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[:de]Usedomer Wanderwinter 2019[:]

[:de]Wenn am dritten Januar-Wochenende der Usedomer Strand kilometerweit mit bunten Wandervögeln übersät ist, ist klar: Team EarnYourBacon aka Wanderverein Müller ist wieder unterwegs.

Winter an der Ostsee heißt, die meisten Hotels, Lokalitäten und Geschäfte haben geschlossen. Wie schön, dass das Hotel See-Eck extra für uns seine Pforten öffnet und unseren lauten, unermüdlichen Haufen aufnimmt. Mit mehr als 50 Leuten unseres Kalibers haben „normale“ Gäste es schon nicht leicht. Und dabei ist es egal, ob man 25 oder 60 Jahre alt ist. Wir sind alle gleich laut und lebensfroh!

 

Samstag morgen brechen wir also wie im Vorjahr auf, die Insel Usedom zu erkunden. Diesmal in die andere Richtung und als Rundkurs, um nicht wieder abhängig von nicht ganz so regelmäßig verkehrenden Zugverbindungen zu sein. Das Wetter meint es wieder gut mit uns. Winterlich kalt, aber regenfrei und ab und zu kämpft sich sogar die Sonne durch die Wolkenschicht. Es dauert gar nicht lang, da hat sich unser Wanderkonvoi schon mächtig auseinander gezogen. Weit hinten wandernd sehe ich unsere Gruppe sich am Strand bis zum Horizont erstrecken. Aber wir haben es auch nicht eilig, es stehen ja „nur“ 35 Kilometer an. Zeit genug, sich von vereisten Pfützen, Seetang und Wasservögeln ablenken zu lassen.

 

Auf nach Polen

Die polnische Grenze überqueren wir quasi unbemerkt. Große Schiffe, Tanker und Hafenanlagen lassen uns staunen und zum ersten Mal vom Weg abkommen. Querfeldein zum parallel verlaufenden Weg geht es nicht, denn da versperrt uns ein sumpfiges Gebiet den Weg. Also wieder zurück. Unsere Route führt uns ins polnische Städtchen Swinousjcie (Swindemünde), wo sich einige schon mal ein Hot Dog und Bierchen einverleiben. Kaffee und Kuchen gibt es erst bei Km 22 und der ist schon noch ganz schön weit weg.

 

Wir stapfen durch Gebiete, die wahrscheinlich noch nie einen Wanderer gesehen haben und folgen immer der geplanten Route. Blöd nur, wenn da plötzlich ein Stahltor auf dem Weg auftaucht und auch der vermeintliche Alternativweg an einer eingezäunten Pferdekoppel endet. Wieder zurück. Zum Glück ist jedes Kleingrüppchen mit modernen Navigationsmitteln ausgestattet oder kann sich Ratschlag bei den schon Vorgeeilten holen, um wieder auf der richtigen Strecke zu landen.

Immer wieder finden sich unsere Kleingruppen wieder zusammen, weil der eine oder andere noch eine andere Strecke gegangen ist. Auf jeden Fall sehen wir uns alle endlich nach heißem Kaffee und einem leckeren Stück Kuchen. Als eine der hinteren Gruppen wundern wir uns, als wir beim Pausenplatz ankommen… und zwar fast als erste. Wo sind denn die anderen? Schon wieder aufgebrochen? Nö, die Vordersten sind Opfer der Übertragung der geplanten Route von GPSies in Komoot geworden, das den Standort einfach übergangen hat. Abgekämpft kommen sie wieder vom Berg runter, den sie schon erklommen hatten.

Nach rund fünfeinhalb Stunden sind wir erstmals wieder alle zusammen, genießen köstlichen Kaffee und Kuchen, der uns vom Hotel eigens hier in den Seeort Kammike gebracht wurde. Lange halten wir es hier allerdings nicht aus. Der kalte Wind und das Herumstehen lassen uns zu schnell auskühlen und so machen wir uns wieder auf die Socken.

 

So langsam spüre ich auch meine Füße. Aber nicht nur deren Belastung, sondern auch eine Blase, die sich an meinem linken Ballen breit macht. Um die Gruppe nicht wieder zu verlieren, renne ich vor, rupfe mir Schuh und Socken vom Fuß, klatsche mir ein Blasenpflaster rauf und bin gerade fertig mit notdürftigen Verarzten, als die anderen vorbei kommen.

