SAXOPRINT Sachsentrail – Ein Lauf durch die Hölle

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Berliner Halbmarathon, Rennsteiglauf, 22km XLETIX Challenge… darüber kann ich nach letztem Samstag inzwischen nur lächeln. Wenn man meint, man bräuchte nach alldem aufgezählten eine neue Herausforderung, dann, ja dann läuft man den Sachsentrail. Vorzugsweise bei unmenschlichen 35 °C und praller Sonne wie diesjahr. Worte wie “Einen 6er-Pace schafft man doch immer”, “Na, unter 2:20 Stunden werden wir die 19 km ja wohl schaffen”  oder “Du willst doch jetzt nicht etwa nur gehen?” wurden ganz schnell für diesen Lauf von der Phrasenliste gestrichen.

trailheadAber wie fing der Tag eigentlich an? Auf jeden Fall ziemlich früh, denn trotz der Startzeit um 12 Uhr mussten erst noch gute 300 km Anfahrtsweg von Berlin aus in Kauf genommen werden, also Abfahrt um 7:30 Uhr. Gegen 10:20 Uhr waren wir fast vor Ort, hatten aber erstmal die schmale Kopfsteinpflasterstraße ignoriert, die auf den Rabenberg führte. Diese sah eher danach aus, als würde hier nur der Trecker zu seinem Hof hinauffahren. Nach 5 Minuten kamen wir aber am Sportpark oben an und fanden gleich einen Platz fürs Auto auf dem großzügigen Parkplatz, obwohl die Ultratrail- und Halftrail-Läufer wegen früherer Startzeiten bereits alle vor uns da waren. Vom Parkplatz, der im übrigen kostenlos angeboten wurde, war es nur ein Katzensprung zum Start-/Zielbereich. Die Startunterlagen sachsentrail_start_zielgab es wie bei kleinen Läufen gewohnt unkompliziert. Es wurde ein Stoffbeutel gereicht zusammen mit einem vielfach verwendbaren Tuch/Bandana im Sachsentrail-Print, einem Energieriegel und einem Pröbchen SebaMed Body Lotion. Sogar eine Kleiderabgabe wurde angeboten, obwohl der Parkplatz nur einen Steinwurf entfernt war.

So übersichtlich und leer wie es bei der Unterlagenausgabe war – es hatten sich gut 550 Läufer für den Ultra-, Half- bzw. Quarter-/Funtrail angemeldet – war es auch bei den sonst gewöhnlich hoch frequentierten Dixie-Toiletten. Sechs standen bereit, sechs waren leer. Sogar eine Trennung nach Geschlecht war hieran verzeichnet.

Ustreckem 11:30 Uhr, also eine halbe Stunde vor Start, fanden sich die Quartertrailer für ein kurzes Briefing ein. Im Nachhinein schade, dass ich davon keine Tonaufzeichnung habe. In authentischem Sächsisch vermittelte uns der “Instructor” folgendes: “Die gesamte Strecke ist ausgeflattert. Wenn ihr immer den Flattern nachlauft, könnt ihr euch nicht verlaufen. Da, wo keine rosa Flatter mehr sind, sind dann gelbe. Die rosanen sind uns ausgegangen. Und dort wo keine Flatter sind und ihr euch nicht sicher seid, liegen Pfeile aus Mehl aus.” Alles klar!

Um Punkt 12 flatterten wir also los. Bei 35 ° C und keinem Wölkchen am Himmel. Ich hatte mir zuvor das Höhenprofil angesehen und wusste, dass es die ersten 5 km bergab geht und danach tendentiell nur noch nach oben. Nach meinen Erfahrungen beim Rennsteiglauf plante ich, auf den Bergabpassagen Tempo zu machen und Zeit herauszulaufen für den Anstieg. Aber wohingegen ich beim Rennsteig bergab einen 5er-Pace und weniger schaffte, wollten sich hier nicht weniger als 7 Minuten/km auf meiner Laufuhr zeigen. Es ging steil über Singletrails, die teils als Downhill-Strecke genutzt werden und unzählige Wurzeln, Steine, Stöcke und Holzbrückchen verlangten einem beim Laufen volle Konzentration ab. Um sturzfrei durchzukommen, musste einfach das Tempo gedrosselt werden.sachsentrail_singletrail

