Tag Archives: Horizontale um Jena

[:de]Horizontale um Jena – 2x 100 km in 2 Wochen? Eine dumme Idee![:]

[:de]erzählt von Sebastian S.


Zwei Wochen ist es erst her, dass ich 100km beim Mammutmarsch in Berlin gelaufen bin und jetzt stehe ich schon wieder bei der Horizontale in Jena am Start. Wie kann man so verrückt sein? Eine Frage, die nicht nur meine Freunde mir gestellt haben, sondern auch ich mir selbst immer wieder stelle. Eine erste Antwort ist sehr leicht: Ich habe beim Buchen der Veranstaltung nicht nachgedacht und bin “mausgerutscht”. Eine andere Antwort auf die Frage nach dem Warum, suche ich selbst noch immer…

Da ich mir diese Frage selbst nicht so richtig beantworten kann, bin ich den Abend vor der Horizontale auch nicht wirklich motiviert und kann mir kaum vorstellen die 100km zu schaffen. Daher sitze ich den Abend lange mit Freunden bei Bier zusammen und schmeiße kurz bevor ich schlafen gehe noch schnell alles in den Rucksack. Um 10 Uhr am Freitagmorgen geht es los. Glücklicherweise muss ich selbst nicht Autofahren, sondern kann mich auf der Rückbank von Santoshs Auto noch etwas ausruhen und nach Jena fahren lassen. Dort angekommen laden wir unser Gepäck in der Unterkunft, ziehen uns um und gehen noch was leckeres Essen, um uns für die kommenden Stunden zu stärken.

Gegen 16 Uhr finden wir uns dann am Sportplatz, dem Startpunkt des Marsches, ein. Dort treffen wir auch die anderen EarnYourBacons. 13 Bacons haben es gewagt hier an den Start zu gehen. In dieser netten Gruppe bin ich nicht der Einzige, der verrückt genug ist zwei Wochen nach dem Mammutmarsch sich erneut dieser Herausforderung zu stellen. Nach dem Abholen der Startunterlagen haben wir noch knapp zwei Stunden bis zum Startschuss. Besorgt beobachte ich die dunklen Wolken am Himmel. Laut Wetterbericht soll es ab 21 Uhr gewittern aber immerhin soll es dann ab Mitternacht  sternenklar werden.

Kurz vor 18 Uhr sammeln sich alle 1000 Läufer im Startbereich. Laut wird von zehn herunter gezählt, dann geht es unter lautem Jubel los. Unter den 1000 Menschen verliere ich einige unserer Gruppe schnell aus den Augen. Die Masse schlängelt sich gezielt in Richtung des ersten Berges. Die erste Steigung streckt sich über einen langen Abschnitt und es macht nicht den Anschein als ob die 2300 Höhenmeter schwer zu überwinde sein könnten. Noch sind alle gut gelaunt und machen Witze. Nach 5 Kilometern biegen wir auf den Rundkurs ab. Hier staut es sich, denn der Weg wird einspurig. Wir befinden uns nun auf einem Abschnitt wie wir ihn noch häufiger in den nächsten 19 Stunden erleben werden. Rechts von uns die Felswand, links geht es steil bergab. Man hat einen schönen Ausblick über das Tal und Jena. Der Weg ist so schmal, so dass überholen nicht möglich ist. So bewegen wir uns in einer ewig langen Schlange am Berg entlang. Es sieht aus als würden wir eine Menschenkette um Jena bilden.

Als wir wieder auf einen breiteren Weg treffen, fängt es langsam an zu tröpfeln. Die ersten kramen hastig ihre Regenkleidung aus den Rucksäcken, während ich noch hoffe, dass der Regen schnell über uns hinweg zieht und wir von schlimmerem verschont bleiben. Es kommt allerdings wie es kommen muss und wie es schon vom Wetterbericht angekündigt wurde; es beginnt zu schütten. Nur in einem hat der Wetterbericht zu unserem Glück Unrecht: es gewittert nicht. Noch sind wir etwas von Bäumen geschützt und bekommen damit nicht die volle Ladung des Unwetters ab, doch bald führt uns der Weg aus dem Wald auf die offene Weide. Spätestens hier werden wir richtig nass.

