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[:de]Mein Ostseeweg 2016 – 76 km (oder doch 80?) in 18 Stunden[:]

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Einige von euch haben vielleicht mein maritimes Abenteuer über meinen Liveticker verfolgt. Dann hattet ihr bereits einen kleinen Einblick in meinen mit jedem Kilometer mehr voranschreitenden Verfall. Wobei, so ganz stimmt das nicht. Es gab durchaus Höhen und Tiefen, nicht nur landschaftlicher Art.

Nachdem der Mammutmarsch im Mai so jäh endete, hatten sich viele unserer Gruppe quasi unverzüglich bei Dein-Ostseeweg angemeldet, um die 100 km voll zu machen. Ich natürlich auch. Ich sagte dafür die XLETIX Challenge am Timmendorfer Strand ab und dachte mir auch nichts dabei, dass ich eine Woche später für den Halbmarathon im Disneyland angemeldet war. Fleißig trainierte ich sowohl Laufen als auch Wandern, jeweils mit nicht wirklich kurzen Distanzen. Nach der letzten Testwanderung auf dem Havelradweg zeigte mein Körper mir aber dann doch mal, wer hier das Sagen und gleichzeitig einen Vogel. Schienbeinkantenentzündung und schmerzende Achillessehnen waren die Quittung für Zuviel in zu wenig Zeit zu wollen. Lauf- und Wandertraining wurde sodann (mit Mittwoch vor dem Ostseeweg sehr kurzfristig allerdings) ad acta gelegt. Da die Schmerzen so schnell nicht weggingen, fuhr ich mit entsprechend ungutem Gefühl nach Rostock, aber auch mit dem Entschluss im Hinterkopf, wegen des Ostseewegs nicht den Auftakt-HM im Disneyland aufs Spiel setzen zu wollen.

Auf nach Rostock

Mit rund 35 meiner Wanderbuddies traf ich mich am Samstag Vormittag im Rostocker Hafen. Eine kleine Bühne war aufgebaut, hauptsächlich für die Anmoderation des Events. Die Abholung der Startunterlagen ging flott und ich füllte den durchsichtigen Beutel für den Gepäcktransport mit mehr Essen, als einem einzigen Menschen in 24 Stunden gut tut. Dazu eine Ersatz-Powerbank, die ich nach 50 km gegen die tauschen wollte, die ich gleich am Anfang mitnahm und ein paar Ersatzklamotten. Kurz wurde beratschlagt, in welcher Startwelle wer loslegen wollte. Nachdem von den Veranstaltern der Start kurzfristig um 15 Minuten nach hinten verlegt wurde wegen einiger Zuspätkommer, entschieden wir uns alle für die erste Welle. Warum man wegen einiger zu spät kommender Leute die erste Welle verschiebt und diese nicht einfach in der zweiten starten lässt, wollte mir allerdings nicht einleuchten. Wo sonst Touristen und Fischer unterwegs sind, setzte sich nun eine Wolke bunter Wanderer im Rostocker Hafen in Bewegung.

Der eigentliche Plan, als Gruppe zumindest am Anfang einigermaßen dicht beieinander zu bleiben, ging schon nach wenigen Kilometern nicht auf. War es das Trödeln unsererseits oder die Ampeln, die uns immer weiter auseinander rissen. Ich würde sagen, zumindest zu diesem Zeitpunkt waren noch die Ampeln schuld. Nur noch ganz weit in der Ferne sah ich den großen Karsten wandern, mit dem ich ursprünglich zusammen die 100 km rocken wollte. Aber mit Astrid, Anne und Josi war ich auch in guter Gesellschaft, zumal Astrid fleißig Pokemons mit mir brütete.

Wir ließen Rostock hinter uns, schauten sehnsüchtig einigen Liegestühlen nach und kaum hatten wir die teilweise noch tragenden Erdbeerfelder passiert, wartete auch schon der erste unerwartet frühe Verpflegungspunkt auf uns. Das war der Punkt, an dem Anne uns verließ, denn sie wollte keinen Umweg für diesen VP machen. Während Astrid und Josi die Dixie-Klos aufsuchten, machte ich mich über die Verpflegung in Form von Brezeln her. Und ich tat gut daran, denn als die beiden von den Dixies wiederkamen, waren die Brezeln bereits alle und so zogen wir quasi pausenlos weiter und nahmen noch Leah mit in unsere Gruppe auf.

Die ersten Zipperlein – Magen, was willst du eigentlich?

