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[:de]40 km Grunewald – Eine Wandergruppe… is ja doll![:]

[:de]Dass meine erste selbstgeführte Wanderung 2018 noch im März eine klassische Winterwanderung werden würde, hatte ich bei der Planung so nicht geahnt. Anfang Januar hatte ich mit Blick auf den Kalender festgestellt, dass sowohl der Januar als auch der Februar gut mit offiziellen wie inoffiziellen Events gefüllt sind.
Im März ist es eh schöner und wärmer, dachte ich, als ich den 4. März für eine Wanderung mit 40 km ohne konkrete Strecke ankündigte. Januar und Februar waren für deutsche Verhältnisse überraschend warm ausgefallen. Aber das sollte nur eine Täuschung gewesen sein. Während die Vögel schon tirilierend in den Bäumen saßen und die Krokusse bereits ihre weißen und lila Köpfchen aus diversen Wiesen streckten, dachte sich der Winter: jetzt komm ich nochmal richtig!

-12 Grad zeigt das Thermometer, als ich die Route für meine Märzwanderung plane. Wohin nur? Bei den Temperaturen weit raus aus der Stadt ist keine gute Idee und viele fangen die Saison ja auch jetzt erst an, schaffen also noch keine 40 km. Aus einer schon längst geplanten Sommerroute durch den Grunewald stricke ich kurzerhand eine wintertaugliche und lade alle Teilnehmer zum Start am U-Bahnhof Ruhleben ein.

Hilfe, das Handy ist weg

Von mir zu Hause aus sind es gute 50 Minuten bis Ruhleben. Unterwegs treffe ich auf Diana, Christian und Hanna. Wir quatschen munter bis zur Zielstation, steigen aus und finden unten am Eingang eine bunte Traube Wanderwütiger. Fast alle sind da. Alle, bis auf Max. Der sitzt gemütlich im warmen Auto und lässt auf sich warten. „Fragen wir ihn doch mal, wie lange er noch braucht“, denke ich und greife zu meinem Handy. Ins Leere. Da, wo es sein sollte, ist es nicht. Und auch bei allen Alternativaufbewahrungsstellen finde ich es nicht. Hab ich doofe Kuh jetzt echt mein Handy in der Bahn liegen lassen? Ich renne hoch. Zum Glück ist Ruhleben der Endbahnhof der U2. Die Bahn steht noch dort und wartet auf die Wiederabfahrt in die andere Richtung. Ich hechte zum Abteil, wo wir saßen. Kein Handy. Ich frage eine dort sitzende Frau, ob sie ein Telefon gefunden hat. Nein. „Aber da drüben liegt doch was“, sagt sie. Tatsächlich liegt gegenüber von dort, wo ich saß, gut getarnt mein Telefon. Weiß der Fuchs, wie es da hin kam. Egal. Mit unglaublicher Erleichterung husche ich wieder nach unten zu meiner Wandergruppe. Während wir unser typisches Start-Gruppenfoto machen, kommt dann auch Max. Es geht los!

Spieglein, Spieglein

Unser Weg führt uns zur Murellenschlucht. Dort wollte ich schon einige Zeit hin, denn es soll ein wunderschöner Trail sein. Und das stimmt auch. Schon kurz nach Verlassen des Bahnhofes biegen wir rechts in den Wald ab. Sümpfe und Moorlandschaft umgeben den Waldweg. Und alles ist gefroren. Die Sonne strahlt durch die Baumwipfel und lässt das Eis glänzen. Bei einem Blick nach hinten erscheint mir unsere Gruppe auf einmal ums doppelte gewachsen. Ach nee, sind Trailrunner. Die laufen hier wahrscheinlich jeden Sonntag. Nun, heute sind wir hier. Wie eine Horde ultralangsamer Trailrunner bewegen wir uns durch den Wald und blockieren ihre Strecke, so dass sie sich woanders langschlängeln müssen.

Aus der Schlucht heraus geht es ordentlich bergauf und ich höre Geschnaufe hinter mir. Kalt ist sicher niemandem mehr. Wir sind jetzt genau hinter der Waldbühne. Hier stehen überall am Weg – völlig deplatziert – Verkehrsspiegel rum. Es soll wohl ein Kunstprojekt sein, erzählt mir jemand. Ein Mahnmal für den nationalsozialistischen Hintergrund der Murellenschlucht, wie ich später herausfinde. Ich glaube viel eher, dass die Spiegel dazu dienen, bei Konzerten besser Leute zu sehen, die über den Zaun der Waldbühne klettern.

