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[:de]Rim2Rim2Rim – Teil 2: Trail Magic[:]

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Eingekuschelt im Schlafsack. Naja, nicht ganz. Meinen dicken Daunenschlafsack habe ich nur als Decke über mich gelegt. Es ist 1:45 Uhr nachts und es sind milde 18 Grad am 2. November auf dem Cottonwood Campground. Die Blase drückt und so schäle ich mich aus dem 5-Kilo-Winterzelt, welches in Annahme von deutlich niedrigeren Temperaturen seinen Weg in den Grand Canyon gefunden hat. Das Keb Dome als absoluter Exot in den USA hat hier noch nie jemand gesehen.

Ich schnappe mir meine Taschenlampe und mache mich auf den Weg zur Toilette im Holzhäuschen. Der Mond brettert mit seiner ganzen Kraft von oben herab, so dass ich gar keine künstliche Lichtquelle brauche. Ein so intensives Mondlicht habe ich selten gesehen. Wer immer nur in der Stadt unterwegs ist oder noch nie an einem wirklich dunkeln Ort war, der kann sich nicht vorstellen, wie hell der Vollmond die Landschaft erstrahlen lassen kann. Sterne sehe ich wenige, der Mond ist viel zu dominant. Ich schlendere langsam zum Klo und noch langsamer zurück. Diese Atmosphäre ist einfach einzigartig. Ich stehe nur bekleidet mit meiner Merino-Unterwäsche mitten in der Nacht mitten im Grand Canyon und lasse mir die warme Luft um die Nase wehen und sauge die Silhouetten der Steinformationen um mich herum auf. Völlige Stille. Mehr Freiheit kann ich mir kaum vorstellen. Es fällt mir schwer, wieder ins Zelt zu kriechen, aber ich bin ja nicht zum letzten Mal hier.

Gestrüpp oder nicht?

Obwohl es um 5 Uhr morgens noch dunkel im Canyon ist, wache ich bereits vor dem Weckerklingeln auf. Zum Frühstück gibt es selbstgemachten Porridge und eine Tasse Instantkaffee vom Gaskocher. Um die nächste Nacht nicht wieder auf dem Gruppenplatz schlafen zu müssen, klappere ich noch vorm Aufbruch zum North Rim die Campsites ab auf der Suche nach einer, die heute verlassen wird. Schräg rüber vom Gruppenplatz wird gerade abgebaut und so lasse ich mein Permit in der kleinen Plexiglasbox zur Reservierung zurück in der Hoffnung, es wird beachtet.

Punkt 7 Uhr geht es mit reduziertem Gepäck los. Geplant sind heute mindestens 22 km (11 km jeweils hin und zurück) mit entsprechend guten 1.200 Höhenmeter sowohl auf als auch ab. Gerade mal der Anfang des North Kaibab Trail ab dem Cottonwood Camp ist seicht. Schon bald beginnt der Weg in Serpentinen zu steigen. In der Ferne hört man schon Roaring Springs rauschen, einen eindrucksvollen Wasserfall, der den Anfang des Bright Angel Creek darstellt und die Nordseite des Canyon mit Wasser versorgt. Auf der anderen Flussseite sehe ich schemenhaft den Old Bright Angel Trail. Ein inzwischen wenig begangener, nicht gewarteter und damit verwilderter Trail, der früher mal den Weg vom North Rim hinab ermöglichte. Toll wäre es schon, ihn heute zu gehen. Allerdings würde das einen nicht unerheblichen Umweg und die Unsicherheit bedeuten, sich im Dunkeln durch Gestrüpp wühlen zu müssen, um den Weg zu finden. Mit dem Risiko, ihn nicht zu finden.

 

A Place to die for

Der Weg führt nun eng an der Felswand entlang, während auf der anderen Seite hundertmetertiefe Abgründe darauf warten, unaufmerksame Wanderer zu verschlingen. Die Wahrscheinlichkeit, auch heute noch im Grand Canyon umzukommen, ist nicht gerade gering. Ein falscher Schritt, zu wenig Wasser, Desorientierung, Überanstrengung und Überschätzung sind nur ein paar der Gründe, warum noch immer jedes Jahr etliche Besucher hier umkommen.

Während etliche Steinstufen und weitere Serpentinen immer weiter nach oben führen, hat man das North Rim stets im Blick und der Gedanke schießt mir durch den Kopf: “So weit hoch muss ich heute noch?” Es ist anstrengend, aber die Aussicht und die sich stets ändernde Landschaft treiben mich voran. Über die einzige Brücke des North Rims, die Rainbow Bridge, wechsele ich die Seite über die Schlucht. Nun geht es rechts an der Felswand entlang.