Als uns der Weg wieder in einen Vorort von Jena hinein führt, erreichen wir den ersten Versorgungspunkt. Da es noch immer stark regnet und es keinen Unterstand gibt, beschließen wir uns die Beutel mit der Verpflegung mitzunehmen und direkt weiter zu laufen. Unter einem kleinen Vordach lesen wir Raimo auf und beschließen mit ihm zusammen weiter zu gehen. Beim Loslaufen kommen auch Gritta und Dirk dazu. So ziehen wir zusammen in der Dämmerung durch den Regen.

In der Dunkelheit wird es langsam schwer zu erkennen wo eine Wurzel oder eine Pfütze den Weg versperrt. In dem Regen habe ich allerdings noch keine Lust in meinem Rucksack nach der Kopflampe zu suchen und vertraue weiterhin auf die Lichter der anderen. Bald geht es jedoch wieder steil bergab, auf einem sehr schmalen verwurzelten Weg, auf dem es ohne Licht doch zu gefährlich wird, so komme ich nicht darum herum meine Kopflampe herauszuholen. Unten in Jena angekommen geht es direkt wieder in Richtung des nächsten Hügels. Langsam wird das Prinzip klar: wenn du einen Weg siehst der nach oben führt, musst du mit Sicherheit diesem folgen. Dieses Konzept kennen wir ja zum Glück schon von allen EarnYourBacon-Wanderungen.

In der Dunkelheit fällt es uns zunehmend schwer, die Wegmarkierung zu finden und leider ist der digitale Track nur zur groben Orientierung gedacht und nicht zur Navigation, wodurch wir an jeder Kreuzung etwas länger brauchen, um den richtigen Weg zu finden. An einigen Stellen sind sich die Teilnehmer untereinander auch nicht einig. Die einen gehen den einen, die anderen den anderen Weg. Erfreulicherweise treffen wir in der Dunkelheit auf Maria, die aus Jena kommt und die Horizontale schon mehrfach gelaufen ist und daher selbst in der Dunkelheit den Weg kennt und uns so zumindest bis zum nächsten Verpflegungspunkt leiten kann. Hier trennen uns jedoch unsere Wege wieder, denn wir möchten im Gegensatz zu ihr, doch wenigstens kurz Pause machen und einen Kaffee trinken.

Da wir zum Verpflegungspunkt ins Tal gestiegen sind, heißt es nun nach der Pause selbstverständlich wieder den nächsten Berg zu erklimmen. Der Weg nennt sich Schweizerhöhenweg, der Name ist Programm. Da wir nun wieder ohne Ortskündigen unterwegs sind, kommt es wie es kommen muss. In der Dunkelheit sehen wir die Wegmarkierung nicht und laufen prompt an der Abzweigung vorbei und schnurstracks auf falschem Wege tief in den Wald hinein. Erst einige 100m später fällt uns der Fehler auf und zwingt uns zum umkehren. Als wir uns wieder auf dem richtigen Weg befinden, folgt uns eine Gruppe, die offensichtlich besser im Navigieren der Strecke ist als wir. Netterweise rufen sie uns an jeder Gabelung zu, in welche Richtung der Weg führt. Ohne diese Hilfe wären wir in dieser Nacht vermutlich noch einige Kilometer durch den Wald geirrt.