Meine noch rudimentär vorhandene Muskelzerrung merkte ich schon noch, so dass ich wenig begeistert darüber war, dass sich bei den Bergabpassagen nun auch noch mein rechtes Knie mit dem altbekannten Läufersyndrom meldete. Eine Einschränkung hätte ja nun wirklich gereicht. Die Hitze tat ihr übriges und so hatte ich bereits kurz vor dem ersten Verpflegungspunkt nach gut 5 km meine beiden Softflasks mit je 225 ml komplett leer getrunken. Die Jungs dort kamen kaum hinterher, Plastikbecher mit Wasser für die ankommenden Läufer zu füllen. Mitgebrachte Wasserbehälter wurden direkt aus Flaschen wieder aufgefüllt und ich war froh, wieder fast 500 ml Wasser “an Bord” zu haben.

An dieser Stelle waren wir nun am tiefsten Punkt der Strecke angelangt und liefen am Flüsschen Schwarzwasser entlang. Mehr als einmal schaute ich sehnsüchtig zum kalten fließenden Wasser. Ich gab dem Drang nach, kurz nachdem ich mich von meiner Gruppe getrennt hatte und kletterte zum Fluss hinunter. Wie wunderbar erfrischend war das Wasser, das ich mir über Kopf, Gesicht, Arme und Rücken laufen ließ! Ich hatte eigentlich schon da das Gefühl, ich sei die letzte, aber es kamen immer noch Läufer nach mir.sachsentrail_river

Kurz nach meinem Ausflug zum Fluss standen ein paar Mitarbeiter der Bergwacht an der Strecke. Ich rang mit mir, ob ich nicht doch diesmal angesichts des Knies, der Zerrung und der Hitze die Option zum vorzeitigen Ausstieg ziehen sollte. “Ein paar Kilometer schaffst du schon noch”, dachte ich mir und lief an der Bergwacht vorbei. Wenige hundert Meter weiter – bei ca Km 6 – dann der nächste schwache Punkt: der Abzweig zum Fun-Trail. Dieser bedeutete trotz des Namens immerhin auch 9,5 km Strecke und 300 Höhenmeter, die zu bezwingen waren. Für mich hieß das, nur noch 3,5 km hinter mich bringen zu müssen statt 13. Ich dachte an die Medaille im Ziel. Und überlegte, wie ich mich wohl fühlen würde, wenn ich statt der gemeldeten Quartertrail-Distanz nur den Fun-Trail liefe. Ich hielt mir vor Augen, dass es für den Quartertrail kein Zeitlimit gibt und das war auch der Punkt, an dem ich mich selbst überzeugte, weiter zu laufen. Egal, wie lange ich brauchen würde.

Von da an stieg der Anteil an Abschnitten, die ich ging statt zu laufen, sprunghaft an. Dort, wo die Strecke eben war, versuchte ich zu laufen. Die Anstiege absolvierte ich meistens gehend, so wie alle anderen um mich herum auch. Teilweise waren die Anstiege aber auch so heftig, dass nicht mal mehr Energie zum Laufen auf der Geraden übrig war. sachsentrail_trailFehlende Energie war sowieso mein Hauptproblem, da ich meine Verpflegung für unterwegs zu Hause vergessen hatte. Normalerweise nehme ich mir für so einen Lauf ein bis zwei Päckchen Fruchtmus im Quetschbeutel mit. Ich hatte also nichts dabei, um die durch Anstrengung und Hitze leeren Energiespeicher wieder auffüllen zu können. Dass die wirklich komplett leer waren, merkte ich an der Gänsehaut, die sich trotz der Temperatur auf meinem Körper breit machte. Meine beiden Flaschen waren auch schon lange wieder leer getrunken und ich merkte an meinen trockenen Lippen die ansteigende Dehydrierung. Zwischen Verpflegungspunkt 1 und 2 lagen immerhin 7,5 km. Das war unter den herrschenden Bedingungen einfach zu viel. Zwar hatte der Veranstalter spontan noch einen Punkt eingerichtet, wo drei nette Leutchen einen Eimer kaltes Wasser mit einem Schwamm zum Benetzen anboten, aber leider kein weiteres Trinkwasser.

