[:de]6. Mammutmarsch-Training: Wandergruppe sprengt Fähre![:]

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Die Planung

Ich sitze vor meinem Laptop mit einem Glas Rotwein und plane eine Wanderroute. Draußen herrscht eisige Kälte, denn es ist Dezember. Die Wanderroute ist erst für den nächsten April vorgesehen, aber man braucht ja einen Plan, um sich für den Mammutmarsch vorzubereiten. Auf GPSies und Google Maps schaue ich, wo man so lang gehen könnte, wo es schön ist. Mal hier geklickt, mal da geklickt und schon zwei Stunden später ist die 55 km-lange Runde fertig. Bei näherem Hinsehen stelle ich fest, dass es an dieser einen Stelle, wo das Gewässer Dahme überquert werden muss, gar keine Brücke gibt. Oh! Da fährt nur eine Fähre. Na gut. Warum auch nicht.

Zu diesem Zeitpunkt schaue ich trotzdem mal lieber nach den mammutmarsch-trainingsplanFahrzeiten der Fähre. Hm. Die letzte fährt abends um 20 Uhr. Das wird ja bei geschätzten 12 Stunden Wanderzeit recht knapp. Erst sehr viel später flüstert man mir über Facebook die glorreiche Idee zu, die Route einfach umzudrehen.

Vier Monate später sitze ich wieder am Rechner. Durch die Erfahrungen der letzten fünf Wanderungen habe ich festgestellt, wie wichtig Ausstiegspunkte sind. Leider hat die 55-km-Tour durch Grünau aber keine. Mist. In mühsamer Kleinstarbeit, aber diesmal ohne Rotwein, stricke ich nochmal um, suche nach öffentlichem Nahverkehr, der die Beibehaltung der Route trotzdem noch möglich macht. Finde zwei Busse, die grundsätzlich recht regelmäßig fahren sollen, aber immer mal wieder eine anderthalbstündige Pause einlegen – natürlich genau dann, wenn wir eigentlich an der Haltestelle ankommen sollte. Nochmal neu stricken. Passt irgendwie.

Ich lasse mir nochmal die Anzahl der Teilnehmer durch den Kopf gehen. Geschätzte 50. Ob die Fähre wohl Platz für so viele Leute hat? Denke bei der kurzen Strecke eher an ein nussschalenartiges Paddelboot mit Fährmann, dem man ein paar Silbertaler in die Hand drückt. Also rufe ich mal lieber bei jemandem an, der sich damit auskennt: die BVG. Die hört so eine Frage nach der Kapazität der Fähre auch nicht häufig. „Äh, da muss ich mal fragen.“ Aus „Äh“ wird 49. Ich frage, ob da noch eine 50. Person raufpasst. „Also das müssen Sie dann mit dem Käpt´n klären.“ Na schön. Im winterlichen Rotweinrausch hatte ich beim Planen der Route nicht gedacht, dass das zum Problem werden könnte…

Auf zu 55 km

Samstag morgen, 7:30 Uhr. Mein Handy klingelt. Ich bin schon seit 15 Minuten in der üblichen Aufbruchspanik, weil ich wieder so lange getrödelt habe. Nina ist am Telefon.
„Wo bist du denn? Es geht doch um 7:30 Uhr los. Hier sind schon ganz viele.“
„Nein, nein, ich habe doch die Veranstaltung auf 8:00 gelegt. Ich schließe ja gerade erst meine Haustür ab und mache mich auf den Weg.“

Heute breche ich den Rekord und bin innerhalb von 25 Minuten von Lichterfelde in Grünau angelangt. Ich husche über die Ampel zur buntgekleideten Gruppe und entschuldige mich vielmals, falls noch irgendwo 7:30 Uhr als Anfangszeit stand. Fragende Blicke. Keiner der hier Wartenden war von 7:30 Uhr ausgegangen und Nina ist nicht da.

