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[:de]Der Dodentocht zu seinem 50. Jubiläum – Ein Erfahrungsbericht[:]

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Gastbeitrag von Ronny G.: 100 KM Wanderung „Dodentocht 2019“ am 9. und 10. August 2019, rund um
Bornem/Flandern in Belgien


Einmal in Belgien wandern gehen. Was bietet sich dazu besser an, als sich unter die Massen von Menschen zu mischen, die nun schon seit 50 Jahren alljährlich die Gegend um Bornem „unsicher“ machen.

Nach einem Tipp Anfang des Jahres von meinem guten Freund Robert „Bob“ Müller, wonach man unbedingt an einem der Wanderhighlights neben den „4 Daags“ im holländischen Nijmegen auch einmal am berühmten „Dodentocht 100 KM“ in Belgien teilgenommen haben muss, war es unbedingt wichtig, den Anmeldetermin nicht zu verpassen. Erfahrungsgemäß sollen wohl auch für diese Veranstaltung die Tickets innerhalb von Stunden, und wir reden hier von ca. 13 bis 14 Tausend, weggehen. Glücklicherweise konnte ich mir mit Startnummer 10510 eines der auf 13.000 limitierten Tickets ergattern.

Der „Dodentocht“, so wie ich mich habe aufklären lassen, auf Deutsch „Todesumzug“ oder auch umgangssprachlich „Totenkopfmarsch“ hat in Belgien seit 1970 eine große Tradition und findet alljährlich im August rund um die Stadt Bornem in Flandern statt. Das ganze gleicht mittlerweile einem Volksfest und läuft unter dem Motto „Walking for a better World“. Die Teilnehmerzahlen stiegen stetig an. Für dieses Jahr galt erstmalig die Limitierung auf 13.000 Teilnehmer und diese kommen aus vielen europäischen Ländern und Kontinenten. Auf einen Beitrag in Wikipedia wird verwiesen.

Zur Strecke

Die Strecke führt ca. 100 KM rund um die Stadt Bornem. Bornem selbst liegt im Dreieck zwischen Antwerpen, Brüssel und Gent im nördlichen Teil von Belgien Richtung Niederlande. Nächst größere Stadt ist Sint-Niklaas. Insgesamt 15 Verpflegungspunkte liegen zwischen Start und Ziel. Dazu gibt es eine relativ flache und an sich ohne wirkliche optische Reize gefüllte Streckenführung. Den Reiz an dieser Wanderung bildet aber nicht wie sonst gewohnt, das Panorama was man häufig auf Strecken in Deutschland findet, sondern der Volksfestcharakter dieser Veranstaltung. Aber der Reihe nach.

Anreise nach Belgien

Für die Hinfahrt hatte ich zwei Optionen. Eine Tour mit Bob und seinem „Bus“ hin und zurück oder auf eigene Faust. Die erste Variante wäre die sicher schönere gewesen. Mit einigen Mitgliedern vom Team „EarnyourBacon“ hätte ich gemeinsam noch ein „Zeltabenteuer“ am Eventort verbracht.

Die zweite Variante wäre die Selbstanreise mit Bahn und PKW gewesen, immerhin ca. 1.300 KM von meinem Wohnort (Erfurt) und insgesamt 16 Stunden Reisezeit (hin und zurück). Da ich mich mit dem Zelten noch nicht so „angefreundet“ habe, ging es dann doch auf eigene Faust los. Bis nach Aachen mit dem Auto und dann noch drei Stunden Bahnfahrt bis nach Bornem. An sich soweit ohne Vorkommnisse. Aber spätestens ab der vorletzten Bahnstation bekam man einen Eindruck, was für Menschenmassen sich da in Bewegung gesetzt hatten. Mittlerweile bin ich ja doch auch das eine oder andere größere Event gewohnt (Mammutmarsch, Megamarsch, Horizontale-Jena, Karwendelmarsch, um nur einige der größeren WanderEvents zu nennen, sofern man das als „groß“ bezeichnen kann). Aber dieses Mal sollten ganz andere Maßstäbe gesetzt werden, zumindest für meine bisher bekannten.

Es geht los

Ca. zwei Stunden vor dem Start, bei herrlichstem Wanderwetter (Sonnenschein und etwas über 20 Grad Wärme) konnte ich mir von Bob auch meine Startunterlagen abholen, die er mir freundlicherweise vorab besorgt hatte. Auf dem Weg zum Zeltplatz ging es schon durch viele Menschen und man fühlte sich wie auf einer riesengroßen Partymeile. So etwas Ähnliches hatte ich vielleicht vor 15 Jahren bei der Love Parade in Berlin erlebt. Auf dem Zeltplatz traf ich neben Bob und seiner Partnerin Lea (die gute Fee vom Mammutmarsch) auch einige andere Wanderfreunde an. Nach einem kleinen Plausch mit gesponserten Kaffee und Gewürzgurke (der Wandernahrung schlechthin) ging es zum Startort.

Auf dem Weg dorthin begegneten einem erneut sehr viele Menschen aller Altersgruppen und unterschiedlicher Aufmachung. Die einen wirkten wie, als wenn es zu einem Halbmarathon am Sonntagvormittag ging, andere hatten sich bunt verkleidet und wiederrum andere sahen aus, als wenn Wandern eine völlig neue Art der Fortbewegung wäre. Am Startort angekommen überwältigte einem erneut die schiere Menge an Menschen, die sich auf einem großen Platz sammelten. Zum Start selber gab es zwei verschiedene Starttore, von wo aus jeweils etwa die Hälfte der Teilnehmer startete um sich dann nach ein paar Kilometern wieder auf einer gemeinsamen Hauptstrecke zu treffen.

Punkt 21 Uhr, nach einer Ansprache (die leider nicht auf Deutsch, aber durch die Sprachverwandtschaft doch ganz gut zu verstehen war) und entsprechender musikalischer Einstimmung öffneten sich die „Schleusen“ und die Masse setzte sich in Bewegung. Knapp 20 Minuten (!) nach dem offiziellen Start passierte dann auch ich das Starttor. Erwähnenswert ist hier noch zweierlei: Es gibt für jeden Teilnehmer einen Chip für die Zeitnahme, was nun wiederrum doch ein wenig den sportlichen Charakter dieser Wanderung unterstreicht und offenbar auch nicht von irgend jemanden in Frage gestellt wird (ich brauche da nur immer wieder an die Diskussionen in Bezug auf Marschevents in Deutschland erinnern). Und zum anderen, ist es tatsächlich möglich, dass tausende Menschen durch ein Starttor passen können, ohne dass man schubsen muss, Panik entsteht oder sonst was. Man sieht, es geht. Gute Beispiele hier sind auch der Rennsteiglauf und nochmal als Vergleich der Karwendelmarsch.

Massenbewegung

Und nun kommt das eigentliche an diesem Event. Der Marsch durch die Massen. Vorneweg sei erwähnt dass man, wenn man sich in einem normalen Marschtempo vorwärts bewegt, von KM 1 bis KM 100 nie, aber auch wirklich nie, an irgendeiner Stelle alleine unterwegs ist. Das war auch für mich mal etwas vollkommen neues, abgesehen von dem einen oder anderen Marsch, den man nur bei Tageslicht macht und auch da nicht nur 50 Menschen mitmarschieren. Und dadurch, dass durch den späten Startzeitpunkt man sich auch gleich in die Nacht hinein bewegt, bekommt das ganze einen besonderen Reiz. Dieser wird aber noch davon getoppt, dass sich die Karawane von Menschen die ersten 20 bis 30 KM durch viele Ortschaften schiebt, wo sich wahrscheinlich ganz Belgien zu einer riesengroße Partymeile versammelt hat und mit Musik und Klatschen die Menschen die da so durchmarschierten (manche vielleicht auch durchrannten) anfeuerten. Böse Zungen behaupten allerdings, dass es in der Anfangszeit des Marsches den Grund hatte, dass die Einwohner ihre Grundstücke vor „Wildpinklern“ schützen wollten. Seis drum..jeder Marsch hat so seine kleinen Anekdoten und „Legenden“.