sachsentrail_quartertrailDie Abschnitte, an denen man der prallen Sonne ausgesetzt war, fühlten sich an als würde man im Backofen mit Grillfunktion laufen. Die Strecke an sich – wunderschön, dachte ich mir. Aber bei dem Wetter wäre ich wohl noch nicht einmal wandern gegangen. Stattdessen lief ich hier einen Wettkampf. Eigentlich völliger Wahnsinn! Nach einer gefühlten Ewigkeit dann der zweite Verpflegungspunkt. Auch hier kamen die Helfer mit dem Ausschenken nicht hinterher und reichten einfach nur noch die Wasserflaschen herüber. Isodrink gab es, von dem ich zwei Becher trank, dazu noch zwei Becher Wasser. Die Bananen waren leider schon alle, aber es gab noch Apfelspalten und Energieriegel. Bestimmt fünf Minuten stand ich hier, um alles wieder aufzufüllen…mich und meine Flaschen. Einen Riegel steckte ich mir ein, denn es lagen laut meiner Laufuhr noch 8 km vor mir. Ohne weiteren Versorgungspunkt. Ich wusste gar nicht, wie ich das noch schaffen sollte.

Etwa einen Kilometer ging es über eine Straße bergab und kurz, bevor die Strecke wieder in den Wald nach oben abbog, motivierte mich ein Helfer mit der Aussicht, es seien nur noch 5 km. Wie jetzt? Meine Uhr meinte, es seien noch 2 mehr! Eine Mitläuferin bestätigte die 5 km. Ich war selten so glücklich über “nur noch” 5 km! Langsam erschloss sich mir auch, wie es zu dieser krassen Differenz kommen konnte. Meine Uhr war noch im Modus “Autopause” und stoppte damit immer, wenn ich mich nicht bewegte. Nun kam ich teils nur noch so langsam voran, dass sie der Meinung war, pausieren zu müssen. Folglich trackte sie weder Zeit noch Distanz für diesen Moment mit. Fürs nächste Mal also merken: Autopause aus und statt der Anzeige “Timer”, bei der die Pausenzeit immer abgezogen wird, “Verstrichene Zeit” wählen, um eine realistische Angabe zu bekommen.sachsentrail_trail2

Endspurt auf den letzten Kilometern. Das Feld war inzwischen so weit auseinander gezogen, dass ich für einige Minuten weder jemanden vor noch hinter mir sah und mich fragte, ob ich noch richtig sei. Also nahm ich noch einmal alle Kräfte zusammen und die Beine in die Hand, um meine Vorläuferin wieder einzuholen. Die war den Quartertrail im letzten Jahr schon gelaufen und auch am Ende ihrer Kräfte. Und so wanderten wir gemeinsam weiter. Ab und an lief finishnoch einmal jemand an uns vorbei, aber selbst die harten Ultra- und Halftrail-Läufer gingen auf den serpentinenähnlichen Abschnitten nur noch bergauf. Als die Strecke einen harten Knick machte, gab es die Info, dass nur noch ein Kilometer übrig war. Und der ging natürlich auch bergauf. Was solls. Die paar Versuche, noch einmal Lauftempo aufzunehmen, versackten nach wenigen Metern kläglich und wir wollten uns die Kräfte sparen, um wenigstens ins Ziel zu laufen statt zu gehen. Am Kletterpark vorbei und dann ging es auf die Zielgerade. Was soll ich sagen? Auch die hatte eine gewisse Steigung und ohne die Motivation meiner Mitläuferin hätte ich möglicherweise alleine nicht genug Überwindung aufgebracht, hier hoch zu rennen.

Finisherclip

sachsentrail_caroNach satten 3 Stunden und 7 Minuten war der Kampf gewonnen und ich bekam meine ehrlich und diesmal wirklich hart verdiente Medaille. Schön zu hören war, dass es meinen Mitreisenden auch nicht viel besser gegangen war, Zitat: “Ein paar Mal hab ich gedacht, ich setze mich jetzt einfach nur noch hin und sch… drauf. Wenn ich gegangen bin, hatte ich sogar Tränen in den Augen.” Naja. Das sind eben Berliner Stimmen. Einheimische und Läufer, die Trails und Höhenmeter gewohnt sind, mögen in dem Streckenprofil weniger Herausforderung sehen. Die Hitze hatte jedoch scheinbar jedem eine gewisse Breitseite gegeben. Wie soll man auch für ein Event mit diesen Bedingungen trainieren? In der Sauna auf dem Laufband mit Steigung?  Für mich als Berliner bleibt da nur, den Teufelsberg (120 m ü. NHN) oder die Müggelberge (115 m ü. NHN) immer hoch und runter zu rennen, vorzugsweise in der Mittagshitze.