 

Dass wir bei dieser Tour die sechsspurige Heerstraße an einer ampellosen Stelle überqueren müssen, hatte ich so gar nicht auf dem Schirm. Umso größer sind meine Augen als wir an der Stelle ankommen und ich eine Assoziation zu Frogger habe. Das ist ein putziges kleines PC-Spiel aus den 80ern, bei dem man Frösche über eine Straße bringen muss, ohne dass sie überfahren werden. So ungefähr muss das dann aus Autofahrersicht auch aussehen, als 35 bunte Quakfrösche über die startbefahrene Heerstraße hüpfen, aber heil auf der anderen Seite ankommen.

Wir biegen auf Pichelswerder ein, eine kleine Halbinsel, die noch zu Spandau gehört. Direkt am südlichen Ufer sind Schirme und Stände aufgestellt und ein Mann lässt sich zum Fenster raushängen. Ob die hier Glühwein haben?
„Hey, habt ihr Glühwein?“ „Na klar. Roten und weißen!“ Es sind zwar noch keine 7 Km gewandert, aber Glühwein schreit nach Pause. Einige huschen aufs improvisierte Örtchen, viele holen sich Glühwein und Kuchen und wärmen sich kurz an der Feuertonne auf, in der um halb elf morgens schon das Feuer knistert.

 

Im Blindflug durch den Grunewald

Bevor wir wieder aufbrechen, gebe ich meine Rolle als Navigator kurzerhand an Melli ab. Ich sehe nämlich seit ein paar Kilometern so gut wie nüscht mehr. Meine Augen zeigen mir deutlich, dass sie die Investition in ein neues, teureres Paar Kontaktlinsen missbilligen und schmieren irgendwelchen Kram von innen rauf. Ich sehe nur noch Nebel und den Bildschirm meines Handy kann ich schon gar nicht mehr richtig erkennen.

Und so trotte ich dann selbst mitten in der bunten Masse mit, glücklich, dass jemand anderer nun erstmal den Weg weist. Die ungewöhnliche Sanddüne im Grunewald kennen die meisten noch nicht. Ich freue mich immer sehr, meinen Mitwanderern neue Ecken Berlins und Brandenburgs zeigen zu können. Fast alle gehen automatisch direkt auf den Gipfel und dann gleich weiter zu der kleinen Eisfläche am Fuße der Düne. Blind wie ich bin, traue ich mich trotzdem hier rauf, denn der Tümpel ist klein genug, um gut durchgefroren zu sein. Ein bedrohliches Knacken aber lässt fünf von uns aufhorchen, als sie alle zusammen auf einer Stelle stehen. Bloß runter hier.

 

Nach guten 18 km kommen wir an unserer ersten (und einzigen) richtigen Pause an und veranstalten wie so oft einen Flashmob bei McDonalds. Während sich die meisten eine kleine Stärkung holen, verschwinde ich erstmal zur Toilette und putze die hässlichen Linsen. Erst danach erkenne Miri, die dort zu uns stößt und mich zu einem fetten Stück Schokotorte verführt.

Ich see was, was du nicht seest

Kurz nach Wiederaufbruch gelangen wir zur Krummen Lanke und sehen uns einem Meer von Spaziergängern und Ausflüglern gegenüber, die wie die Wilden über die Eisfläche auf der Krummen Lanke flitzen. Ein wenig verführerisch sieht es schon aus. Aber haben die Minusgrade nicht erst vor einer Woche eingesetzt? Wie dick kann die Eisschicht auf ein doch recht großen See schon sein? Nicht sehr, wie uns einige hundert Meter weiter bewusst wird. Auf der Seeseite, an der wir gerade vorbei gehen, ist noch nicht einmal eine dünne Eisschicht, sondern offenes Wasser. Auf dem Schlachtensee sehen wir das vom erhöhten Weg aus nochmal deutlicher. Die Schlittschuhfahrer und Eisbegeher sehen das von der Seite, von der der sie die Eisfläche aus betreten, wahrscheinlich nicht. Sogar ein Zelt steht dort bedrohlich nah an der Grenze zwischen Eis und offenem Wasser. Alles Anwärter für den Darwin-Award, wie jemand später treffend schreibt.