Kurz nach dem Stopp fing mein Magen an, rebellieren zu müssen. Ich wusste gar nicht, was ich ihm schon wieder getan hatte. Experimente hatte ich ihm nicht zugemutet und soviele KM und ungesundes Zeugs hatte er nun auch noch nicht intus. Der schöne Waldabschnitt lenkte mich erstmal ausreichend davon ab und noch viel mehr der erste Ausblick auf die Ostsee, für die ich allerdings über die Straße und den Deich herauf rennen musste. Egal. Wir sind ja hier schließlich beim Ostseeweg. Und was ist der ohne Ostsee. Ich hatte wohl Angst, die würde spontan verschwinden.

Kurz vor der Fähre, die uns über die Warnow bringen sollte, realisierten wir, dass Gepäcktransportausgabe nicht unbedingt gleich zu setzen ist mit Verpflegungs-/Pausenpunkt. Den Gepäcktransport gab es bei KM 25, bei KM 31 sollte es dann den Pausenpunkt geben. Nun wollten wir hier nicht Pause machen und dann nach nur 6 km schon wieder, zumal der Ort des Gepäcktransports nicht gerade zum Pausieren einlud. Sowohl Leah als auch ich hatten aber unser Gepäck darauf ausgelegt, direkt daraus zu essen. Sie hatten einen riesigen Bottich Nudelsalat dabei, den sie nicht mitschleppen wollte. Also schlang ich kurzerhand meine halbe Pizza hinunter, damit sie meinen Plastikbeutel zum Umfüllen ihres Salats nutzen konnte.

Die Fahrt über die Warnow war kurz, aber schön. Im Hafen lag ein riesiger Metallklotz, auch besser bekannt als Aida und ewig viele Touristen erwarteten schon das Auslaufen. In Warnemünde gingen wir in der Menge tatsächlich mal unter. Ab und an sahen wir berucksackte Wanderer, die eindeutig zu uns gehören mussten. Viel Zeit, die schöne Promenade mit Hafen zu genießen, blieb uns nicht. Wir mussten ja einen Schnitt von gut 5 km/h halten. Bislang sah das auch ganz gut aus.

Es wird dunkel

Am Verpflegungspunkt „Fuchsbar“ zog ich mir ein trockenes Brötchen gegen meinen Magen rein. Die halbe Pepperoni-Pizza hatte nicht unbedingt zu meinem Wohlbefinden beigetragen. Karsten und Co. saßen auch noch hier, waren aber schon viel eher wieder aufbruchbereit. Als wir uns wieder auf die Socken machten, senkte sich die Nacht schon langsam und die ersten Stirnlampen wurden gezückt. Um halb neun erreichten wir das Ostseebad Nienhagen, machte eine kurze Dehn- und Toilettenpause, um weiter tief in die Nacht einzutauchen.

Die Notdurft zwang uns ab und an zu weiteren spontanen Kurzpausen, an denen wir mal die Beine hochlegen konnten. Kühlungsborn schien noch so weit weg zu sein und die Nacht noch ewig lang. Es ging an der Steilküste entlang, wo das Meer mit dem Wind um die Wette rauschte. Ein unendlich langer Wegabschnitt zwischen Wald und Büschen verlangte uns eine Menge Geduld ab und die Disziplin, nicht einfach einen Abstecher zum Strand zu machen.

Die Promenade in Kühlungsborn überspannte dann aber unseren Geduldsfaden. Sie wollte einfach nicht den nächsten Verpflegungspunkt preisgeben. 51 km vergingen, dann der 52te. Hatte nicht der Gepäcktransporter gesagt, der nächste Punkt sei bei 51? War er nicht. Erst nach guten 53 km kam dann um 23.45 Uhr das erlösende Zelt zum Vorschein. Zugegeben ein richtiges Highlight! Das Zelt war beheizt und mit Bänken ausgestattet, es gab richtige Toiletten und zum zweiten und letzten Mal unser Gepäck. Ach ja und heiße Brühe! Ich habe noch nie in meinem Leben so gute heiße Brühe gegessen. Natürlich waren meine Ansprüche in dem Moment auch extrem niedrig. Ich hatte auch heißes Salzwasser mit Gras gegessen. Bevor wir alle fast einschliefen, rissen wir uns schnell zusammen und schnürten die Rucksäcke. Viele andere stiegen hier aus und nahmen das Shuttle zum Rostocker Hauptbahnhof. Kurz vor Abmarsch quietschte ich noch einmal laut auf: ich hatte endlich – hier am anderen Ende von Deutschland – mein erstes Pikachu gefangen.