 

Ein geplatzter Abschluss

Weiter geht es und jetzt sogar mit gesteigertem Tempo. Die Dunkelheit senkt sich langsam und ich freue mich auf das abendliche Schnitzel. 30 km hätten es heute auch getan, ist die Meinung um mich herum und ich kann dem nur beipflichten, als nach 30 km im stockdunklen Wald mit einem Knall und ungewohntem Schmerz meine Blase unterm Ballen aufplatzt. Auf diese neue Erfahrung hätte ich gern verzichtet. Ich entschuldige mich bei meiner Gruppe, dass ich das hohe Tempo nicht mehr halten kann, aber alle bleiben um mich herum, nehmen mir sogar meinen Rucksack ab, während ich nun die letzten Kilometer vor mich hin humpele. Die schmerzvermeidende Bewegung am Ballen führt aber dazu, dass mein wundgescheuerter Hacken am selben Fuß nun noch mehr strapaziert wird. Was soll’s, die letzten Kilometer schaffe ich nun auch noch.

Auf der Zielgeraden zurück zum Hotel werden die Schmerzen langsam wieder erträglich. Mein Gehirn hat wahrscheinlich das Nerven-Areal am linken Fuß einfach abgekoppelt. Und zwar so gut, dass ich mit Miri noch eine Extra-Runde vorm Hotel drehe, um die letzten fehlenden 300 m zu den 35 km auf der Uhr noch zusammen zu bekommen. Im Zimmer angekommen, werden die Schuhe mit Bedacht vom Fuß getrennt und auch für den Rest des Abends nicht mehr angezogen. Völlig durchgefroren durch den plötzlichen Bewegungsstopp setze ich mich erstmal für eine Viertelstunde in die Wanne der kleinen Dusche und versuche, wieder warm zu werden. Erst ein heißer Tee zum Abendessen hilft dann wirklich, aber wenigstens bin ich blitzeblank sauber.

Das gerade gerundete Geburtstagskind Gritta lädt nach dem gemeinsamen Abendessen, bei dem die “normalen” Gäste wieder unter unserem adrenalingeladenen Lautstärkepegel leiden mussten, die gesamte Meute aufs Zimmer ein. Da wir nicht alle hineinpassen, bevölkern wir den Hotelflur, was aber auf wenig Gegenliebe beim Hausherrn stößt. Also gibt Gritta noch ihr Schlafzimmer frei und die feuchtfröhliche Nacht kann weitergehen. 

In den frühen Sonntagmorgenstunden sind schon mehr wieder auf den Beinen, als man es nach der durchzechten Nacht vermuten würde. EarnYourBacons sind halt nicht klein zu kriegen. Einige wenige gehen in der Ostsee anbaden, ein paar mehr treten noch eine Sonntagswanderung an, die meisten aber begeben sich wieder Richtung Heimat. Traurig sind wir nicht, denn der nächste Termin zur Usedomer Winterwanderung steht bereits. Usedom 2020! Wir kommen wieder. Sofern uns das Hotel See-Eck dann nochmal erträgt. 

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[:de]Eine kurze Geschichte des Mammutmarschs 2017[:]

[:de]

 

erzählt von Martin R.


 

Langsam wird es wieder hell. Zu dem dumpfen Pochen meiner Füße und den brennenden Fußsohlen gesellt sich sukzessive ein leichtes Stechen im linken Knie. Das ist mein mit mir selbst vereinbartes Signal, dass ich an der Grenze dessen angekommen bin, was ich meinem Körper zumuten will. Noch eine knappe Stunde bis zum Streckenposten bei KM 59. Ich schaue nach oben in den dämmrigen Himmel, dann zu Lukas und Daria, die sich neben mir wortlos Schritt für Schritt weiter kämpfen. Wie zum Geier bin ich hier gelandet…

Januar 2017. Ich sitze in der Uni, als mein Freund Lukas anruft. “Martin, läufst du mit mir den Mammutmarsch?” – “Bist du völlig bescheuert?” – “Ja, aber du ja auch, und mit normalen Leuten kann man sowas nicht machen” – dieser Argumentation habe ich nichts entgegen zu setzen. Er meldet uns beide an. Ich fange an mich einzulesen, schreibe viel mit einem Bekannten aus den USA, einem Marine außer Dienst, der natürlich beruflich viel gewandert ist und nun an GoRuck-Events teilnimmt. Es sind noch 5 ½ Monate bis zum Marsch, also wird ein Trainingsprogramm ausgearbeitet, mit steigenden Strecken und Gewicht. Das Ziel ist es, einmal mit 15kg 70km zu laufen. Dann sollte der Marsch mit weniger Gewicht, dafür 30km mehr, eigentlich gehen.