Ich kann zwar nach der Linsenreinigung wieder alles klar sehen, aber etwas anderes trübt nach gut 24 km mein Vergnügen. Mein linker Fuß tut genau an der Stelle weh, die mir schon nach dem Ostseeweg solche Schmerzen bereitet hatte, dass ich hinterher kaum noch auftreten konnte. Sind meine Füße auf einmal nicht mehr kompatibel zu meinen geliebten Hiking-Schuhen? Ich habe die „Schuhzunge“ im Verdacht. Einige schmerzvolle Kilometer weiter (die schon gar nicht mehr hätte gehen sollen), schnürt mir Miri die Zunge vom Gelenk weg, damit sie nicht mehr drückt. Und ich laufe weiter.

Schwan drüber und Schwein gehabt

Ein wenig seelische Linderung bringt der Anblick dutzender Schwäne, die in Ufernähe der Havel übers Eis watscheln und im Wasser gründeln. Ein Mikropäuschen für alle, auch die, die die Schwäne ignorieren. Der Hammer zum Schluss kommt ja noch. Erstmal scheuche ich alle den Karlsberg hoch, der zum Grunewaldturm führt. Am Ufer zu bleiben, wäre auch nicht caro-like gewesen. Dafür spare ich uns aber den Schlenker über Schildhorn, der uns sicher 300 m Fußweg spart.

 

Stattdessen geht es alsbald rechts wieder in den Wald, gefährlich nah an verführerischen BVG-Bussen vorbei. Die Sonne senkt sich langsam über den Baumwipfeln hinter uns herab. Es wird wohl knapp, den Gipfel des Drachenbergs noch pünktlich zum Sonnenuntergang zu erreichen. Viele sehen schon richtig kaputt aus und dazu zähle ich auch mich dank meines Fußes. Neben mir schreit Aivin auf einmal auf. Eine Wildschweinrotte guckt uns von links nur einige Meter entfernt an. Frischlinge sind auch dabei. Etwa sieben Schweine gucken etwa 20 Wanderer an. Und andersherum. Den Schweinen wird’s zuerst zu blöd und sie trollen sich zurück in den Wald.

 

Kurz bevor sich der Weg gabelt – rechts hoch zum Berg, links drumherum – stelle ich jedem den Aufstieg frei. Ausnahmslos alle entscheiden sich für… rechts! Der Aufstieg ist steil und hart. Oben weht ein fieser Wind und ich höre jemanden sagen: „Da hinten ist ja mal Zivilisation zu sehen!“ Ja, diese Tour hat sich nicht nach Stadt angefühlt. In der Dämmerung wuseln wir den Berg hinab. Die Glühweinpause hat uns leider den Sonnenuntergang dort oben gekostet.

 

Nur ganz wenige Meter trennen uns nun noch vom Ziel am S-Bahnhof Heerstraße. Nach neun einviertel Stunden finden wir uns zum Abschlussfoto dieser Winterwanderung bei bestem Wetter zusammen. Es war ein schöner Tag.

Ich hoffe, ich sehe ganz viele von euch ganz bald wieder!

Die Strecke zum Nachwandern

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[:de]7. Mammutmarsch-Training, 65 km: die Generalprobe![:]

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Schon drei Monate ist es her, dass wir die ersten 30 Km als Testwanderung gelaufen sind. An dem Tag im Januar lag noch dichter Schnee und wir mussten mit einer Eisdecke kämpfen, die sich den ganzen Teltowkanal entlang zog. Und nun, Anfang Mai, bin ich schon ein wenig betrübt, dass unser letztes Training schon Geschichte ist.

Mühlenbeck am 30. April 2016. Die zweite S-Bahn des Tages kommt an und ist bevölkert mit funktionsbekleideten bunten Gestalten. Es ist noch so früh, dass es kaum jemanden am Bahnhof gibt, der sich über diesen Anblick wundert. Wir selbst haben uns inzwischen daran gewöhnt, schräg angeschaut zu werden, wenn wir als Wanderhorde die Wälder, Orte und Stadt unsicher machen.

Mammutmarschtraining 7 Startgruppe

Heute geht es auf zur größten Tour des Trainings. Zumindest für einige. Für diejenigen, die zwar noch einmal in Bewegung kommen, aber nicht noch einen drauf setzen wollen, habe ich ganz kurzfristig eine kleinere Runde im gleichen Gebiet zusammengestellt. Klein bedeutet hierbei dennoch die beachtliche Distanz von 35 km.