ostseeweg-2016-kuhlungsborn-zelt

Da waren es nur noch drei…

Nach ein paar Kilometern bog unser Weg von der Küste wieder hin zum Inland. Wir wanderten über die Felder und brauchten nicht einmal unsere Stirnlampen, weil der Mond hell wie ein Scheinwerfer über uns stand. Unser nächstes Zwischenziel konnten wir schon von Ferne sehen: den Basdorfer Leuchtturm. Fast auf dem Berg dorthin angekommen, merkten wir auf einmal, dass Leah sehr weit abgeschlagen war. Sie rief mich an und musste leider das Shuttle in Anspruch nehmen. An Weiterlaufen war mit ihrem Rücken nicht zu denken. Da waren wir nur noch drei.

ostseeweg-2016-leuchtturm-basdorf

Nach einer weiteren Kurzpause in irgendeinem Kaff mitten auf der Straße verließen wir endlich wieder den Beton und bogen in finstersten Wald. Ohne Stirnlampe wären wir aufgeschmissen gewesen. Und es wurde nicht nur finster, sondern auch sehr steil, bergig und geröllig. Mein lieber Schwan, hat die Ostsee Berge! Wir durchquerten die sogenannte Kühlung, einen Höhenzug, wie ich später und hier sehr eindrucksvoll lernte. Wer zu dem Zeitpunkt noch keine Blasen hatte, bekam jetzt welche. Das ständige Auf- und Ab bekam meinem angeschlagenen Schienbein nicht besonders gut und ich merkte es deutlich, trotz vorher eingeworfener Ibu.

Wir freuten uns so sehr, endlich die Achterbahnfahrt an Wald hinter uns gelassen zu haben und schon 73 km geschafft zu haben – dachten wir. Ich warf dann zum ersten Mal einen Blick auf das PDF mit den Kilometerdaten, um zu sehen, wie weit Bad Doberan danach noch entfernt war. Mich traf fast der Schlag. Unsere GPS-Daten wichen 3-5 km vom PDF ab. Leider in die falsche Richtung. Danach waren es noch mindestens 5-6 km nach Bad Doberan und nicht wie hofft noch 2-3. Oh mann. Wir waren reichlich desillusioniert und der Feldweg mit löcherigen Steinen machte das Ganze nicht besser. Außerdem wurde ich überhaupt nicht mehr warm. Trotz dreier Schichten, Winddichtigkeit und Bewegung fror ich am ganzen Körper.

Schluss mit Lustig

Josi war dann die erste, die sagte, sie würde wahrscheinlich bei KM 76 aufhören. Ich muss zugeben, ich war total erleichtert, als sie das sagte, denn mir ging es ähnlich. In mir tobten Teufelchen gegen Engelchen. Das Teufelchen war der Meinung, ich Memme würde ja wohl noch die läppischen 24 km schaffen. Engelchen dagegen piekte immer wieder gegen das Schienbein und erinnerte mich an mein Disneyland-Abenteuer, welches ich aufs Spiel setzen würde, wenn ich Teufelchen folgte. Es war einer der seltenen Momente, in denen der Teufel verlor.

Wir schleppten uns die letzten, nicht enden wollenden Kilometer bis zum Verpflegungspunkt in Bad Doberan. Laut Karte waren wir bei 76 km, nach unseren Gerätschaften sind wir immerhin 80 km unterwegs gewesen. Aber wer zählt schon. Viel schlimmer war für meine Begleiterinnen, dass es hier keine Toiletten gab, sondern nur, wie auch schon die letzten 47 km, Wald. Leider war auch schon das Essen größtenteils alle, es gab nur noch Obst. Kein Zelt zum Aufwärmen. Hätte ich weitermachen wollen, hätte ich ab diesem Punkt arge Probleme gehabt, da ja auch der Gepäckservice in Kühlungsborn geendet hatte und mein Verpflegungsbeutel noch halb voll nach Rostock zurück ging.

Sonntag morgen

Ich verabschiedete mich von Astrid, Josi und Sonja, die als einzige noch nicht die Flinte ins Korn geworfen hatte und machte mich auf den “Heimweg”. Um 7 Uhr schlüpfte ich ins Bett und war aber zwei Stunden später schon wieder wach. Zeit, um den Zieleinlauf der tapferen Durchhaltenden digital zu verfolgen. Nina ging ins Ziel, Heike marschierte sogar noch an ihr vorbei. Und knapp unter 23 Stunden humpelten Karsten und Melissa über die Ziellinie. Ich freute mich wahnsinnig darüber!

 Besser als erwartet schaffte ich den Weg vom Bett zur Dusche und hatte heute nur noch einen richtigen Wunsch: zum Strand und die Füße ins Wasser halten. Noch bevor ich meinen Verpflegungsbeutel im Start-/Zielbereich abholte, wurde mir dieser Wunsch erfüllt. Mehr als FlipFlops trug ich eh schon nicht, aber der Wechsel in den weichen, nachgebenden Sand und das kühle Meerwasser war göttlich!

