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[:de]Usedomer Wanderwinter 2019[:]

[:de]Wenn am dritten Januar-Wochenende der Usedomer Strand kilometerweit mit bunten Wandervögeln übersät ist, ist klar: Team EarnYourBacon aka Wanderverein Müller ist wieder unterwegs.

Winter an der Ostsee heißt, die meisten Hotels, Lokalitäten und Geschäfte haben geschlossen. Wie schön, dass das Hotel See-Eck extra für uns seine Pforten öffnet und unseren lauten, unermüdlichen Haufen aufnimmt. Mit mehr als 50 Leuten unseres Kalibers haben „normale“ Gäste es schon nicht leicht. Und dabei ist es egal, ob man 25 oder 60 Jahre alt ist. Wir sind alle gleich laut und lebensfroh!

 

Samstag morgen brechen wir also wie im Vorjahr auf, die Insel Usedom zu erkunden. Diesmal in die andere Richtung und als Rundkurs, um nicht wieder abhängig von nicht ganz so regelmäßig verkehrenden Zugverbindungen zu sein. Das Wetter meint es wieder gut mit uns. Winterlich kalt, aber regenfrei und ab und zu kämpft sich sogar die Sonne durch die Wolkenschicht. Es dauert gar nicht lang, da hat sich unser Wanderkonvoi schon mächtig auseinander gezogen. Weit hinten wandernd sehe ich unsere Gruppe sich am Strand bis zum Horizont erstrecken. Aber wir haben es auch nicht eilig, es stehen ja „nur“ 35 Kilometer an. Zeit genug, sich von vereisten Pfützen, Seetang und Wasservögeln ablenken zu lassen.

 

Auf nach Polen

Die polnische Grenze überqueren wir quasi unbemerkt. Große Schiffe, Tanker und Hafenanlagen lassen uns staunen und zum ersten Mal vom Weg abkommen. Querfeldein zum parallel verlaufenden Weg geht es nicht, denn da versperrt uns ein sumpfiges Gebiet den Weg. Also wieder zurück. Unsere Route führt uns ins polnische Städtchen Swinousjcie (Swindemünde), wo sich einige schon mal ein Hot Dog und Bierchen einverleiben. Kaffee und Kuchen gibt es erst bei Km 22 und der ist schon noch ganz schön weit weg.

 

Wir stapfen durch Gebiete, die wahrscheinlich noch nie einen Wanderer gesehen haben und folgen immer der geplanten Route. Blöd nur, wenn da plötzlich ein Stahltor auf dem Weg auftaucht und auch der vermeintliche Alternativweg an einer eingezäunten Pferdekoppel endet. Wieder zurück. Zum Glück ist jedes Kleingrüppchen mit modernen Navigationsmitteln ausgestattet oder kann sich Ratschlag bei den schon Vorgeeilten holen, um wieder auf der richtigen Strecke zu landen.

Immer wieder finden sich unsere Kleingruppen wieder zusammen, weil der eine oder andere noch eine andere Strecke gegangen ist. Auf jeden Fall sehen wir uns alle endlich nach heißem Kaffee und einem leckeren Stück Kuchen. Als eine der hinteren Gruppen wundern wir uns, als wir beim Pausenplatz ankommen… und zwar fast als erste. Wo sind denn die anderen? Schon wieder aufgebrochen? Nö, die Vordersten sind Opfer der Übertragung der geplanten Route von GPSies in Komoot geworden, das den Standort einfach übergangen hat. Abgekämpft kommen sie wieder vom Berg runter, den sie schon erklommen hatten.

Nach rund fünfeinhalb Stunden sind wir erstmals wieder alle zusammen, genießen köstlichen Kaffee und Kuchen, der uns vom Hotel eigens hier in den Seeort Kammike gebracht wurde. Lange halten wir es hier allerdings nicht aus. Der kalte Wind und das Herumstehen lassen uns zu schnell auskühlen und so machen wir uns wieder auf die Socken.

 

So langsam spüre ich auch meine Füße. Aber nicht nur deren Belastung, sondern auch eine Blase, die sich an meinem linken Ballen breit macht. Um die Gruppe nicht wieder zu verlieren, renne ich vor, rupfe mir Schuh und Socken vom Fuß, klatsche mir ein Blasenpflaster rauf und bin gerade fertig mit notdürftigen Verarzten, als die anderen vorbei kommen.