Es geht los durch das verschlafene Mühlenbeck. Verschlafen trifft es diesmal so richtig, denn bei einem Haus werden spontan die Fenster aufgerissen, als wir schnatternd vorbei ziehen. „Ihr habt uns geweckt!“ Der frühe Vogel und so. Dass das Klärwerk direkt um die Ecke liegt, riecht man heute deutlich. Klärwerk gepaart mit intensiver Landluft ist schon eine besondere Note, an die sich die gemeine Stadtnase erst einmal gewöhnen muss.

Der Zehnrutenweg führt uns genau an den Waldrand des Mühlenbecker Landes. Kaum hinein gestiefelt, tut sich auch schon das erste Hindernis auf: Sumpfgelände. Zum Glück haben sich die Bäume so praktisch darüber drapiert, dass wir alle mit ein wenig Geschick trockenen Fußes auf der anderen Seite ankommen.

Auf der linken Seite tut sich vor uns der Mühlenbecker See auf. Nur einer von vielen Seen, an denen wir heute vorbei kommen werden. Im Gänsemarsch geht es sumpffrei am Seeufer entlang.

Wie aus dem Nichts tut sich vor uns ein Schloss auf. Schloss Dammsmühle, das verlassen und vergessen im Wald ein Dasein fristet, das es eigentlich nicht verdient hat. Aber wie so oft fehlen Zeit, aber noch viel mehr Geld, um dieses schöne Gemäuer instand zu setzen oder auch nur zu erhalten. Es verfällt einfach. Am dazugehörigen See haben sich ein paar Camper niedergelassen und schippern mit ihrem Ruderboot umher.

Wir schrammen an den Ausläufern von Wandlitz vorbei. Links liegen jede Menge verlassene Kasernengebäude, während der Wald auf der rechten Seite nach einem idealen Pilzwald ausschaut. Leider habe ich heute keine Zeit, die Gebäude näher unter die Lupe zu nehmen, geschweige denn auf die Pilzsaison zu warten.

Unsere erste Pause wollen wir an dem Punkt machen, wo sich große und kleine Runde aufsplitten, also etwa nach 14 km. Auf der GPSies-Karte entdecke ich ein Schutzhüttensymbol. Unsere geplante Route führt zwar nicht dort entlang, aber ob wir uns links oben lang gehen oder rechts unten… Eine Chance auf Sitzplätze sollte man sich nicht entgehen lassen, auch wenn ich befürchte, dass die Hütte genauso verlassen und heruntergekommen sein wird wie vieles in dieser Gegend.

Meine Befürchtung wird glücklicherweise nicht erfüllt. Die Schutzhütte ist riesig, mit genug Plätzen drinnen als auch draußen um eine Feuerstelle herum. Sogar Lampen hängen an der Decke, die, sofern man einen Generator mitbringt, sogar mit Strom betrieben werden könnten. Eine Luxushütte für unsere Pause. Das einzige Manko: der Wald ist hier ziemlich licht. Und mit unseren schreiend bunten Klamotten sieht man jeden, der mal aufs „Örtchen“ verschwinden will, noch auf einige hundert Meter Entfernung. Ein umgestürzter Baum sorgt dann doch noch für ein wenig Privatsphäre.

Mammutmarschtraining 7 Pause1 Panorama

Etwa sechs Männlein und Weiblein verabschieden sich und nehmen die kleine Route in Angriff. Für uns Verrückte, die wir heute meinen unbedingt 65 km wandern zu wollen, geht der Weg weiter Richtung Liepnitzsee. Ein Steg führt einige Meter am Ufer entlang und in der Ferne winkt eine kleine Gaststätte. Ob die wohl Eis hat? Nach drei Minuten konspirativer Überlegungen entscheiden wir uns gegen den Ausflug zur Gaststätte. Obwohl doch alle Wandermägen nach Eis zu lechzen scheinen.

Während wir noch darüber sinnieren, wie großartig jetzt ein Eisbecher wäre, taucht vor uns ein Campingplatz mit einem kleinen Café auf. Jedes Camping-Café hat doch Eis! Also beschließe ich kurzerhand eine außerplanmäßige Pause am „Liepnitzstübchen“, um den Gelüsten nach tiefgekühlten Süßigkeiten nachgehen zu können. Ein paar bleiben standhaft und können der Verführung widerstehen, die meisten greifen aber dankbar zu. Eis geht einfach immer.