Durch diesen „Partymarsch“ verging natürlich die Zeit sehr zügig und man hatte auch nie wirklich das Gefühl, es müsste anstrengend werden. Dazu kommt noch, dass die offiziellen Verpflegungsstationen zwar am Anfang etwas weiter auseinander lagen, aber man immer in diesen Ortschaften von irgendjemanden was angeboten bekommen hatte. Leider verlor ich kurz nach dem Start die übrigen Teilnehmer der Gruppe um Bob herum und noch mehr traf mich dann von Bob selbst im Laufe des Tages die Nachricht, dass er zwischenzeitlich aussteigen musste. Wie weit es jetzt alle gekommen waren, vermag ich nicht mitzuteilen. Ich denke aber, dass es alle bis zum Ziel geschafft haben.

Nach einer kurzweiligen Nacht, zu der ich nicht einmal die Taschenlampe zücken musste, da sowieso alles durch andere herum „taghell“ erleuchtet war, führte der Marsch weiter über Feld und Waldwege. Ein Highlight der Nacht war sicher noch der Weg durch einen Schlosspark. Nur schob sich die Masse da weiter unaufhaltsam durch, so dass nicht viel Zeit für „Muße“ blieb.

Mit Anbruch des Tages und der Hälfte der Strecke kamen bei mir noch keine Anzeichen von Schmerzen oder Anstrengung. Das kann zum einen daran gelegen haben, dass ich ja das ganze Jahr über solche Art von Wanderungen bereits hinter mich hatte, oder einfach auch daran, dass durch das Besondere an dieser Wanderung man nie wirklich das Gefühl hatte, es ist etwas, was den Körper jetzt wirklich fordert, solange man natürlich nicht auf Geschwindigkeit aus ist, sondern einfach nur auf das „Mitschwimmen“ in der Menge und dem stressfreien „Genuss“ beim Wandern auskostet.

Irgendwie lichteten sich doch aber auch nun die Reihen der vor und hinter einem marschierenden Menschen, ohne aber sich alleine zu fühlen. Bei dem einen oder anderen merkte man auch an, dass die bisherigen Kilometer doch nicht ganz spurlos blieben. Es boten sich mit dem Sonnenaufgang auch ein paar schöne Momente und sich die Zeit zum fotographieren zu nehmen. Es gibt eben Momente, die erlebt man nicht immer und es sind auch immer wieder schöne Erinnerungen. Wie die Erinnerung an die endlosen Maisfelder. Nun weiß ich auch, woher die „Cornflakes“ und das „Popcorn“ kommen. Zwischendurch konnte man sich auch die Zeit nehmen, mal den einen oder anderen Teilnehmer neben, vor und hinter sich zu beobachten. Leider waren Gespräche nicht wirklich möglich. Aber die Wanderbegeisterung scheint in Belgien wirklich sehr hoch zu sein. Von 16 bis 86 wandert da alles mit.

Countdown

So etwa 20 km vor dem Ziel meinte das Wetter nun, noch eine kleine Aufgabe stellen zu müssen und schaltete kurz auf „Tief“. Man muss auch wissen, obwohl Bornem in Zentralbelgien gelegen, ist es bis zur Nordsee und dem Atlantik nicht sehr weit. Aber ein paar kurze Schauer erfrischten nach der teilweise schwülen, aber auch windigen Nacht. Und als es gegen Mittag ging, machte sich auch wieder die Sonne breit, so dass es auf den letzten 10 Kilometern nur noch ein „Auslaufen“ war.

Auch für mich selbst überraschend, sah ich mich vor einer neuen persönlichen Wanderbestzeit entgegen gehen, obwohl die Strecke (viel Asphalt) ähnlich wie die „7 Seen- Wanderung“ bei Markkleeberg/Sachsen ist und die mich jedes Jahr herausfordert und ich da nie unter 20 Stunden ankomme.

Mit Sonnenschein und alle drei bis vier Kilometer eine Verpflegungsstation ansteuernd ging es nun so langsam dem Ziel entgegen. Und dieser Zieleinlauf hatte es noch mal in sich. Ca. 1 km durch den Ort Bornem bis zur Ortsmitte auf einem extra für den Teilnehmer abgesperrten Weg durch Massen von Menschen die jubelten. Das wird sich bei mir einprägen und war nun in meiner mittlerweile 9-jährigen Wanderkarriere, abgesehen von dem einen oder anderen ähnlichen Zieleinlauf, doch ein einmaliges Erlebnis. Und das konnte ich trotz der zurück gelegten 100 km sehr gut genießen.

Im Ziel gab es dann neben dem einen oder anderen kleinen Präsent den berühmten Anstecker mit dem „Totenkopfkreuz“ und der Zahlenklammer. Das Ziel selbst..Nun ja, man sitzt dann in einem großen Zelt. Hinter einem der Zieleinlauf und nach vorne zu der Weg in die Stadt zurück. Das ist dann etwas merkwürdig geregelt. Da schleicht man sich aus dem Zelt heraus und findet sich in den Menschenmassen wieder. Für den einen oder anderen, dem doch die Füße glühen etwas unglücklich, zumal auch sämtliche Lokalitäten in einem gefühlten Umkreis von 1 KM überfüllt waren und sich die Gelegenheit, bei Kaffee und Kuchen das Erlebte noch mal Revue passieren zu lassen, nicht bot. Für Auswärtige ohne Anhang oder ähnlichem, sehr schwierig. Auch allgemein denke ich, sollte der Weg aus dem Ziel heraus entweder anderes gestaltet werden oder der Zielort wie Startort sein. So schön der Zielort und der Weg dahin auch sein mögen, danach ist das ganze Erlebnis wie „abgeschnitten“.

Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Es ist auch Geschmackssache. Ich hab es eben nach einer solchen Wanderung eben immer gerne etwas ruhiger. Man ist ja auch schon lange unterwegs und vielleicht auch etwas übermüdet. Ich muss dazu erwähnen, dass ich mit dem Aufstehen Freitagmorgens, der Fahrt zum Start und der Wanderung als solchen bereits über 32 Stunden auf war und die Rückfahrt ja noch zu bewältigen war. Irgendwie fand sich dann doch noch in dem Ort etwas Ausserhalb der Massen ein kleiner Platz zum Ausruhen und nach etwa einer Stunde Erholung, hieß es sich auf den Rückweg zu machen. Auch die Rückfahrt verlief soweit planmäßig, auch wenn die Autofahrt ein paar mehr Pausen beansprucht hatte (und in keinster Weise zu empfehlen ist! Safety first!). Schließlich kam ich dann aber doch, mittlerweile war es Sonntagmorgen, gegen ein Uhr wieder zu Hause an.

Es war ein sehr langer, intensiver und doch kurzweiliger Wochenendtrip.

Das positive?: Eindeutig das Eventfeeling.
Das negative?: Man wohnt einfach zu weit weg um das Ganze kostengünstig zu planen.
Eine Wiederholung?: Ist angedacht. Wann? Das wird sich ergeben.
Was vergessen?: Ganz sicher.

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[:de]40 km Grunewald – Eine Wandergruppe… is ja doll![:]

[:de]Dass meine erste selbstgeführte Wanderung 2018 noch im März eine klassische Winterwanderung werden würde, hatte ich bei der Planung so nicht geahnt. Anfang Januar hatte ich mit Blick auf den Kalender festgestellt, dass sowohl der Januar als auch der Februar gut mit offiziellen wie inoffiziellen Events gefüllt sind.
Im März ist es eh schöner und wärmer, dachte ich, als ich den 4. März für eine Wanderung mit 40 km ohne konkrete Strecke ankündigte. Januar und Februar waren für deutsche Verhältnisse überraschend warm ausgefallen. Aber das sollte nur eine Täuschung gewesen sein. Während die Vögel schon tirilierend in den Bäumen saßen und die Krokusse bereits ihre weißen und lila Köpfchen aus diversen Wiesen streckten, dachte sich der Winter: jetzt komm ich nochmal richtig!