Die Strecke war ohne Frage heftig. Sonja, die ich im Ziel noch sah, erzählte, die letzten 24 Kilometer wären ein einziger Kampf gewesen. Noch heute bin ich froh, dass ich für mich ausnahmsweise die Reißleine gezogen habe und Sonntag um 6:30 Uhr morgens einigermaßen frisch an der Startlinie zum Disneyland-Halbmarathon stehen werde. Meine 100 km werden kommen. Garantiert!

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[:de]Mammutmarsch-Detailplanung: Packliste und Marschrechner[:]

[:de]Mammut-Detailplanung

So langsam wird es ernst. Nur noch wenige Tage bis sich eine Heerschar von Menschen auf die Socken macht, um 100 km am Stück zu wandern. Zeit, sich über ein paar Dinge mehr Gedanken zu machen. Wie schnell will und kann ich wandern? Wie schnell MUSS ich wandern, um die Zeit zu schaffen? Wieviele Pausen kann ich mir gönnen? Um wieviel Uhr bin ich eigentlich an welchen Verpflegungspunkt? Wann im Ziel?

Um Euch diese Überlegungen und Rechnereien ein wenig einfacher zu machen, habe ich mal eben eine kleine Tabelle entworfen, die ihr euch natürlich downloaden und für Eure Bedürfnisse nutzen könnt. Die roten Zahlen sind die, die ihr anpassen könnt und sollt. Das sind zum einen die Startzeit, die sich je nach Welle ändert und das individuelle Marschtempo im Durchschnitt. Denkt dabei daran, dass ihr wahrscheinlich am Ende langsamer laufen werdet als am Anfang.

Weiter unten könnt ihr die Pausenzeiten eintragen, die ihr pro Verpflegungspunkt plant und zusätzliche Pausen für unterwegs. Ich bin mal von acht Pausen insgesamt ausgegangen, also im Schnitt alle 12,5 km. Auch hier werdet ihr voraussichtlich am Ende mehr (kleinere) Pausen benötigen als am Anfang.

Der Rechner gibt euch dann anhand eurer Daten die Ankunftszeiten je Verpflegungspunkt aus und auch die Zeit, wann ihr dort wieder geplant aufbrecht. Sicherlich sind diese Zeiten nur Schätzwerte, aber sie geben euch einen Anhaltspunkt, wann ihr z. B. Frühstück einplanen könnt und wieviel Zeit euch am Ende bleibt.

 

Mammut_Marschrechner_Tabelle

Hier ist der Rechner als Excel-Tabelle zum Download

Marschrechner-Download

Meine Planung für die Verpflegungspunkte

Das Rechenbeispiel oben entspricht ziemlich meiner Planung. Ich bin mal gespannt, wie realistisch das am Ende sein wird. Eine Auswertung gibts dann später.

Die Zeiten oben haben mir dabei geholfen, darüber nachzudenken, was ich an welchem Verpflegungspunkt benötige und was ich von Anfang an mitnehmen werden. Meine Packliste hat euch ja schon einen Überblick verschafft, an was ihr grundsätzlich alles denken solltet. Wer den “Transportservice” gebucht hat, kann und sollte sich aber überlegen, was er nicht gleich am Start benötigt, sondern in die drei Beutelchen für 44, 59 und 74 km tun möchte.

Bei mir sieht das dann so aus:

Startgepäck


Verpflegungspunkt 44 km – Mitternachtssnack

  • Nudelsalat (selbstgemacht) in Zippbeuteln verpackt
  • Mate-Cola
  • Müsliriegel
  • Wasser auffüllen
  • Ananas-Energie-Drink
  • ggf. Socken wechseln

Verpflegungspunkt 59 km – Morgentoilette

  • Kaffee in Thermoskanne (bis dahin hoffentlich noch warm)
  • Quarkschnecke
  • belegtes Brötchen
  • Müsliriegel
  • Mini-Deo
  • Zahnbürste und Reisezahnpasta zum Putzen
  • T-Shirt zum Wechseln
  • Dr. Pepper aus der Dose
  • Wasser auffüllen

Verpflegungspunkt 74 km – Endspurt

  • Kola-Kaffee
  • Nudelsalat wie oben
  • Bifi-Roll
  • Müsliriegel
  • Gummitiere
  • ggf. Socken wechseln

Ziel

Kühlakkus für die wunden, brennenden Fusssohlen und Badelatschen 🙂

Mammutmarschtraining 6 Luna Sandals[:]

[:de]7. Mammutmarsch-Training, 65 km: die Generalprobe![:]

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Schon drei Monate ist es her, dass wir die ersten 30 Km als Testwanderung gelaufen sind. An dem Tag im Januar lag noch dichter Schnee und wir mussten mit einer Eisdecke kämpfen, die sich den ganzen Teltowkanal entlang zog. Und nun, Anfang Mai, bin ich schon ein wenig betrübt, dass unser letztes Training schon Geschichte ist.