Frisch gestärkt und schleckend verschwinden wir wieder im Wald. Eine Truppe, die der Standhaften, hat sich schon auf den Weg gemacht, bevor sich der letzte bei uns seiner Hosenbeine hat entledigen können. Die sind nun ganz schön weit vorne. Es wird bergig. Natürlich im Rahmen von Berlin-Brandenburg. Aber bergig! Unter uns liegt der Bogensee, auf den ein weiteres verlassenes Haus hinunter blickt. Danach wird es ein wenig abenteuerlich, denn der Weg, der auf der Karte klar erkennbar ist, ist es hier im Wald so gar nicht. Vielleicht unter den ganzen Blättern und umgefallenen Bäumen.

Mammutmarschtraining 7 Berge Prenden

Ich starre nur aufs Handy und drehe mich mal hierhin, mal dahin und hoffe irgendwann wieder auf etwas zu treffen, das wie ein Weg aussieht. Und da ist dann auch wirklich einer. Die vorderen sehe ich schon wieder nicht mehr. Hm. Einholen wird schwer. Zumindest mit fairen Mitteln. Aber wer die Karte hat, hat die Karte. Und die zeigt einen Pfad an, der einmal gerade durch führt und nicht die Kurve entlang, die die anderen schon genommen haben. Jetzt wird geschummelt! Wir verlassen erneut den Weg und schlagen uns einige hundert Meter buchstäblich durchs Dickicht bis wir wieder auf der richtigen Route landen. Niemand zu sehen. Etwa 10 Mann hatte ich bei der Aktion im Schlepptau und die dürfen jetzt eine Pause machen. Keine 5 Minuten später kommt die Spitzentruppe den Weg entlang. „Ihr habt doch abgekürzt! Wir haben euch vom Parallelweg aus gesehen.“ Wir lachen alle und ziehen dafür aber wieder gemeinsam weiter.

Wir passieren den Strehlsee und kommen an einem kleinen Bauernhof vorbei. Der Bauer hält sich hier statt „normalen“ Schweinen Wildschweine, die neugierig angelaufen kommen. Dann plötzlich stehen wir an einer Straße, der Prendener Allee. Was immer sich GPSies dabei gedacht hat, aber ein Fußweg ist das nicht. Ein paar hundert Meter laufen wir also an der Landstraße entlang. Einen anderen Weg zum Wald gegenüber scheint es laut Karte nicht zu geben.

Mammutmarschtraining 7 Prendener Allee

Nach 31 km machen wir uns für die zweite Pause auf einer Wiese mit Löwenzahn breit. Schuhe werden ausgezogen, Nudelsalatüten gezückt und die Wasservorräte geprüft. Für 65 km ausreichend Wasser mitnehmen, noch dazu bei dem sonnigen Wetter, ist fast unmöglich, wenn man sich nicht tot schleppen will.

Mammutmarschtraining 7 Pause2 Panorama

Ich ziehe auch mal meine Schuhe aus und will nur ein paar Schritte im kühlen Gras genießen. Schwerer Fehler, denn wie ich schmerzhaft feststelle, ist die Wiese übersät mit kleinen Brennnesseln, die man auf den ersten Blick nicht sieht. Autsch! Schnell Hirschtalg auf die brennenden Stellen und sonstigen geschundenen Areale geschmiert und Socken gewechselt. Diesmal bin ich mit kurzen CEP-Söckchen und passenden Calf Sleeves gestartet. Das sind Kompressions-„Ärmel“ für die Waden. Die langen Kompressionssocken, die ich bei zwei vorherigen Wanderungen anhatte, sind für mich bei den unnormal langen Wanderungen zu unflexibel, weil ich in der Pause meine Füße mit Hirschtalg einreiben will, aber die Socken schwer an- und auszuziehen sind, wenn es mal schnell gehen muss.

Nach kurzer Beratschlagung wird die dritte Pause bei McDonalds in Bernau sein. Dort ist auch der zweite und gleichzeitig letzte Ausstiegspunkt des Tages und beim Burgerbrater können wir alle mindestens unsere Wasserblasen auffüllen. Bis dahin sind aber noch gute 14 km zu gehen.