Letztendlich läuft es dann doch ganz anders. Am Morgen des 27.5. stehe ich in der Küche, schmiere Brote und lasse die Vorbereitung Revue passieren. Wir waren in den letzten 5 Wochen 3-mal draußen, haben 40, 45 und 50 km gemacht. Ich hatte Probleme mit meinen Schuhen – die zu diesem Anlass angeschafften Meindl Wanderstiefel haben mir mit zerbröselnden Einlegesohlen Blasen beschert, mit neuen Einlegesohlen ergab sich eine Druckstelle oben an der Ferse. Ich wollte noch Wanderstöcke besorgen, aber die sind so teuer und ich konnte keine mehr ausleihen. All das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich packe meinen Rucksack zu Ende, verabschiede mich von Meiner Freundin und setze mich in den Bus zum Ostkreuz.

16:30 Uhr

Wir stehen am Start. Um mich herum sehe ich wirklich alles vom durchtrainierten Läufer, komplett in Funktionskleidung und mit GPS-Uhr am Arm, über den Bundeswehr-Soldaten in voller Montur (wie er es in den langen, dicken Klamotten überhaupt aushält ist mir schleierhaft) bis hin zu einer Gruppe Teenager in Sneakers – ein Mädchen in Flipflops hat an ihren Eastpak-Rucksack außen eine Flasche Apfelschorle gebunden. Lukas und ich sind irgendwo dazwischen. Der Countdown ertönt, wir laufen los. Wir entscheiden uns, uns an die Spitze des Pulks zu setzen. Dort kommen wir ins Gespräch mit Christian, Nadine, Antje und Steffen, die uns  adoptieren – auch Daria gabeln wir noch auf. Die vier sind Wiederholungstäter, wir drei adoptierten sind zum ersten Mal dabei.

Der Weg zum ersten Streckenposten verläuft ereignislos – es ist sehr warm, ich schwitze trotz luftiger Sporthose und dünnem Funktionsshirt. Wir zuckeln gemütlich mit 6km/h um den Müggelsee. Am Posten geht es ganz schnell. Zwei Milchbrötchen, ein Cranberry-Riegel, Wasserblase komplett füllen für die 28km bis zum nächsten Posten. Antje ergänzt ihre komplizierte Fuß-Tape-Konstruktion um zwei weitere Streifen und dann geht es direkt weiter. Kurz danach folgt die erste anstrengende Stelle – der Weg geht fast 6km geradeaus, an Bahnschienen entlang, der Boden ist entweder uneben und steinig oder lockerer Sand. Staub von den Füßen der hunderten Wanderer vor uns liegt in der Luft. Aber auch das geht vorbei.

Am S-Bhf Friedrichshagen werden unsere Begleiter von ihrem Support-Team begrüßt. Es gibt lange Kleidung und Elektrolyte, heißen Guarana-Tee und Haribo. Die Laune ist gut. Die Schuhe bleiben an, wir verbringen den Großteil der 8min “Pause” mit Dehnen, das hilft. Der nächste Teil der Wanderung ist der schönste. Wir haben noch nicht mal 30km runter, es geht durch den Wald, über Wiesen und sogar eine kleine Holzbrücke über einem Bach. Daria legt einen ordentlichen Schritt vor, Lukas und ich ziehen mit. Die Veteranen machen etwas langsamer, bleiben hinter uns zurück – mit Blick auf die von Unterstützern vorbeigebrachte Suppe bei 35km beschließen wir bei 30km kurz zu warten, bis sie wieder aufschließen.

23 Uhr

Wir sind am S-Bhf Neuenhagen. Helge empfängt uns mit heißer Hühnersuppe. Hier machen wir unsere erste echte Pause. 20min sitzen, Schuhe aus, Füße lüften, etwas Dehnen. Die Suppe ist unglaublich lecker – nach 35km und 6.5h wandern genau das richtige. Die Temperaturen sind aber immer noch okay für luftige Sporthose und dünnes Shirt. Es geht gegen 2330 weiter. Langsam wird es etwas anstrengend. Die Fußsohlen brennen und fühlen sich sehr warm an, auch die ersten Druckstellen machen sich inzwischen bemerkbar. Der Weg führt bald auf ein Feld, der Sternenhimmel ist unglaublich, aber so richtig genießen kann ich das nicht mehr. Meine Füße schmerzen jetzt schon auf einem Niveau, was ich aus den Trainingswanderungen nicht kenne. Nach einigen Minuten des Gehens mit gesenktem Kopf merke ich, dass die Monotonie des vorbeiziehenden, im Licht der Stirnlampe feucht glitzernden Grases Sehstörungen verursacht, der Weg scheint zu verschwimmen. Ich fange ein Gespräch an, um mich abzulenken – worum es ging, weiß ich nicht mehr.