Die Nacht überstanden

Bei Sonnenaufgang haben wir dann endlich über die Hälfte der Strecke hinter uns gebracht. Die aufgehende Sonne spendet uns nun auch wieder neue Energie. So viel Energie, dass wir anfangen zu joggen. Etwas verrückt muss es jedoch ausgesehen haben wie wir den Berg hinunter gelaufen sind, denn Sascha, Dirk, Gritta und ich hatten uns unter den Armen eingehakt und rannten so in einer Reihe an allen vorbei. Erst als wir am Fuße des Berges ankamen, wanderten wir wieder normal weiter. Durch die plötzliche Energie und das gemeinsame Joggen war ich wieder super gut gelaunt und merkte gar nicht wie die nächsten Kilometer davon zogen. Schneller als gedacht erreichten wir den nächsten Verpflegungspunkt bei Kilometer 65. Zu unserer Freude gab es hier Waffeln zum Frühstück 🙂 Auf einem Schild hieß es: “Noch keiner hat 100km ohne Waffeln geschafft”. Im Umkehrschluss heißt dass, mit den Waffeln im Magen kann uns jetzt nichts mehr stoppen.

Gritta jedenfalls war nach der Pause definitiv nicht mehr zu stoppen. Sie rannte vor uns weg und war für die nächsten Stunden nicht mehr zu sehen. Ich merkte nach dieser Pause die Nachwirkungen des Mammutmarsches. Meine Füße taten jetzt schon gut weh. Somit brauchte ich etwas Zeit, um wieder in Schwung zu kommen. Aus Erfahrung wusste ich zum Glück, dass es nur die ersten Minuten nach einer Pause richtig schlimm ist und es wenn man in Bewegung bleibt, wieder besser wird. So war es auch und somit ging es auf die letzten 35 Kilometer.

Mich erreichte nun eine nette Nachricht mit motivierenden Worten und lieben Grüßen an alle in der Gruppe von Bob (einem weiteren Mitglied unserer EarnYourBacon-Gruppe). Ursprünglich wollte er auch mitlaufen oder zumindest uns das letzte Stück begleiten. Nun war er jedoch schon wieder auf dem Weg Richtung Berlin und wollte uns aus der Ferne für das letzte Stück motivieren. Keine zwei Stunden später kam noch eine Nachricht von ihm, er ist jetzt doch noch mal umgedreht und war auf dem Weg zu uns. Er würde uns auf dem letzten Abschnitt abfangen und mit Essen/Trinken nach unseren Wünschen versorgen.

Es lagen nun nur noch 10 Kilometer vor uns und laut Höhenprofil nur noch ein steiler Anstieg. Kurz vor dem Anstieg kamen uns schon die ersten Läufer der 35 Kilometer Wanderung, welche am Morgen gestartet war, entgegen. Zunächst war das sehr motivierend, denn damit war klar, dass das Ziel nicht mehr weit entfernt sein kann. Je mehr es wurden, desto nerviger wurde es jedoch. Zwar grüßten einige nett und versuchten uns mit Worten zu motivieren, die meisten jedoch standen blöd im Weg herum. Der Weg war nun wieder zu einem einspurigen Pfad geworden, der so eng war, dass überholen kaum möglich war, aneinander vorbei war in der Konsequenz ebenso schwierig. Wenn die ausgeschlafenen und noch frischen 35-Kilometer-Wanderer einem dann auch nicht den Weg frei machen, wird das eh schon anstrengende Wandern sehr nervtötend. Die entgegenkommenden Wanderer wurden immer mehr, der nächste Versorgungspunkt wollte jedoch ewig nicht erscheinen.