Mammutmarschtraining 6 Fähre

Zehn nach 8 brechen wir auf Richtung Fähre. Ein paar von uns sollen wohl schon übergesetzt haben. Etwa 30 Männlein und Weiblein nehmen mit mir die Fähre um 8:18 Uhr und sehen schon die anderen auf der gegenüberliegenden Seite warten. Um etwaigen Diskussionen mit dem Käpt´n bezüglich Fährenüberlastung aus dem Weg zu gehen, hatte ich schon letzte Woche vorgeschlagen, in Etappen die Fähre zu nutzen. Da noch ein paar mehr Wanderwütige mit der nächsten Fähre und einige direkt zu dieser Seite kommen, warten wir im Rudel. Nina sehe ich aber auch hier nicht. Komisch. 62 Männer und Frauen ziehen dann los. Soviele Fährgäste hat die BVG auf dieser Linie sicher den ganzen Monat sonst nicht.

Mammutmarschtraining 6 Wandergruppe EarnYourBacon

Es geht los Richtung Müggelberge. Ich unterhalte mich eine ganze Weile mit Steffi. Sie entschuldigt sich, dass sie mich heute morgen so früh angerufen hat. Häh? Mich hat heute morgen nur Nina angerufen. Ich schau nochmal in meine Anrufliste. Zwei Anrufe von Nina. „Nein, das war doch ich“, meint Steffi. Oh man. Anscheinend hab ich sie in meinen Kontakten als Nina abgelegt. Mit Foto. Natürlich von Nina. Das kommt in dem Gewirr von Messengern schon mal vor. Kein Wunder, dass Nina nicht da war.

Das ist übrigens Steffi, nicht Nina :)
Das ist übrigens Steffi, nicht Nina 🙂

Wer schon mal mit mir unterwegs war, der kennt das schon. Ich schaffe es irgendwie immer die hügeligsten Routen zu finden. Diesmal ist ein besonderes Schmankerl dabei: die Treppen hoch zum Müggelturm. Aber nicht ganz hoch. Außer Uwe, der zieht natürlich einfach durch. Beim Anblick des Schilds „Zum höchsten Berg Berlins“ werde einige Gesichter spontan grün. Dabei geht’s heute gar nicht dort hinauf, nur herum. Ein paar Abtrünnige wollen aber auch hier das Gipfelkreuz nicht verpassen.

Mammutmarschtraining 6 Müggelberge

Hinterher geht es nach Müggelheim. Da stellen die Vordersten schon fest, dass die GPSies-Route durch ein abgeschlossenes Privatgartentor führt. Ups. Das hatten wir schon mal. Da ein kleiner Weg drumherum geht, entern wir heute mal nicht zu sechzigst den Garten.

An einem kurzen Abschnitt treffen wir zum ersten Mal auf Wasser und Lena, Uwes fitte Schäferhündin nutzt die Gelegenheit, um einen Schluck aus der Großen Krampe zu nehmen. Schon geht’s zurück in den Wald, den wir aber bald wieder verlassen müssen, da der einzige Weg über die Gosener Landstraße und den Gosener Graben führt. Jetzt kann/muss ich zum ersten Mal mein Pfeifchen einsetzen, das im Starterpaket zum Paris Marathon enthalten war. Die vordere Truppe latscht nämlich die unromantische Hauptstraße geradeaus weiter, statt scharf rechts in den grünen Wald abzubiegen. Das laute Trillern holt die Vordersten wieder zurück. Das ist wohl im klassischsten Sinne das, was man unter „jemanden zurückpfeifen“ versteht.

Ein bisschen Quantenphysik

Wir laufen entlang einer renaturieren Mülldeponie, da bekomme ich hinter mir ein Gespräch mit, in dem Wortfetzen wie Sockentheorie und Reibungskoeffizenten auftauchen. Jetzt wird’s aber wissenschaftlich. Die Wrightsocks sollen angeblich durch ihre zwei Lagen einen sehr geringen Reibungskoeffizenten haben. Na hoffentlich wissen das die Füße auch!