1 Uhr

Wir sind am Streckenposten bei 44km. Ich ziehe eine lange Hose an, friere plötzlich. Wasser auffüllen, mich zwingen etwas zu essen. Hunger habe ich keinen mehr, nur ein flaues Gefühl im Magen. Einige Leute holen sich hier ihre Urkunden, der Bus fährt halb voll zum Bahnhof Strausberg. Die Nacht fordert ihre ersten Opfer. Ich verabschiede mich innerlich von den 100km, hoffe aber die 74 noch zu schaffen. Für uns geht es weiter. Bis zum Bahnhof Strausberg zieht uns die Musik aus dem tragbaren Lautsprecher unserer Adoptivgruppe – dort treffen diese aber auf ihr Support-Team. Wir gehen weiter. Etwas später beginnt der Himmel langsam heller zu werden. Die letzten 5 Kilometer bis zum 59er ziehen sich gefühlt endlos hin.

4:20 Uhr

Wir biegen auf einen Parkplatz ein, überqueren diesen und gehen durch das Vereinshaus des SV Grün-Weiß Rehfelde. Ich setze mich auf die Treppe zum Eingang und weiß in diesem Moment ganz sicher: Für mich ist hier Feierabend. Auf meiner Urkunde landet letztendlich 59km in 11:59. Eine Zeit und Strecke, mit der ich zufrieden sein kann.

 

Was ist falsch gelaufen?

Erstmal sicher das Training. Zu wenig Strecke, zu spät tatsächlich angefangen, vor allem das Gewicht des Rucksacks hat mir beim Marsch zu schaffen gemacht. Sollte ich es noch einmal probieren, werde ich beim nächsten Mal sicher mit mehr Gewicht trainieren.

Die Ausrüstung war suboptimal. Ich war einer von ganz wenigen, die schwere Wanderschuhe getragen haben. Trailrunning- oder normale Sportschuhe scheinen die deutlich bessere Wahl für Brandenburg zu sein. Ich hatte zu viel Zeug dabei, was ich letztendlich nicht brauchte. Statt einer langen und einer kurzen Hose wäre eine zipp-Hose gegangen, das wechsel-funktionsshirt hätte man sich sparen können, das Baumwollhemd war unnötig. 4 Paar Socken sind auch zu viel, aber da nehme ich lieber eines mehr mit als eines zu wenig zu haben.

Ich hatte zu viel Essen dabei. 10 Stullen, 400g Studentenfutter, 1kg Nudelsalat – und davon habe ich zu wenig gegessen. Ich schätze, dass mein Magen recht unzufrieden damit war, nur so selten etwas zu bekommen. Außerdem habe ich bis Mitternacht sehr viel geschwitzt, die Verluste hätte ich sicher durch Elektrolytpulver ausgleichen können, die hatte ich aber nicht eingepackt. Gegen Ende habe ich gefühlt doppelt so viel gepinkelt wie ich getrunken habe.

Alles in allem war es eine tolle Erfahrung, auch wenn ich es nicht bis ins Ziel geschafft habe. Meinen großen Respekt an jeden, der sich dieser Herausforderung gestellt hat, und Ehrfurcht vor denen die am Ziel angekommen sind. Danke an die Organisation und die vielen Helfer, die die Strecke gesichert und uns mit Essen versorgt haben – und natürlich die Sanis, die gute Arbeit geleistet haben. Danke dass ihr alle da wart.[:]

[:de]Deep Creek Hot Springs – ein wenig PCT-Luft schnuppern[:]