-12 Grad zeigt das Thermometer, als ich die Route für meine Märzwanderung plane. Wohin nur? Bei den Temperaturen weit raus aus der Stadt ist keine gute Idee und viele fangen die Saison ja auch jetzt erst an, schaffen also noch keine 40 km. Aus einer schon längst geplanten Sommerroute durch den Grunewald stricke ich kurzerhand eine wintertaugliche und lade alle Teilnehmer zum Start am U-Bahnhof Ruhleben ein.

Hilfe, das Handy ist weg

Von mir zu Hause aus sind es gute 50 Minuten bis Ruhleben. Unterwegs treffe ich auf Diana, Christian und Hanna. Wir quatschen munter bis zur Zielstation, steigen aus und finden unten am Eingang eine bunte Traube Wanderwütiger. Fast alle sind da. Alle, bis auf Max. Der sitzt gemütlich im warmen Auto und lässt auf sich warten. „Fragen wir ihn doch mal, wie lange er noch braucht“, denke ich und greife zu meinem Handy. Ins Leere. Da, wo es sein sollte, ist es nicht. Und auch bei allen Alternativaufbewahrungsstellen finde ich es nicht. Hab ich doofe Kuh jetzt echt mein Handy in der Bahn liegen lassen? Ich renne hoch. Zum Glück ist Ruhleben der Endbahnhof der U2. Die Bahn steht noch dort und wartet auf die Wiederabfahrt in die andere Richtung. Ich hechte zum Abteil, wo wir saßen. Kein Handy. Ich frage eine dort sitzende Frau, ob sie ein Telefon gefunden hat. Nein. „Aber da drüben liegt doch was“, sagt sie. Tatsächlich liegt gegenüber von dort, wo ich saß, gut getarnt mein Telefon. Weiß der Fuchs, wie es da hin kam. Egal. Mit unglaublicher Erleichterung husche ich wieder nach unten zu meiner Wandergruppe. Während wir unser typisches Start-Gruppenfoto machen, kommt dann auch Max. Es geht los!

Spieglein, Spieglein

Unser Weg führt uns zur Murellenschlucht. Dort wollte ich schon einige Zeit hin, denn es soll ein wunderschöner Trail sein. Und das stimmt auch. Schon kurz nach Verlassen des Bahnhofes biegen wir rechts in den Wald ab. Sümpfe und Moorlandschaft umgeben den Waldweg. Und alles ist gefroren. Die Sonne strahlt durch die Baumwipfel und lässt das Eis glänzen. Bei einem Blick nach hinten erscheint mir unsere Gruppe auf einmal ums doppelte gewachsen. Ach nee, sind Trailrunner. Die laufen hier wahrscheinlich jeden Sonntag. Nun, heute sind wir hier. Wie eine Horde ultralangsamer Trailrunner bewegen wir uns durch den Wald und blockieren ihre Strecke, so dass sie sich woanders langschlängeln müssen.

Aus der Schlucht heraus geht es ordentlich bergauf und ich höre Geschnaufe hinter mir. Kalt ist sicher niemandem mehr. Wir sind jetzt genau hinter der Waldbühne. Hier stehen überall am Weg – völlig deplatziert – Verkehrsspiegel rum. Es soll wohl ein Kunstprojekt sein, erzählt mir jemand. Ein Mahnmal für den nationalsozialistischen Hintergrund der Murellenschlucht, wie ich später herausfinde. Ich glaube viel eher, dass die Spiegel dazu dienen, bei Konzerten besser Leute zu sehen, die über den Zaun der Waldbühne klettern.

 

Dass wir bei dieser Tour die sechsspurige Heerstraße an einer ampellosen Stelle überqueren müssen, hatte ich so gar nicht auf dem Schirm. Umso größer sind meine Augen als wir an der Stelle ankommen und ich eine Assoziation zu Frogger habe. Das ist ein putziges kleines PC-Spiel aus den 80ern, bei dem man Frösche über eine Straße bringen muss, ohne dass sie überfahren werden. So ungefähr muss das dann aus Autofahrersicht auch aussehen, als 35 bunte Quakfrösche über die startbefahrene Heerstraße hüpfen, aber heil auf der anderen Seite ankommen.

Wir biegen auf Pichelswerder ein, eine kleine Halbinsel, die noch zu Spandau gehört. Direkt am südlichen Ufer sind Schirme und Stände aufgestellt und ein Mann lässt sich zum Fenster raushängen. Ob die hier Glühwein haben?
„Hey, habt ihr Glühwein?“ „Na klar. Roten und weißen!“ Es sind zwar noch keine 7 Km gewandert, aber Glühwein schreit nach Pause. Einige huschen aufs improvisierte Örtchen, viele holen sich Glühwein und Kuchen und wärmen sich kurz an der Feuertonne auf, in der um halb elf morgens schon das Feuer knistert.

 

Im Blindflug durch den Grunewald

Bevor wir wieder aufbrechen, gebe ich meine Rolle als Navigator kurzerhand an Melli ab. Ich sehe nämlich seit ein paar Kilometern so gut wie nüscht mehr. Meine Augen zeigen mir deutlich, dass sie die Investition in ein neues, teureres Paar Kontaktlinsen missbilligen und schmieren irgendwelchen Kram von innen rauf. Ich sehe nur noch Nebel und den Bildschirm meines Handy kann ich schon gar nicht mehr richtig erkennen.

Und so trotte ich dann selbst mitten in der bunten Masse mit, glücklich, dass jemand anderer nun erstmal den Weg weist. Die ungewöhnliche Sanddüne im Grunewald kennen die meisten noch nicht. Ich freue mich immer sehr, meinen Mitwanderern neue Ecken Berlins und Brandenburgs zeigen zu können. Fast alle gehen automatisch direkt auf den Gipfel und dann gleich weiter zu der kleinen Eisfläche am Fuße der Düne. Blind wie ich bin, traue ich mich trotzdem hier rauf, denn der Tümpel ist klein genug, um gut durchgefroren zu sein. Ein bedrohliches Knacken aber lässt fünf von uns aufhorchen, als sie alle zusammen auf einer Stelle stehen. Bloß runter hier.

 

Nach guten 18 km kommen wir an unserer ersten (und einzigen) richtigen Pause an und veranstalten wie so oft einen Flashmob bei McDonalds. Während sich die meisten eine kleine Stärkung holen, verschwinde ich erstmal zur Toilette und putze die hässlichen Linsen. Erst danach erkenne Miri, die dort zu uns stößt und mich zu einem fetten Stück Schokotorte verführt.

Ich see was, was du nicht seest

Kurz nach Wiederaufbruch gelangen wir zur Krummen Lanke und sehen uns einem Meer von Spaziergängern und Ausflüglern gegenüber, die wie die Wilden über die Eisfläche auf der Krummen Lanke flitzen. Ein wenig verführerisch sieht es schon aus. Aber haben die Minusgrade nicht erst vor einer Woche eingesetzt? Wie dick kann die Eisschicht auf ein doch recht großen See schon sein? Nicht sehr, wie uns einige hundert Meter weiter bewusst wird. Auf der Seeseite, an der wir gerade vorbei gehen, ist noch nicht einmal eine dünne Eisschicht, sondern offenes Wasser. Auf dem Schlachtensee sehen wir das vom erhöhten Weg aus nochmal deutlicher. Die Schlittschuhfahrer und Eisbegeher sehen das von der Seite, von der der sie die Eisfläche aus betreten, wahrscheinlich nicht. Sogar ein Zelt steht dort bedrohlich nah an der Grenze zwischen Eis und offenem Wasser. Alles Anwärter für den Darwin-Award, wie jemand später treffend schreibt.