Nach getaner Arbeit labte ich mich dann am “Finisher-Buffet”. Es gab alkoholfreies und alkoholhaltiges Bier, Wasser, Apfelschorle, Cola, Bananen, Äpfel, verschiedene Sorten Kuchen, Bretzelstücken mit Käse überbacken und mehr Energieriegel. Damit setzten wir uns ins Gras und leckten unsere Wunden. Zwei schöne Wasserblasen hatten sich einmal rechts und einmal links an meinen zweitgrößtensachsentrail_verpflegung2 Zehen entwickelt. Ansonsten war ich weitestgehend wundenfrei. Der heftige Muskelkater aufgrund mangelnden Trainingszustands sollte erst noch kommen.

Sofort-Urkunden wurden im Festzelt für jeden ausgedruckt und sogar warme Duschen mit kärcherähnlichem Wasserdruck standen kostenlos zur Verfügung. Msachsentrail_verpflegunganch einer fragte sich da, warum er 80-90 € für einen Hindernislauf zahlen muss, bei dem es weder Urkunden noch Medaillen, warme Duschen, gratis Parkplätze, alkoholfreies Bier, Kuchen oder sonstiges Essen außer Bananen gibt. Die Frage ist durchaus berechtigt, wenn man bedenkt, dass der Beitrag hier gerade einmal 20 € betrug.

Der Lauf hat mir ganz klar einige Grenzen aufgezeigt. Meine eigenen und die meines Equipments. Sicherlich hätte mein Laufgurt mit den 500 ml mit je 2x nachfüllen bei normalen Temperaturen ausgereicht. Für dieses Extrem war es jedoch zu wenig, so dass ich nun doch über einen Trinkrucksack nachdenke. Denn eins weiß ich: wenn irgend möglich bin ich 2016 wieder mit dabei. Dann hoffentlich in deutlich weniger als 3 Stunden!

Steckbrief zum Wettkampf

Quartertrail Höhenprofil, Quelle: Garmin connect
Quartertrail Höhenprofil, Quelle: Garmin connect
Quartertrail, Quelle: runtastic
Quartertrail, Quelle: runtastic

Sachsentrail 2015
Sachsentrail 2015
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trailhead

Berliner Halbmarathon, Rennsteiglauf, 22km XLETIX Challenge… darüber kann ich nach letztem Samstag inzwischen nur lächeln. Wenn man meint, man bräuchte nach alldem aufgezählten eine neue Herausforderung, dann, ja dann läuft man den Sachsentrail. Vorzugsweise bei unmenschlichen 35 °C und praller Sonne wie diesjahr. Worte wie “Einen 6er-Pace schafft man doch immer”, “Na, unter 2:20 Stunden werden wir die 19 km ja wohl schaffen”  oder “Du willst doch jetzt nicht etwa nur gehen?” wurden ganz schnell für diesen Lauf von der Phrasenliste gestrichen.

Aber wie fing der Tag eigentlich an? Auf jeden Fall ziemlich früh, denn trotz der Startzeit um 12 Uhr mussten erst noch gute 300 km Anfahrtsweg von Berlin aus in Kauf genommen werden, also Abfahrt um 7:30 Uhr. Gegen 10:20 Uhr waren wir fast vor Ort, hatten aber erstmal die schmale Kopfsteinpflasterstraße ignoriert, die auf den Rabenberg führte. Diese sah eher danach aus, als würde hier nur der Trecker zu seinem Hof hinauffahren. Nach 5 Minuten kamen wir aber am Sportpark oben an und fanden gleich einen Platz fürs Auto auf dem großzügigen Parkplatz, obwohl die Ultratrail- und Halftrail-Läufer wegen früherer Startzeiten bereits alle vor uns da waren. Vom Parkplatz, der im übrigen kostenlos angeboten wurde, war es nur ein Katzensprung zum Start-/Zielbereich.

sachsentrail_start_ziel

Die Startunterlagen gab es wie bei kleinen Läufen gewohnt unkompliziert. Es wurde ein Stoffbeutel gereicht zusammen mit einem vielfach verwendbaren Tuch/Bandana im Sachsentrail-Print, einem Energieriegel und einem Pröbchen SebaMed Body Lotion. Sogar eine Kleiderabgabe wurde angeboten, obwohl der Parkplatz nur einen Steinwurf entfernt war.