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Tag 3

Deep Creek Hot Springs – wie das schon klingt. Wie eine Einladung, der man einfach folgen muss. Zum ersten Mal bin ich diesem Namen begegnet als ich Christine Thürmers “Laufen.Essen.Schlafen” in den Händen hielt. Auf dem Weg von Mexiko nach Kanada auf dem legendären Pacific Crest Trail (kurz: PCT) kam sie genau an dieser Stelle vorbei, wo warme Wasserquellen zum Baden einladen. In der Planung meiner Novemberreise schlich sich dieser Platz nun heimlich in die “Da-muss-ich-hin”-Hitliste meiner Wanderungen. Zu den Hot Springs zu gelangen ist grundsätzlich nicht schwer. Drei Wege unterschiedlicher Länge und Schwierigkeit führen dorthin, soviel hatte ich schon recherchiert. Zwei davon, der Goat Trail und Bradford Ridge Path, waren mit etwa 3-4 km Laufweg erfrischend kurz. Und dennoch. Wollte ich nicht das richtige PCT-Gefühl erfahren? Klar doch! Dafür war ich ja hier. Also fiel die Wahl des Weges auf den mit ca. 10 km Strecke direkt auf dem PCT. One-way, versteht sich.

Ende November parkte dann das Auto am Ende der 173. Straße  direkt am rostigen Schild, das diese Sektion des PCT einleitete. Die Hot Springs waren hier sogar schon angeschlagen. Die Anzahl der Meilen stimmte mich mal wieder unangemessen optimistisch. Kaum hatte ich einen Schritt auf dem Weg getan, hatte mich auch schon der Zauber des PCT eingefangen. Ein schmaler Pfad, der erst in karger Wüstengegend beginnt und plötzlich findet man sich in einem Wäldchen aus herbstgoldenen Cottonwood Trees wieder.

Keinen halben Kilometer traf ich schon auf den Fluss, der mich bis zu meinem Ziel mal näher mal weiter weg begleiten sollte: der Deep Creek. Ich hätte allerdings nicht gedacht, das ich schon so bald mit ihm “kuscheln” würde. Nach gerade mal 2 km am Flussufer durchs waldiges und wiesiges Gebiet entlang stand ich vor einer Felswand. “Na gut, klettern ist angesagt”, dachte ich und kletterte. Schon nach 4 Höhenmetern war mir aber klar, dass das nicht der richtige Weg sein konnte. Aber wo dann? Von dort oben hatte ich einen guten Ausblick auf den Fluss. Das klare Wasser lies einen bis auf den Boden gucken. Und der war an genau dieser Stelle verdächtig algenfrei. Guuut. DAS ist dann wohl der Weg.

Mit meinem Schicksal völlig abgefunden, zippte ich mir die Hosenbeine ab. Eigentlich wollte ich sie nur hochkrempeln, aber sicher ist sicher, dachte ich mir. Los gings. Das kalte Wasser traf mich wie ein Schock. Wie kann denn Wasser in der heißen Wüste nur so kalt sein? Schnell durch. Es wurde tiefer. Und tiefer. Sollte die Hose eben unten ein wenig nass werden. Geht schon. Nach etwa der Hälfte des Flusses dachte ich, müsste es ja wieder flacher werden. Aber nicht der Deep Creek! Ich watete weiter und spürte, wie meine Oberschenkel kalt wurden und das Wasser am Ende bis zum Bauchnabel stand. Das war mir inzwischen wurscht, ich wollte nur raus aus diesem Wasser. Triefend nass und schimpfend kam ich dann doch am anderen Ufer an. Die Hose, Unterwäsche und unteres Shirt tropften fröhlich vor sich hin. Zum Glück wars ja warm und noch ein langer Weg zum Trocknen. Natürlich gibt es auch ein Video zur Misere. Ihr verzeiht mir hoffentlich das Fluchen…

Die Gelegenheit und Deckung am Schopfe packend, wollte ich erstmal in die Büsche verschwinden und stapfte barfuß durch den Sand. Keine zwei Meter weiter waren meine Fußsohlen mit spitzen Dornen übersät, die eine Pflanze wohl zur Verteidigung abschmeißt. Ja, die Wüste ist eine feinseelige Landschaft. Schuhe an. Weiter. Nach einer kurzen Orientierungsphase wies dann ein Schild endlich wieder den “Original”-PCT aus und es ging in Serpentinen bergauf. Ein schmaler Pfad schlängelte sich um das bergige Land, der Deep Creek lang inzwischen viele Höhenmeter unter mir. Der Ausblick raubte mir einfach den Atem und ich konnte mich kaum sattsehen. Die Höhe blieb nun für einige Kilometer gleich, der Weg wurde aber stellenweise schmaler oder war durch Erosion kaum zu erkennen. Neben mir ging es einfach nur steil abwärts. Jeder Fehlschritt konnte der letzte sein. Die Sonne brannte unerbärmlich von oben. Ich fragte mich, wie man es hier wohl in der Sommerhitze aushalten sollte. Jetzt war Ende November und meine Hose trocknete ohne Probleme unter der Sonne!