Ich kann zwar nach der Linsenreinigung wieder alles klar sehen, aber etwas anderes trübt nach gut 24 km mein Vergnügen. Mein linker Fuß tut genau an der Stelle weh, die mir schon nach dem Ostseeweg solche Schmerzen bereitet hatte, dass ich hinterher kaum noch auftreten konnte. Sind meine Füße auf einmal nicht mehr kompatibel zu meinen geliebten Hiking-Schuhen? Ich habe die „Schuhzunge“ im Verdacht. Einige schmerzvolle Kilometer weiter (die schon gar nicht mehr hätte gehen sollen), schnürt mir Miri die Zunge vom Gelenk weg, damit sie nicht mehr drückt. Und ich laufe weiter.

Schwan drüber und Schwein gehabt

Ein wenig seelische Linderung bringt der Anblick dutzender Schwäne, die in Ufernähe der Havel übers Eis watscheln und im Wasser gründeln. Ein Mikropäuschen für alle, auch die, die die Schwäne ignorieren. Der Hammer zum Schluss kommt ja noch. Erstmal scheuche ich alle den Karlsberg hoch, der zum Grunewaldturm führt. Am Ufer zu bleiben, wäre auch nicht caro-like gewesen. Dafür spare ich uns aber den Schlenker über Schildhorn, der uns sicher 300 m Fußweg spart.

 

Stattdessen geht es alsbald rechts wieder in den Wald, gefährlich nah an verführerischen BVG-Bussen vorbei. Die Sonne senkt sich langsam über den Baumwipfeln hinter uns herab. Es wird wohl knapp, den Gipfel des Drachenbergs noch pünktlich zum Sonnenuntergang zu erreichen. Viele sehen schon richtig kaputt aus und dazu zähle ich auch mich dank meines Fußes. Neben mir schreit Aivin auf einmal auf. Eine Wildschweinrotte guckt uns von links nur einige Meter entfernt an. Frischlinge sind auch dabei. Etwa sieben Schweine gucken etwa 20 Wanderer an. Und andersherum. Den Schweinen wird’s zuerst zu blöd und sie trollen sich zurück in den Wald.

 

Kurz bevor sich der Weg gabelt – rechts hoch zum Berg, links drumherum – stelle ich jedem den Aufstieg frei. Ausnahmslos alle entscheiden sich für… rechts! Der Aufstieg ist steil und hart. Oben weht ein fieser Wind und ich höre jemanden sagen: „Da hinten ist ja mal Zivilisation zu sehen!“ Ja, diese Tour hat sich nicht nach Stadt angefühlt. In der Dämmerung wuseln wir den Berg hinab. Die Glühweinpause hat uns leider den Sonnenuntergang dort oben gekostet.

 

Nur ganz wenige Meter trennen uns nun noch vom Ziel am S-Bahnhof Heerstraße. Nach neun einviertel Stunden finden wir uns zum Abschlussfoto dieser Winterwanderung bei bestem Wetter zusammen. Es war ein schöner Tag.

Ich hoffe, ich sehe ganz viele von euch ganz bald wieder!

Die Strecke zum Nachwandern

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[:de]Mammutmarsch 2017 – Alle guten Dinge sind drei![:]

[:de]

erzählt von Sebastian S.


Vor drei Jahren bin ich zum ersten Mal beim Mammutmarsch an den Start gegangen. Damals musste ich nach 50 km aufgeben. Damit hat mich der Ehrgeiz gepackt. Das muss doch zu schaffen sein… letztes Jahr kam dann die Enttäuschung. Der Marsch wurde abgebrochen, da war ich gerade mal bei km 59. Zum Glück fand sich eine kleine sehr nette Gruppe, die den Abbruch nicht auf sich sitzen lassen konnte, wodurch die 100km doch noch erreicht werden konnten. Doch bei aller Freude, die 100 km geschafft zu haben, war ich doch nicht richtig glücklich. Offiziell hatte  ich das Ziel nicht erreicht. Somit war sofort klar: 2017 wird der Mammutmarsch auf jeden Fall bezwungen.

Die Vorbereitungen dafür starteten dieses Jahr schon sehr früh. Schon im Januar bezwang ich bei der “Polarnacht” die ersten 50km. Ab da ging es über die nächsten Monate konstant weiter. Allerdings fragte ich mich jeden frühen Samstagmorgen, den ich mich zum Training aus dem Bett quälte, wofür ich das eigentlich gerade mache. Um es mir zu beweisen? Nein, das habe ich schon geschafft! Für die Urkunde, die irgendwo verstaubt? Definitiv nicht! So kam ich mit Nina und Joel darauf, das ganze einem anderen Zweck zu widmen. Denn es ist ein enormes Privileg, sich freiwillig dafür entscheiden zu können, einfach mal aus Spaß an einem Wochenende zu versuchen, 100km zu Fuß zu gehen. Viele würden alles dafür geben. Man kann zwar mit Geld nicht direkt die Welt retten, aber man kann die wichtige humanitäre Arbeit von NGO´s unterstützen. So entstand dann recht schnell der Gedanke, den Marsch zu einem Spendenlauf zu gestalten und damit die Arbeit von “Ärzte ohne Grenzen” zu unterstützen. Einen Monat vor dem Mammutmarsch war es dann so weit, das Training war erfolgreich abgeschlossen (sogar mit dem “Turmdiplom” zertifiziert) und die Spendenaktion lief erfolgreich an.

Am 27.05.2017 kam dann der große Tag. Am Abend vorher entstand auch bei mir langsam Aufregung, Vorfreude und eine gewisse Angst vor der langen Strecke an einem der heißesten Wochenenden des Jahres. Mit einem mal wieder viel zu schweren Rucksack, ging es mit Joel zusammen los Richtung Erkner. Ein kurzer Zwischenstopp musste noch an der Seestraße gemacht werden, um noch Kumpir essen zu können und gestärkt starten zu können. In der glühenden Hitze ging es mit der Bahn nach Erkner. Dort saß schon ein Teil unserer “EarnYourBacon”-Gruppe. Wir meldeten uns an und holten unser T-Shirt ab. Als kleine Überraschung für die TeilnehmerInnen des letzten Jahres gab es zusätzlich einen “returning hero” Mammutmarsch Sportbeutel, inklusiver Getränkemarken für Kaffee an den Versorgungspunketen. Jetzt stand nur noch das obligatorische Gruppenfoto an, dann kann es los gehen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Nach einer kurzen Ansprache vom Veranstalter, in der er unsere Gruppe als Ehrengäste erwähnte, ging es dann tatsächlich um 16:15 Uhr endlich los. Am Start liefen so viele Menschen durcheinander, dass es schwierig war sich nicht zu verlieren. Die ersten 16 km vergingen wie im Fluge. Am Strandbad Müggelsee war der erste Versorgungspunkt. Hier wurde aber nur kurz das Wasser aufgefüllt, eine Banane gegessen und das Klo aufgesucht und schon ging es weiter. Durch die kurze Pause gelang es uns, etwas aus dem Chaos von vielen Menschen heraus zu kommen. Da es nun schon 20 Uhr war und das DFB Pokalfinale parallel lief, suchten wir uns einen Radiosender, um es wenigstens akustisch miterleben zu können. So liefen wir die nächsten 90 Minuten und merkten gar nicht, wie die Kilometer flogen und wir uns nun zu viert (Joel, Sascha, Jan und ich) immer weiter von den anderen absetzten. Um uns herum nun kaum noch bekannte Gesichter. Mit der nun einbrechenden Dunkelheit wurde es dann doch allmählich kühler. In T-Shirt und kurzer Hose konnte es nicht mehr weiter gehen. So waren wir zu einer Umziehpause gezwungen. Sonst wären wir vermutlich durchgelaufen zum nächsten Versorgungspunkt bei Kilometer 44. Dort angekommen trafen wir dann doch einige bekannte Gesichter. Nach und nach wurden es immer mehr. Mir war allerdings um die Zeit nicht wirklich nach Essen und so wirklich schmecken wollte mir auch nichts. Ich versuchte so viel wie möglich in mich reinzustopfen, mein Körper würde es brauchen. Den anderen ging es ähnlich und so zog unsere vierer Truppe recht bald wieder weiter.