So übersichtlich und leer wie es bei der Unterlagenausgabe war – es hatten sich gut 550 Läufer für den Ultra-, Half- bzw. Quarter-/Funtrail angemeldet – war es auch bei den sonst gewöhnlich hoch frequentierten Dixie-Toiletten. Sechs standen bereit, sechs waren leer. Sogar eine Trennung nach Geschlecht war hieran verzeichnet.

strecke

Um 11:30 Uhr, also eine halbe Stunde vor Start, fanden sich die Quartertrailer für ein kurzes Briefing ein. Im Nachhinein schade, dass ich davon keine Tonaufzeichnung habe. In authentischem Sächsisch vermittelte uns der “Instructor” folgendes: “Die gesamte Strecke ist ausgeflattert. Wenn ihr immer den Flattern nachlauft, könnt ihr euch nicht verlaufen. Da, wo keine rosa Flatter mehr sind, sind dann gelbe. Die rosanen sind uns ausgegangen. Und dort wo keine Flatter sind und ihr euch nicht sicher seid, liegen Pfeile aus Mehl aus.” Alles klar!

Um Punkt 12 flatterten wir also los. Bei 35 ° C und keinem Wölkchen am Himmel. Ich hatte mir zuvor das Höhenprofil angesehen und wusste, dass es die ersten 5 km bergab geht und danach tendentiell nur noch nach oben. Nach meinen Erfahrungen beim Rennsteiglauf plante ich, auf den Bergabpassagen Tempo zu machen und Zeit herauszulaufen für den Anstieg. Aber wohingegen ich beim Rennsteig bergab einen 5er-Pace und weniger schaffte, wollten sich hier nicht weniger als 7 Minuten/km auf meiner Laufuhr zeigen. Es ging steil über Singletrails, die teils als Downhill-Strecke genutzt werden und unzählige Wurzeln, Steine, Stöcke und Holzbrückchen verlangten einem beim Laufen volle Konzentration ab. Um sturzfrei durchzukommen, musste einfach das Tempo gedrosselt werden.

sachsentrail_singletrail

Meine noch rudimentär vorhandene Muskelzerrung merkte ich schon noch, so dass ich wenig begeistert darüber war, dass sich bei den Bergabpassagen nun auch noch mein rechtes Knie mit dem altbekannten Läufersyndrom meldete. Eine Einschränkung hätte ja nun wirklich gereicht. Die Hitze tat ihr übriges und so hatte ich bereits kurz vor dem ersten Verpflegungspunkt nach gut 5 km meine beiden Softflasks mit je 225 ml komplett leer getrunken. Die Jungs dort kamen kaum hinterher, Plastikbecher mit Wasser für die ankommenden Läufer zu füllen. Mitgebrachte Wasserbehälter wurden direkt aus Flaschen wieder aufgefüllt und ich war froh, wieder fast 500 ml Wasser “an Bord” zu haben.

An dieser Stelle waren wir nun am tiefsten Punkt der Strecke angelangt und liefen am Flüsschen Schwarzwasser entlang. Mehr als einmal schaute ich sehnsüchtig zum kalten fließenden Wasser. Ich gab dem Drang nach, kurz nachdem ich mich von meiner Gruppe getrennt hatte und kletterte zum Fluss hinunter. Wie wunderbar erfrischend war das Wasser, das ich mir über Kopf, Gesicht, Arme und Rücken laufen ließ! Ich hatte eigentlich schon da das Gefühl, ich sei die letzte, aber es kamen immer noch Läufer nach mir.sachsentrail_river

Kurz nach meinem Ausflug zum Fluss standen ein paar Mitarbeiter der Bergwacht an der Strecke. Ich rang mit mir, ob ich nicht doch diesmal angesichts des Knies, der Zerrung und der Hitze die Option zum vorzeitigen Ausstieg ziehen sollte. “Ein paar Kilometer schaffst du schon noch”, dachte ich mir und lief an der Bergwacht vorbei. Wenige hundert Meter weiter – bei ca Km 6 – dann der nächste schwache Punkt: der Abzweig zum Fun-Trail. Dieser bedeutete trotz des Namens immerhin auch 9,5 km Strecke und 300 Höhenmeter, die zu bezwingen waren. Für mich hieß das, nur noch 3,5 km hinter mich bringen zu müssen statt 13. Ich dachte an die Medaille im Ziel. Und überlegte, wie ich mich wohl fühlen würde, wenn ich statt der gemeldeten Quartertrail-Distanz nur den Fun-Trail liefe. Ich hielt mir vor Augen, dass es für den Quartertrail kein Zeitlimit gibt und das war auch der Punkt, an dem ich mich selbst überzeugte, weiter zu laufen. Egal, wie lange ich brauchen würde.