Mühlenbeck am 30. April 2016. Die zweite S-Bahn des Tages kommt an und ist bevölkert mit funktionsbekleideten bunten Gestalten. Es ist noch so früh, dass es kaum jemanden am Bahnhof gibt, der sich über diesen Anblick wundert. Wir selbst haben uns inzwischen daran gewöhnt, schräg angeschaut zu werden, wenn wir als Wanderhorde die Wälder, Orte und Stadt unsicher machen.

Mammutmarschtraining 7 Startgruppe

Heute geht es auf zur größten Tour des Trainings. Zumindest für einige. Für diejenigen, die zwar noch einmal in Bewegung kommen, aber nicht noch einen drauf setzen wollen, habe ich ganz kurzfristig eine kleinere Runde im gleichen Gebiet zusammengestellt. Klein bedeutet hierbei dennoch die beachtliche Distanz von 35 km.

Es geht los durch das verschlafene Mühlenbeck. Verschlafen trifft es diesmal so richtig, denn bei einem Haus werden spontan die Fenster aufgerissen, als wir schnatternd vorbei ziehen. „Ihr habt uns geweckt!“ Der frühe Vogel und so. Dass das Klärwerk direkt um die Ecke liegt, riecht man heute deutlich. Klärwerk gepaart mit intensiver Landluft ist schon eine besondere Note, an die sich die gemeine Stadtnase erst einmal gewöhnen muss.

Der Zehnrutenweg führt uns genau an den Waldrand des Mühlenbecker Landes. Kaum hinein gestiefelt, tut sich auch schon das erste Hindernis auf: Sumpfgelände. Zum Glück haben sich die Bäume so praktisch darüber drapiert, dass wir alle mit ein wenig Geschick trockenen Fußes auf der anderen Seite ankommen.

Auf der linken Seite tut sich vor uns der Mühlenbecker See auf. Nur einer von vielen Seen, an denen wir heute vorbei kommen werden. Im Gänsemarsch geht es sumpffrei am Seeufer entlang.

Wie aus dem Nichts tut sich vor uns ein Schloss auf. Schloss Dammsmühle, das verlassen und vergessen im Wald ein Dasein fristet, das es eigentlich nicht verdient hat. Aber wie so oft fehlen Zeit, aber noch viel mehr Geld, um dieses schöne Gemäuer instand zu setzen oder auch nur zu erhalten. Es verfällt einfach. Am dazugehörigen See haben sich ein paar Camper niedergelassen und schippern mit ihrem Ruderboot umher.

Wir schrammen an den Ausläufern von Wandlitz vorbei. Links liegen jede Menge verlassene Kasernengebäude, während der Wald auf der rechten Seite nach einem idealen Pilzwald ausschaut. Leider habe ich heute keine Zeit, die Gebäude näher unter die Lupe zu nehmen, geschweige denn auf die Pilzsaison zu warten.

Unsere erste Pause wollen wir an dem Punkt machen, wo sich große und kleine Runde aufsplitten, also etwa nach 14 km. Auf der GPSies-Karte entdecke ich ein Schutzhüttensymbol. Unsere geplante Route führt zwar nicht dort entlang, aber ob wir uns links oben lang gehen oder rechts unten… Eine Chance auf Sitzplätze sollte man sich nicht entgehen lassen, auch wenn ich befürchte, dass die Hütte genauso verlassen und heruntergekommen sein wird wie vieles in dieser Gegend.

Meine Befürchtung wird glücklicherweise nicht erfüllt. Die Schutzhütte ist riesig, mit genug Plätzen drinnen als auch draußen um eine Feuerstelle herum. Sogar Lampen hängen an der Decke, die, sofern man einen Generator mitbringt, sogar mit Strom betrieben werden könnten. Eine Luxushütte für unsere Pause. Das einzige Manko: der Wald ist hier ziemlich licht. Und mit unseren schreiend bunten Klamotten sieht man jeden, der mal aufs „Örtchen“ verschwinden will, noch auf einige hundert Meter Entfernung. Ein umgestürzter Baum sorgt dann doch noch für ein wenig Privatsphäre.

