Gülpe – (mehr als nur) Der dunkelste Ort Deutschlands

Die allgegenwärtige Lichtverschmutzung lässt uns Großstädter fast vergessen, was der Nachthimmel an funkelnden Schätzen bereithält: die Sterne. Milliarden und mehr Sterne erscheinen jede Nacht über uns am Firmament. Doch schauen wir aus einer Großstadt wie Berlin nach oben, sehen wir mit viel Glück vielleicht 10 oder 20 von ihnen.

Während meiner Auszeit hatte ich in vielen Nächten die etliche Gelegenheiten, den Sternenhimmel in seiner ganzen Pracht und der strahlenden Milchstraße mit bloßem Auge sehen zu können. In den Wüsten Arizonas und Utahs war ich der Zivilisation so fern, dass nicht einmal entfernte Stadtlichter dieses Spektakel trüben konnten. Und ich in den Bergen der Sierra Nevada, die gut und gern über 3.000 Meter liegen, war ich den Sternen sogar noch ein Stück näher.

Bevor du dir nun denkst: “Toll, dort komme ich sicher nicht so schnell oder nie hin”, gibt es einen Geheimtip für heimische Sternengucker – der kleine Ort Gülpe im beschaulichen Havelland. Nur etwa eine gute Stunde Fahrzeit von Berlin entfernt befindet sich der dunkelste Ort Deutschlands. Weit entfernt von Großstädten ist es dieser Platz, der dir die ganze Bandbreite des Sternenhimmels offenbart. Die faszinierende Milchstraße wird mit bloßem Auge sichtbar und Sternenbilder erscheinen klar am Himmel. Nicht umsonst heißt das Gebiet um Gülpe herum “Sternenpark”.

Einmal im Jahr findet in Gülpe der Westhavelländer AstroTreff (WHAT) statt. Wie es Zufall so wollte, fand dieser in diesem Jahr genau an dem Wochenende statt, an dem ich beschloss, mal einen Ausflug an den dunkelsten Ort Deutschlands zu unternehmen. Noch während ich mein Zelt auf dem idyllischen Biwakplatz Gülpe aufbaute, hörte ich schon, wie sich die Einheimischen und Ausflügler zum nächtlichen AstroTreff verabredeten. Das war heute? Großartig! 

Paddeln auf der Gülper Havel

Aber noch war es ja taghell und mit fast 30 Grad im Schatten hochsommerlich warm. Natürlich hatte ich mein Boot eingepackt und mir eine kleine Tour auf der Havel vorgeplant. In diesem Gebiet im Havelland teilt sich die Havel in zwei Arme: die Gülper Havel und die Haupthavel. Während zweitere gemütlich breit und ohne nennenswerte Strömung vor sich hin fließt, geht es auf der deutlich schmaleren Gülper Havel schon fixer zu. Das Wasser ist glasklar, so dass man gut beobachten kann, wie sich die Wasserpflanzen mit der Strömung bewegen. 

Das Paddeln fällt leicht durch die Unterstützung der merkbaren Strömung und so kann ich auch mal ein-zwei Paddelschläge aussetzen und mich einfach treiben lassen. An der Kahnschleuse Gülpe ist zum ersten Mal ausbooten und umtragen angesagt. Für die leichten Packrafts kein Problem, einige folgende Kajaks haben es da schon schwerer. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die Einfahrt zum Gülper See, genannt Rhin, gleicht mit ihren Netzen einem urigen Fischerdorf. Eine richtige Einfahrt ist sie jedoch nicht, denn der Gülper See ist ein großes Naturschutzgebiet für zahlreiche Vogelarten. Nach rund 2,5 km ist ein weiteres Mal umtragen fällig. Ein großes Wehr versperrt die Überfahrt zur Haupthavel. 

Auf dieser wieder eingesetzt geht es langsam zurück Richtung Biwakplatz. Die Strömung ist hier so gering, dass auch ein Stromaufwärtsfahren mit den Packrafts kein Problem ist. Weil die Faulheit siegt, entscheide ich mich für einen schmalen Kanal als Abkürzung statt der größeren Runde. Das geht soweit auch gut – bis etwa 100 Meter vor der Gülper Havel. Durch den niedrigen Wasserstand ist unter einen winzigen Brücke eine Stufe von etwa 15 cm zwischen den schmalen Kanal und der Gülper Havel entstanden, über die man bei normalem Wasserstand einfach hinüber fahren könnte. Nach einer wilden Kletteraktion durch Gestrüpp und auf der Betonbegrenzung werfe ich mein Boot über das Geländer und kann auf der anderen Seite wieder einsetzen. Nach rund 6 km gemütlicher Tour komme ich am Biwakplatz wieder an und mache mich ans Abendbrot.

Wer übrigens kein Boot sein Eigen nennt, für den gibt es auch die Möglichkeit, sich um die Ecke eins zu leihen.

AstroNacht

Gegen 21:30 Uhr ist es dann endlich dunkel genug, um den kurzen Spaziergang zum Hauptgeschehen des AstroTreffs anzutreten. Keine zehn Minuten Fußweg vom Biwakplatz entfernt stehen unzählige Teleskope unterschiedlichster Größe und Bauform aufgestellt. Die Hobby-Astronomen, von denen man in der Dunkelheit nur die schemenhaften Umrisse erkennt, laden großzügig dazu ein, einen Blick in den Nachthimmel zu werfen. Ein jeder erklärt, auf welches astronomische Highlight sein Teleskop gerade ausgerichtet ist. 

Größter Beliebtheit erfreuen sich Phänomene wie der Hantelnebel (M 27), der Ringnebel (M 57) und Kugelsternhaufen. Aber auch die Entdeckung der Andromeda-Galaxie, Cassiopeia und Sternenbildern wie der Drache, die Nördliche Krone und der Große Bär sind für Laien wie mich genauso aufregend. Kaum zu glauben, was man als Stadtkind so jeden Abend verpasst. 

Gegen 23 Uhr ist es dann Zeit, wieder den Rückweg zum Zelt zu finden. Dabei versuche ich, möglichst auf künstliche Lichtquellen zu verzichten und wenn dann nur den Rotlichtmodus meiner Stirnlampe zu nutzen. Der Milchstraße folgend bin ich auch schon bald am Biwakplatz angekommen. Auf die Oberplane verzichte ich heute Nacht. Es soll nicht regnen und das Mesh-Material ermöglicht es mir, noch weiter in den Sternenhimmel zu schauen. Zwei Sternschnuppen später bin ich eingeschlafen. Am nächsten Morgen nehme ich noch ein erfrischendes Bad in der klaren Gülper Havel, beobachte die Rotfedern, wie sie in Schwärmen am Ufer entlangziehen und entdecke zwischen den Wasserpflanzen versteckt sogar einen kleinen Hecht.

Gülpe, ick lieb dir!