Etwa 7 Kilometer weiter erreichte ich die hölzerne Rainbow Bridge und wechselte die Uferseite. Von hier an ging es noch einmal ordentlich bergauf und immer mehr Höhenmeter vom Deep Creek weg. Das konnte doch nicht sein! Gerade als ich schon zweifeln wollte, kam ein älterer Herr entgegen. Mit Schlapphut mit PCT-Aufnäher, Wanderstock und typischer Ausrüstung war er den PCT sicher schon mindestens einmal durchgewandert. Zu den Hot Springs? Ja, da ist schon einiges los! Viele Nackte! Der Weg war also noch richtig. Es ging weitere 2 km bergauf bis der PCT auf meinen ersten Wahlweg traf. Der Bradford Ridge Path kam an dieser Stelle von rechts herunter und vereinigte sich mit dem PCT. Es konnte also nicht mehr weit sein. Und tatsächlich: einmal um die Ecke herum verlor ich jetzt ordentlich an Höhe und in der Ferne konnte ich schon Gestalten erkennen.

Als ich dort ankam, saß ein Pärchen in einem aus Steinen künstlich aufgestauten Pool. Ein zotteliger Mann, nur bekleidet von einem Shirt und sonst nichts, richtete gerade seine Hängematte. Ein weiteres Pärchen zog sich seine Badesachen an und ein vernebelter blonder Einheimischer bereitete sich gerade ein Hühnchen mit einer großen Zwiebel unter einem Stein auf einem winzigen Feuer zu. So ein Bild sieht man nicht häufig. Die Lage sondierend schaute ich mich erstmal um und lief noch ein Stück flussaufwärts. Ich musste mal die Hand ins Wasser halten. Kalt. Na toll. Aber die Leute setzen sich doch bestimmt nicht so entspannt in so kaltes Wasser. Bikini raus und zum Mann mit Hühnchen geschlappt, der genau neben einem weiteren “Pool” saß. Vorsichtig streckte ich den Zeh ins Wasser uns dann das ganze Bein. Ich konnte es kaum glauben: das Wasser war badewannenheiß. Nicht warm. Heiß! Völlig verzückt ließ ich mich ins Wasser gleiten und es dauerte keine zwei Minuten, da wurde mir schon was zu rauchen angeboten. Nee, danke, das war so gar nicht mein Ding. Ich schwebte auch so auf meiner Wolke 7. Stattdessen genehmigte ich mir eine mitgeschleppte Coke Lime Zero, die ich mit allen Mitteln gegen die Bienenhorden vor Ort verteidigen musste.

Außerhalb des Pools war das Flusswasser um einiges kälter, so dass man wunderbare Wechselbäder vornehmen konnte. Zwischen Felsen, in einem Canyon mitten in der Wüste. Dass es so einen zauberhaften Ort gibt, hätte ich nicht gedacht. Und für mich unfassbar, plätscherte das glasklare Wasser einfach aus dem Ufer heraus. Das einheimische Pärchen wunderte sich, dass überhaupt Ausländer hierher fanden, kannten sie doch selbst als “Locals” diesen Ort erst seit kurzem. Den langen Weg war hier natürlich niemand gegangen. Ich stellte mir vor, wie großartig es doch sein müsste, nachts in der heißen Quelle sitzend die Milchstraße über sich zu haben. Aber leider ist dieses Gebiet eine “day-use area”, also nur für tagsüber und es lag ja auch noch ein weiter Rückweg an. Schweren Herzens zog ich mir daher wieder meine staubigen Hiker-Klamotten an und begab mich auf den Trail.

Zurück auf der Rainbow Bridge kündigte die Sonne langsam ihr Verschwinden an und tauchte die Berge in goldenes Licht. Auch auf dem Rückweg fand sich kein besserer Weg als der durch den schweinekalten, bauchnabeltiefen Fluss, obwohl laut GPS einer hätte da sein müssen. Erst zurück in Berlin fand ich dann im Internet des Rätsels Lösung: es gab mal eine Brücke, doch die wurde schon 2010 vom Fluss weggespült. Aber was ein richtiger PCT-Thruhiker ist, der wandert auch durchs Wasser!

 

Weiter geht es mit Tag 4 bis 6

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