Der Uferweg am Hellsee, der zur 66-Seen-Wanderung gehört, ist unsere nächste Etappe. Kleine Bäche und Hütten versprühen ein bayerisches Flair im Brandenburger Umland. Der Wald, aber diesmal nicht unser Weg, wird wieder sumpfig. Mit ein wenig Phantasie sieht man in den Abendstunden sicher Irrlichter und Moorgeister hier entlang irren. Um diese Uhrzeit jedoch sind es nur Reiter, die uns von hinten  scheuchen. Aber wir müssen hier sowieso rechts abbiegen.

Vor uns tut sich eine große Wiesenlandschaft auf, die wir durchwandern und die Abendsonne genießen. Denn schon kurz darauf geht’s wieder, ihr ahnt es schon: in den Wald. Unsere Route überquert eine Straße, aber der Weg geht nicht direkt geradeaus weiter, sondern ein ganzes Stück versetzt. Da vermisse ich Lea. Die war doch eben noch neben mir. Also warte ich lieber an der Straße, denn aus dem Wald kommend sieht man nicht unbedingt, wo es dann weiter geht. Und ich glaube, sie hatte keine Karte. Minuten um Minuten vergehen. Keine Lea. Also zurück gehen. Lea suchen. Und da steht sie, versteckt hinterm Baum mit dem Handy friemelnd. Sie hatte mich auch nicht gesehen und nun versucht, im Land des nichtvorhandenen mobilen Datennetzes auf die Schnelle die Route herunterzuladen. Nun aber schnellen Schrittes den anderen nach.

Mammutmarschtraining 7 Bernau Wiese

Am Wegesrand finden wir (und der Anblick kommt mir bekannt vor), Martin, der eine seiner individuellen Pausen macht. Er will später wieder zu uns stoßen, wenn wir bei McDonalds fertig sind. Wir holen noch Markus ein, der aber in Bernau auch aussteigen will. Am Horizont sehen wir hinterm Rapsfeld dann das rettende goldene M. Es ist ja noch so weit weg.

Mammutmarschtraining 7 McDonalds Bernau Raps

Beim Burgerbraten gibt es Luft und wieder Hirschtalg für die Füße sowie Pommes und Eiskaffee für die Seele. Natürlich muss ich bei McCafé meine EC-Karte im Lesegerät vergessen, was mir erst vier Tage später auffallen wird. Meine Füße brennen noch von den Nesseln und die Fußsohlen wollen eigentlich auch nicht mehr weiter gehen. Aber es sind noch 20 km bis zum Auto. Das wird schon irgendwie. Mit jeder Pause fällt das Aufstehen schwerer und erst recht, wenn man an der Basis zum Fast Food sitzt. Die vordere Gruppe, die natürlich viel eher bei McDonalds war, ist schon aufgebrochen, um noch eine Schleife zu wandern, die ich eingebaut hatte, um die 65 km zu erreichen. Ich persönliche sch… heute auf die Schleife. Dann sind es halt nur 64,5 km.

Mein persönliches Highlight wartet ja nun noch: die Schönower Heide. Der Weg führt einmal um ein umzäuntes Gebiet herum. Bei der Planung hatte ich gedacht, es sei militärisches Übungsgebiet. Stattdessen ist es eher ein riesiges Wildgehege… im ehemaligen Militärübungsgelände. Neben Bunkern grasen hier die Rehe und Hirsche. Ich bedanke mich im Vorbeigehen beim Produzenten des Hirschtalgs und freue mich über diese schöne Landschaft.

 

8 km vor dem Ziel machen wir noch einmal eine kurze Rast. Alle Vorräte, die bislang nicht gegessen wurden, werden jetzt feilgeboten. Schließlich will niemand mehr etwas nach Hause schleppen. Nach einer wilden Würstchen-Muffin-Gummitier-Schlacht und ein wenig Alibi-Dehnen startet der Endspurt. Die Sonne ist schon verschwunden und es dämmert heftig. Zur Aufmunterung aller (hauptsächlich aber von mir selbst) lasse ich laut das Schlumpflied vom Telefon dröhnen. Damit marschiert es sich gleich viel leichter. Noch einen Ausflug zur Sesamstraße mit „Manamana“ und dann gebe ich auch erstmal wieder Ruhe. In Schönwalde flattern derweil mächtig große Fledermäuse über unsere Köpfe hinweg.