 

Am Supai Tunnel ist das Wasser bereits abgestellt. Zwei ältere Herren kommen gerade von der Nordseite herunter. Vater und Sohn, die in der Phantom Ranch am Colorado River eine Hütte gemietet haben. Sie planen diesen Trip schon ein halbes Leben lang, erzählt der Sohn. Der Weg dorthin ist noch lang, daher verabschieden wir uns wieder relativ rasch voneinander.

In meinem Rucksack habe ich für den Tagestrip eine Jacke, Mütze und Handschuhe. Könnte ja kalt sein, da oben. Bislang ist mir allerdings alles andere als das. Eine Steigung von teilweise 20 % geht es jetzt hinauf und der Untergrund wird zuckersandig. Zwei Schritte vor, einen zurück. Eine Serpentine und noch eine. So viele sind in der Karte gar nicht zu sehen. Irgendwann muss es doch ein Ende haben, irgendwann müssen die Serpentinen doch mal aufhören. Tun sie aber nicht. Rechtsrum, linksrum und wieder von vorn. Steil nach oben. Immer wieder muss ich nun Mikropausen einlegen. Kurz stehenbleiben, Luft holen, Muskeln entspannen, Ausblick genießen. Weiter. Etliche Mikropausen und weitere Serpentinen später erkenne ich zwischen den hohen Nadelbäumen, die den Weg hier säumen, den Ort, an dem ich schon ein paarmal gewesen bin, jedoch noch nie zu Fuß: den North Kaibab Trailhead. Gute fünf Stunden hat der Aufstieg gedauert. Rim-to-Rim ist geschafft und damit nicht nur das. Da die beiden Corridor-Trails teil des Arizona-Trails sind, habe ich eben gerade Passage 38 von 43 erwandert!

 

Trail Magic

Oben angekommen. Und völlig im Eimer. Zu meiner Ernüchterung ist das Wasser am Trailhead tatsächlich schon abgestellt. Der Ranger im Backcountry Office hatte also recht mit seiner Aussage. Auf der Website des Grand Canyon war die Wasserquelle noch als offen deklariert worden. Ein paar hundert Meter weiter soll es aber beim Backcountry Office der Nordseite Wasser geben. Ein paar hundert Meter und einige Höhenmeter zuviel, denn der Rückweg steht ja auch noch an. Ich prüfe den Inhalt meiner Wasserblase. Etwa ein dreiviertel Liter ist noch drin. Eigentlich zu wenig. Aber ich kann einfach die paar Meter mehr nicht mehr gehen.

Ein amerikanisches Ehepaar kommt vom Parkplatz herbei gelaufen. Beide quetschen uns über den Weg aus. Er hat Höhenangst und will wissen, wie oft der Trail am Abgrund entlang geht. Wie viel das wirklich ist, wird mir erst auf dem Rückweg auffallen. Sie bitten mich darum, ein Foto von ihnen aufzunehmen. In dem Moment kommt ein Rudel Rehe aus dem Wald und bedient sich aus der Pfütze, die aus der abgestellten Wasserquelle noch vorhanden ist. Einige Tier kommen dabei sehr nah. Während ich die Tiere beobachte, ringe ich kurz mit mir, spreche das Paar dann aber doch noch einmal an. Ich schildere kurz, wieviel Strecke heute noch ansteht, dass ich mit Wasser hier oben gerechnet hatte und einfach nicht mehr in der Lage bin, den Umweg auf mich nehmen zu wollen. Sofort bieten die beiden ihre Hilfe an. Sie haben im Auto jede Menge Wasserflaschen. Der Mann verschwindet kurz und kommt mit zwei Halb-Liter-Flaschen wieder. Ja, DAS ist Trail Magic, von der soviele Thru-Hiker berichten.

 

Das ist Einsamkeit

Angesichts des Ermüdungsgrades und der zu dieser Jahreszeit früh untergehenden Sonne ist die Entscheidung für oder gegen den Old Bright Angel Trail entdeutig. Zu hoch ist das Risiko, sich zu verlaufen, noch mehr Umwege gehen zu müssen und im schlimmsten Fall im Dunkeln entlang des Canyon zu irren. Übermut ist im Grand Canyon völlig fehl am Platze. Daher geht es mit einem weinenden Auge den Weg zurück, der auch schon hier hoch geführt hatte. Das lachende Auge hingegen freut sich über die neue Perspektive, die der North Kaibab Trail beim Hinabwandern bietet. Und die ist wie so oft atemberaubend.