Von da an stieg der Anteil an Abschnitten, die ich ging statt zu laufen, sprunghaft an. Dort, wo die Strecke eben war, versuchte ich zu laufen. Die Anstiege absolvierte ich meistens gehend, so wie alle anderen um mich herum auch. Teilweise waren die Anstiege aber auch so heftig, dass nicht mal mehr Energie zum Laufen auf der Geraden übrig war.

sachsentrail_trail

Fehlende Energie war sowieso mein Hauptproblem, da ich meine Verpflegung für unterwegs zu Hause vergessen hatte. Normalerweise nehme ich mir für so einen Lauf ein bis zwei Päckchen Fruchtmus im Quetschbeutel mit. Ich hatte also nichts dabei, um die durch Anstrengung und Hitze leeren Energiespeicher wieder auffüllen zu können. Dass die wirklich komplett leer waren, merkte ich an der Gänsehaut, die sich trotz der Temperatur auf meinem Körper breit machte. Meine beiden Flaschen waren auch schon lange wieder leer getrunken und ich merkte an meinen trockenen Lippen die ansteigende Dehydrierung. Zwischen Verpflegungspunkt 1 und 2 lagen immerhin 7,5 km. Das war unter den herrschenden Bedingungen einfach zu viel. Zwar hatte der Veranstalter spontan noch einen Punkt eingerichtet, wo drei nette Leutchen einen Eimer kaltes Wasser mit einem Schwamm zum Benetzen anboten, aber leider kein weiteres Trinkwasser.

sachsentrail_quartertrail

Die Abschnitte, an denen man der prallen Sonne ausgesetzt war, fühlten sich an als würde man im Backofen mit Grillfunktion laufen. Die Strecke an sich – wunderschön, dachte ich mir. Aber bei dem Wetter wäre ich wohl noch nicht einmal wandern gegangen. Stattdessen lief ich hier einen Wettkampf. Eigentlich völliger Wahnsinn! Nach einer gefühlten Ewigkeit dann der zweite Verpflegungspunkt. Auch hier kamen die Helfer mit dem Ausschenken nicht hinterher und reichten einfach nur noch die Wasserflaschen herüber. Isodrink gab es, von dem ich zwei Becher trank, dazu noch zwei Becher Wasser. Die Bananen waren leider schon alle, aber es gab noch Apfelspalten und Energieriegel. Bestimmt fünf Minuten stand ich hier, um alles wieder aufzufüllen…mich und meine Flaschen. Einen Riegel steckte ich mir ein, denn es lagen laut meiner Laufuhr noch 8 km vor mir. Ohne weiteren Versorgungspunkt. Ich wusste gar nicht, wie ich das noch schaffen sollte.

Etwa einen Kilometer ging es über eine Straße bergab und kurz, bevor die Strecke wieder in den Wald nach oben abbog, motivierte mich ein Helfer mit der Aussicht, es seien nur noch 5 km. Wie jetzt? Meine Uhr meinte, es seien noch 2 mehr! Eine Mitläuferin bestätigte die 5 km. Ich war selten so glücklich über “nur noch” 5 km! Langsam erschloss sich mir auch, wie es zu dieser krassen Differenz kommen konnte. Meine Uhr war noch im Modus “Autopause” und stoppte damit immer, wenn ich mich nicht bewegte. Nun kam ich teils nur noch so langsam voran, dass sie der Meinung war, pausieren zu müssen. Folglich trackte sie weder Zeit noch Distanz für diesen Moment mit. Fürs nächste Mal also merken: Autopause aus und statt der Anzeige “Timer”, bei der die Pausenzeit immer abgezogen wird, “Verstrichene Zeit” wählen, um eine realistische Angabe zu bekommen.sachsentrail_trail2