Die erste Pause legen wir auf einer großen Wiese ein. Natürlich wähle ich mir meinen Sitzplatz genau so aus, dass ich mich in ein Ameisennest setze. Ich bin kein großer Fan von Ameisen, zumindest nicht, wenn sie nicht durch mindestens eine Glasscheibe von mir getrennt sind. Neben Quallen sind das die Tiere auf dem Planeten, die mich am wenigsten mögen und am häufigsten ärgern. Also weg hier.
Nebenan werden Wurstbrote und Nudelsalat ausgepackt und schon die ersten Blasen versorgt und Füße mumifiziert. Es kommen immer noch ein paar Nachzügler, während die ersten schon wieder aufbrechen wollen oder einfach weiterlatschen. Wir werden also wie gehabt in mehreren Kleinstgrüppchen am Ziel ankommen.

An der Wernsdorfer Schleuse befindet sich nach 18 km der erste Ausstiegspunkt mit der Bushaltestelle. Nur eine Teilnehmerin verlässt uns hier. Wir laufen vorbei an einem alten Laden, den anscheinend jeder fotografiert hat und tauchen bald wieder in den dichten Wald ab. Der Weg, den ich mir als wunderbaren Waldweg vorgestellt hatte, ist eher eine für Waldarbeiten aufbereitete Schotterpiste, die schnurgeradeaus führt. Leider laufen wir die Piste viel länger geradeaus als ich geplant hatte, weil ganz vorn nicht nach links abgebogen wird. Sehnsüchtig schaue ich dem grasbewachsenen Weg hinterher, während ich dran vorbei ziehe. Meine Pfeife ist leider nicht mehr laut genug, weil die Vordersten schon fast außer Sichtweite sind.

Um weiteres Unglück zu vermeiden (geradeaus hätte schnurstracks in eine Sandgrube geführt), renne ich so weit nach vorn, dass die Falschläufer gerade noch in Pfeifreichweite sind. Rechts geht’s lang. Jetzt bleibe ich aber auch ganz vorn. Hin und her rennen ist doch anstrengend.

Mammutmarschtraining 6 Turm

Eine kleine Schleife führt uns zum ehemaligen NVA Treib- und Schmierstofflager. Alte heruntergekommene Gebäude säumen den Weg und wecken bei einigen den Entdeckergeist. Ich husche mal schnell einen Berg hoch. Riesige Tanks sind in den Berg eingelassen, in die Metallleitern hinunterführen. Für mehr Erkundung ist leider keine Zeit, ich bin schon wieder fast ganz hinten.

Der Weg wird jetzt recht experimentell, führt durch Dickicht und Gestrüpp und einen kleinen Graben. Dann sind wir wieder auf einem befestigten Weg, der noch zum Lager gehört. Wir lassen die letzten Gebäude, die nutzlos in der Gegend herumstehen, hinter uns liegen und machen uns auf den Rückweg.

Für die zweite Pause setzen wir uns nach 32 km ins Gras und genießen die Sonne. Füße werden versorgt, das leibliche Wohl gepflegt und Dehnübungen durchgeführt. Diesmal setze ich mich nicht in eine Ameisenkolonie, stattdessen spaziert eine Zecke über mein Handy. Gut. Zecken zählen auch nicht zu meinen Favoriten. Fehlen heute nur noch Blutegel.

Nach der Schleife kommen wir wieder an Wernsdorf vorbei, wo sich noch einige wenige dankbar verabschieden, um auf den Bus zu warten. Dass diese nie kommen werden, kann zu diesem Zeitpunkt noch keiner ahnen. Merke: verlasse dich am Wochenende nicht auf Busabfahrtzeiten außerhalb von Berlin.

Mammutmarschtraining 6 Wernsdorf Kirche

Nur noch 15 km haben wir vor uns. Das Wasser begleitet uns nun zur linken, während wir einen Spaziergang entlang des Ufers der Schmöckwitzer Halbinsel machen. Die Spitzengruppe haben wir schon wieder verloren. Ein paar finden wir dann aber im Gras lümmelnd wieder.