 

Ein geplatzter Abschluss

Weiter geht es und jetzt sogar mit gesteigertem Tempo. Die Dunkelheit senkt sich langsam und ich freue mich auf das abendliche Schnitzel. 30 km hätten es heute auch getan, ist die Meinung um mich herum und ich kann dem nur beipflichten, als nach 30 km im stockdunklen Wald mit einem Knall und ungewohntem Schmerz meine Blase unterm Ballen aufplatzt. Auf diese neue Erfahrung hätte ich gern verzichtet. Ich entschuldige mich bei meiner Gruppe, dass ich das hohe Tempo nicht mehr halten kann, aber alle bleiben um mich herum, nehmen mir sogar meinen Rucksack ab, während ich nun die letzten Kilometer vor mich hin humpele. Die schmerzvermeidende Bewegung am Ballen führt aber dazu, dass mein wundgescheuerter Hacken am selben Fuß nun noch mehr strapaziert wird. Was soll’s, die letzten Kilometer schaffe ich nun auch noch.

Auf der Zielgeraden zurück zum Hotel werden die Schmerzen langsam wieder erträglich. Mein Gehirn hat wahrscheinlich das Nerven-Areal am linken Fuß einfach abgekoppelt. Und zwar so gut, dass ich mit Miri noch eine Extra-Runde vorm Hotel drehe, um die letzten fehlenden 300 m zu den 35 km auf der Uhr noch zusammen zu bekommen. Im Zimmer angekommen, werden die Schuhe mit Bedacht vom Fuß getrennt und auch für den Rest des Abends nicht mehr angezogen. Völlig durchgefroren durch den plötzlichen Bewegungsstopp setze ich mich erstmal für eine Viertelstunde in die Wanne der kleinen Dusche und versuche, wieder warm zu werden. Erst ein heißer Tee zum Abendessen hilft dann wirklich, aber wenigstens bin ich blitzeblank sauber.

Das gerade gerundete Geburtstagskind Gritta lädt nach dem gemeinsamen Abendessen, bei dem die “normalen” Gäste wieder unter unserem adrenalingeladenen Lautstärkepegel leiden mussten, die gesamte Meute aufs Zimmer ein. Da wir nicht alle hineinpassen, bevölkern wir den Hotelflur, was aber auf wenig Gegenliebe beim Hausherrn stößt. Also gibt Gritta noch ihr Schlafzimmer frei und die feuchtfröhliche Nacht kann weitergehen. 

In den frühen Sonntagmorgenstunden sind schon mehr wieder auf den Beinen, als man es nach der durchzechten Nacht vermuten würde. EarnYourBacons sind halt nicht klein zu kriegen. Einige wenige gehen in der Ostsee anbaden, ein paar mehr treten noch eine Sonntagswanderung an, die meisten aber begeben sich wieder Richtung Heimat. Traurig sind wir nicht, denn der nächste Termin zur Usedomer Winterwanderung steht bereits. Usedom 2020! Wir kommen wieder. Sofern uns das Hotel See-Eck dann nochmal erträgt. 

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[:de]Berliner Polarnacht – Fehler wie ein Anfänger![:]

[:de]Fehler machen wie ein Anfänger. Und das nach hunderten von Wanderkilometern, davon zahlreiche in der kühlen bis kalten Winterzeit. Ja, auch das passiert (mir) mal. Zum bereits dritten Mal bin ich zur Berliner Polarnacht angemeldet. Beim ersten Mal vor zwei Jahren kam ich etwa 30 km weit. 2017 gab es dann die erste Urkunde zum erfolgreichen Überleben der damals wirklich harten 50 Km der Nacht. Vereiste und verharschte Böden mit ausreichend Schnee, um die Gelenke zu quälen, hatten mich mehrfach an den Rand der Verzweiflung gebracht.

Dies Jahr war ich von Anfang an nicht sicher gewesen, ob ich die 50 Km durchziehe. Ich war seit Mitte November, seit dem Halbmarathon in Las Vegas, einfach zu faul gewesen. Bis auf einige wenige Alibi-Läufe und die Glühweinwanderung waren da keine sportlichen Highlights zu verzeichnen gewesen. Nun könnte ich als Vorwand den immensen Zeitaufwand für die Fjällräven Polar-Bewerbungsphase als Grund vorschieben, aber wenn seien wir mal ehrlich: eine Stunde für eine kleine Laufrunde ist doch immer irgendwo drin. Egal. Ich war also völlig untrainiert und wollte die Polarnacht für einen neuen Motivationsschub nutzen. Dafür eignen sich Anmeldungen zu Wettkämpfen immer!