Mammutmarschtraining 7 Pause1 Panorama

Etwa sechs Männlein und Weiblein verabschieden sich und nehmen die kleine Route in Angriff. Für uns Verrückte, die wir heute meinen unbedingt 65 km wandern zu wollen, geht der Weg weiter Richtung Liepnitzsee. Ein Steg führt einige Meter am Ufer entlang und in der Ferne winkt eine kleine Gaststätte. Ob die wohl Eis hat? Nach drei Minuten konspirativer Überlegungen entscheiden wir uns gegen den Ausflug zur Gaststätte. Obwohl doch alle Wandermägen nach Eis zu lechzen scheinen.

Während wir noch darüber sinnieren, wie großartig jetzt ein Eisbecher wäre, taucht vor uns ein Campingplatz mit einem kleinen Café auf. Jedes Camping-Café hat doch Eis! Also beschließe ich kurzerhand eine außerplanmäßige Pause am „Liepnitzstübchen“, um den Gelüsten nach tiefgekühlten Süßigkeiten nachgehen zu können. Ein paar bleiben standhaft und können der Verführung widerstehen, die meisten greifen aber dankbar zu. Eis geht einfach immer.

Frisch gestärkt und schleckend verschwinden wir wieder im Wald. Eine Truppe, die der Standhaften, hat sich schon auf den Weg gemacht, bevor sich der letzte bei uns seiner Hosenbeine hat entledigen können. Die sind nun ganz schön weit vorne. Es wird bergig. Natürlich im Rahmen von Berlin-Brandenburg. Aber bergig! Unter uns liegt der Bogensee, auf den ein weiteres verlassenes Haus hinunter blickt. Danach wird es ein wenig abenteuerlich, denn der Weg, der auf der Karte klar erkennbar ist, ist es hier im Wald so gar nicht. Vielleicht unter den ganzen Blättern und umgefallenen Bäumen.

Mammutmarschtraining 7 Berge Prenden

Ich starre nur aufs Handy und drehe mich mal hierhin, mal dahin und hoffe irgendwann wieder auf etwas zu treffen, das wie ein Weg aussieht. Und da ist dann auch wirklich einer. Die vorderen sehe ich schon wieder nicht mehr. Hm. Einholen wird schwer. Zumindest mit fairen Mitteln. Aber wer die Karte hat, hat die Karte. Und die zeigt einen Pfad an, der einmal gerade durch führt und nicht die Kurve entlang, die die anderen schon genommen haben. Jetzt wird geschummelt! Wir verlassen erneut den Weg und schlagen uns einige hundert Meter buchstäblich durchs Dickicht bis wir wieder auf der richtigen Route landen. Niemand zu sehen. Etwa 10 Mann hatte ich bei der Aktion im Schlepptau und die dürfen jetzt eine Pause machen. Keine 5 Minuten später kommt die Spitzentruppe den Weg entlang. „Ihr habt doch abgekürzt! Wir haben euch vom Parallelweg aus gesehen.“ Wir lachen alle und ziehen dafür aber wieder gemeinsam weiter.

Wir passieren den Strehlsee und kommen an einem kleinen Bauernhof vorbei. Der Bauer hält sich hier statt „normalen“ Schweinen Wildschweine, die neugierig angelaufen kommen. Dann plötzlich stehen wir an einer Straße, der Prendener Allee. Was immer sich GPSies dabei gedacht hat, aber ein Fußweg ist das nicht. Ein paar hundert Meter laufen wir also an der Landstraße entlang. Einen anderen Weg zum Wald gegenüber scheint es laut Karte nicht zu geben.

Mammutmarschtraining 7 Prendener Allee

Nach 31 km machen wir uns für die zweite Pause auf einer Wiese mit Löwenzahn breit. Schuhe werden ausgezogen, Nudelsalatüten gezückt und die Wasservorräte geprüft. Für 65 km ausreichend Wasser mitnehmen, noch dazu bei dem sonnigen Wetter, ist fast unmöglich, wenn man sich nicht tot schleppen will.

Mammutmarschtraining 7 Pause2 Panorama

Ich ziehe auch mal meine Schuhe aus und will nur ein paar Schritte im kühlen Gras genießen. Schwerer Fehler, denn wie ich schmerzhaft feststelle, ist die Wiese übersät mit kleinen Brennnesseln, die man auf den ersten Blick nicht sieht. Autsch! Schnell Hirschtalg auf die brennenden Stellen und sonstigen geschundenen Areale geschmiert und Socken gewechselt. Diesmal bin ich mit kurzen CEP-Söckchen und passenden Calf Sleeves gestartet. Das sind Kompressions-„Ärmel“ für die Waden. Die langen Kompressionssocken, die ich bei zwei vorherigen Wanderungen anhatte, sind für mich bei den unnormal langen Wanderungen zu unflexibel, weil ich in der Pause meine Füße mit Hirschtalg einreiben will, aber die Socken schwer an- und auszuziehen sind, wenn es mal schnell gehen muss.