 

Es war nun spät in der Nacht, ich war durchaus schon etwas müde und nicht mehr für Kommunikation zu haben. Es war also die Zeit gekommen, Podcasts zu hören. So liefen wir recht stille weiter durch die dunklen Wälder und merkten nur daran, dass wir immer mehr Menschen überholten, dass unsere Laufgeschwindigkeit immer und immer schneller wurde. Gegen 4 Uhr hatten wir dann auch schon den nächsten Verpflegungspunkt bei Kilometer 59 erreicht. Hier gab es eine leckere Kartoffelsuppe und Kaffee und dann ging es auch direkt wieder weiter, denn für lange Pausen war es zu der Zeit zu kalt. Beim Loslaufen sagten wir uns noch, dass wir den nun kommenden Abschnitt etwas ruhiger angehen wollen. Doch kaum erblickten wir die ersten Sonnenstrahlen hatten wir dieses Vorhaben offensichtlich schon wieder vergessen.

So ging es schnellen Schrittes durch die Märkische-Schweiz, die sich vermutlich nur im flachen Brandenburg “Schweiz” nennen darf. Langsam machte sich die Geschwindigkeit bei Joel durch Kniebeschwerden bemerkbar. Zum Glück waren es nur noch wenige Kilometer zum nächsten Pausenpunkt (74km). Diesen erreichten wir auch noch vor 7 Uhr. Hier war zu unserem Glück Santosh als Helfer eingeteilt, denn der Rucksack war von Anfang an viel zu schwer und mit unnötigem Gepäck bestückt. Dies konnte ich nun alles endlich abladen. Kurz bevor wir weiter wollten kam, Steve angelaufen. Er hatte seine Gruppe zurück gelassen und wollte sich nun uns anschließen, in der Hoffnung in seiner Geschwindigkeit unterwegs zu sein (wer Steve kennt, weiß, dass niemand so schnell läuft wie er). Wir liefen also zunächst zu fünft weiter.

Die nächsten Kilometer waren die Hölle. Nicht wegen der zuvor gelaufenen Kilometer oder der Wegbeschaffenheit, sondern wegen der Millionen Mücken. Trotz aufkommender Hitze lief ich weiter in langärmliger Kleidung, Kapuze über den Kopf gezogen und wild mit den Armen wedelnd durch die wäldliche Moorlandschaft. Erst als es endgültig zu warm war und wir das Mückengebiet weit hinter uns gelassen hatten, traute ich mich in kurze Kleidung zu wechseln. Am besten hätte ich mich allerdings den Nudisten anschließen sollen, denn jetzt wo die Sonne richtig am Himmel stand wurde es enorm heiß. Zu unserem Pech war bei Kilometer 90 auch noch jeglicher Baum verschwunden.

Die nächsten Kilometer, gefühlt weitere 100, führten uns immer weiter gerade aus an der Hauptstraße entlang Richtung Gusow. Einen kleinen Lichtblick gab es noch mal bei 92km. Wir waren uns erst nicht sicher ob es eine Fatamorgana war oder ob wir wirklich in der Ferne eine Tankstelle erblickten. Zum Glück spielten unsere Sinne uns keinen Streich und wir wurden mit Eis beglückt. Gestärkt waren wir bereit für die letzten 8 Kilometer auf der “Straße der Hölle” wie sie so nett getauft wurde. Auf einem Straßenschild war das nächste Dorf in 4km angekündigt. Als wir dieses erreichten, durfte es nach meiner Rechnung nur noch 4km bis zum Ziel sein. Da sprach uns eine Frau vor ihrem Haus an, was denn die ganzen komischen Leute in ihrem Dorf wollten, als ich ihr sagte was wir hier suchten, versuchte sie uns zu motivieren mit den Worten “zum Bahnhof sind es nur noch 6km”, worauf ihre Freundin nett ergänzte “naja ein paar mehr sind das schon noch”.

Das Problem zeigte sich als ich auf mein Handy schaute und sah, dass die beiden recht haben sollten. Es waren nicht wie ich dachte nur noch 4km sondern doch noch über 6km, wie frustrierend… Naja es half ja alles nichts es musste weiter gehen. Die Schmerzen in den Füßen wurden zwar doch nun immer stärker, aber an aufgeben konnte ich sicherlich nicht denken. Es ging immer weiter geradeaus und das nächste Dorf wollte sich einfach nicht nähern. Ich beschloss, nicht mehr weiter auf mein Handy und die Navigation zu achten, sondern einfach nur noch zu laufen. Am Straßenrand standen nun immer wieder nette Menschen, die uns anfeuerten. Ein Pärchen, das am Vorabend auch zum Mammutmarsch angetreten war, aber aufgegeben hatte, fuhr mit seinem Auto immer ein Stück weiter voraus, um immer wieder anzufeuern. Das konnte die Schmerzen zwar nicht lindern, die Strecke verkürzen konnten sie leider auch nicht, aber die Motivation hoch halten und die Laune verbessern definitiv und dafür bin ich allen auf die letzten Kilometern dankbar! Ich wusste aus dem letzten Jahr, dass die letzten Kilometer sehr grauenvoll sein können und wie es ist, wenn man die 100km Marke erreicht hat, aber das Ziel noch weiter entfernt ist. Aber hatte das wohl etwas verdrängt.

Die Freude Gusow erreicht zu haben wurde schnell getrübt dadurch, dass das Ziel auch bei 100km noch einen Kilometer entfernt war. Nach jeder Kurve dachten wir, wir seien da und wurden enttäuscht. Irgendwann war es dann doch so weit. Wir bogen um die Ecke und da stand schon das Veranstalterteam und erwartete die Ankömmlinge lautstark! Nur noch wenige Meter zur offiziellen Ziellinie… Schnell die Konfettikanone aus dem Rucksack gekramt und dann zu viert unter Konfettiregen und Applaus der umstehenden Zuschauer die Ziellinie überqueren! Geschafft, 101 Kilometer in 21 Stunden!

Hinter dem Ziel warteten schon einige TeilnehmerInnen, unter ihnen auch Ingo und Steve. Beim Abholen der Urkunde erfuhren wir, dass bisher erst 32 Personen vor uns das Ziel erreicht hatten. Von 1250, die sich 2017 der Herausforderung gestellt haben, schafften es dieses Jahr 282 ins Ziel. Hinter dem Ziel saßen wir nun gemütlich im Schatten und warteten auf die nachfolgenden EarnYourBacons. Dank Santosh konnten wir die Wartezeit mit einem schönen Bierchen überbrücken. Im Laufe der nächsten Stunde wuchs unsere Gruppe immer weiter an, unsere Vorbereitung zeigte großen Erfolg! Nach ein paar Minuten des Ausruhens ging es mir auch schon wieder viel besser und Laufen ging auch wieder ganz gut aber ich sagte mir: Das war’s, nie wieder! Jetzt ist fast eine Woche vergangen und ich freue mich schon auf die 100km auf der Horizontalen rund um Jena am 09. Juni 2017.[:]

[:de]24. Berliner Polarnacht – die Nacht der 1.000 Stürze[:]

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Merino-Langarmshirt? Check! Dünnes Fleecejäckchen? Check! Softshell-Jacke? Check! Winddichte und wasserabweisende Hose, wasserdichte Trailschuhe? Check! Hauchdünne Regen- und Daunenjacke sowie eine lange Merino-Unterhose im Gepäck mache ich mir noch schnell einen heißen Kaffee mit zuviel Ahornsirup und eine Thermoskanne Früchtetee. Es werden schließlich Minusgrade. Die alten, abgelatschten und an einigen Stellen schon gerissenen Überzieh-Spikes wandern noch in die Seitentasche des Rucksacks und ich verlasse wie immer panikartig, weil zu spät dran, die Wohnung.