Zeit für die Stirnlampen. Die GPSies-Route führt uns wieder in die Irre. Ein bequemer Weg verläuft entlang einer Mauer. Laut GPSies müssen wir aber eine Kurve drum herum laufen. Da ist aber nur Gestrüpp. Stur der Route auf der Karte folgend staksen wir durch Efeu und Brennnesseln (!), nur um dann genau auf dem Weg zu landen, der von der Mauer kam. Klasse.

Mammutmarschtraining 7 Schönwalde Laterne

Und keine fünf Minuten später wieder ein Such-den-Weg-Spiel. Eigentlich sollte hier ein Weg haarnadelartig vor der Hauptstraße in den Wald abzweigen. Eigentlich. Wieder staksen. Diesmal durch Laub. Dann scheine ich den Weg gefunden zu haben. Leider entpuppt der sich als sumpfige Furche. Als ich schon alle zur sicheren Straße schicken will, ruft Martin ganz weit weg, er habe ihn gefunden. Etwa 40 Meter weiter links als eingezeichnet.

Die abenteuerliche Nachtwanderung geht weiter, denn wir landen prompt in einem Rapsfeld. Der Weg ist aber so angegeben. Ob der Bauer wohl nicht weiß, dass ein Wanderweg direkt durch seinen Raps führt? Die Vordersten rufen uns vom anderen Ende des Feldes zu und sind durch ihre Stirnlampen im Rudel gut zu erkennen. Einen kurzen schwachen Moment überlege ich, mit den anderen einfach direkt übers Feld zu laufen statt die vorgesehene Kurve. Zum Glück habe ich diesen Gedanken wieder verworfen, denn dann hätten wir vor einem Wassergraben gestanden.

Die letzten Kilometer kommen uns endlos vor. Außerdem führt die Dunkelheit und der Grad der Erschöpfung dazu, dass uns das Lauftempo irrsinnig schnell und damit anstrengend vorkommt – obwohl wir langsamer unterwegs sind als am Anfang.

14 einhalb Stunden später kommen wir am S-Bhf Mühlenbeck wieder an. Die nächste Bahn fährt um 22:30 Uhr, daher schnell noch ein Siegerfoto gemacht. Wir sind so gut!

Mammutmarschtraining 7 Mühlenbeck Ziel

Ich bin mal wieder völlig im Eimer. Die Füße brennen und ich bin müde. Als ich zu Hause angekommen meine Schuhe, Socken und Sleeves ausziehe, traue ich meinen Augen nicht. Alles dick geschwollen und pustelig. Ob das nun an den Sleeves oder den Brennnesseln oder einer Mischung aus beidem liegt… keine Ahnung. Fakt ist aber, dass die Sleeves bei geschwollenen Fesseln zu sehr einschneiden. Es wird beim Mammutmarsch also komplett ohne Kompression gehen müssen.

Mammutmarschtraining 7 Füße

Fazit nach 7 Trainingswanderungen

Mit jeder Wanderung habe ich meine persönliche Grenze erreicht und trotzdem bei der nächsten immer wieder überschritten. Zum Mammutmarsch fehlen noch 35 km mehr, was etwa 7-8 Stunden entspricht. Das muss gehen, auch wenn ich jetzt schon weiß, dass der Kopf mich nach vorne peitschen werden muss.

Meine Ausrüstung habe ich ausgiebig testen können und am Ende viel mehr Wasser mitgeschleppt, als ich am 14.5. brauchen werde. Am Gewicht kann ich also noch sparen. Ob ich nun das Optimum an Schuhen/Socken gefunden habe, weiß ich nicht. Wenn sie mich 100 km tragen, ist das Ziel erreicht. Besonders schön werden meine Füße hinterher aber auf keinen Fall aussehen. Soviel ist sicher.

Am allerwichtigsten ist aber: Ich habe tolle, supernette, durchgeknallte Menschen kennen gelernt und ich freue mich schon sehr, in weniger als einer Woche in einer Riesenstartgruppe mit Euch loszulatschen. Zu unserer Herausforderung des Jahres!

Und da nach dem Mammutmarsch vor dem Mammutmarsch ist, werde ich zusehen, dass wir auch in den Monaten danach ein paar schöne Touren machen. Sicher nicht 65 km, aber 30-40, damit wir genug sehen und erkunden, aber auch ausreichend Zeit haben, ein wenig zu entspannen. Ich freu mich, wenn ihr wieder mit dabei seid. Einfach so. Weil es Spaß macht.

mammutmarsch

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