Die dritte und letzte Pause genießt die „Schleichergruppe“ in der Abendsonne am Seeufer. Ich ziehe jetzt auch zum ersten Mal meine Schuhe für einen Sockenwechsel aus und frage mich, warum meine Füße so aussehen, als hätte ich weder Socken noch Schuhe angehabt. Sandig, dreckig, dunkel. Jetzt schon in meine LUNA Sandalen zu schlüpfen, traue ich mich noch nicht. Sind noch zuviele Km zu gehen und ich habe mit den Dingerchen noch gar nicht trainiert. Für den Fall, dass ich meine Wanderschuhe aber nicht mehr ertrage, habe ich sie aber dennoch dabei.

Hier hätte Ihr Start sein können

Der Endspurt schrammt an Eichwalde vorbei, dem ursprünglichen Startpunkt für den Mammutmarsch 2016. So bekommt ein kleiner Teil der Teilnehmer ein wenig Eichwalder Luft zu schnuppern. Schön ist es hier allemal.

Mammutmarschtraining 6 Eichwalde
Mein Handy klingelt wieder. Steffi ist dran. Eine andere diesmal. Da sind noch zwei bei Rewe abgebogen um sich Kaffee zu holen, kennen aber den Weg nicht. Also lasse ich die anderen ziehen und warte auf die Koffeinjunkies. Mit Steffi teile ich mir mein Red Bull und frisch gestärkt holen wir die anderen bald wieder ein. Sie erzählt mir, dass sie Wrightsocks trägt und trotz niedrigem Reibungskoeffizenten Blasen bekommen hat. Ihren Füßen fehlen wohl die Kenntnisse in Socken-/Quantentheorie, sonst hätten sie gewusst, dass sie darin keine Blasen kriegen können.

Mammutmarschtraining 6 Luna Sandals

Die letzten Kilometer. Der Weg windet sich an der Krummen Lake entlang, einen Miniflüsschen mit Sumpfgebiet, das früher einmal meine Laufstrecke gewesen ist. Etwa anderthalb Kilometer vor Grünau packe ich dann doch noch meine LUNAs aus und schlüpfe hinein, obwohl es nur etwa 10 Grad warm ist. Wie wunderbar, wenn die Füße auf einmal Luft bekommen und nichts mehr reibt. Allerdings sind die Sandalen quasi ohne jegliche Dämpfung. Mehr als die kurze Strecke wäre wirklich nicht angemessen gewesen.

Das Abschlussfoto machen wir unterm Irrgarten-Schild. Es passt einfach so schön. Dann geht’s zurück über die Autobahn Richtung Badewanne. In einer Woche setzen wir noch einen drauf und wollen 65 km rocken. Ja. Wir sind schon ganz richtig im Irr(en)garten!

Mammutmarschtraining 6 Ziel

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3 Gedanken zu “[:de]6. Mammutmarsch-Training: Wandergruppe sprengt Fähre![:]

  1. Also, liebe Carola, wo du von GPSies sprichst. Gestern, als ich den Anschluss verpasste und auf mich allein gestellt war, musste ich mich gezwungenermaßen damit auseinandersetzen und war begeistert wie easy sich die App benutzen lässt und was du für eine wunderschöne Route zusammengestellt hast! Konnte gar nicht glauben, dass du die Route selber noch gae nicht gelaufen bist. Danke dafür!!! Es war wieder ein schöner Tag mit tollen Eindrücken. Leider aber wieder mal sehr blasenreich 😉

  2. Woche für Woche lese ich deine Wanderberichte sehr gerne. Mit den vielen Fotos bekommt man eine schöne Rundumsicht der Tour. Nur dabei sein kann schöner sein, es sind die winzigen Details, die eine solche Wanderung bestimmt auch nachhaltig im Gedächtnis bleiben. So wie zum Beispiel das Bild mit dem Nebel über dem Bach, was sich bei mir heute morgen festgebannt hat und mich über den Tag begleiten wird.

    Viel Erfolg noch und einen guten Start in die Woche.
    Daniel

  3. Liebe Betty, freut mich, dass sie die so gut gefallen hat wie mir. Ich würde sogar sagen, sie ist von den 7 Routen mein Favorit…wenn es nur nicht so viel zu laufen wäre 😉

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