Nach einer weiteren Kurve war es dann endlich so weit, nur noch die letzten 100m steil bergauf, dann war der Versorgungspunkt erreicht. Die Pause wollten wir noch kürzer gestallten als alle vorher, damit es nicht wieder so lange braucht um in Bewegung zu kommen und schließlich waren es nun „nur noch“ 13 Kilometer. Also schnell die Cola getrunken, noch eine Scheibe Brot auf die Hand genommen und weiter ging es. Keine fünf Minuten später trafen wir dann auf Bob, der eine große Kühltüte mit kalten Getränken für uns dabei hatte. Lange Zeit zum Pause machen und uns unterhalten hatten wir leider an dieser Stelle nicht, denn wir blockierten so den schmalen Weg. Also blieb uns nichts weiter, als das auf später im Ziel zu verlegen. Mit einem schönen kalten Bier ging es somit für uns weiter. Es gab zu dem Zeitpunkt nichts schöneres als dieses kühle Bier. Die Schmerzen waren erst mal betäubt und so ging es mit neuer Energie in den letzten Abschnitt. Leider hielt das nicht länger als 5 Kilometer an, dann kamen die Schmerzen wieder zurück und waren gefühlt doppelt so schlimm wie vorher.

Dass die letzten Kilometer eines 100er schlimm sein werden, war mir bekannt, aber hier fand ich es besonders schlimm. Meine Geschwindigkeit ließ immer weiter nach und so wurde meine Entfernung zu Sascha und Dirk immer größer. Von Gritta hatten wir uns schon verabschiedet, sie wollte die letzten Kilometer noch mal Joggen und uns im Ziel empfangen. Irgendwann hatte ich Sascha und Dirk komplett aus den Augen verloren. Der nächste Berg kam mir daher ganz gelegen.

Ich sammelte meine letzte Energie, um den anderen hinterher zu rennen. Am Fuße des Berges war noch eine Getränkestation aufgebaut, hier traf ich wieder auf die beiden, um von hier aus gemeinsam das Ziel zu erreichen. Die Strecke, auf der wir nun liefen, waren wir am Vorabend schon entgegengesetzt gelaufen und hatten noch darüber gespaßt wie es sein wird, 24 Stunden später wieder hier entlang zu kommen. Zum Spaßen war mir zu dem Zeitpunkt allerdings nicht mehr, aber es war gut zu wissen, dass es gleich vorbei sein wird. Noch wenige Meter dann war es geschafft.

Nach unglaublichen 19 Stunden und 22 Minuten erreichten wir endlich das langersehnte Ziel, an dem Gritta schon auf uns wartete. Sie hatte es halb joggend, halb wandernd geschafft, in 18 Stunden und 57 Minuten die Ziellinie zu überqueren und dass obwohl sie spontan mitgekommen war und eigentlich nur maximal bis zum zweiten Verpflegungspunkt mitkommen wollte. Wahnsinn!! Endlich konnten wir uns entspannt mit einem Bierchen hinsetzen und auf die restlichen Bacons warten. Gegen 17 Uhr kam dann unter tobenden Applaus der barfüßige Santosh ins Ziel. Damit hatte es der letzte unserer Gruppe es auch erfolgreich geschafft. Von dem Team aus 13 Startern waren insgesamt 11 im Ziel angekommen, damit waren wir das größte erfolgreiche Team auf der Horizontale!

Und danach?

Das Fazit aller war: „Das war der härteste 100er den wir je gelaufen sind! Ein Mal und nie wieder!“ Der erste Satz mag vielleicht noch stimmen, beim zweiten bin ich mir im Nachhinein nicht sicher. Die Strecke war mit Sicherheit nicht einfach aber so schön dass ich es mir durchaus vorstellen kann im nächsten Jahr zu wiederholen.
Zum Abschluss bleibt mir nur eines zu sagen: Danke Bob! Und danke allen die mitgelaufen sind oder aus nah und fern unterstützt haben!

[:]

[:de]Mammutmarsch 2017 – Alle guten Dinge sind drei![:]

[:de]

erzählt von Sebastian S.


Vor drei Jahren bin ich zum ersten Mal beim Mammutmarsch an den Start gegangen. Damals musste ich nach 50 km aufgeben. Damit hat mich der Ehrgeiz gepackt. Das muss doch zu schaffen sein… letztes Jahr kam dann die Enttäuschung. Der Marsch wurde abgebrochen, da war ich gerade mal bei km 59. Zum Glück fand sich eine kleine sehr nette Gruppe, die den Abbruch nicht auf sich sitzen lassen konnte, wodurch die 100km doch noch erreicht werden konnten. Doch bei aller Freude, die 100 km geschafft zu haben, war ich doch nicht richtig glücklich. Offiziell hatte  ich das Ziel nicht erreicht. Somit war sofort klar: 2017 wird der Mammutmarsch auf jeden Fall bezwungen.