 

Die Höhenmeter purzeln nur so und kurze Zeit nach Durchqueren des Supai Tunnels sehe ich zwei Personen auf dem Trail. Eine stehend, eine liegend. Es sind Vater und Sohn, die doch heute noch zum Colorado River hinunter wollten. Trotz Trekkingstöcken ist der Vater auf dem Geröll ausgerutscht und hat sich das Bein gebrochen. Ein Wanderer aus einer Gruppe, die mir beim Aufstieg begegnet war, hatte bereits erste Hilfe geleistet, das Bein mithilfe eines Trekkingstocks notdürftig geschient und einen Notruf per Satellitenmessenger abgesetzt. Weder Vater noch Sohn haben geeignete Kommunikationsmittel dabei. Und in ihrer Situation hätte das bedeutet, dass der Sohn den Vater hätte allein lassen müssen, um entweder die ca. 8 km zum Cottonwood Campground hinab oder die anstrengenden 3 km hinauf zum North Rim zu gehen, wo Hilfe womöglich niemand mehr sein würde. Schachmatt. Einsamkeit hat nicht nur positive Seiten.

Genau das ist der Grund, denke ich mir, dass ich mich mit entsprechender Technik ausgerüstet habe. Man kann nie so doof denken, wie es mal kommen kann. Der Mann war auf einem nicht mal kritischen Stück des Weges einfach ausgerutscht und nichts geht mehr. Nach kurzer Versicherung, dass beide noch genug Wasser, Essen und warme Kleidung haben, setze ich meinen Weg fort. Etwa zehn Minuten später höre ich auch schon den Rettungshelikopter durch den Canyon knattern. Nach etlichen Schleifen landet er einige Trailmeter von den beiden entfernt und setzt einen Sanitäter ab, der gleich los eilt. Ich werde also gerade Zeuge, dass das Notfall-Satelliten-System tatsächlich funktioniert und das beruhigt mich ungemein!

Ein neuer Schlafplatz

Der Rest des Rückweges verläuft unspektakulär, also ohne weitere Vorkommnisse außer wiederholten Ooohs und Aaahs über die schönen Ausblicke. Nach immerhin 9 1/2 Stunden finde ich meinen reservierten Zeltplatz…tatsächlich leer vor. Also wird das Zelt ausgeräumt und noch im aufgebauten Zustand einmal vom Gruppenplatz auf das kleine Fleckchen unter einem Cotttonwood Baum, einer Pappelart, die dem Campground ihren Namen gegeben hat. Es ist noch hell und genug Zeit für ein warmes Mahl vom Gaskocher bei Gaskerzenlicht. Feuer ist im Canyon verboten. Das schließt auch Holzkocher ein. Noch während ich genüsslich meine Lasagne aus der Tüte verspeise, geht die Sonne langsam hinter den Felswänden unter und taucht diese auf der gegenüberliegenden Seite in tiefes Rot. Es dauert nicht lange, da erscheinen auch bereits die ersten Sterne am Firmament. Ein Lichtpunkt jedoch kommt mir seltsam vor. Der Blick auf die Karte zeigt, es kommt von der Grand Canyon Lodge am North Rim. Dort oben war ich heute gewesen.

In dreiviertellanger Merinounterhose und Hoody wackel ich einen kleinen Pfad zum Bright Angel Creek für ein wenig Katzenwäsche. Mehr ist auch nicht drin, denn das Wasser ist eiskalt. Bei dagegen 18 Grad lauem Novemberwetter kann sogar die Zelttür beim Schlafen offen bleiben. Mit direktem Blick aufs North Rim schlafe ich pünktlich zur Hiker Midnight noch vor 21 Uhr eingekuschelt und zufrieden über das Erreichte ein.[:]

[:de]Rim2Rim2Rim – Teil 1: South Kaibab Trail bis Cottonwood[:]

[:de]Seit ich vor Jahren zum ersten Mal am und im Grand Canyon war, hat mich dieser unglaubliche Ort nicht mehr losgelassen. Extreme in Form von Temperaturen, Gefällen, Anstiegen und Erdgeschichte wirken hier auf den dagegen so erstaunlich kleinen Menschen ein. Und kein anderer als dieser Ort hat mir die fixe Idee des Arizona Trails in den Kopf gepflanzt. Da ich den Grand Canyon aber bei der Durchwanderung 2019 „nur“ einmal überqueren werde, stand schon eine Weile auf der Bucket-List die Rim-to-Rim-to-Rim-Wanderung. Also einmal von der einen Seite nach unten, auf der anderen wieder hoch und das ganze zurück. Nur allein der Plan nützt jedoch nichts, denn eine Canyon-Durchquerung muss vorab beantragt und genehmigt werden.