Nach kurzer Beratschlagung wird die dritte Pause bei McDonalds in Bernau sein. Dort ist auch der zweite und gleichzeitig letzte Ausstiegspunkt des Tages und beim Burgerbrater können wir alle mindestens unsere Wasserblasen auffüllen. Bis dahin sind aber noch gute 14 km zu gehen.

Der Uferweg am Hellsee, der zur 66-Seen-Wanderung gehört, ist unsere nächste Etappe. Kleine Bäche und Hütten versprühen ein bayerisches Flair im Brandenburger Umland. Der Wald, aber diesmal nicht unser Weg, wird wieder sumpfig. Mit ein wenig Phantasie sieht man in den Abendstunden sicher Irrlichter und Moorgeister hier entlang irren. Um diese Uhrzeit jedoch sind es nur Reiter, die uns von hinten  scheuchen. Aber wir müssen hier sowieso rechts abbiegen.

Vor uns tut sich eine große Wiesenlandschaft auf, die wir durchwandern und die Abendsonne genießen. Denn schon kurz darauf geht’s wieder, ihr ahnt es schon: in den Wald. Unsere Route überquert eine Straße, aber der Weg geht nicht direkt geradeaus weiter, sondern ein ganzes Stück versetzt. Da vermisse ich Lea. Die war doch eben noch neben mir. Also warte ich lieber an der Straße, denn aus dem Wald kommend sieht man nicht unbedingt, wo es dann weiter geht. Und ich glaube, sie hatte keine Karte. Minuten um Minuten vergehen. Keine Lea. Also zurück gehen. Lea suchen. Und da steht sie, versteckt hinterm Baum mit dem Handy friemelnd. Sie hatte mich auch nicht gesehen und nun versucht, im Land des nichtvorhandenen mobilen Datennetzes auf die Schnelle die Route herunterzuladen. Nun aber schnellen Schrittes den anderen nach.

Mammutmarschtraining 7 Bernau Wiese

Am Wegesrand finden wir (und der Anblick kommt mir bekannt vor), Martin, der eine seiner individuellen Pausen macht. Er will später wieder zu uns stoßen, wenn wir bei McDonalds fertig sind. Wir holen noch Markus ein, der aber in Bernau auch aussteigen will. Am Horizont sehen wir hinterm Rapsfeld dann das rettende goldene M. Es ist ja noch so weit weg.

Mammutmarschtraining 7 McDonalds Bernau Raps

Beim Burgerbraten gibt es Luft und wieder Hirschtalg für die Füße sowie Pommes und Eiskaffee für die Seele. Natürlich muss ich bei McCafé meine EC-Karte im Lesegerät vergessen, was mir erst vier Tage später auffallen wird. Meine Füße brennen noch von den Nesseln und die Fußsohlen wollen eigentlich auch nicht mehr weiter gehen. Aber es sind noch 20 km bis zum Auto. Das wird schon irgendwie. Mit jeder Pause fällt das Aufstehen schwerer und erst recht, wenn man an der Basis zum Fast Food sitzt. Die vordere Gruppe, die natürlich viel eher bei McDonalds war, ist schon aufgebrochen, um noch eine Schleife zu wandern, die ich eingebaut hatte, um die 65 km zu erreichen. Ich persönliche sch… heute auf die Schleife. Dann sind es halt nur 64,5 km.

Mein persönliches Highlight wartet ja nun noch: die Schönower Heide. Der Weg führt einmal um ein umzäuntes Gebiet herum. Bei der Planung hatte ich gedacht, es sei militärisches Übungsgebiet. Stattdessen ist es eher ein riesiges Wildgehege… im ehemaligen Militärübungsgelände. Neben Bunkern grasen hier die Rehe und Hirsche. Ich bedanke mich im Vorbeigehen beim Produzenten des Hirschtalgs und freue mich über diese schöne Landschaft.

 

8 km vor dem Ziel machen wir noch einmal eine kurze Rast. Alle Vorräte, die bislang nicht gegessen wurden, werden jetzt feilgeboten. Schließlich will niemand mehr etwas nach Hause schleppen. Nach einer wilden Würstchen-Muffin-Gummitier-Schlacht und ein wenig Alibi-Dehnen startet der Endspurt. Die Sonne ist schon verschwunden und es dämmert heftig. Zur Aufmunterung aller (hauptsächlich aber von mir selbst) lasse ich laut das Schlumpflied vom Telefon dröhnen. Damit marschiert es sich gleich viel leichter. Noch einen Ausflug zur Sesamstraße mit „Manamana“ und dann gebe ich auch erstmal wieder Ruhe. In Schönwalde flattern derweil mächtig große Fledermäuse über unsere Köpfe hinweg.