Um 18 Uhr treffen wir uns zum präventiven Kohlenhydratspeicherauffüllen in einer Lokalität am S-Bhf Gesundbrunnen. Frisch gestärkt geht es um kurz vor 20 Uhr zum Treffpunkt los, wo Wolfgang Pagel und seine Helfer schon fleißig Listen abstreichen, Geld einsammeln und Routenbeschreibungen verteilen. Selfies werden geschossen, für Gruppenfotos zusammengerottet und Punkt 20 Uhr bewegen wir uns zu etwa fünfzigst in die Berliner Nacht. Mit etwa 1 Grad ist es winterlich kalt, aber der Boden eis- und schneefrei.

Ich habe mir zwar eine Papierkarte von Wolfgang eingesteckt, aber eigentlich nur für den Notfall. Selbst auf das Herunterladen der Strecke habe ich diesmal verzichtet. Ich möchte mich einfach mal treiben lassen, wenn ich schon nicht diejenige bin, die die muntere Truppe durch den nächtlichen Stadtdschungel führt. Das klappt auch richtig gut. Quasi von Beginn der Wanderung bis kurz vor Ankunft am 23 km entfernten Pausenziel habe ich keine Ahnung, wo ich gerade bin. Diese Gegend Berlins ist mir völlig fremd. Aber ich unterhalte mich vortrefflich mal mit dem einen, mal mit dem anderen. In der Dunkelheit erkenne ich im Zweifel auch erstmal gar nicht, mit wem ich da gerade rede.

 

Dumm gelaufen

Die amüsanten Gespräche sind sicherlich auch der Grund, warum sich zwei ungute Gefühle noch ganz gut unterdrücken lassen, die sich nach etwa 15 km immer weiter geistig und körperlich in den Vordergrund drängen: meine Oberschenkel und der Hintern frieren und ich muss auf Toilette. Bezüglich Zweiterem quält mich mein Magen zusehends mehr, aber eine Aussicht auf Erleichterung gibt es nicht. Zu schnell und ohne Anhalten bewegt sich die Masse. Max, der nur mal kurz in den Busch verschwunden war, brauchte 20 Minuten, um uns wieder einzuholen. Und wenn Max schon bei geringstmöglicher Auszieh-Zeit und hoher Aufholgeschwindigkeit schon so lange braucht, habe ich als Weibchen keine Chance, meine Mitwanderer jemals wieder zu finden

„Die kalten Schenkel hätte ich aber echt vermeiden können“, denke ich. „Ziehst dir fünf Schichten am Oberkörper an, wovon schon mindestens zwei zuviel sind… aber an den Beinen haste nur eine dünne Schicht. Wie doof ist das denn?“ Ich erinnere mich nun, im letzten Jahr mit langer Unterhose gestartet zu sein.

 

Um 0:25 Uhr landen wir am S-Bhf Zitadelle in Spandau und in der dortigen McDonalds-Filiale. Beim erleichternden Toilettenbesuch reicht ein flüchtiger Blick auf meine Oberschenkel, um zu wissen: Weitergehen in die immer noch kälter werdende Nacht macht einfach keinen Sinn. Zumindest nicht bis zum Ende der 50 km. Knallrot ist meine Haut dort überall und eiskalt. Eigentlich würde ich gerne trotzdem noch einige Kilometer mitwandern und so wie vor zwei Jahren nach gut 30 km aussteigen. Leider lässt das aber die geänderte Streckenführung nicht zu. Ab hier weiterzulaufen heißt, bis zum Ende zu laufen, denn es gibt keine öffentlichen Bahnhöfe mehr an der Route. Und auf die Spandauer Busse möchte ich mich nicht verlassen. Ich bin nicht die einzige, die so denkt und so steigen rund zehn Wanderer an diesem Punkt aus.

Als ich nachts um drei in Lichterfelde ankomme und die unglaubliche Ruhe genieße, bin ich zwar einerseits froh, jetzt ins Bett zu fallen. Andererseits ärgere ich mich dennoch richtig über meine Dummheit, ohne eine zweite Schicht um die Beine losgegangen zu sein. Manchmal muss man Fehler eben zweimal machen, damit sie sich für immer einprägen.

 

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