Die Vorbereitungen dafür starteten dieses Jahr schon sehr früh. Schon im Januar bezwang ich bei der “Polarnacht” die ersten 50km. Ab da ging es über die nächsten Monate konstant weiter. Allerdings fragte ich mich jeden frühen Samstagmorgen, den ich mich zum Training aus dem Bett quälte, wofür ich das eigentlich gerade mache. Um es mir zu beweisen? Nein, das habe ich schon geschafft! Für die Urkunde, die irgendwo verstaubt? Definitiv nicht! So kam ich mit Nina und Joel darauf, das ganze einem anderen Zweck zu widmen. Denn es ist ein enormes Privileg, sich freiwillig dafür entscheiden zu können, einfach mal aus Spaß an einem Wochenende zu versuchen, 100km zu Fuß zu gehen. Viele würden alles dafür geben. Man kann zwar mit Geld nicht direkt die Welt retten, aber man kann die wichtige humanitäre Arbeit von NGO´s unterstützen. So entstand dann recht schnell der Gedanke, den Marsch zu einem Spendenlauf zu gestalten und damit die Arbeit von “Ärzte ohne Grenzen” zu unterstützen. Einen Monat vor dem Mammutmarsch war es dann so weit, das Training war erfolgreich abgeschlossen (sogar mit dem “Turmdiplom” zertifiziert) und die Spendenaktion lief erfolgreich an.

Am 27.05.2017 kam dann der große Tag. Am Abend vorher entstand auch bei mir langsam Aufregung, Vorfreude und eine gewisse Angst vor der langen Strecke an einem der heißesten Wochenenden des Jahres. Mit einem mal wieder viel zu schweren Rucksack, ging es mit Joel zusammen los Richtung Erkner. Ein kurzer Zwischenstopp musste noch an der Seestraße gemacht werden, um noch Kumpir essen zu können und gestärkt starten zu können. In der glühenden Hitze ging es mit der Bahn nach Erkner. Dort saß schon ein Teil unserer “EarnYourBacon”-Gruppe. Wir meldeten uns an und holten unser T-Shirt ab. Als kleine Überraschung für die TeilnehmerInnen des letzten Jahres gab es zusätzlich einen “returning hero” Mammutmarsch Sportbeutel, inklusiver Getränkemarken für Kaffee an den Versorgungspunketen. Jetzt stand nur noch das obligatorische Gruppenfoto an, dann kann es los gehen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Nach einer kurzen Ansprache vom Veranstalter, in der er unsere Gruppe als Ehrengäste erwähnte, ging es dann tatsächlich um 16:15 Uhr endlich los. Am Start liefen so viele Menschen durcheinander, dass es schwierig war sich nicht zu verlieren. Die ersten 16 km vergingen wie im Fluge. Am Strandbad Müggelsee war der erste Versorgungspunkt. Hier wurde aber nur kurz das Wasser aufgefüllt, eine Banane gegessen und das Klo aufgesucht und schon ging es weiter. Durch die kurze Pause gelang es uns, etwas aus dem Chaos von vielen Menschen heraus zu kommen. Da es nun schon 20 Uhr war und das DFB Pokalfinale parallel lief, suchten wir uns einen Radiosender, um es wenigstens akustisch miterleben zu können. So liefen wir die nächsten 90 Minuten und merkten gar nicht, wie die Kilometer flogen und wir uns nun zu viert (Joel, Sascha, Jan und ich) immer weiter von den anderen absetzten. Um uns herum nun kaum noch bekannte Gesichter. Mit der nun einbrechenden Dunkelheit wurde es dann doch allmählich kühler. In T-Shirt und kurzer Hose konnte es nicht mehr weiter gehen. So waren wir zu einer Umziehpause gezwungen. Sonst wären wir vermutlich durchgelaufen zum nächsten Versorgungspunkt bei Kilometer 44. Dort angekommen trafen wir dann doch einige bekannte Gesichter. Nach und nach wurden es immer mehr. Mir war allerdings um die Zeit nicht wirklich nach Essen und so wirklich schmecken wollte mir auch nichts. Ich versuchte so viel wie möglich in mich reinzustopfen, mein Körper würde es brauchen. Den anderen ging es ähnlich und so zog unsere vierer Truppe recht bald wieder weiter.

