnebergbaude, wo Herr Fichte mit den verdienten Urkunden zum Gipfelstürmer auf uns wartet.
Duschen? Ach so sehr haben wir ja dann doch nicht geschwitzt. Ein unkoordiniertes Verabschieden beginnt, die Disziplin des Wanderweges löst sich auf und schon bald sitzen wir wieder zu viert im Auto auf dem Weg zur Hauptstadt. Schade. Hier hätte ich es noch ein paar Tage aushalten können.
Aber vielleicht kommen wir ja im Herbst zurück zu den Gipfeln. Pünktlich zur Pilzsaison.
P. s. Meinen Geocache der Region… den hab ich dann doch noch gefunden 🙂
Meine Ausrüstung für dieses Wochenende
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