Ein paar Formalitäten

Vier Monate vor der geplanten Wanderung kann und sollte man beim Backcountry Office ein Permit beantragen. Das geht grundsätzlich per Fax. Leider wollte mein Fax einfach nicht durchgestellt werden und ich war schon richtig in Panik. Aber ein Telefonat und eine Email brachten meinen Antrag dann doch noch zum Backcountry Office. Dem kam mein Plan, das ganze in 4 Tagen durchzuziehen, anscheinend sehr ambitioniert vor, so dass ich kurz danach eine Email mit einer Latte Warnhinweise der Marke „Weißt du, was du da tust und wissen das auch die, die mit dir wandern sollen?“ bekam. Dazu musste ich noch ein Informationsblatt ausfüllen. Mit genauer Angabe der Stationen, zu laufender Meilen pro Tag, der Ausrüstung, die ich mitführen werde und meiner Erfahrung, was Wüsten- und Grand Canyon-Wanderungen angeht. Normale Wanderungen zählen nicht. Zum Glück habe ich in den letzten Jahren schon ein paarmal die Wüsten wanderisch erschlossen und das Permit wurde ausgestellt.

 

Tag 1

Am 1. November stehe ich also mit gepacktem 65 l-Rucksack (wie im Infoblatt angegeben) im Backcountry Office und erkundige mich noch schnell über den Zustand der Wasserquellen. Das ist ratsam, denn gerade zu Winterbeginn werden nach und nach alle Wasserquellen auf der Nordseite abgeschaltet, damit sie nicht zufrieren. Und tatsächlich ist eine, die ich eigentlich zum Auffüllen eingeplant hatte, bereits zu. Da aber am North Rim der Bright Angel Creek fließt, mache ich mir darüber weiter keine Sorgen und steige um 8:30 Uhr in das Shuttle zum South Kaibab Trailhead.

Der South Kaibab Trail führt über 10 km und 1.500 Höhenmeter hinunter zum Colorado River und wartet mit faszinierenden Aussichten auf. Empfohlen wird er nur zum Abstieg, denn er hat keinerlei Wasserquellen und der Trail bietet keinen Schatten. Ein bisschen später als geplant geht es also los. Spät deshalb, denn der Colorado River ist heut nicht das Ziel, sondern nach weiteren rund 11 km mit 600 Höhenmetern Anstieg der Cottonwood Campground. Klingt an sich nicht viel, aber zum einen bedarf es bei steilen Abstiegen erhöhter Aufmerksamkeit und damit reduzierter Geschwindigkeit, zum anderen kenne ich mich: ich bleibe alle Nase lang stehen, um zu staunen und Fotos zu machen.

Ooh Aah!

Und tatsächlich stehe ich schon bald an dem Punkt, der vom Namen schon verrät: hier musst du gucken, staunen und Fotos machen: der Ooh Aah Point. Ja, der heißt wirklich so. Und als wäre der Ausblick nicht schon ooh aah-mäßig genug, setzt sich auch noch ein Hörnchen sehr dekorativ an den Felsabgrund. Was das Hörnchen kann, kann ich auch und tu es ihm gleich.

 

Weiter geht es. Die erste Muli-Herde kommt mir entgegen. Post, Lebensmittel und Gepäck der Wanderer, die „leicht reisen“ wollen, werden täglich mehrfach in und aus dem Canyon per Muli transportiert. Am Skeleton Point ziehe ich mich erstmal noch weiter aus. Es ist November, aber davon spüre ich hier nichts. In T-Shirt und abgezippter Hose geht es weiter. Schon nach der nächsten Kurve und bevor es die zahlreichen Haarnadelkurven hinunter geht, sieht man zum allerersten Mal den Colorado River… und denkt sich: noch ganz schön weit. Unten.

 

Nach Passieren des kleinen Rastplatzes „The Tipoff“ weiß ich gar nicht, ob ich mir zuerst rechts die Muli-Herde am Berg ansehen soll oder das wahnsinnige Panorama, welches sich unter meinen Füßen bietet. Beides ist wie aus dem Bilderbuch und ich würde hier am liebsten noch eine Weile sitzen und dieses gigantische Bild aufsaugen. Aber es ist noch weit und die Sonne geht früh unter.