Die Berliner Polarnacht war im letzten Jahr meine erste längere Wanderung im Schweinsgalopp gewesen. Nach 30 km war ich fertig. Im wahrsten Sinne des Wortes. Diesjahr will ich aber zumindest die eine Etappe schaffen: 50 km durch die Nacht, von der Friedrichstraße über Umwege bis nach Falkensee. Da meine selbst organisierten Wanderungen teilweise noch deutlich länger waren, bin ich guter Hoffnung, dass das klappt. Bevor es in die Kälte der Nacht geht, finde ich mich mit einigen meiner lieben Mitwanderer noch auf einen Happen im Restaurant Nolle ein. Neben bekannten Gesichtern sitzen mir drei Hamburger gegenüber, die viel Erfahrung und ebensoviel zu erzählen haben von Veranstaltungen wie der Horizontalen in Jena, dem Dodentocht sowie dem Mammutmarsch (ihrer Meinung nach der schlechteste Marsch) und Megamarsch (auch hier ist nichts gutes herauszuhören).

Der Zug setzt sich in Bewegung

Pünktlich um 19:40 Uhr versammeln wir uns vor dem DB Reisezentrum. Die noch tätigen Damen darin schauen argwöhnisch angesichts des Massenandrangs. Dabei wollen wir gar nichts von ihnen. Wolfgang Pagel, Organisator und Wanderleiter, läuft schon ganz aufgeregt durch die Menge. Ein wenig überrollt gefühlt hat er sich von der Flut der Marschgruppe EarnYourBacon. Und nervös sei er, vermutet ein von kommerziellen Veranstaltungen verwöhntes Klientel mit entsprechenden Ansprüchen. Er sollte noch feststellen dürfen, dass wir EarnYourBacons gar nicht so sind. Ob der großen Teilnehmerzahl – etwa 60 alleine für die 50 km Nachtstrecke – teilen wir uns in zwei Gruppen auf. Wolfgang wird unsere Gruppe 2 führen, während die schnelle Truppe schon zehn Minuten früher startet.

Punkt 20 Uhr starten wir mitten in Berlin. Dass wir noch mitten in der Stadt sind, merkt man vor allem an den nicht wenigen Menschen, die hier noch unterwegs sind. Während sie auf dem Weg zur nächsten Party sind und die Nacht zum Tag machen wollen, ziehen wir mit unseren Rucksäcken Richtung 50 km-Wanderung los. Unterschiedlicher kann eine Freitagnachtbeschäftigung wohl nicht sein. Einige Abschnitte der Strecke kommen mir bekannt vor. Wir überqueren den Invalidenfriedhof. Und das auch nur mit Glück, denn eine zotige Sicherheitsfrau hat bereits den Ausgang abgeschlossen und drückt ihr Unverständnis über unseren Aufzug aus. „Seid ihr blöd? Wat looft ihr ooch hier rum um die Zeit?“ Sie lässt uns dann doch passieren.

Nach 12 km merke ich langsam, dass ich „untenrum“ nur eine Hose anhab. Die flauschig warme Merino-Unterhose schleppe ich in meinem Rucksack rum. Schön blöd. Währenddessen haben sich die letzten Wolken am Himmel verzogen und geben den Blick auf die Sterne frei. Ein fast voller Mond leuchtet uns den Weg und zeigen die bösartigen Eisflächen auf, die uns immer mehr das Leben schwer machen. Um 0 Uhr taucht dann endlich das heißersehnte goldene M am Horizont auf. Flutsch! Und schon liege ich zum ersten Mal auf dem vereisten Asphalt. Zum Glück hat es den Hintern erwischt. Der ist eh gefroren.

Gerollte Pommes und Eishintern

Aufwärmen, Curly Fries in sich hineinstopfen (wie schon im letzten Jahr), lange Unterhose anziehen und eine weitere Schicht in Form meiner dünnen Daunenjacke hinzufügen. Dann geht es nach etwa 40 Minuten Pause weiter. Einige nutzen hier die letzte Chance auf Personennahverkehr und beenden ihre Polarnacht. Für alle anderen geht es weiter ins tiefste Spandau. Immer entlang des Havelufers.

An diesem schicken Kumpel ziehen alle unbeeindruckt vorbei. Wer ihn kennt, kennt einen meiner Lieblingsfilme!

An diesem schicken Kumpel ziehen alle unbeeindruckt vorbei. Wer ihn kennt, kennt einen meiner Lieblingsfilme!

Flutsch! Ich liege zum zweiten Mal. Wieder der Hintern. Ab dem Punkt sehe ich immer mal wieder den einen oder anderen durch die Gegend flutschen. Es geht aber immer ohne schlimmere Blessuren aus. Nach weiteren 10 km gibt es eine dreiminütige Trinkpause. Ja genau. 3 Minuten. Und keine mehr. Leider gibt es an der Stelle weder Klo noch Deckung. Hochziehen, heißt es jetzt. Meine Spikes, die ich bislang unangelegt rumschleppe, schmeiße ich hier endgültig weg. 3 Uhr ist es, als wir etwa 31 km hinter uns haben. Der Eiskeller, an dem das Highlight, die Temperaturmessung, vorgenommen werden soll, ist noch 12 km entfernt. 12 km, die auf keine weitere Pause hoffen lassen.

Inzwischen merke ich die Kilometer, die Kälte und meinen Drang, meine Blase zu erleichtern, deutlich. Aber die da vorne rasen einfach weiter. Wenn ich jetzt meinem Drang nachgehe, hole ich die Meute ja nie wieder ein. Wehmütig sehe ich das Straßenschild „Eiskellerweg“ an uns vorüberziehen. Der Name lässt vermuten, dass es hier direkt zum Eiskeller geht. Aber laut Route laufen wir nochmal eine riesige Schleife drumrum.

Aufholjagd – wenn die niederen Bedürfnisse siegen

In Schönwalde ist dann erstmal Schluss. Hochziehen geht nicht mehr. Rüber über die Straße hinter einen der wenigen Bäume. Ich sehe die Meute vorne von dannen ziehen. Egal. Ich laufe eh schon auf dem Zahnfleisch und habe arge Probleme, mit dem Tempo mitzuhalten. Seit dem endlosen Knochenbrecher-Gelenkhasser-Weg am am Niederneuendorfer Kanal, der entweder total vereist oder mit eisigen Pfützen überzogen war (meist aber beides), spüre ich jeden Muskel meines Körpers. Noch 4 km bis zum Eiskeller. VIER verdammte Kilometer. Ganz in der Ferne sehe ich irgendwann die Wandergruppe. Nach und nach hole ich auf. Auf dem Feld zieht sich die Gruppe auseinander, ist aber in der Dunkelheit dank der Stirnlampen wie Glühwürmchen gut zu sehen.

Km 40, 41, 42… dann sehe ich einen roten Schein und höre Geschwatze. Da sitzen sie auf einer überdachten Holzbank und strecken ihre geschundenen Beine aus. Es gibt heißen Tee vom Wanderverein. Und die sagenumwobene Temperaturmessung am Kältepol. -2 Grad hat es. Kein Rekord. Es hatte schon mal 13 Grad plus und deutlich mehr Minusgrade. Dann die ermutigende Aussage, dass wir uns im Zeitverzug befinden. Ich kann das gar nicht glauben. Und keine 10 Minuten später pfeift Wolfgang zum Aufbruch. Noch 7 Kilometer bis zum Bäcker in Falkensee.

Die Kilometer des Grauens

7 Kilometer erscheinen mir an dem Punkt wie eine unüberbrückbare Distanz. Immer wieder schaue ich auf meine GPS-Uhr. 43,12 km. 43,25. 43,5. 43,75. Jeder geschaffte Viertel-Kilometer ist ein Erfolg. Trotzdem fühle ich mich einfach nur noch elend. Bei KM 46 will ich eigentlich nur noch auf dem Boden sitzen und heulen. Das einzige, was mich davon abhält, ist der eisige Boden. Dann die erlösenden Worte: „Da hinten! Da an der Ampel ist der Bäcker!“ Von Sichtweite bis Ankunft sollte es aber immer noch ein ganzer Kilometer sein. 200 m vor dem Bäcker…flutsch! Diesmal haut es mich unsanft auf mein Knie. Mist. Das musste doch jetzt nicht sein. Tränen schießen mir in die Augen. Aus Schmerz und Verzweiflung. Keine Ahnung, was überwiegt.