Zeit für die Stirnlampen. Die GPSies-Route führt uns wieder in die Irre. Ein bequemer Weg verläuft entlang einer Mauer. Laut GPSies müssen wir aber eine Kurve drum herum laufen. Da ist aber nur Gestrüpp. Stur der Route auf der Karte folgend staksen wir durch Efeu und Brennnesseln (!), nur um dann genau auf dem Weg zu landen, der von der Mauer kam. Klasse.

Mammutmarschtraining 7 Schönwalde Laterne

Und keine fünf Minuten später wieder ein Such-den-Weg-Spiel. Eigentlich sollte hier ein Weg haarnadelartig vor der Hauptstraße in den Wald abzweigen. Eigentlich. Wieder staksen. Diesmal durch Laub. Dann scheine ich den Weg gefunden zu haben. Leider entpuppt der sich als sumpfige Furche. Als ich schon alle zur sicheren Straße schicken will, ruft Martin ganz weit weg, er habe ihn gefunden. Etwa 40 Meter weiter links als eingezeichnet.

Die abenteuerliche Nachtwanderung geht weiter, denn wir landen prompt in einem Rapsfeld. Der Weg ist aber so angegeben. Ob der Bauer wohl nicht weiß, dass ein Wanderweg direkt durch seinen Raps führt? Die Vordersten rufen uns vom anderen Ende des Feldes zu und sind durch ihre Stirnlampen im Rudel gut zu erkennen. Einen kurzen schwachen Moment überlege ich, mit den anderen einfach direkt übers Feld zu laufen statt die vorgesehene Kurve. Zum Glück habe ich diesen Gedanken wieder verworfen, denn dann hätten wir vor einem Wassergraben gestanden.

Die letzten Kilometer kommen uns endlos vor. Außerdem führt die Dunkelheit und der Grad der Erschöpfung dazu, dass uns das Lauftempo irrsinnig schnell und damit anstrengend vorkommt – obwohl wir langsamer unterwegs sind als am Anfang.

14 einhalb Stunden später kommen wir am S-Bhf Mühlenbeck wieder an. Die nächste Bahn fährt um 22:30 Uhr, daher schnell noch ein Siegerfoto gemacht. Wir sind so gut!

Mammutmarschtraining 7 Mühlenbeck Ziel

Ich bin mal wieder völlig im Eimer. Die Füße brennen und ich bin müde. Als ich zu Hause angekommen meine Schuhe, Socken und Sleeves ausziehe, traue ich meinen Augen nicht. Alles dick geschwollen und pustelig. Ob das nun an den Sleeves oder den Brennnesseln oder einer Mischung aus beidem liegt… keine Ahnung. Fakt ist aber, dass die Sleeves bei geschwollenen Fesseln zu sehr einschneiden. Es wird beim Mammutmarsch also komplett ohne Kompression gehen müssen.

Mammutmarschtraining 7 Füße

Fazit nach 7 Trainingswanderungen

Mit jeder Wanderung habe ich meine persönliche Grenze erreicht und trotzdem bei der nächsten immer wieder überschritten. Zum Mammutmarsch fehlen noch 35 km mehr, was etwa 7-8 Stunden entspricht. Das muss gehen, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass der Kopf mich nach vorne peitschen werden muss.

Meine Ausrüstung habe ich ausgiebig testen können und am Ende viel mehr Wasser mitgeschleppt, als ich am 14.5. brauchen werde. Am Gewicht kann ich also noch sparen. Ob ich nun das Optimum an Schuhen/Socken gefunden habe, weiß ich nicht. Wenn sie mich 100 km tragen, ist das Ziel erreicht. Besonders schön werden meine Füße hinterher aber auf keinen Fall aussehen. Soviel ist sicher.

Am allerwichtigsten ist aber: Ich habe tolle, supernette, durchgeknallte Menschen kennen gelernt und ich freue mich schon sehr, in weniger als einer Woche in einer Riesenstartgruppe mit Euch loszulatschen. Zu unserer Herausforderung des Jahres!

Und da nach dem Mammutmarsch vor dem Mammutmarsch ist, werde ich zusehen, dass wir auch in den Monaten danach ein paar schöne Touren machen. Sicher nicht 65 km, aber 30-40, damit wir genug sehen und erkunden, aber auch ausreichend Zeit haben, ein wenig zu entspannen. Ich freu mich, wenn ihr wieder mit dabei seid. Einfach so. Weil es Spaß macht.

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