 

Es war nun spät in der Nacht, ich war durchaus schon etwas müde und nicht mehr für Kommunikation zu haben. Es war also die Zeit gekommen, Podcasts zu hören. So liefen wir recht stille weiter durch die dunklen Wälder und merkten nur daran, dass wir immer mehr Menschen überholten, dass unsere Laufgeschwindigkeit immer und immer schneller wurde. Gegen 4 Uhr hatten wir dann auch schon den nächsten Verpflegungspunkt bei Kilometer 59 erreicht. Hier gab es eine leckere Kartoffelsuppe und Kaffee und dann ging es auch direkt wieder weiter, denn für lange Pausen war es zu der Zeit zu kalt. Beim Loslaufen sagten wir uns noch, dass wir den nun kommenden Abschnitt etwas ruhiger angehen wollen. Doch kaum erblickten wir die ersten Sonnenstrahlen hatten wir dieses Vorhaben offensichtlich schon wieder vergessen.

So ging es schnellen Schrittes durch die Märkische-Schweiz, die sich vermutlich nur im flachen Brandenburg “Schweiz” nennen darf. Langsam machte sich die Geschwindigkeit bei Joel durch Kniebeschwerden bemerkbar. Zum Glück waren es nur noch wenige Kilometer zum nächsten Pausenpunkt (74km). Diesen erreichten wir auch noch vor 7 Uhr. Hier war zu unserem Glück Santosh als Helfer eingeteilt, denn der Rucksack war von Anfang an viel zu schwer und mit unnötigem Gepäck bestückt. Dies konnte ich nun alles endlich abladen. Kurz bevor wir weiter wollten kam, Steve angelaufen. Er hatte seine Gruppe zurück gelassen und wollte sich nun uns anschließen, in der Hoffnung in seiner Geschwindigkeit unterwegs zu sein (wer Steve kennt, weiß, dass niemand so schnell läuft wie er). Wir liefen also zunächst zu fünft weiter.

Die nächsten Kilometer waren die Hölle. Nicht wegen der zuvor gelaufenen Kilometer oder der Wegbeschaffenheit, sondern wegen der Millionen Mücken. Trotz aufkommender Hitze lief ich weiter in langärmliger Kleidung, Kapuze über den Kopf gezogen und wild mit den Armen wedelnd durch die wäldliche Moorlandschaft. Erst als es endgültig zu warm war und wir das Mückengebiet weit hinter uns gelassen hatten, traute ich mich in kurze Kleidung zu wechseln. Am besten hätte ich mich allerdings den Nudisten anschließen sollen, denn jetzt wo die Sonne richtig am Himmel stand wurde es enorm heiß. Zu unserem Pech war bei Kilometer 90 auch noch jeglicher Baum verschwunden.