Die letzten Meter zum Bäcker werden nur durch Hoffnung getragen. Hoffnung, dass es bald vorbei ist. Als ich die Tür zur Backstube öffne, fühlt sich das an, als sei ich gerade im Paradies angekommen. Alles leuchtet golden. Die Brötchen, die Lampen… Karsten und Co sind schon da. Lachen uns an. Mein erster Gang ist zur Toilette. Und ich schwöre mir: nie wieder Polarnacht! Stolz nehme ich meine Urkunde über 50 km in Empfang. „Carola Keßler überstand die 50 km…“ Das war noch nie so wahr!

Ich lasse mich auf einen Hocker sinken. Wolfgang erzählt glücklich, wie toll er unsere Truppe findet. So pflegeleicht. Keine seiner Befürchtungen hätte sich bestätigt. Wir erinnern ihn ein wenig an seine Wandergruppe früher… Das nenne ich mal ein Kompliment. Ja, wir sind schon großartig! In dem Moment frage ich mich wirklich, wie Wolfgang es schafft, in seinem Alter so etwas durchzuziehen. Ich kann nur meinen Hut… meine Mütze ziehen.

Ich beiße in mein Croissant, trinke den heißen Kaffee… und dann kommt die Erkenntnis: bis zum Bahnhof Falkensee sind es noch 1,2 km…

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[:de]Mammutmarsch-Training by night: Hilfe, wo bin ich? Und wer hat das Stroboskop mitgebracht?[:]

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Foto 12.03.16, 19 46 51

Der Mammutmarsch im Mai ist mit 24 Stunden für 100 km geplant. Der gemeine Wanderer wird feststellen: da liegt eine ganze Nacht des Marschierens vor ihm. Durchaus sinnvoll erscheint es da, auch mal die geänderten Bedingungen im Dunkeln testzuwandern. Und schon gab es eine Veranstaltung, die genau das abdecken sollte. Manuel, der schon ein paar meiner Testwanderungen tapfer überstanden hat, war so frei, eine Strecke auszuwählen, die vom Bahnhof Schöneweide nach Ahrensfelde führen sollte. 52 km.

Ganz  bewusst hatte ich zwischen der 40- und 45-km-Wanderung vier Wochen Wanderpause eingeplant. An den Wochenende wollte ich mich aufs Marathontraining konzentrieren. Und dann kommt Manuel mit der Nachtwanderung um die Ecke. Das war‘s dann mit der Vernunftspause. Ne Nachtwanderung geht immer! Auch vor einem LongRun. Ein paar Kräfte wollte ich mir aber doch noch aufheben und schon nach 24 km in Erkner aussteigen. Das wäre dann auch schon zwischen 0:30 und 1 Uhr nachts.

Ab in die Nacht

Um 20 Uhr trafen sich also etwa 35 dunkle Gestalten in Schöneweide. So in der Dunkelheit fiel unser bizarres Outdoor-Rudel im ersten Moment mal gar nicht auf.

mammutmarsch schöneweide

Die ersten Kilometer lang zogen wir noch durch städtisches Gebiet und erfreuten uns an den Lichtern der Stadt. Besonders schön wurde der Ausblick aber, sobald wir am Spreeufer ankamen und die Lichter von Köpenick im Hintergrund bestaunen konnten.

mammutmarsch nachtwanderung

mammutmarsch sektorlounge

mammutmarsch greenhouse

Genau dort führte unser Weg uns nach etwas mehr als 5 km auch hin. Schon da wäre ich mehr als froh über eine Toilette gewesen. Ich weiß auch nicht, ich hab das Gefühl, ich schreibe bei jedem Bericht über Toiletten! Zumindest kann ich aber sagen: in Köpenick gibt’s keine.

mammutmarsch köpenick

mammutmarsch köpenick Stadt

Erst nach weiteren 2,5 km entdeckte ich das erlösende goldene M am Horizont und rannte wie von der Tarantel gestochen los. Ich wollte zumindest ein wenig „Vorsprung“ rausholen, damit ich unsere Karawane nach meinem Austritt wieder leichter einholen konnte.

Als ich aus der Kabine wieder raus war, stellte ich fest, dass das gar nicht nötig gewesen war. Da hatten noch einige andere (Frauen) die Gunst der sanitären Anlagen in Anspruch genommen. Und zwar so viele, dass die Karawane halt machen musste und draußen wartete. Durch meinen gewonnenen Vorsprung konnte ich mir dafür aber noch ein Tütchen Pommes holen.

mammutmarsch Pommes

mammutmarsch Carola Keßler

Bei meinem Angriff auf McDonalds hatte ich fast zwei Mädels umgerannt, die schon eine gute alkoholische Grundlage für den Abend gelegt hatten. Als wir wieder loszogen, waren die plötzlich in unserer Wanderergruppe und gröhlten. Für die erschienen wir am Samstag Abend in Wandermontur wohl sehr abwägig.

„Was machtn ihr hier eigentlich?“ Na, Nachtwandern. Was man Samstag Abend halt so macht ohne Alkohol. Als wir dann in die Böschung verschwanden, war ihnen das dann doch zu gruselig.

Nachts sind alle Mammuts grau

Weiter ging es romantisch an der Müggelspree entlang. Die Wolken hatten sich inzwischen verzogen und den Sternenhimmel zur Sicht freigegeben. Wunderschön!

Auf der Spree entdeckte ich dann ein wunderhübsch beleuchtetes Hausboot. Wie ich später herausfand, ist das die „Spree-Arche“. Ein kleines uriges Restaurant, zu dem man mit einem Floß hingefahren wird. Beizeiten muss ich da mal hin, wenn sie offen hat. Das Essen klingt lecker 🙂

mammutmarsch spreearche

Ein paar hundert Meter weiter kam der erste Ausstiegspunkt. Der gruseligste Eingang zu einer S-Bahn, den ich je gesehen habe. Eingehüllt in ein Baugerüst, mitten im Wald führt ein Tunnel quasi direkt ins Wasser. Soll angeblich zum S-BhfFriedrichshagen führen. Für mich führt das Ding eher zum Mittelpunkt der Erde oder ohne Umweg in die Hölle. Hier wollte auch niemand aussteigen. Und wenn die Füße abfallen.

mammutmarsch Friedrichshagen

Damit hatten wir auch den Müggelsee erreicht. Ein ordentlicher Wind wehte übers Wasser. So wellig ist der See wahrscheinlich selten. Ganz weit hinten meine ich, den Müggelturm leuchten gesehen zu haben. Im Wald so im Dunkeln musste ich teilweise schon schauen, wo ich meinen Fuß hinsetzte. Da genug Leute Stirnlampen trugen, verzichtete ich auf meine. War auch so hell genug, wahrscheinlich auch ohne Lampe.

Vorbei ging es an Rübezahl, wo ich zuviel Zeit damit verschwendete, ein nicht vorzeigbares Foto zu produzieren. Hier ist es trotzdem.

mammutmarsch ruebezahl

mammutmarsch ruebezahl tische

Ich war damit gaaanz weit hinten am Ende der Schlange angelangt. Zum Glück gab es jetzt aber die erste richtige Pause nach 15 km. Zeit, das Futter aus dem Rucksack zu fischen. Und mein Stoff-Mammut. Das kennen inzwischen schon einige. Auch wenn ich sonst darauf achte, recht leichtgewichtig unterwegs zu sein: das Mammut muss mit! Ich merkte aber schon, dass ich recht schnell auskühlte, daher war ich gar nicht so böse, dass die Pause nicht allzu lange andauerte.

mammutmarsch mammut

mammutmarsch pause

Wer hat denn das Stroboskop eingepackt?