Endspurt auf den letzten Kilometern. Das Feld war inzwischen so weit auseinander gezogen, dass ich für einige Minuten weder jemanden vor noch hinter mir sah und mich fragte, ob ich noch richtig sei. Also nahm ich noch einmal alle Kräfte zusammen und die Beine in die Hand, um meine Vorläuferin wieder einzuholen. Die war den Quartertrail im letzten Jahr schon gelaufen und auch am Ende ihrer Kräfte. Und so wanderten wir gemeinsam weiter. Ab und an lief noch einmal jemand an uns vorbei, aber selbst die harten Ultra- und Halftrail-Läufer gingen auf den serpentinenähnlichen Abschnitten nur noch bergauf. Als die Strecke einen harten Knick machte, gab es die Info, dass nur noch ein Kilometer übrig war. Und der ging natürlich auch bergauf. Was solls. Die paar Versuche, noch einmal Lauftempo aufzunehmen, versackten nach wenigen Metern kläglich und wir wollten uns die Kräfte sparen, um wenigstens ins Ziel zu laufen statt zu gehen. Am Kletterpark vorbei und dann ging es auf die Zielgerade. Was soll ich sagen? Auch die hatte eine gewisse Steigung und ohne die Motivation meiner Mitläuferin hätte ich möglicherweise alleine nicht genug Überwindung aufgebracht, hier hoch zu rennen.

finish

sachsentrail_caro

Finisherclip

Nach satten 3 Stunden und 7 Minuten war der Kampf gewonnen und ich bekam meine ehrlich und diesmal wirklich hart verdiente Medaille. Schön zu hören war, dass es meinen Mitreisenden auch nicht viel besser gegangen war, Zitat: “Ein paar Mal hab ich gedacht, ich setze mich jetzt einfach nur noch hin und sch… drauf. Wenn ich gegangen bin, hatte ich sogar Tränen in den Augen.” Naja. Das sind eben Berliner Stimmen. Einheimische und Läufer, die Trails und Höhenmeter gewohnt sind, mögen in dem Streckenprofil weniger Herausforderung sehen. Die Hitze hatte jedoch scheinbar jedem eine gewisse Breitseite gegeben. Wie soll man auch für ein Event mit diesen Bedingungen trainieren? In der Sauna auf dem Laufband mit Steigung?  Für mich als Berliner bleibt da nur, den Teufelsberg (120 m ü. NHN) oder die Müggelberge (115 m ü. NHN) immer hoch und runter zu rennen, vorzugsweise in der Mittagshitze.

Nach getaner Arbeit labte ich mich dann am “Finisher-Buffet”. Es gab alkoholfreies und alkoholhaltiges Bier, Wasser, Apfelschorle, Cola, Bananen, Äpfel, verschiedene Sorten Kuchen, Bretzelstücken mit Käse überbacken und mehr Energieriegel.

sachsentrail_verpflegung2

sachsentrail_verpflegung

Damit setzten wir uns ins Gras und leckten unsere Wunden. Zwei schöne Wasserblasen hatten sich einmal rechts und einmal links an meinen zweitgrößten Zehen entwickelt. Ansonsten war ich weitestgehend wundenfrei. Der heftige Muskelkater aufgrund mangelnden Trainingszustands sollte erst noch kommen.

Sofort-Urkunden wurden im Festzelt für jeden ausgedruckt und sogar warme Duschen mit kärcherähnlichem Wasserdruck standen kostenlos zur Verfügung. Manch einer fragte sich da, warum er 80-90 € für einen Hindernislauf zahlen muss, bei dem es weder Urkunden noch Medaillen, warme Duschen, gratis Parkplätze, alkoholfreies Bier, Kuchen oder sonstiges Essen außer Bananen gibt. Die Frage ist durchaus berechtigt, wenn man bedenkt, dass der Beitrag hier gerade einmal 20 € betrug.

Der Lauf hat mir ganz klar einige Grenzen aufgezeigt. Meine eigenen und die meines Equipments. Sicherlich hätte mein Laufgurt mit den 500 ml mit je 2x nachfüllen bei normalen Temperaturen ausgereicht. Für dieses Extrem war es jedoch zu wenig, so dass ich nun doch über einen Trinkrucksack nachdenke. Denn eins weiß ich: wenn irgend möglich bin ich 2016 wieder mit dabei. Dann hoffentlich in deutlich weniger als 3 Stunden!

Steckbrief zum Wettkampf

Quartertrail Höhenprofil, Quelle: Garmin connect
Quartertrail Höhenprofil, Quelle: Garmin connect

Sachsentrail 2015
Sachsentrail 2015
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5 Gedanken zu “SAXOPRINT Sachsentrail – Ein Lauf durch die Hölle

  1. Schöner Artikel. Sehr lebendig, allerdings:
    “Einen 6er-Pace schafft man doch immer” 😉 wird es nächstes Jahr wieder heißen.

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