Die nächsten Kilometer, gefühlt weitere 100, führten uns immer weiter gerade aus an der Hauptstraße entlang Richtung Gusow. Einen kleinen Lichtblick gab es noch mal bei 92km. Wir waren uns erst nicht sicher ob es eine Fatamorgana war oder ob wir wirklich in der Ferne eine Tankstelle erblickten. Zum Glück spielten unsere Sinne uns keinen Streich und wir wurden mit Eis beglückt. Gestärkt waren wir bereit für die letzten 8 Kilometer auf der “Straße der Hölle” wie sie so nett getauft wurde. Auf einem Straßenschild war das nächste Dorf in 4km angekündigt. Als wir dieses erreichten, durfte es nach meiner Rechnung nur noch 4km bis zum Ziel sein. Da sprach uns eine Frau vor ihrem Haus an, was denn die ganzen komischen Leute in ihrem Dorf wollten, als ich ihr sagte was wir hier suchten, versuchte sie uns zu motivieren mit den Worten “zum Bahnhof sind es nur noch 6km”, worauf ihre Freundin nett ergänzte “naja ein paar mehr sind das schon noch”.

Das Problem zeigte sich als ich auf mein Handy schaute und sah, dass die beiden recht haben sollten. Es waren nicht wie ich dachte nur noch 4km sondern doch noch über 6km, wie frustrierend… Naja es half ja alles nichts es musste weiter gehen. Die Schmerzen in den Füßen wurden zwar doch nun immer stärker, aber an aufgeben konnte ich sicherlich nicht denken. Es ging immer weiter geradeaus und das nächste Dorf wollte sich einfach nicht nähern. Ich beschloss, nicht mehr weiter auf mein Handy und die Navigation zu achten, sondern einfach nur noch zu laufen. Am Straßenrand standen nun immer wieder nette Menschen, die uns anfeuerten. Ein Pärchen, das am Vorabend auch zum Mammutmarsch angetreten war, aber aufgegeben hatte, fuhr mit seinem Auto immer ein Stück weiter voraus, um immer wieder anzufeuern. Das konnte die Schmerzen zwar nicht lindern, die Strecke verkürzen konnten sie leider auch nicht, aber die Motivation hoch halten und die Laune verbessern definitiv und dafür bin ich allen auf die letzten Kilometern dankbar! Ich wusste aus dem letzten Jahr, dass die letzten Kilometer sehr grauenvoll sein können und wie es ist, wenn man die 100km Marke erreicht hat, aber das Ziel noch weiter entfernt ist. Aber hatte das wohl etwas verdrängt.

Die Freude Gusow erreicht zu haben wurde schnell getrübt dadurch, dass das Ziel auch bei 100km noch einen Kilometer entfernt war. Nach jeder Kurve dachten wir, wir seien da und wurden enttäuscht. Irgendwann war es dann doch so weit. Wir bogen um die Ecke und da stand schon das Veranstalterteam und erwartete die Ankömmlinge lautstark! Nur noch wenige Meter zur offiziellen Ziellinie… Schnell die Konfettikanone aus dem Rucksack gekramt und dann zu viert unter Konfettiregen und Applaus der umstehenden Zuschauer die Ziellinie überqueren! Geschafft, 101 Kilometer in 21 Stunden!

Hinter dem Ziel warteten schon einige TeilnehmerInnen, unter ihnen auch Ingo und Steve. Beim Abholen der Urkunde erfuhren wir, dass bisher erst 32 Personen vor uns das Ziel erreicht hatten. Von 1250, die sich 2017 der Herausforderung gestellt haben, schafften es dieses Jahr 282 ins Ziel. Hinter dem Ziel saßen wir nun gemütlich im Schatten und warteten auf die nachfolgenden EarnYourBacons. Dank Santosh konnten wir die Wartezeit mit einem schönen Bierchen überbrücken. Im Laufe der nächsten Stunde wuchs unsere Gruppe immer weiter an, unsere Vorbereitung zeigte großen Erfolg! Nach ein paar Minuten des Ausruhens ging es mir auch schon wieder viel besser und Laufen ging auch wieder ganz gut aber ich sagte mir: Das war’s, nie wieder! Jetzt ist fast eine Woche vergangen und ich freue mich schon auf die 100km auf der Horizontalen rund um Jena am 09. Juni 2017.[:]