Nach ein paar Abzweigungen durch bewohntes Gebiet wurde der Weg dann recht schmal und waldig-steinig. Vorankommen war jetzt nur noch im Gänsemarsch möglich. Hinter mir lief jemand, der seine Stirn- oder Taschenlampe die ganze Zeit wild von einer Seite zur anderen fuchtelte. Durch meinen Vordermann, der das Licht von hinten bestens reflektierte, kam ich mir vor als würde mich die ganze Zeit ein Stroboskop anblitzen. An. Aus. An. Aus.  Noch ein paar Minuten länger und mir wäre richtig schlecht geworden.

mammutmarsch Stirnlampe

Stirnlampen und der Umgang damit scheinen ein echtes Thema zu sein. Die meisten sind heutzutage mit einer Art Boost-Modus ausgestattet. Für schlechte Sichtverhältnisse. In den Bergen. Im Nebel. Bei schneller Fortbewegung. Nicht aber für den Berliner Flachlandwald bei klarstem Wetter und Mammutmarschgewindigkeit. Da reicht im Zweifel auch das Rotlicht, wenn es denn überhaupt künstliche Beleuchtung sein muss.

Um kurz nach 0 Uhr sind wir immer noch mitten im stockdunklen Wald. Da klingelt es plötzlich von hinten. Ein Renterehepaar möchte mit ihren Rädern an uns Wanderern vorbei. Die werden sich auch gedacht haben, wir haben wohl nix besseres zu tun. Gleiches ging mir zumindest über die beiden durch den Kopf. Aber das waren nicht die einzigen Gedanken. Die 20 km, die ich bislang gewandert war, kamen mir viel länger vor als 30 km am Tag. Vielleicht liegt es daran, dass man nachts sein Ziel nicht vor Augen hat. Oder sich schneller vorkommt. Weniger abgelenkt ist vom Ausblick. Ich weiß es nicht. Aber klar ist mir geworden: Wandern nachts ist was anderes als tagsüber im Hellen. Schon allein darum ist ein Nachttraining für mich uneingeschränkt wertvoll in Vorbereitung auf den Mammutmarsch.

mammutmarsch orientierung

Schon eine halbe Stunde später erreichten wir die Ausläufer Erkners. Irgendwie war ich doch froh, denn langsam wurde mir kalt. War aber zu faul, mein Hoodie aus dem Rucksack heraus zu zerren. Eine viertel Stunde später die nächste Pause und erste Großauflösung. Hier sollte heute nach 24 km meine Reise enden, denn ich hatte am nächsten (eigentlich selben) Tag noch viel vor und eine Fahrt bis ans andere Ende der Stadt vor mir.

mammutmarsch Erkner

Für ein nächtliches Gruppenfoto rotteten wir uns unter der Laterne zusammen. Naja. Man erkennt zumindest Menschen. Eine Menschenmasse.

mammutmarsch Gruppe Erkner

mammutmarsch uhr erkner

Hätte ich nicht die 30 km Lauftraining vor mir gehabt, wäre ich sicher noch ein Stück mitgekommen. Vielleicht nicht die gesamten 52 km. Aber die ist Nina tapfer bis ans Ende gegangen. Lest weiter, wie es ihr ergangen ist.

Wie es Nina ging – Ihr Bericht

Bei meiner äußerst ausführlichen und kompetenten Beratung für meine Wanderschuhe bekam ich neben vielen weiteren den Tipp, unbedingt vor dem Mammutmarsch einmal die Nachtwanderung zu üben. Da passte es perfekt, dass eben so eine in der Gruppe angeboten wurde und als die Geburtstagsfeier für den selbigen Abend wegen Krankheit abgesagt wurde – hatte ich keine Ausrede mehr, nicht anzutreten.

Mit den neuen Schuhen am Fuß und vorheriger Panikmomente, da ich bereits um 17 Uhr todmüde war – erreichte ich dann doch irgendwann den wunderschönen Bahnhof in Schöneweide. Mit fast 40 Leuten zogen wir von dort aus in die Berliner Prärie – die meiste Zeit am Wasser entlang spazierend vergingen die ersten paar Stunden wirklich erstaunlich fix und ich war zuversichtlich, dass sich der Schuhkauf gelohnt hatte. In Erkner, wo bereits einige ausstiegen war ich definitiv noch top motiviert und entschloss mich weiterzulaufen. Mein Erinnerungsvermögen scheint ob der großen Erschöpfung oder der dauerhaften Dunkelheit etwas getrübt doch erinnere ich mich an viele Dorfkirchen die wir passierten, Felder und Wälder und einen atemberaubenden Sternenhimmel, der als wir irgendwo vor Hoppegarten einen langen Feldweg entlangmarschierten in seiner vollen Pracht zu begutachten war.

Nach oben gucken und gleichzeitig weiterlaufen war zu diesem Zeitpunkt bereits eine sehr große Herausforderung. Es war ein schöner Moment als wir schlussendlich den letzten gezwungen haben seine Stirnlampe auszuknipsen und dann für eine Weile in vollkommener Dunkelheit weiterzumarschieren.

Nach nunmehr 6-7 Stunden unterwegs in der Nacht verstummten die meisten Gespräche mittlerweile und es wurde mehr in stillem Einklang über verschiedenste Schmerzphasen sinniert. Mittlerweile fiel es auch immer schwerer, die ganze Gruppe beieinander zu halten, da einige doch sehr mit Füßen und Schuhwerk zu kämpfen hatten. In Hoppegarten (vorbei an der Rennbahn und über unzählige Pferdehaufen geklettert) sind dann noch mal eine ganze Menge Menschen ausgestiegen und Richtung S-Bahn gezogen. Ich war überzeugt, jetzt muss ich auch bis zum Ende durchhalten wenngleich der Schmerzpegel sich bereits stark erhöht hatte und ich nur noch so von rechts nach links wankelte. Gegen 6 Uhr begann es dann tatsächlich heller zu werden und der dunkle Nebel um einen herum lichtete sich erstmals. Witzig, die Leute um einen herum teilweise das erste Mal zu sehen, wenngleich man schon Stunden nebeneinander hergelaufen war.

Entgegen meiner ursprünglichen Erwartung brachte das hereinbrechende Tageslicht allerdings keine Erleichterung der Sache selbst, die Füße taten weh und der Wille wurde auf die Probe gestellt. In Hönow verließen uns die letzten (beiden) vor der Zielgerade in Ahrensfelde. So langsam war es richtig hell und wir zogen mit einem Tempo voran, was nicht einmal mehr die sonst so scheuen Rehe vor uns verschrecken konnte.

Die letzten Kilometer zogen sich für mich doch ganzschön doch immerhin waren die großen Plattenbauten in Marzahn in Sicht und man konnte sich das Ziel vor Augen ausmalen. Kurz vor dem Ziel bogen wir in die Straße des Friedens ein, was mich ein wenig zu besänftigen vermochte und wenige Minuten später ließ eine von weitem vorbeifahrende Tram neue Lebensgeister in mir aufsprudeln.

Wenig später sammelten wir uns für ein letztes Gruppenbild mit den übriggebliebenen 10 und verteilten uns dann auf Tram und S-Bahn. Wie meine 300m Heimweg von der Tram-Haltestelle bis zu meiner Wohnung verliefen berichte ich hier lieber nicht. Trotz der Schmerzen am Ende fand ich es eine geniale Wanderung mit so vielen lieben Menschen und einer abwechslungsreichen Strecke. Danke nochmal dafür!

mammutmarsch Gruppe Ahrensfelde

Das nächste Tagtraining über 45 km ist schon nächsten Samstag. Infos gibt es hier bei dieser Facebook-Veranstaltung.

Das nächste Nachttraining findet am 16. April 2016 statt. Hier gehts zur Facebook-Veranstaltung.

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