 

Der tiefste Punkt des Canyons

Unter mir ist die Black Bridge zu sehen. Einer der zwei Brücken die hier unten über den Colorado führen. Es geht weitere Haarnadelkurven hinunter. Ich gehe durch einen kleinen Tunnel, der in den Stein gehauen ist und direkt an der Brücke endet. Ehrfürchtig betrete ich die Black Bridge und schaue über den beeindruckenden Fluss. Jahrmillionenlang hat er das geschaffen, wo ich jetzt stehe. Das türkisfarbene Wasser zieht mich magisch an. Zum Boat Beach, wo die Rafting Boote anlegen, ist es nicht weit. Die glühenden Füße werden von den Schuhen und Socken befreit und rein geht es in das eiskalte Wasser. Es ist wirklich so kalt, dass ich es nur ein paar Sekunden aushalte.

 

Sich vom Strand zu lösen und wieder in die schwitzigen Socken und staubigen Schuhe zu steigen, fällt mir an der Stelle sehr, sehr schwer. Wer hat nochmal diesen Plan gemacht, heute noch 11 km weiter zu wandern, wo doch gleich um die nächste Kurve so ein schöner kleiner Zeltplatz ist? Aber dafür habe ich kein Permit (beantragt), also muss es weitergehen.

Ab in die Box

Nachdem ich mit sehnsüchtigem Blick den Bright Angel Campground und die Phantom Ranch passiert habe, führt der Weg am rauschenden Bright Angel Creek direkt in die „Box“. So nennt sich die Passage des North Kaibab Trail, die sich durch enge Felsschluchten windet, die der Fluss dort hinein gewaschen hat. Immer wieder kreuzt der Trail den Creek über kleine Brücken, wo das Wasser die Seite wechselt. An einer Brücke sitzt ein älterer Herr mit Stift und Notizbuch und schreibt seine Gedanken auf. Er ist tatsächlich auch zu Fuß hier herunter gekommen und nicht wie einige Touristen, die sich auf Mulis nach unten tragen lassen und wie aus dem Ei gepellt aussehen. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die im Alter noch so fit sind und hoffe das sehr für mich.

 

Der Trail windet sich aus der Box hinaus in ein Tal mit kleinen Büschen, Kakteen und Gräsern. Die Sonne geht langsam unter und lässt die Felswände rot erglühen. Der Weg ist doch weiter als gedacht und langsam merke ich die Anstrengung. Wie weit es noch ist, kann ich gar nicht richtig einschätzen. Meine Fenix 5X liefert schon lange keine brauchbaren Ergebnisse mehr. Laut ihr bin ich schon über 27 km gewandert, denn sie springt auf der Karte einfach nur wild hin und her. Bei aller Eile braucht es doch noch eine kurze Pause und einen Snack. Es geht ja jetzt auch schon wieder ordentlich bergauf.

Bei jeder größeren Baumansammlung denke ich: „Jetzt bin ich gleich da! Da ist der Cottonwood Campground.“ Aber jedesmal ist es noch ein Anstieg, noch eine Kurve mehr. Die Sonne ist inzwischen mehr als weg, als ich am Horizont kleine Lichter sehe. Wanderer mit Stirnlampen. Endlich.

Ein Permit ist keine Garantie für einen Schlafplatz

Im Dunkeln nach einem freien Zeltplatz suchen ist schon schwierig. Noch schwieriger wird es jedoch, wenn bereits alle Plätze belegt sind. Wie das geht? Ja, das frage ich mich auch. Das Backcountry Office gibt nur so viele Permits aus, wie Plätze vorhanden sind. Und doch stehen auf jedem der elf Plätze Zelte. Nicht jeder hat ein gültiges Permit in die kleine Reservierungsbox an seiner Zelle gesteckt, und manch andere größere Gruppe hat sich zwei Plätze geschnappt. Und wo ein Zelt steht, baut auch keiner mehr ab. Und nun? Wild zelten geht schon deswegen nicht, weil es botanisch unmöglich ist. Auf dem großen Gruppenplatz ist noch etwas frei. Die Gruppe, die sich diesen Platz reserviert hat, ist der Retter in der Not und hat noch ein Plätzchen frei.

Völlig im Eimer wird das Zelt aufgebaut, der Gaskocher angeschmissen (mein geliebter Holzkocher ist hier leider verboten), Trekkingessen herunter geschlungen und um 20 Uhr ist bereits Zapfenstreich. Hiker midnight eben. Aber das macht auch nichts, denn morgen wird ein anstrengender Tag. Es geht hoch zum North Rim und wieder zurück. 1.350 Höhenmeter hoch und wieder runter, 11 km hin und wieder zurück. Gute Nacht!

– Tag 2 –

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